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| Adolf Josef Lanz entstammte einer Wiener Bürgerfamilie. Bereits in seiner Kindheit interessierte er sich sehr für das Mittelalter, die Kreuzritter und religiöse Orden. | | Adolf Josef Lanz entstammte einer Wiener Bürgerfamilie. Bereits in seiner Kindheit interessierte er sich sehr für das Mittelalter, die Kreuzritter und religiöse Orden. |
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− | Als junger Mann trat er 1893 dem Zisterzienserorden bei und lebte bis 1899 als Bruder Georg im Stift Heiligenkreuz. Lanz wurde 1898 zum katholischen Priester geweiht. Während seiner Zeit im Kloster wurde Lanz von dem Novizenmeister Nivard Schlögl, einem Professor für orientalische Sprachen und Altes Testament, unterrichtet. Lanz betrieb intensives Bibelstudium und befasste sich mit der Geschichte der 1133 gegründeten Abtei Heiligenkreuz. Lanz entwickelte während dieser Zeit, vielleicht auch inspiriert durch den glühenden Antisemiten Schlögl, eine eigenwillige Interpretation der christlichen Religion. Er gelangte zu der Überzeugung, dass das "gute Prinzip" von den blonden und blauäugigen Herrenmenschen verkörpert werde, das "dunkle Prinzip" von "animalischen Rassen", wie Afrikanern, Asiaten und "Mediterranoiden".<ref>Goodrick-Clarke, Nicholas: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus, Wiesbaden 2004,84</ref> Glaubt man Lanz, so verließ er den Orden, weil dieser die ursprüngliche "rassische Doktrin" des Christentums verraten habe. Seine Vorgesetzten bestanden jedoch darauf, Lanz sei wegen "fleischlicher Liebe" ausgetreten. Lanz selbst gab später an, seine ständig „steigende Nervosität“ und seine dadurch angegriffene Gesundheit seien der Grund für seinen im April 1899 vollzogenen – und im Übrigen völlig ''freiwilligen'' – Austritt gewesen. Das Kapitelbuch hingegen vermerkt „fleischliche Liebe“ als Grund des Ausscheidens. Einige Kommentatoren vermuten hinter diesem Vermerk eine Frauenbeziehung und sehen in deren mutmaßlichem Scheitern einen Grund oder Mitgrund für Lanz’ spätere Misogynie. Andere Kommentatoren verweisen auf das in den 1930ern von Nationalsozialisten in Umlauf gebrachte Gerücht, Lanz sei homosexuell gewesen, und auf den Umstand, dass Lanz nach seiner Priesterweihe an der Ausbildung der Wiener Sängerknaben beteiligt war. | + | Als junger Mann trat er 1893 dem Zisterzienserorden bei und lebte bis 1899 als Bruder Georg im Stift Heiligenkreuz. Lanz wurde 1898 zum katholischen Priester geweiht. Während seiner Zeit im Kloster wurde Lanz von dem Novizenmeister Nivard Schlögl, einem Professor für orientalische Sprachen und Altes Testament, unterrichtet. Lanz betrieb intensives Bibelstudium und befasste sich mit der Geschichte der 1133 gegründeten Abtei Heiligenkreuz. Lanz entwickelte während dieser Zeit, vielleicht auch inspiriert durch den glühenden Antisemiten Schlögl, eine eigenwillige Interpretation der christlichen Religion. Er gelangte zu der Überzeugung, dass das "gute Prinzip" von den blonden und blauäugigen Herrenmenschen verkörpert werde, das "dunkle Prinzip" von "animalischen Rassen" wie Afrikanern, Asiaten und "Mediterranoiden".<ref>Goodrick-Clarke, Nicholas: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus, Wiesbaden 2004,84</ref> Glaubt man Lanz, so verließ er den Orden, weil dieser die ursprüngliche "rassische Doktrin" des Christentums verraten habe. Seine Vorgesetzten bestanden jedoch darauf, Lanz sei wegen "fleischlicher Liebe" ausgetreten. Lanz selbst gab später an, seine ständig „steigende Nervosität“ und seine dadurch angegriffene Gesundheit seien der Grund für seinen im April 1899 vollzogenen – und im Übrigen völlig ''freiwilligen'' – Austritt gewesen. Das Kapitelbuch hingegen vermerkt „fleischliche Liebe“ als Grund des Ausscheidens. Einige Kommentatoren vermuten hinter diesem Vermerk eine Frauenbeziehung und sehen in deren mutmaßlichem Scheitern einen Grund oder Mitgrund für Lanz’ spätere Misogynie. Andere Kommentatoren verweisen auf das in den 1930ern von Nationalsozialisten in Umlauf gebrachte Gerücht, Lanz sei homosexuell gewesen, und auf den Umstand, dass Lanz nach seiner Priesterweihe an der Ausbildung der Wiener Sängerknaben beteiligt war. |
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| ==Die Theozoologie== | | ==Die Theozoologie== |
| Nach seinem Ausscheiden aus dem Zisterzienserorden reüssierte Lanz als freischaffender Gelehrter auf den Gebieten der Geschichtswissenschaft, Anthropologie, Paläontologie und Mythologie. Er veröffentlichte nicht nur in völkischen Zeitschriften, sondern verfasste auch ernstzunehmende wissenschaftliche Artikel. | | Nach seinem Ausscheiden aus dem Zisterzienserorden reüssierte Lanz als freischaffender Gelehrter auf den Gebieten der Geschichtswissenschaft, Anthropologie, Paläontologie und Mythologie. Er veröffentlichte nicht nur in völkischen Zeitschriften, sondern verfasste auch ernstzunehmende wissenschaftliche Artikel. |
− | In dieser Zeit entwickelte er seine rassistische Version der christlichen Lehre weiter. In seiner 1904 publizierten "Theozoologie oder die Kunde von den Sodoms-Äfflingen und dem Götter-Elektron" und in seiner Schriftenreihe "Ostara" entfaltete er ein okkultes Weltbild einer zweigeteilten Menschheit.<ref>Goodrick-Clarke, Nicholas: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus, Wiesbaden 2004,86-89</ref> Auf der einen Seite finden wir da die blondblauäugigen, alle Kultur bringenden Ario-Heroen, auf der anderen Seite begegnen wir dunkelhäutigen, "kulturzersetzenden Äfflingen". Der Sündenfall wurde von Lanz als die rassische Kompromittierung der gottgleichen Ur-Arier gedeutet, die sich mit den „niederen Rassen“ vermischt hatte. Lanz Besessenheit von der sexuellen Komponente seiner Lehre führte zu skurrilen Aussagen, z.B. über die massenhafte Aufzucht von „Buhlzwergen“ für perverse sexuelle Vergnügungen in der Antike oder über die Kreuzigung Jesu als versuchte Vergewaltigung. Er war außerdem davon überzeugt, dass arische Frauen streng kontrolliert werden müssten, da diese sich unbewusst zu den sexuell leistungsfähigeren „Äfflingen“ hingezogen fühlten. | + | In dieser Zeit entwickelte er seine rassistische Version der christlichen Lehre weiter. In seiner 1904 publizierten "Theozoologie oder die Kunde von den Sodoms-Äfflingen und dem Götter-Elektron" und in seiner Schriftenreihe "Ostara" entfaltete er ein okkultes Weltbild einer zweigeteilten Menschheit.<ref>Goodrick-Clarke, Nicholas: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus, Wiesbaden 2004,86-89</ref> Auf der einen Seite finden sich da die blondblauäugigen, alle Kultur bringenden Ario-Heroen, auf der anderen Seite stehen dunkelhäutige, "kulturzersetzende Äfflinge". Der Sündenfall wurde von Lanz als die rassische Kompromittierung der gottgleichen Ur-Arier gedeutet, die sich mit den „niederen Rassen“ vermischt hatte. Lanz Besessenheit von der sexuellen Komponente seiner Lehre führte zu skurrilen Aussagen, z.B. über die massenhafte Aufzucht von „Buhlzwergen“ für perverse sexuelle Vergnügungen in der Antike oder über die Kreuzigung Jesu als versuchte Vergewaltigung. Er war außerdem davon überzeugt, dass arische Frauen streng kontrolliert werden müssten, da diese sich unbewusst zu den sexuell leistungsfähigeren „Äfflingen“ hingezogen fühlten. |
− | Lanz ließ sich auch von der naturwissenschaftlichen Forschung seiner Zeit inspirieren. Die arischen Gottmenschen der Urzeit hatten seiner Ansicht nach über besondere Sinnesorgane verfügt, mit denen sie elektronische Signale übermitteln konnten. Diese körperlichen Voraussetzungen von Allwissenheit und Telepathie wurden aber durch die Vermischung mit den „Tiermenschen“ zerstört. Eine Rückzüchtung durch strikte Rassentrennung könnte diese Fähigkeiten wieder zurückbringen. | + | Lanz ließ sich auch von der naturwissenschaftlichen Forschung seiner Zeit inspirieren. Die arischen Gottmenschen der Urzeit verfügten seiner Ansicht nach über besondere Sinnesorgane, mit denen sie elektronische Signale übermitteln konnten. Diese körperlichen Voraussetzungen von Allwissenheit und Telepathie seien aber durch die Vermischung mit den „Tiermenschen“ zerstört worden. Eine Rückzüchtung durch strikte Rassentrennung könne diese Fähigkeiten wieder zurückbringen. |
| Daher machte Lanz sich für Brutmütter und Zuchtklöster für “arische“ Frauen stark und forderte gleichzeitig die Sterilisation der „Tiermenschen“. | | Daher machte Lanz sich für Brutmütter und Zuchtklöster für “arische“ Frauen stark und forderte gleichzeitig die Sterilisation der „Tiermenschen“. |
| Bei Lanz findet sich auch die Forderung, die "Schrättlinge" oder "Sodoms-Äfflinge", auch "Tschandalen" genannt - alles Gegenspieler seiner Asinge bzw. Arioheroiker -, als Opfer auf dem Altar der Freya darzubringen. | | Bei Lanz findet sich auch die Forderung, die "Schrättlinge" oder "Sodoms-Äfflinge", auch "Tschandalen" genannt - alles Gegenspieler seiner Asinge bzw. Arioheroiker -, als Opfer auf dem Altar der Freya darzubringen. |
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| Für Lanz waren die mittelalterlichen Kreuzritter die Bewahrer der okkulten Lehre der arisch-germanischen Herrenmenschen. Besonders dem Templerorden galt sein Interesse. Dessen gewaltsame Auflösung im Jahr 1312 hielt Lanz für den vorläufigen Sieg der Minderrassigen über die ario-christliche Ritterschaft. Daher gründete er 1900 den Neutemplerorden, auch [[Ordo Novi Templi]] (ONT) genannt.<ref>Goodrick-Clarke, Nicholas: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus, Wiesbaden 2004,96-102</ref> Als Hauptquartier des ONT erwarb Lanz mit Hilfe von Gesinnungsgenossen die Burg Werfenstein in Oberösterreich, auf der er zu feierlichen Anlässen auch eine Swastika-Fahne hisste. Ziel des ONT war laut Lanz u.a., das „Rassebewusstsein“ durch Forschung und Bildung zu fördern und die Gründung „rassereiner“ Idealstaaten zu unterstützen. Der Orden stand nur „ario-heroischen“, blonden und blauäugigen Männern offen. Neben der Verbreitung der Ideologie des Ordens widmeten sich die Mitglieder religiösen Ritualen, die von Lanz persönlich entworfen worden waren und eine Mischung aus christlicher Liturgie und rassistischer Mythologie darstellten. | | Für Lanz waren die mittelalterlichen Kreuzritter die Bewahrer der okkulten Lehre der arisch-germanischen Herrenmenschen. Besonders dem Templerorden galt sein Interesse. Dessen gewaltsame Auflösung im Jahr 1312 hielt Lanz für den vorläufigen Sieg der Minderrassigen über die ario-christliche Ritterschaft. Daher gründete er 1900 den Neutemplerorden, auch [[Ordo Novi Templi]] (ONT) genannt.<ref>Goodrick-Clarke, Nicholas: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus, Wiesbaden 2004,96-102</ref> Als Hauptquartier des ONT erwarb Lanz mit Hilfe von Gesinnungsgenossen die Burg Werfenstein in Oberösterreich, auf der er zu feierlichen Anlässen auch eine Swastika-Fahne hisste. Ziel des ONT war laut Lanz u.a., das „Rassebewusstsein“ durch Forschung und Bildung zu fördern und die Gründung „rassereiner“ Idealstaaten zu unterstützen. Der Orden stand nur „ario-heroischen“, blonden und blauäugigen Männern offen. Neben der Verbreitung der Ideologie des Ordens widmeten sich die Mitglieder religiösen Ritualen, die von Lanz persönlich entworfen worden waren und eine Mischung aus christlicher Liturgie und rassistischer Mythologie darstellten. |
− | Die Hierarchie des Ordens war streng geregelt und hing von der „Reinrassigkeit“ der Brüder, ihrem Alter und ihren Leistungen für den Orden ab. Wie viele Mitglieder der ONT hatte ist nicht genau bekannt, aber er konnte einige namhafte Unternehmer und bekannte Persönlichkeiten in seinen Reihen aufweisen, u.a. den Schriftsteller August Strindberg. | + | Die Hierarchie des Ordens war streng geregelt und hing von der „Reinrassigkeit“ der Brüder, ihrem Alter und ihren Leistungen für den Orden ab. Wie viele Mitglieder der ONT hatte, ist nicht genau bekannt, aber er konnte einige namhafte Unternehmer und bekannte Persönlichkeiten in seinen Reihen aufweisen, u.a. den Schriftsteller August Strindberg. |
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| ==Nach dem ersten Weltkrieg== | | ==Nach dem ersten Weltkrieg== |
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| ==Späte Jahre und Wirkung== | | ==Späte Jahre und Wirkung== |
− | Seine Blütezeit erlebte der ONT zwischen 1925-1935, in den 1940er Jahren wurde er von den Nationalsozialisten verboten, die keine geheimbündlerischen Organisationen duldeten. Lanz ging 1933 in die Schweiz. Er war enttäuscht über die ausbleibende Anerkennung durch die Nationalsozialisten, deren Erfolge er ursprünglich enthusiastisch begrüßt hatte. Er legte aber auch Wert auf die Feststellung, er sei der Mann gewesen, der „Hitler die Ideen gab“. Es gelang ihm, kurz vor seinem Tod 1954 den Psychologen Wilhelm Daim davon zu überzeugen, der diese These in einem gleichnamigen Buch vertrat. Die heutige Forschung schätzt die Wirkung von Lanz auf Hitler vorsichtiger ein. Feststeht, dass Hitler Ostara-Leser war und die Weltanschauung von Lanz sicher einen Einfluss auf seine Überzeugungen hatte. Hitler vermied in seinen Schriften und Reden aber jeden Bezug auf den esoterischen Mystiker Lanz und dessen skurrilen ONT. | + | Seine Blütezeit erlebte der ONT zwischen 1925-1935; in den 1940er Jahren wurde er von den Nationalsozialisten verboten, die keine geheimbündlerischen Organisationen duldeten. Lanz ging 1933 in die Schweiz. Er war enttäuscht über die ausbleibende Anerkennung durch die Nationalsozialisten, deren Erfolge er ursprünglich enthusiastisch begrüßt hatte. Er legte aber auch Wert auf die Feststellung, er sei der Mann gewesen, der „Hitler die Ideen gab“. Es gelang ihm, kurz vor seinem Tod 1954 den Psychologen Wilhelm Daim davon zu überzeugen, der diese These in einem gleichnamigen Buch vertrat. Die heutige Forschung schätzt die Wirkung von Lanz auf Hitler vorsichtiger ein. Es steht fest, dass Hitler Ostara-Leser war und die Weltanschauung von Lanz sicher einen Einfluss auf seine Überzeugungen hatte. Hitler vermied in seinen Schriften und Reden aber jeden Bezug auf den esoterischen Mystiker Lanz und dessen skurrilen ONT. |
| Was die Bedeutung des ONT angeht, so kann Goodrick-Clarke gefolgt werden<ref>Goodrick-Clarke, Nicholas: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus, Wiesbaden 2004,109</ref>: | | Was die Bedeutung des ONT angeht, so kann Goodrick-Clarke gefolgt werden<ref>Goodrick-Clarke, Nicholas: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus, Wiesbaden 2004,109</ref>: |
| ''„Die Bedeutung des ONT liegt mehr in dem was er ausdrückte, als in dem, was er erreicht hat. Er kann als Symptom diffuser Unzufriedenheit genommen werden, dessen eigene Mischung typischer Sorgen, Interessen und Lebensstile in klarem Zusammenhang mit den unterschwelligen Ängsten innerhalb der österreichischen und deutschen Gesellschaft stand. Seine elitären und endzeitlichen Antworten auf diese Ängste vervollständigte den genozidischen Impuls“.'' | | ''„Die Bedeutung des ONT liegt mehr in dem was er ausdrückte, als in dem, was er erreicht hat. Er kann als Symptom diffuser Unzufriedenheit genommen werden, dessen eigene Mischung typischer Sorgen, Interessen und Lebensstile in klarem Zusammenhang mit den unterschwelligen Ängsten innerhalb der österreichischen und deutschen Gesellschaft stand. Seine elitären und endzeitlichen Antworten auf diese Ängste vervollständigte den genozidischen Impuls“.'' |