Luftionisation

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Als Luftionisation wird die technische Anreicherung der Luft durch Ionen bezeichnet.

Ein sehr geringer Teil der in der Luft kursierenden Moleküle – die Anzahl liegt in der Größenordnung von ca. 1.000 je cm3 – sind nicht elektrisch neutral, sondern so genannte Ionen, weisen also eine positive oder negative Ladung auf. Streng genommen entstehen stets Ionenpaare gegensätzlicher elektrischer Ladung. Ionen in der Luft können sich nicht dauerhaft halten, da sie allmählich rekombinieren und somit verschwinden oder an Oberflächen haften bleiben. Um eine bestimmte Konzentration von Ionen in der Luft zu erhalten, müssen diese regelmäßig nachgeliefert werden. Die natürliche Radioaktivität führt auf Meereshöhe zur konstanten Bildung von etwa 5–10 Ionenpaaren pro Kubikzentimeter Luft pro Sekunde.

Typische positive Luftionen sind Wassercluster von etwa 8 bis 14 Wassermolekülen um ein Sauerstoff- oder Stickstoffatom, dem ein Elektron fehlt (Kation). Typische negative Luftionen sind Wassermoleküle um ein negativ gelades Sauerstoffatom mit einem zusätzlichen Elektron (Anion).

Die Konzentration an Luftionen hängt stark von der Anwesenheit von Aerosolen und Luftschadstoffen ab. In reiner Luft liegen einige Hundert Ionen pro Kubikzentimeter vor, in verschmutzter Luft kann dieser Wert auf ein Zehntel des Reinluftwertes absinken. Bei hohen Aerosolkonzentrationen nimmt zwar die Konzentration an Luftionen ab, allerdings bleibt das Verhältnis von Anionen zu Kationen dabei gleich. Das Verhältnis beträgt etwa 1,2.

Luftionisation und Gesundheit

Den Luftionen wird gelegentlich sowohl eine gesundheitsfördernde als auch gesundheitsschädliche Wirkung nachgesagt. Bereits kurz nach ihrer Entdeckung begannen sich Spekulationen um ihre gesundheitliche Bedeutung zu verbreiten. Häufig wird behauptet, dass vor allem negativ geladene Moleküle vorteilhaft für die Gesundheit seien. Im englischen Sprachraum bürgerte sich dazu der Begriff des "Negative-Ion Myth" ein.[1] Vereinfacht: negative Ionen sind gut, positive Ionen sind schlecht. Dem widerspricht etwas die Beobachtung, dass Luft im Gebirge etwa 3-4 mal mehr positive als negative Luftionen enthält und dennoch allgemein als angenehm und heilsam empfunden wird. Dagegen ist Luft vor einem Gewitter mit mehr negativen Ionen angereichert (durch das elektrische Feld von Gewitterwolken) als nach einem Gewitter. Dennoch wird die Luft vor einem Gewitter häufiger als "stickig" und belastend empfunden als danach (wobei hier vor allem die Luftfeuchte eine Rolle spielt). Gelegentlich wird auch behauptet, dass in verschmutzter Luft sowie in Räumen mit Kunststoffteppichen das Verhältnis von negativen zu positiven Luftionen, die so genannte "ion balance", deutlich von eins abweiche. Dafür gibt es keine wissenschaftlichen Belege.

Im Deutschland der 1930er Jahre waren negative Luftionen populär in der Behandlung von Krankheiten wie Asthma oder Bronchitis. Die Patienten mussten die Luftionen direkt einatmen. Anekdotisch wurden zu dieser Zeit Wunderheilungen durch negative Luftionen berichtet. Allerdings stellte sich später durch Untersuchungen heraus, dass die damals verwendeten Luftionisatoren gar nicht in der Lage waren, negative Luftionen zu produzieren, da sie keine Hochspannungsquelle zur Ionisation besassen.

Aktuell (2012) werden Ionisatoren genannte Geräte angeboten, die den Anteil an Ionen in der Luft erhöhen, vor allem den Anteil an Sauerstoffionen. Mit den Geräten soll man angeblich

  • Wetterfühligkeit bzw. Föhnbeschwerden lindern,
  • Reizbarkeit, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Müdigkeit und Depressionen lindern,
  • die Leistungsfähigkeit steigern und
  • Asthma- sowie Bronchitissymptome bessern können
  • desinfizieren können (in der Getränkeabfüllung werden vor Füllbeginn die Flaschen mit ionisierter Luft ausgeblasen, um Mikroorganismen abzutöten)
  • Gerüche neutralisieren können

Zum Glauben an positiv zu bewertende negative Luftionen trug der Wissenschaftler Albert P. Krueger von der University of California (Berkeley) bei, der ab 1957 behauptete, dass positive Luftionen die Beweglichkeit von Zilien in den oberen Luftwegen beeinträchtigen würden, was nach der Hypothese dazu führe, dass Fremdkörper und Sekrete schlechter aus der Nasenhöhle entfernt würden.[2][3] Negative Luftionen hingegen hätten die gegensätzliche Wirkung. Andere Forscher konnten die Beobachtung nicht bestätigen, dennoch hält sich der Krueger-Mythos teilweise noch bis heute, obwohl spätestens 1971 Andersen endgültig zeigen konnte, dass der Effekt nicht existiert.[4] Auch gibt es Behauptungen, dass als unangenehm empfundene Föhnwinde oder der warme Scirocco mehr positive (also angeblich schädliche) als negative Luftionen mit sich führten. Für diese Behauptung gibt es keinen belastbaren wissenschaftlichen Beleg, genausowenig wie für die Behauptung, dass innerhalb von vom Menschen gebauten Gebäuden positive Luftionen vorherrschen würden. Diese Behauptung ist auch eine der Hypothesen der Befürworter des Sick-Building-Syndroms (SBS).

Behauptete positive Wirkungen von negativ geladenen Luftionen wurden bis heute nicht wissenschaftlich glaubhaft nachgewiesen. Grund dafür mag sein, dass die geladenen Moleküle kaum über die Atemluft in die Bronchiolen gelangen. Sie werden nämlich in der Regel bereits im Nasen-Rachen-Raum abgeschieden und entladen. Es treffen maximal 5 Ionen pro cm2 Lungenoberfläche auf, die spätestens dort entladen werden. Es wird häufig behauptet, dass bei bestimmten Wetterlagen die Konzentration an Ionen besonders hoch sei. Aber bisher konnte noch keine Studie diese Behauptung untermauern.

Die Beliebtheit der Ionisatoren erklärt sich aus einem banalen Effekt. Nach Einschalten des Ionisators baut sich innerhalb von Sekunden eine Raumladung von einigen kV/m Feldstärke auf. Dadurch wird die Eliminationsgeschwindigkeit von (Rauch-)Partikeln etwa verdoppelt. Als Folge bilden sich Schmutzfilme an den Zimmerwänden und an geerdeten Einrichtungsgegenständen. Gleichzeitig wird durch die Geräte in nicht unerheblicher Menge Ozon produziert, nämlich bis zu 1011 Ozonmoleküle pro cm3. Diese Ozonkonzentration, die aber nur in der direkten Umgebung des Ionisators die genannten Werte erreicht, kann vom Menschen wahrgenommen werden und wird als "frische Luft" empfunden.

In letzter Zeit werden Luftionenkonzentrationen auch mit der besonderen Form der Depression, der saisonal abhängigen SAD, in Zusammenhang gebracht. Bei einer Studie des Departments of Psychology der Hollins Universität in Roanoke (Virginia) mit 73 Frauen über einen Zeitraum von fünf Jahren wurde festgestellt, dass eine hohe Dichte negativer Ionen einen positiven Effekt bei der saisonalen Depression ("Winterdepression") haben könnte, die Wirkung war jedoch geringer als bei der Lichttherapie, aber höher als bei der Plazebobehandlung. Der Unterschied zum Plazebo war jedoch nicht signifikant.[5] Andere Studien wiesen ebenfalls positive Effekte negativer Ionen nach, ohne jedoch Aussagen zur Signifikanz der Unterschiede zu anderen Methoden wie der Lichttherapie und zur Placebobehandlung zu machen.[6][7] Insgesamt ist die Studienlage nicht sehr aussagekräftig.

Luftionenkonzentrationen schwanken auch natürlicherweise mit den Jahreszeiten.

Technische Anwendungen

Bestimmte Luftionisatoren die sowohl Anionen wie auch Kationen freisetzen, werden zur Herabsetzung statischer Elektrizität eingesetzt und sind als "ESD ioniser" bekannt.

Geschichtliches

Bereits 1796 hatte Coulomb beobachtet, dass völlig isolierte Ladungsträger ihre Ladung allmählich verlieren, wenn sie der Luft ausgesetzt sind. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden bewegliche Ionen in der Luft nachgeweisen (Elster, Geitel und C.T.R. Wilson). Diese wurden zu Recht als Effekt des spontanen radioaktiven Zerfalls von Isotopen angesehen. Heute ist bekannt, dass auch kosmische Strahlung zur Luftionisation beiträgt.

Der erste Luftionisator aus dem Jahre 1918 geht wohl auf den Russen Alexander Chizhevsky zurück (Chizhevsky Chandelier).

Weblinks

Siehe auch

Quellennachweise

  1. http://www.ce-mag.com/archive/02/11/mrstatic.html
  2. AP Krueger and RF Smith, Proceedings of the Society of Experimental Biology 96 (1957): 807–809.
  3. AP Krueger, PC Andriese, and S Kotaka, International Journal of Biometeorology 7 (1963): 3–16.
  4. I Andersen, Mucociliary Function in Trachea Exposed to Ionized and Non-Ionized Air (Aarhus, Denmark: Akademisk Boghandel, 1971)
  5. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20381162
  6. http://journals.cambridge.org/action/displayAbstract?fromPage=online&aid=315728
  7. http://archpsyc.ama-assn.org/cgi/content/abstract/55/10/875
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