Horvi-Enzym-Therapie
Die Horvi-Enzym-Therapie (HET, Schlangengift-Therapie, engl. Horvi-enzyme therapy, auch Toxin-Enzym–Therapie) ist eine außerwissenschaftlich-alternativmedizinische Therapie mit so genannten Horvi-Enzymen, die aus Schlangengiften und anderen Giften hergestellt werden. Nach Ansicht der zahlreichen Anbieter soll diese Methode insbesondere gegen Krebs und einer erstaunlich großen Zahl weiterer Krankheiten wirksam sein. Die Wundermethode ist wissenschaftlich nicht anerkannt, da kein neutraler Wirksamkeitsnachweis bekannt ist. Fachliteratur zum Thema ist unauffindbar (Stand 2012).
Hergestellt werden die Horvi-Enzyme von der holländischen Horvi-EnzyMed Holland B.V.[1] mit Vertretung auch in Deutschland. Vorher wurden entsprechende Mittel von einer Firma Horvi-Chemie[2] hergestellt, bis die Zulassung der Horvi-Mittel im Juni 2003 erlosch und von der Firma eine Nachzulassung nicht erwogen wurde. Horvi-Enzyme sind auch über einen Webshop erhältlich. Nach Angaben des Herstellers sei dieser aufgrund einer angeblichen diskriminierenden Gesetzgebung aus Deutschland vertrieben worden[3] und habe sich 2003 in den Niederlanden niederlassen müssen, nachdem das Unternehmen in Horvi-EnzyMed Holland B.V. umbenannt wurde.
Die Methode wurde in den 1930er Jahren durch den Apotheker und Chemiker Waldemar Diesing an einem privaten Institut für experimentelle Tierforschung (Horvi-Chemie) erfunden. Diesing isolierte Gifte von Schlangen, Spinnen, Skorpionen und anderen giftigen Tierarten und soll bestimmte Enzyme bzw. Enzymgemische in den jeweiligen Giften entdeckt haben.
Um die toxischen Wirkungen und mögliche allergische Reaktionen zu verhindern, soll bei der Herstellung durch ein spezielles Verfahren der Einweißanteil des Giftes weitgehend entfernt werden ("Enteiweißung"). Da Enzyme jedoch stets Eiweiße sind, würde dies bedeuten, dass die Enzyme bei der Herstellung sämtliche enzymatische Aktivität verlieren würden und es sich dann auch nicht mehr um eine Therapie mit Enzymen handeln kann. Bei oral eingenommenen Enzymen kann auch von einer im menschlichen Körper erfolgenden Deaktivierung der Enzyme durch Proteolyse zu Aminosäuren ausgegangen werden, was das Konzept zusätzlich fragwürdiger macht.
Die in den einzelnen Mitteln genannten Konzentrationen von einzelnen Toxinen und Giften sind sehr gering und liegen ungefähr im Bereich der untersten homöopathischen Potenzen. Die Anbieter verstehen ihre Therapie aber ausdrücklich nicht als eine Variante der Homöopathie. Ähnliche Annahmen zu positiven Wirkungen von eigentlich schädlichen Substanzen oder schädlichen Einflüssen anderer Art (etwa ionisierende Strahlung) finden sich im Prinzip der Hormesis (zum Beispiel Radon-Balneologie), auf die sich die Horvi-Enzymatiker aber ebenfalls nicht beziehen.
Die Horvi-Enzym-Therapie war auch Gegenstand einer juristischen Auseinandersetzung. Ein Patient klagte vor dem Verwaltungsgericht Saarlouis, weil er sich Horvi-Enzym C300 von der Beihilfe erstatten lassen wollte, da ihm ein Arzt das C300-potenzierte Mittel (Verdünnung 1:100 hoch 300) zur vermeintlichen Krebsbehandlung verschrieben hatte. Das Gericht entschied 2010 (VG Saarlouis Urteil vom 9.9.2010, 3 K 573/09):
- "Mittel, deren Wirksamkeit aus therapeutischer Sicht nicht anerkannt ist, sind daher gemäß Nr. 4.1 der Richtlinien zu § 5 Abs. 2 Buchstabe a BhVO regelmäßig nicht beihilfefähig."[4]
Chemische Zusammensetzung
Die einzelnen Mittel enthalten diverse Gemische tierischer Toxine im Mikrogrammbereich (bzw. Nanogrammbereich), pflanzliche Öle, Vitamine und Mineralien.
Annahmen zum postulierten Funktionsprinzip
Auf Basis der Annahme, dass Krankheiten ursächlich durch einen Enzymmangel ausgelöst würden, entwarf Diesing ein therapeutisches Konzept seiner heilenden Horvi-Enzyme, quasi als Ersatz für angeblich fehlende Enzyme. Auch seien die zu erwerbenden Enzyme im menschlichen Körper als Reparatur-Trupps unterwegs, um Schäden zu beheben. Da laut Angabe des Herstellers Diesing konkrete, detaillierte Einblicke in die Enzym-Prozesse, aufgrund des damaligen Forschungsstandes verwehrt worden seien, konnte dieser offenbar nur Vermutungen zum Wirkprinzip anstellen. Später sollen sich allerdings unbekannt gebliebene unabhängige Forscher des Diesing-Konzeptes angenommen haben, um seine Wirksamkeit zu beweisen. Ansonsten wird auf anekdotische Patientenberichte verwiesen, die stets postiv ausfallen.
Bei Tumorzellen soll laut Hersteller ein spaltendes Ferment namens Diphosphopyridinnucleotid wirksam sein, das in Schlangengiften enthalten sei. Dieses hemme selektiv die Glykolyse von Krebszellen.
Anwendung
Die Anwendung erfolgt in Form der Einnahme von Tropfen, die laut Hinweis der Firma Horvi-EnzyMed mindestens eine bis drei Minuten im Mundraum verbleiben sollen oder auch in Form von Injektionen (sc/im), Tabletten und Salben.
Typische Horvi-Mittel sind:
- Horvi-enzyme Crotalus
- Horvi-Curare
- Horvi-enzyme Horvitrigon
- Horvi-enzyme Ammodytes
- Horvi-enzyme Bitis
- Horvi-Serpalgin
usw.
Genannte Indikationen
Genannt werden Erkrankungen unterschiedlichster Art wie: Krebs, M. Parkinson, Rheuma, Herzinfarkt, Herzinsuffizienz, Thrombosen, Warzen, art. Hypertonie, Hysterie, Asthma, Arthrose, Impotenz, Schizophrenie, Haarausfall usw.
Siehe auch
- Amanita-Therapie mit Giften des grünen Knollenblätterpilzes
- biochemische Homöopathie nach Lenger
- Escozul-Therapie
Literatur
- Waldemar Diesing: Schlangen-Reintoxine und ihre Bedeutung für die Heilkunde, Georgensgmünd, Horvi-Chemie, 3. Aufl., 1993
- Diesing, Waldemar, Schlangenenzyme und ihre Bedeutung für die Heilkunde, 4. Aufl., 2006
Quellennachweise
- ↑ Horvi-EnzyMed Holland B.V. Leeuwerik 2, NL-3191 DL Hoogvliet
- ↑ Horvi Chemie Dr. W. Diesing, An Der Papiermühle 1, 91166 Georgensgmünd
- ↑ http://www.naturmednet.de/forum/messages/999.html
- ↑ http://www.rechtsprechung.saarland.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=sl&nr=2993