Atlasprofilax

Atlasprof Schümperli

Atlasprofilax ist eine umstrittene Methode ("mit einem Knacks gesund") zur Behandlung einer angeblichen oder tatsächlichen Fehlstellung oder Luxation des ersten Halswirbels (Atlas), die seit 1993 auf den Schweizer René-Claudius Schümperli (geb. 16. Februar 1940) zurückgeht und wissenschaftlich nicht anerkannt ist. Die Krankenkassen erstatten die Kosten wegen fehlenden Wirksamkeitsnachweises nicht. Von Schümperli ist bekannt, dass er als Hilfsarbeiter, Kurtaxenkassierer, Skiliftmitarbeiter und Kellner arbeitete. Eine medizinische Qualifikation ist nicht bekannt geworden.

Bezüge bestehen zur Vitalogie (Vitalpraktiker), Vitametik und Chiropraktik. Ein ähnliches Konzept verfolgen die Verfahren Atlastherapie nach Arlen, Atlantotec, Atlaslogie, Atlasrepos, Atlasreflex, Atlas-Orthogonal, UPC Spine, Atlas Orthogonality von Roy Sweat und H.I.O. ("Hole in one"-Methode des US-amerikanischen Chiropraktikers Barlett Joshua Palmer, 1882-1961). Den genannten Verfahren um den Atlas ist gemein, dass die "Atlas-Spezialisten" meist über keine medizinische Ausbildung verfügen. Regelmäßig werden medizinische Laien für die entsprechenden Ausbildungskurse angeworben. Absolventen dürfen sich Atlasprofs nennen. Altlasprofilax und Atlasprof sind geschützte Marken.[1]

Beworben wurde das Atlasprofilax-Konzept u.a. im rechts-scientologischen Neue Impulse Treff sowie in der esoterischen Zeitenschrift.

Schümperli-Vermutung

Nach Schümperli soll bei fast allen Menschen (99%) der erste Halswirbel (Atlas) bereits ab der Geburt komplett "ausgerenkt" sein. Damit kann jedoch nicht der medizinische Begriff der Ausrenkung gemeint sein, da eine Ausrenkung auch gerissene Bänder beinhaltet, was hier nicht der Fall ist. Die beiden den Kopf tragenden Gelenke (zum Schädel hin mit dem Hinterhauptsbein und nach unten mit dem Axis) wären demnach zusammen mit dem ersten Halswirbel (Atlas) also eine Art Fehlkonstruktion der Natur. Der ausgerenkte Wirbel soll nach Schümperli eine "Verminderung des Volumens des Schädellochs und des Wirbelkanals" auslösen. Dadurch seien Rückenmark, verschiedene Hirnnerven und andere Nervenbahnen einem Dauerdruck ausgesetzt, erklärt Schümperli. Die Folge sei: "Die vom Hirn zum Körper und zurück fließenden Nervenimpulse werden so reduziert, verfälscht und sogar unwirksam gemacht", und daraus resultierten dann angeblich chronische Müdigkeit, Depressionen, Migräne sowie natürlich Nacken- und Rückenschmerzen. Der luxierte Atlas führe sogar zum Beckenschiefstand durch einseitig verkürzte Beine und zu Bandscheibenbeschwerden. Schümperli geht davon aus, dass der Atlaswirbel in der Regel so ausgerenkt sei, dass er auf einer Seite hinter den Processus styloideus zu liegen kommt. Das sei der Grund, weshalb der Atlas laut Schümperli nicht von selbst wieder in die korrekte Position zurückkehren könne. Bis heute gibt es für diese Behauptung keinerlei Belege, etwa in Form von CT-Aufnahmen.

Nach Schümperlis Methode könne nun der Atlas mittels einmaliger(!) Anwendung für alle Zeiten völlig risikolos und sanft in die "richtige Lage" zurück versetzt werden. Schümperli nutzt hier die Tatsache aus, dass bei nicht wenigen Menschen Verspannungen im Bereich der Halswirbelsäule zu beobachten sind, die jedoch nichts mit einer etwaigen "Luxation" des Atlas zu tun haben.

Die Atlasprofilax-Methode ist ein typisches Beispiel einer alternativmedizinischen Krankheitserfindung.

Methode

 
mechanischer Activator aus der Chiropraxis
 
elektrischer Activator
 
Elektrisches "Atlantotec-Massagegerät" (Bildquelle: Webseite Atlantotec)

Pseudodiagnostisch weist Schümperli seine "Ausrenkungen" durch eine Palpation sowie einen umstrittenen Beintest nach.

Therapeutisch handelt es sich im eigentlichen Sinne um eine Massage der kurzen Nackenmuskulatur, die möglicherweise bestehende Verspannungen lösen und angeblich die "Selbstheilungskräfte" stärken soll. Der Kopf des Kunden wird mit einer Hand Richtung Bauch gedrückt und der obere Hals mit einem geheimnisvollen Vibrator-Massagestab aus Metall (auch bekannt als Activator) traktiert, der über ein Kabel elektrisch versorgt sein soll. Von Kunden der Atlasprofilax-Methode ist bekannt, dass diesen der Massagestab nicht gezeigt, sondern nur hinter ihrem Rücken verborgen angewandt wird. Die Geheimnistuerei um dieses Instrument soll offenbar den Nimbus dieser Methode erhöhen.

Schümperli ist davon überzeugt, dass sich ein von seiner Methode "richtig korrigierter Atlas" in der Zukunft nicht wieder ausrenken könne. "Nach der Korrektur des Atlas kann auch das Gehirn endlich ungestört wirken", so Schümperli.

Als Nebenwirkung werden von Patienten Hämatome durch die Einwirkung des Vibrators angegeben.

Berufsbezeichnung Diplom Atlas-Spezialist

Die Werbung mit der eigenen Berufsbezeichnung "Diplom Atlas-Spezialist" (Atlas Academy Switzerland nach Schümperli) gilt rechtlich als irreführende Werbung mit Diplom[2], weil er den unzutreffenden Eindruck erweckt, dass das "Diplom" aufgrund feststehender Prüfungsanforderungen und durch eine staatliche Stelle verliehen worden sei. Unerheblich ist, ob die Bezeichnung nach Schweizer Recht verliehen werden oder ob die Bezeichnung nach Schweizer Recht in der Schweiz geführt werden darf. Dieses Urteil wurde vor dem LG Frankfurt a.M. von einer Verbraucherschutzorganisation erstritten. Die Berufsbezeichnung "diplomierter Atlas-Spezialist" darf daher in der Werbung nicht verwendet werden. Nach der Auffassung des Gerichts kann eine private Akademie zwar ihre Abschlüsse als "Diplom" bezeichnen. Geworben werden dürfe aber damit nicht.

Ein "Diplom" ist in aller Regel ein akademischer Grad, der von Hochschulen und Fachhochschulen verliehen wird, die eine akademische Ausbildung erwarten lassen. Ein Abschluss an einer privaten Akademie, bei deren Ausbildungsabschlüssen keine amtliche Stelle mitwirkt, genügt diesen Anforderungen nicht. Ein solches "Diplom" darf allein im Innenverhältnis der Akademie verwendet werden (siehe UWG § 5 Abs. 1).

Kosten

Die von den gesetzlichen Krankenversicherungen nicht getragenen Kosten für die wenige Minuten dauernde Behandlung liegen bei 180 Euro.

Siehe auch

Weblinks

Quellennachweise

  1. Die in verschiedenen Schreibweisen benutzten Wortmarken Altlasprofilax und Atlasprof wurden 2004 von René Schümperli angemeldet, gehören aber inzwischen der Atlasproxilax-Anwenderin Renata Filipov, einer Ärztin aus Prag.
  2. Urteil Az. 3-12 O 20/06 vom v. 22.9.2006