Spagyrik
Spagyrik bezeichnet verschiedene pseudomedizinische Konzepte, die sich auf die Alchemie beziehen.
Der Begriff Spagyrik kommt aus dem Griechischen und besteht aus spagein (trennen) sowie ageirein (verbinden). Vermutlich wurde der Begriff durch Paracelsus, den Schöpfer der Iatrochemie, geprägt.
Allgemeines
Spagyrik nennt man den Teil der Alchemie, der sich mit Hilfe überlieferter alchemistischer Verfahren der aufwendigen Fertigung von Medikamenten und Tinkturen widmet. Es handelt sich um Verfahren, die sich beträchtlich sowohl von denen der Hochschulmedizin und der Pflanzenheilkunde als auch von denen der Homöopathie unterscheiden. Die Fertigungsschritte Gärung, Destillation, Reinigung, Veraschung und Zusammenführung – an sich schon zeitaufwändiger als die meisten heute üblichen medizinischen Herstellungsverfahren – müssen zudem noch in Harmonie mit bestimmten kosmozyklischen Abläufen wie dem Stand von Sonne, Mond und Planeten durchgeführt werden. Eisklares Wasser wird in Spiralen über sieben Ringe geleitet, die die Information von sieben verschiedenen Metallen enthalten, welche wiederum mit den sieben Planeten in Beziehung stehen. Dann fließt das auf diese Weise energetisierte Wasser durch Holzrinnen zu Feldern und Gärten mit den unterschiedlichsten Heilpflanzen. Zu bestimmten Zeiten, im Rhythmus der Auf- und Untergänge von Sonne und Mond, werden die Heilpflanzen bewegt, um die polaren Kräfte dieser Gestirne in den Pflanzensäften harmonisch zu entfalten. Nach Destillation, Reinigung und anderen Fertigungsschritten sind die Pflanzen, Mineralien und Metalle in eine spagyrische Tinktur verwandelt.
Die Verbindung der Spagyrik zu Alchemie, Numerologie und esoterischer Kosmologie ist offensichtlich. Allein die Behauptung, Wasser könne "energetisiert" werden, ist aus physikalischer Sicht unhaltbar.
Die Spagyrik wurde durch den Eisenbahningenieur Carl Friedrich Zimpel (1801-1879) im 19. Jahrhundert neu belebt. Dieser ohne Ausbildung zum Dr. med. promovierte Arzt arbeitete auf der Basis der Humoralpathologie zu einer Zeit, als es in Deutschland keine standardisierte Ausbildung für Ärzte und Mediziner gab bzw. totale Kurierfreiheit herrschte.
Die Szene näherte sich während des III. Reichs der Homöopathie-Szene an und konnte im Nachkriegs-Deutschland durch enge politische Kontakte erreichen, einen Ausnahmetatbestand im Arzneimittelsystem zu etablieren. Da einige Mittel, die zur Herstellung von Spagyrika notwendig sind, von der Zulassungskomission, die das Homöopathische Arzneimittelbuch (HAB) erarbeitete, in das HAB eingeführt wurden, war es einschlägigen Firmen möglich, aus diesen Substanzen hergestellte Mittel ohne Wirksamkeitsnachweis in Deutschland legal in den Verkehr zu bringen. Diese Sonderstellung haben die Spagyrika (wie auch Homöopathika und Anthroposophika) bis heute erhalten können, da trotz der Reformbemühungen im Gesundheits- und Arzneimittelsektor Deutschlands solche Präparate auch bei fehlendem Wirksamkeitsnachweis in den Handel gebracht werden dürfen.
Laut Stiftung Warentest liegen keinerlei Belege für eine therapeutische Wirksamkeit für Methoden aus dem Bereich der Spagyrik vor.[1]
Moderne Vermarktung
Wie bereits vor über hundert Jahren werden auch heute noch viele Erscheinungsformen der Spagyrik mit oftmals eigenen Herstellerfirmen und eigenen Bezeichnungen beobachtet. Einige von ihnen sind zugelassene Hersteller aus dem Bereich besondere Therapieeinrichtungen und dürfen Spagyrika ohne wissenschaftlichen Nachweis der Wirksamkeit wie Homöopathika rezeptfrei anbieten.
- Spagyrik nach Bernus (Soluna GmbH, Donauwörth) nach Alexander von Bernus
- Spagyrik nach Glückselig (Phönix, Bondorf) nach Conrad Johann Glückselig (1864 - 1934)
- Spagyrik nach Ulrich-Jürgen Heinz (Heinz Spagyrik)
- IFAS-Spagyrik (Institut für angewandte Spagyrik, Hanau)
- Spagyrik nach Krauß (ISO Arzneimittel GmbH, Ettlingen) nach Theodor Krauß (1864-1924) und Johannes Sonntag
- Spagyrik nach Lemasor (Lemasor GmbH, Püttingen) nach Heilpraktiker Thomas Bönschen
- Spagyric nach Pekana (Pekana Naturheilmittel GmbH, Kißlegg) nach Peter Beyersdorff
- Solitaire-Spagyrik (Solitaire, Kirchzell) nach Achim Stockhardt
- Spagyrik nach Strathmeyer (Strath Labor, Donaustauf) nach Walter Strathmeyer (1899-1969)
- Spagyrik nach Zimpel (Staufen Pharma, Göppingen) nach Carl Friedrich Zimpel
Clustermedizin als neue Variante
Eine neue Variante der Spagyrik ist die so genannte Clustermedizin, die von dem Heilpraktiker Ulrich-Jürgen Heinz aus seiner vorherigen "Heinz-Spagyrik" entwickelt wurde. Das Verfahren benutzt zur diagnostischen Informationsgewinnung Proben von Körpersubstanzen (z.B. Blut oder Urin), welche kristallisiert werden. Dabei entstehende Muster (so genannte Graphen oder fraktalgeometrische und geometrische Muster) werden zur Diagnose herangezogen. Anhand des ermittelten "Codes" wird auf Erkrankungen, organische Störungen, Toxinbelastungen, Vitamin- und Mineralienmangel geschlossen. Auch soll die Diagnostik eine Darstellung der Persönlichkeit des betreffenden Patienten ermöglichen. Da auf dieser Basis durchaus ernsthafte Diagnosen und entsprechende therapeutische Konsequenzen gefolgert werden, können Patienten durch Unterlassen angemessener Therapien Schäden erleiden.
Siehe auch
Weblinks
- Joachim Bandlow: TAM, traditionelle abendländische Medizin 2010
- Colin Goldner: Spagyrik/Clustermedizin: Vergebliche Suche nach dem "Universalmittel" SZ Wissen 13.05.2010
Quellennachweise
Dieser Text ist ganz oder teilweise von Paralex übernommen