Vega-Test
Durch den so genannten Vega-Test oder Vegatest (vegetativer Reflextest), einer von verschiedenen kommerziellen Varianten der Elektroakupunktur nach Voll (EAV), sollen tiefer liegende Ursachen einer Erkrankung herausfindbar sein, um diese dann anschließend meist homöopathisch zu behandeln. Dabei übernimmt das Testgerät meist auch gleich die Repertorisierung, also die Auswahl eines homöopathischen Mittels. Gepriesen werden in der Werbung die "ganzheitlich diagnostischen Aussagen einer erfolgreichen und zuverlässigen Testmethode, einer Synthese von Jahrtausende alter, chinesischer Heillehre und modernster westlicher Technologie". Bei den "diagnostizierten" Krankheiten handelt es sich meist um Allergien, Unverträglichkeiten von Nahrungsmitteln, Empfindlichkeiten und Unverträglichkeiten gegenüber Umweltgiften, geopathologische Belastungen, Ursachen von Schmerzzuständen, "Organschwächen", Mangelerscheinungen an Vitaminen, chronische und nicht erkannte Entzündungsherde.
Als Erfinder gilt der Nürnberger Arzt Helmut Schimmel, der die Methode in den 70er Jahren erfand.[1]
Funktionsweise
Beim Vega-Test wird, wie bei der EAV üblich, der Hautwiderstand des Patienten zwischen einer Handelektrode und einer stiftförmigen Elektrode gemessen, mit der der Behandler verschiedene Punkte an der anderen Hand abtastet. Zuvor können Ampullen mit verschiedenen Testsubstanzen (z.B. Pollen oder Toxine, aber auch herkömmliche Medikamente sind möglich) "in den Messkreislauf eingebracht" werden, wie es typischerweise heißt. Faktisch bedeutet dies lediglich, dass sich die Substanzen im Gerät oder in einer Halterung am Gerät befinden; eine sinnvolle elektrische oder anderweitige messtechnische Verbindung ist nicht gegeben. Bei der klassischen EAV nennt sich diese Prozedur "Resonanztest". Anhand einer behaupteten Reaktion des Hautwiderstandes auf verschiedene Substanzen sollen dann Rückschlüsse auf Organbelastungen, belastende Einflüsse aus dem Umfeld des Patienten und Verträglichkeit bzw. Unverträglichkeit bestimmter Stoffe für den Patienten möglich sein.
Neuere Vega-Test-Geräte arbeiten statt mit Ampullen teilweise mit einer "Ampullen-Datenbank" mit angeblichen digitalisierten "Schwingungen" von Substanzen, ähnlich wie es bei der Holopathie behauptet wird. Außerdem haben die Geräte diverse Zusatzfunktionen, etwa zur Mundstrommessung oder für einen esoterischen "Yin-Yang-Test", mit dem die Abweichung des Patienten von einem "harmonischen Gleichgewicht" festgestellt werden soll. Ferner sollen aufgrund der Diagnose "Therapieinformationen" auf eine Pappkarte mit Magnetstreifen, SI-Card genannt, übertragen werden können. Die Karte ist vom Patienten als "therapiebegleitende Maßnahme" am Körper zu tragen.
Geschichte
Im Jahr 1976 wurde in einem Versuch die EAV im Beisein von Reinhold Voll selber als manipulierbare und unzuverlässige Methode in mehreren wissenschaftlichen Versuchsreihen beurteilt. Dies hinderte Voll und andere nicht daran, das Verfahren weiter zu vermarkten und ähnliche Therapiemethoden von diesem Denkmodell abzuleiten: Vega-Test, Bioelektrische Funktionsdiagnostik (BFD), Bioelektronischer Regulationstest, Impuls-Dermographie, Decoderdermographie (Segmentelektrogramm, SEG).[2] Auch die Bioresonanztherapie kann als eine Weiterentwicklung der EAV bzw. des Vega-Tests angesehen werden.
Vegatest-Geräte wurden ursprünglich von der VEGA Grieshaber KG in 77761 Schiltach gefertigt, die seit 1997 auch Inhaberin der Wortmarke VEGATEST ist. Seit 2007 werden die Geräte von der Wegamed GmbH in Essen unter der Bezeichnung Test expert plus vermarktet. Im Lieferprogramm von Wegamed sind außerdem ähnliche pseudomedizinische Geräte, z.B. eine Apparatur mit dem Namen Check medical sport zur Decoderdermographie.
Studienlage
In einer Studie aus dem Jahr 2001 wurde die Zuverlässigkeit von mittels Vegatest gewonnenen Diagnosen untersucht. 15 Freiwillige, von denen bekannt war, dass sie unter einer Hausstaubmilbenallergie oder einer Katzenhaarallergie litten und 15 beschwerdefreie, im seriösen Skin Prick-Test negative Freiwillige ließen sich von 3 Vega-Testern in je 3 Sitzungen auf 6 Substanzen unter Standardbedingungen testen. Bei allen 3 Vega-Testern gelang keinerlei Unterscheidung zwischen Allergikern und Nichtallergikern. Kein einziger Patient erhielt eine korrekte Diagnose. Das Ergebnis überrascht nicht. Ähnliche seriöse Untersuchungen waren seit Einführung der Methode bis heute mehrfach zum selben Ergebnis gekommen.[3]
1997 wurden die Ergebnisse einer Doppelblindstudie von M.H. Schöni und Mitarbeitern aus der Alpinen Kinderklinik Davos publiziert. Sie untersuchten während eines stationären Behandlungsaufenthaltes in Davos 32 Kinder mit atopischer Dermatitis (AD), entsprechend Alter, Geschlecht und Schweregrad der AD (Scoring nach Costa) randomisiert, mit einer doppelblind-aktiven (A) oder Plazebobehandlung (P) mit Bioresonanz (Bicom-Gerät). Unter den Bedingungen der gewählten randomisierten Doppelblindstudie (randomized paired double-blind study) ließ sich kein Effekt der Bioresonanz statistisch sichern. Die Autoren schließen daraus, dass in Anbetracht der hohen Behandlungskosten und der falschen Versprechungen der Befürworter dieser Therapie, diese Art von (Schein-)Behandlung nicht bei Kindern mit AD eingesetzt werden sollte.[4]
Anwendung in der Tiermedizin
Der Vega-Test wird vermehrt auch von Tierärzten und Tierheilpraktikern angewendet und vom Hersteller auch ausdrücklich für diesen Zweck beworben. Überwiegend erfolgt eine "Diagnose" anhand von Haar- oder Speichelproben, die mit dem Gerät "getestet" werden. Beliebt sind außerdem Ferndiagnosen aufgrund einer eingeschickten Haarprobe und eines Fotos des erkrankten Tieres. Der Einsender erhält neben einer Rechnung über ca. 100 Euro eine Liste mit Futtersubstanzen, gegen die das Tier angeblich allergisch ist, aber auch Ferndiagnosen schwererer Erkrankungen wie z.B. Bauchspeicheldrüsenentzündung werden von Hundebesitzern berichtet. Auf dem Test basierende Behandlungsempfehlungen sind zumeist alternativmedizinischer Art, z.B. Homöopathie. Auch wird manchmal empfohlen, am Halsband von erkrankten Tieren die oben gezeigte SI-Karte zu befestigen, die dazu gegebenfalls in der Größe zurechtgeschnitten werden kann.
Literatur
- George T Lewith, Julian N Kenyon, Jackie Broomfield, Philip Prescott, Jonathan Goddard, and Stephen T Holgate: Is electrodermal testing as effective as skin prick tests for diagnosing allergies? A double blind, randomised block design study. BMJ 2001;322:131
- B. Wüthrich, P.C. Frei, A. Bircher, C. Hauser, W. Pichler, P. Schmid-Grendelmeier, F. Spertini, D. Olgiati, U. Müller: Bioresonanz – diagnostischer und therapeutischer Unsinn. Stellungnahme der Fachkommission der Schweizerischen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie (SGAI) zu den Bioresonanz- und Elektroakupunkturgeräten zur Diagnostik und Therapie von (vermeintlichen) Allergien, Schweizerische Ärztezeitung 2006;87: 2, 50
- Kofler H, Ulmer H, Mechtler E, Falk M, Fritsch PO: Bioresonanz bei Pollinose. Allergologie 1996; 19: 114–122
- Bergold O. Der sog. Medikamententest in der Elektroakupunktur, Zeitschrift für Allgemeinmedizin, 52, 312-322, 1976
- Schoni MH, Nikolaizik WH, Schoni-Affolter F: Efficacy trial of bioresonance in children with atopic dermatitis. AD: Alpine Children's Hospital Davos, Switzerland. Int-Arch-Allergy-Immunol. 1997 Mar; 112(3): 238-46 ISSN: 1018-2438
- Stephen Barrett: Quack "Electrodiagnostic" Devices
- Kleine-Tebbe, Jörg: Spezifische Immuntherapie bei IgE-vermittelten allergischen Atemwegserkrankungen: Schlusswort. Dtsch Arztebl 2003; 100(24): A-1688
- Kleine-Tebbe, Jörg; Lepp, Ute; Niggemann, Bodo; Werfel, Thomas: Nahrungsmittelallergie und -unverträglichkeit: Bewährte statt nicht evaluierte Diagnostik. Dtsch Arztebl 2005; 102(27): A-1965 / B-1660 / C-1564
Weblinks
Quellenverzeichnis
- ↑ Katelaris, CH; Weiner, JM, Heddle, RJ, Stuckey, MS, Yan, KW (1991): Vega testing in the diagnosis of allergic conditions. Med J Aust. 1991 Jul 15;155(2):113-4
- ↑ http://www.neuro24.de/show_glossar.php?id=1741
- ↑ George T Lewith, Julian N Kenyon, Jackie Broomfield, Philip Prescott, Jonathan Goddard, and Stephen T Holgate: Is electrodermal testing as effective as skin prick tests for diagnosing allergies? A double blind, randomised block design study. BMJ 2001;322:131
- ↑ B. Wüthrich, Zürich, Dr. Karl Feistle / Allergologie, Jg. 20 (1997), Nr. 6, S. 314