Die Amanita-Therapie ist eine pseudomedizinische Behandlung von Krebserkrankungen durch homöopathisch um zwei bis vier Zehnerpotenzen verdünnte (D2..D4) Extrakte des hochgiftigen grünen Knollenblätterpilzes Amanita phalloides (vormals Agaricus phalloides). In einem weiten Sinne handelt es sich um eine Methode aus dem Bereich der unkonventionellen Krebstherapien und Kombination aus "low dose chemo therapy", Niederpotenzhomöopathie und Mykotherapie.

Die Methode wird im deutschsprachigen Raum von der Überlinger Biologin, Heilpraktikerin und Chemotherapiegegnerin Isolde Riede propagiert.

Zur Methode liegen keine aussagefähigen Studien am Menschen vor, die eine Anwendung rechtfertigen würden. In medizinischen Datenbanken lässt sich lediglich eine einzige Veröffentlichung von Riede in einer alternativmedizinischen Zeitschrift finden, in der sie retrospektiv über einen Einzelfall berichtet.[1] Andererseits behauptet Riede, mehr als hundert Patienten nach dieser Methode zu behandeln, so dass sich der Eindruck ergibt, den berichteten Einzelfall zur Veröffentlichung "ausgesucht" zu haben. Ebenfalls von Isolde Riede liegt ansonsten noch eine Veröffentlichung in einer alternativmedizinischen Schweizer Zeitschrift vor,[2] sowie eine Veröffentlichung in einer deutschsprachigen Zeitschrift aus dem Umfeld einer Heilpraktikervereinigung, bei der allerdings Unklarheit über ein etwaiges Peer-Review herrscht.[3]

Inhaltsstoffe der Amanita–Präparate und Angaben zur Dosierung

 
Angaben von:[4]

Die vom Patienten oral (über den Mund) einzunehmenden Präparate sind homöopathisch verdünnte ("potenzierte") Extrakte des grünen Knollenblätterpilzes. Die Extrakte enthalten das Zellgift Amanitin. Zur Frage der Verdünnung und Dosierung sind unterschiedliche Angaben zu finden. Die Verdünnung soll zwischen Faktor 100 (D2)[5] und 10.000 (D4)[6] liegen.

Im Gegensatz zu vielen anderen homöopathischen Mitteln und im Gegensatz zu postulierten Prinzipien der Homöopathie wird hier ein therapeutischer Effekt zu den tatsächlich rechnerisch und analytisch bestimmbaren Amanitinmolekülen behauptet.

Zur Dosierung sind unterschiedliche Angaben zu finden. So soll bei Krebs 100 ml einer D2-Potenz (Verdünnung also 1:100) des Extraktes einzunehmen sein. Die Dosierungsempfehlungen sind aber nicht einheitlich. So findet sich auch die Empfehlung, eine D4-Verdünnung (1:10.000) zu verwenden. Jeweils seien morgens und abends 5 Tropfen oder Globuli einzunehmen.

Anbieter:

  • "Agaricus Phalloides D4" der Homöopathie-Firma DHU
  • Amanitin phalloides D2 von Herbamed
  • Amanitin Globuli D3 von Spagyra

In der Komplexmittelhomöopathie, die sich von der klassischen Homöopathie nach Samuel Hahnemann fundamental unterscheidet, werden potenzierte Amanitin-Präparate zur Behandlung der allgemeinen "Todesangst" angewendet, also nicht explizit bei Krebserkrankungen. Die Hemmung der RNA-Polymerase ist dabei nicht das therapeutische Ziel.

Behaupteter Wirkmechanismus

Nach Angaben von Isolde Riede sei ein therapeutischer Effekt dieser Therapie deshalb zu erwarten, weil die in den Präparaten anwesenden Amanitin-Moleküle eine direkte zelltoxische Wirkung selektiv auf Krebszellen entfalten sollen. Riede:

Eine Tumortherapie für den Menschen ist dann erfolgreich, wenn ein molekularer Angriff gefunden wird, der spezifisch die Tumorzelle stört und die normalen Körperzellen nicht oder kaum beeinflußt.

Basis sind hier die Vermutungen, dass die wissenschaftlich anerkannte Hemmung des Enzyms RNA-Polymerase II therapeutisch bei Krebs genutzt werden könne, da laut Riede dieses Enzym in Tumorzellen "zu 100 % genutzt" werde, also vollständig gesättigt sei, während es in anderen Körperzellen nur zu einem Bruchteil genutzt werde. Behauptet wird also eine intensivere Wirkung auf Zellen, in denen die genannte RNA-Polymerase vermehrt genutzt werde. Insofern - falls die Annahmen stimmten - würde es sich um eine klassische Form einer Chemotherapie handeln und auch mögliche therapieverhindernde Mutationen fördern. Dann hätte diese Therapieform aber keinerlei Bezug zu Grundannahmen aus der klassischen Homöopathie. Die Therapie würde sogar Annahmen der Homöopathie widersprechen (zum Beispiel dem "Simile-Prinzip") und die Frage nach dem Sinn einer homöopathischen Potenzierung des Amanitin stellt sich. Möglicherweise wird bei dieser Therapieform die homöopathische Potenzierung nur deshalb durchgeführt, um die Mittel auf einfache und preiswerte Weise zulassungsfähig zu gestalten, da homöopathische Mittel prinzipiell kein komplexes Zulassungsverfahren und keinen Nachweis einer therapeutischen Wirksamkeit benötigen.

Erprobt haben will Isolde Riede die Methode ursprünglich bei Fruchtfliegen (Drosophila). Sie erwähnt jedoch auch (ausschließlich positive) Wirkungen bei Krebspatienten.

Nebenwirkungen

Als Nebenwirkungen der Amanita-Therapie werden von Befürworterseite Lymphknotenschwellungen, Fieber und Symptome einer schweren Grippe angegeben, die darauf zurück zu führen seien, dass es zu einer "Lyse" (Auflösung) von Tumorzellen komme und sich eine Entzündungsreaktion einstelle. In einer Veröffentlichung von Riede im Alternativmedizinblatt HP Naturheilkunde - Der Freie Arzt (HP/DFA) behauptet diese 2007 hingegen, dass es unter Amanitin zu einer "Anregung des Stoffwechsels" komme, der von Patienten als "angenehm" empfunden werde.[7]

Amanitin und grüner Knollenblätterpilz

Amanitin ist ein Gift und bizyklisches Peptid (Eiweiß) des Grünen Knollenblätterpilzes (Amanita phalloides, vormals Agaricus phalloides). Amanitin gehört zur Gruppe der Amatoxine. Die Amatoxine sind resistent gegen Kochen und Trocknen und werden auch nicht durch die Proteasen im Magentrakt zerlegt. Der Grund hierfür liegt im Ringschluss und der Verbrückung des Peptids. Die Toxizität der Amanitine wird durch den enterohepatischen Kreislauf verstärkt. Durch diesen Kreislauf zirkuliert das Amanitin zwischen Leber, Gallenblase und Darm und verbleibt somit länger im Körper. Die tödliche Dosis von Amanitin liegt beim Menschen bei 0,1 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht, für eine 70 Kilogramm schwere Person also bei etwa 7 Milligramm. Dieser stirbt einen langsamen, entsetzlichen Tod, der durch Leberversagen bedingt ist. Jedes Jahr versterben Menschen durch irrtümlichen Genuss dieses Pilzes. Außerdem sind in der Medizingeschichte auch Menschen bekannt, die sich durch Amanitin selbst töteten. Eine Therapieoption der Amanitinvergiftung ist die Lebertransplantation. Diese ist jedoch nur möglich, wenn eine Spenderleber zur Verfügung steht.

Der Grüne Knollenblätterpilz Amanita phalloides ist in Europa häufig anzutreffen. Neben Amanitin als Hauptgiftstoff trägt der Pilz elf weitere Toxine, meist zyklische Oligopeptide.

Isolde Riede

Zur Methode der "Amanita-Therapie" liegen nur Angaben einer einzigen Person vor, der deutschen habilitierten Biologin Isolde Riede. Diese soll in Magdeburg tätig sein und in Überlingen eine Heilpraktikerpraxis betreiben.

Siehe auch

Literatur

  • Riede I: Erfahrungen mit der Amanita-Therapie., Schweiz Z Ganzheitsmed 2010;22:326-328. (DOI: 10.1159/000322067)
  • Riede, I. Tumor Therapy with Amanita phalloides (Death Cap): Stabilization of B-Cell Chronic Lymphatic Leukemia, J. Alt. Compl. Med., Volume 16, Number 10, 2010, Seiten 1129–1132

Quellennachweise

  1. Riede I. Tumor therapy with Amanita phalloides (death cap): stabilization of B-cell chronic lymphatic leukemia., J Altern Complement Med. 2010 Oct;16(10):1129-32.
  2. Riede I: Erfahrungen mit der Amanita-Therapie., Schweiz Z Ganzheitsmed 2010;22:326-328. (DOI: 10.1159/000322067)
  3. HPN/DFA 09/2007 [1]
  4. http://tumor-therapie.info/html/amanita_phalloides.html
  5. http://tumor-therapie.info/html/amanita_phalloides.html
  6. http://www.freieheilpraktiker.com/content.php?str_css=&CO_ID=&l0_ID=105&l1_ID=3&l2_ID=26&l3_ID=3192
  7. HPN/DFA 09/2007 [2]