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Neuerdings wird bevorzugt ein anderes Erklärungsmodell herangezogen, das auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen soll. Nach Flanagans Ansicht sollen die der Haut zugeführten Signale den Hörnerv "umgehen" und vom Sacculus, einem Teil des [https://de.wikipedia.org/wiki/Gleichgewichtsorgan Gleichgewichtsorgans] im Innenohr, aufgenommen und in einen Höreindruck umgesetzt werden. Er und andere Vertreiber berufen sich dabei auf eine umstrittene Studie, die 1991 an der Universität Virginia durchgeführt wurde (Lenhardt et al.<ref>Lenhardt ML, Skellett R, Wang P, Clarke AM. Human ultrasonic speech perception. Science. 1991 Jul 5;253(5015):82-5. doi: 10.1126/science.2063208</ref>). Man verwendete hier auf eine Ultraschallfrequenz amplitudenmodulierte Sprachsignale und beschallte damit direkt den Schädelknochen. Dabei wurde spekuliert, es könne neben der Cochlea noch einen anderes Organ für die Schallwahrnehmung verantwortlich sein: der Sacculus, ein Teil des Gleichgewichtsorgans. Das hätte man anhand von Hörtests an Gehörlosen festgestellt, die eine ähnliche Hörschwelle wie normal Hörende hätten.
 
Neuerdings wird bevorzugt ein anderes Erklärungsmodell herangezogen, das auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen soll. Nach Flanagans Ansicht sollen die der Haut zugeführten Signale den Hörnerv "umgehen" und vom Sacculus, einem Teil des [https://de.wikipedia.org/wiki/Gleichgewichtsorgan Gleichgewichtsorgans] im Innenohr, aufgenommen und in einen Höreindruck umgesetzt werden. Er und andere Vertreiber berufen sich dabei auf eine umstrittene Studie, die 1991 an der Universität Virginia durchgeführt wurde (Lenhardt et al.<ref>Lenhardt ML, Skellett R, Wang P, Clarke AM. Human ultrasonic speech perception. Science. 1991 Jul 5;253(5015):82-5. doi: 10.1126/science.2063208</ref>). Man verwendete hier auf eine Ultraschallfrequenz amplitudenmodulierte Sprachsignale und beschallte damit direkt den Schädelknochen. Dabei wurde spekuliert, es könne neben der Cochlea noch einen anderes Organ für die Schallwahrnehmung verantwortlich sein: der Sacculus, ein Teil des Gleichgewichtsorgans. Das hätte man anhand von Hörtests an Gehörlosen festgestellt, die eine ähnliche Hörschwelle wie normal Hörende hätten.
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Die Deutung, es müsse neben der Hörschnecke Cochlea ein anderes Organ für die Hörwahrnehmung geben, wurde heftig kritisiert.<ref>[https://www.science.org/doi/epdf/10.1126/science.1549785 Dobie RA, Wiederhold ML. Ultrasonic hearing. Science. 1992 Mar 20;255(5051):1584-5. doi: 10.1126/science.1549785]</ref> Zum einen wäre die Messtechnik zu ungenau, um die Hörschwelle genau genug feststellen zu können, zum anderen wurde die Hörschwelle sehr hoch angesetzt. Zudem waren die angeblich Gehörlosen größtenteils nur mittel schwerhörig (nicht taub). Es wurde auch die schon lange bekannte Tatsache ausgeblendet, dass Ultraschallwellen in einem nichtlinearen Medium demoduliert und normalakustisch vom Innenohr wahrgenommen werden (s.u.). Dies wurde in der Studie lediglich als alternative Möglichkeit angenommen. Auch sei bekannt, dass der Sacculus Schwingungen wahrnehmen kann, aber nur im sehr niederfrequenten Bereich. Eine alternative Hörwahrnehmung über den Sacculus hat ansonsten keinerlei Bestätigung. Es wurde auch kritisiert, dass wichtige Kontrollversuche fehlen. Auch Lenhardt selbst, der die Aussagekraft seiner Studie aufgrund mangelhafter Messungenauigkeit einschränkt, konnte keine weiteren Belege erbringen.  
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Die Deutung, es müsse neben der Hörschnecke Cochlea ein anderes Organ für die Hörwahrnehmung geben, wurde heftig kritisiert.<ref>[https://www.science.org/doi/epdf/10.1126/science.1549785 Dobie RA, Wiederhold ML. Ultrasonic hearing. Science. 1992 Mar 20;255(5051):1584-5. doi: 10.1126/science.1549785]</ref> Zum einen wäre die Messtechnik zu ungenau, um die Hörschwelle genau genug feststellen zu können, zum anderen wurde die Hörschwelle sehr hoch angesetzt. Zudem waren die angeblich Gehörlosen größtenteils nur mittel schwerhörig (nicht taub). Es wurde auch die schon lange bekannte Tatsache ausgeblendet, dass Ultraschallwellen in einem nichtlinearen Medium demoduliert und normalakustisch vom Innenohr wahrgenommen werden (s.u.). Dies wurde in der Studie lediglich als alternative Möglichkeit angenommen. Auch sei bekannt, dass der Sacculus Schwingungen wahrnehmen kann, aber nur im sehr niederfrequenten Bereich. Eine alternative Hörwahrnehmung über den Sacculus hat ansonsten keinerlei Bestätigung. Es wurde auch kritisiert, dass wichtige Kontrollversuche fehlen. Auch Lenhardt selbst, der die Aussagekraft seiner Studie aufgrund mangelhafter Messungenauigkeit einschränkt, konnte keine weiteren Belege erbringen. In einer Studie japanischer Wissenschaftler, die die von Lenhardt behaupteten Effekte überprüften, konnte die Vorstellung, ein anderes Organ als die Cochlea sei an der Hörwahrnehmung beteiligt, widerlegt werden.<ref>Kiyoshi Fujimoto, Seiji Nakagawa, Mitsuo Tonoike, Nonlinear explanation for bone-conducted ultrasonic hearing, Hearing Research, Volume 204, Issues 1–2, 2005, Pages 210-215, ISSN 0378-5955 [https://doi.org/10.1016/j.heares.2005.02.004]</ref>
    
Obwohl die Aussage, man könnte Ultraschallwellen mit dem Sacculus wahrnehmen, nur als Spekulation geäußert wurde, die zudem auf einem methodisch fehlerhaften Studiendesign beruhte, wird diese Behauptung von Vertretern des Neurophone und ähnlicher Geräte als Gewissheit verkauft. Man möchte so andeuten, dass man das Gehör umgehen könnte, um den Gehirn "ungefilterte" Informationen zukommen zu lassen. Spätestens hier hat man allerdings den Rahmen dessen, was die Studie nur als Spekulation andeutet, weit hinter sich gelassen.
 
Obwohl die Aussage, man könnte Ultraschallwellen mit dem Sacculus wahrnehmen, nur als Spekulation geäußert wurde, die zudem auf einem methodisch fehlerhaften Studiendesign beruhte, wird diese Behauptung von Vertretern des Neurophone und ähnlicher Geräte als Gewissheit verkauft. Man möchte so andeuten, dass man das Gehör umgehen könnte, um den Gehirn "ungefilterte" Informationen zukommen zu lassen. Spätestens hier hat man allerdings den Rahmen dessen, was die Studie nur als Spekulation andeutet, weit hinter sich gelassen.
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