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− | '''Natürlichkeit''' bedeutet in pseudomedizinischen und esoterischne Kreisen die Unverfälschtheit und Ursprünglichkeit einer Methode oder eines Produktes. Dabei dient der Begriff "Natürlichkeit" der Bezeichnung von etwas Positivem und der Abgrenzung von etwas Künstlichem und Verfälschtem als etwas Negativem. Natürlichkeit wird meist mit "Sanftheit" und "[[Ganzheitlichkeit]]" in Verbindung gebracht und dient als Begründung dafür, weshalb angeblich oder tatsächlich alte, und/oder exotische bzw. veraltete Ansichten und Methoden angewendet werden. | + | '''Natürlichkeit''' bedeutet in pseudomedizinischen und esoterischen Kreisen die Unverfälschtheit und Ursprünglichkeit einer Methode oder eines Produktes. Dabei dient der Begriff "Natürlichkeit" der Bezeichnung von etwas Positivem und der Abgrenzung von etwas Künstlichem und Verfälschtem als etwas Negativem. Natürlichkeit wird meist mit "Sanftheit" und "[[Ganzheitlichkeit]]" in Verbindung gebracht und dient als Begründung dafür, weshalb angeblich oder tatsächlich alte, und/oder exotische bzw. veraltete Ansichten und Methoden angewendet werden. |
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| ==Was ist natürlich?== | | ==Was ist natürlich?== |
− | Natur (lat.: natura, von nasci „entstehen, geboren werden“) bezeichnet in der Alltagssprache alles, was nicht vom Menschen geschaffen wurde. Somit bildet Natur den Gegenbegriff von Kultur und Technik. Dennoch ist die Abgrenzung sehr schwierig, denn Natur ist auch überall da anzutreffen, wo sich der Mensch befindet, denn jeder verfügbare Lebensraum wird besiedelt, unabhängig davon, ob dieser vom Menschen geschaffen bzw. beeinflusst wurde/wird oder nicht. Beispielsweise ist Erdöl ganz natürlich, weil es ohne Zutun des Menschen entstanden ist, während es im Allgemeinverständnis eher als etwas Unnatürliches gesehen wird. Kulturlandschften weisen eine hohe Artendiversität auf, obwohl sie nach diesem Verständnis nicht natürlich sind. Selbst die "unnatürlichsten" Habitate, wie z.B. Weltraumstationen, werden von Lebewesen spontan, d.h. ohne Willen des Menschen, besiedelt. | + | Natur (lat.: natura, von nasci „entstehen, geboren werden“) bezeichnet in der Alltagssprache alles, was nicht vom Menschen geschaffen wurde. Somit bildet Natur den Gegenbegriff von Kultur und Technik. Dennoch ist die Abgrenzung sehr schwierig, denn Natur ist auch überall da anzutreffen, wo sich der Mensch befindet, denn jeder verfügbare Lebensraum wird besiedelt, unabhängig davon, ob dieser vom Menschen geschaffen bzw. beeinflusst wurde/wird oder nicht. Beispielsweise ist Erdöl ganz natürlich, weil es ohne Zutun des Menschen entstanden ist, während es im Allgemeinverständnis eher als etwas Unnatürliches gesehen wird. Kulturlandschaften weisen eine hohe Artendiversität auf, obwohl sie nach diesem Verständnis nicht natürlich sind. Selbst die "unnatürlichsten" Habitate, wie z.B. Weltraumstationen, werden von Lebewesen spontan, d.h. ohne Willen des Menschen, besiedelt. |
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| '''Der "natürliche" Wald''' | | '''Der "natürliche" Wald''' |
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| Das Holz wurde spätestens mit Beginn der Neuzeit knapp, man ergriff Sparmaßnahmen, in dem man etwa Stein- und Fachwerkhäuser errichtete und den offenen Herd durch den Kachelofen ersetzte. In den Bauernkriegen, aber auch im Dreißigjährigen Krieg war Holzmangel ein wesentlicher Motivator, zudem stand sogar die Existenz der Städte auf dem Spiel. | | Das Holz wurde spätestens mit Beginn der Neuzeit knapp, man ergriff Sparmaßnahmen, in dem man etwa Stein- und Fachwerkhäuser errichtete und den offenen Herd durch den Kachelofen ersetzte. In den Bauernkriegen, aber auch im Dreißigjährigen Krieg war Holzmangel ein wesentlicher Motivator, zudem stand sogar die Existenz der Städte auf dem Spiel. |
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− | Schließlich forderte man im 18. Jh. erstmals zum Pflanzen von Jungbäumen auf, weiters errichtete man die ersten Viehweiden, was den Wald schonte. Gepflanzt wurden in erster Linie Fichten und Kiefern, selbst dort, wo sie natürlicherweise gar nicht vorkamen, etwa im Schwarzwald. Man erkannte bald, dass die Pflanzungen viel zu dicht erfolgten, dem deshalb erforderlichen Ausforsten hat unser Weihnachtsbaum seine Existenz zu verdanken. In den Fichtenwäldern legte man Lichtungen für das Vieh an. Das, was uns heute oft als Lichtung (mit kleinen Dörfern) in Form von Rodungsinseln erscheint, ist nicht geschlagen, sondern wurde nur nicht wiederbewaldet. Erstmals kamen Hasen und Rehe in größerem Ausmaß vor, was im ursprünglich geschlossenen Wald nicht der Fall war. Sehr bald wurde diesen neuen Wälder als immer schon bestehend und natürlich angesehen und generell das Land außerhalb der Städte mit "Natur" inclusive deren Bewohner romantisierend gleichgesetzt. Auch Landstriche, die aufgrund des menschlichen Eingriffes völlig umgestaltet wurden, wie etwa die Lüneburger Heide, wurden später unter Naturschutz gestellt, obwohl sie gar nicht natürlich sind. Dies war die Zeit, in der sich der Mythos vom deutschen Wald, gestützt auch auf die Erzählungen des Tacitus über die schaurigen Wälder Germaniens, bilden konnte. Die wilden Tiere fanden sich aber nie so sehr in den europäischen Wäldern, denn in Grimms Märchenbüchern. | + | Schließlich forderte man im 18. Jh. erstmals zum Pflanzen von Jungbäumen auf, weiters errichtete man die ersten Viehweiden, was den Wald schonte. Gepflanzt wurden in erster Linie Fichten und Kiefern, selbst dort, wo sie natürlicherweise gar nicht vorkamen, etwa im Schwarzwald. Man erkannte bald, dass die Pflanzungen viel zu dicht erfolgten, dem deshalb erforderlichen Ausforsten hat unser Weihnachtsbaum seine Existenz zu verdanken. In den Fichtenwäldern legte man Lichtungen für das Vieh an. Das, was uns heute oft als Lichtung (mit kleinen Dörfern) in Form von Rodungsinseln erscheint, ist nicht geschlagen, sondern wurde nur nicht wiederbewaldet. Erstmals kamen Hasen und Rehe in größerem Ausmaß vor, was im ursprünglich geschlossenen Wald nicht der Fall war. Sehr bald wurden diesen neuen Wälder als immer schon bestehend und natürlich angesehen und generell das Land außerhalb der Städte mit "Natur" inklusive deren Bewohner romantisierend gleichgesetzt. Auch Landstriche, die aufgrund des menschlichen Eingriffes völlig umgestaltet wurden, wie etwa die Lüneburger Heide, wurden später unter Naturschutz gestellt, obwohl sie gar nicht natürlich sind. Dies war die Zeit, in der sich der Mythos vom deutschen Wald, gestützt auch auf die Erzählungen des Tacitus über die schaurigen Wälder Germaniens, bilden konnte. Die wilden Tiere fanden sich aber nie so sehr in den europäischen Wäldern, denn in Grimms Märchenbüchern. |
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| Zusammenfassung: Europas Wald der Voreiszeit (Tertiär) war ähnlich vielfältig wie die heutigen Wälder in Nordamerika und Ostasien. Es war „die Natur“ selbst, die in Europa diesen Wald und die darin lebenden Tiere während der Eiszeit nicht nur fast völlig ausgerottet hat, sondern „sie“ hat auch dafür „gesorgt“, dass der Wald nach der Eiszeit, viel artenärmer wieder entstanden ist. | | Zusammenfassung: Europas Wald der Voreiszeit (Tertiär) war ähnlich vielfältig wie die heutigen Wälder in Nordamerika und Ostasien. Es war „die Natur“ selbst, die in Europa diesen Wald und die darin lebenden Tiere während der Eiszeit nicht nur fast völlig ausgerottet hat, sondern „sie“ hat auch dafür „gesorgt“, dass der Wald nach der Eiszeit, viel artenärmer wieder entstanden ist. |
− | Erst jetzt hat der Mensch, um sein Überleben zu sichern, eingegriffen und weite Gebiete entwaldet, um erst später einen neuen, wiederum veränderten Wald, den wir als „natürlich“ erleben, geschaffen. Unser west- und mitteleuropäische Wald ist, vereinfacht formuliert, ein Park. | + | Erst jetzt hat der Mensch, um sein Überleben zu sichern, eingegriffen und weite Gebiete entwaldet, um erst später einen neuen, wiederum veränderten Wald, den wir als „natürlich“ erleben, geschaffen. Unser west- und mitteleuropäischer Wald ist, vereinfacht formuliert, ein Park. |
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| ==Ist die Natur sanft?== | | ==Ist die Natur sanft?== |
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| In der Natur sind Krankheiten eine ernste Gefahr für ein Tier; wenn es nicht zur [[Selbstheilungskraft|spontanen Heilung]] kommt, wird das Tier sterben. Auch bei leichteren Erkrankungen leidet die Fitness des Tieres, das dadurch leichter zur Beute von Feinden wird oder selbst nicht in der Lage ist zu jagen. Dieser Mechanismus ist für die Population durchaus sinnvoll, denn damit scheidet ein potentieller Krankheitsüberträger aus. | | In der Natur sind Krankheiten eine ernste Gefahr für ein Tier; wenn es nicht zur [[Selbstheilungskraft|spontanen Heilung]] kommt, wird das Tier sterben. Auch bei leichteren Erkrankungen leidet die Fitness des Tieres, das dadurch leichter zur Beute von Feinden wird oder selbst nicht in der Lage ist zu jagen. Dieser Mechanismus ist für die Population durchaus sinnvoll, denn damit scheidet ein potentieller Krankheitsüberträger aus. |
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− | Zumal zu bedenken ist, dass Bezeichnungen wie „gerecht“, „sanft“, von und für Menschen geschaffen wurden. Die Natur, verstanden als Summe aller biotischen und abiotischen Vorgänge, ist selbst keine denkendes und handelndes Subjekt, sie kann nicht gerecht, zornig, sanft und was auch immer sein. | + | Zumal zu bedenken ist, dass Bezeichnungen wie „gerecht“, „sanft“ von und für Menschen geschaffen wurden. Die Natur, verstanden als Summe aller biotischen und abiotischen Vorgänge, ist selbst kein denkendes und handelndes Subjekt, sie kann nicht gerecht, zornig, sanft und was auch immer sein. |
| Genausowenig schlägt „die Natur“ zurück, wenn man eine Hand auf die heiße Herdplatte legt. | | Genausowenig schlägt „die Natur“ zurück, wenn man eine Hand auf die heiße Herdplatte legt. |
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| In Kreisen "ökologisch" orientierter Menschen werden derzeitige Nahrungsmittel als "degeneriert" und vitaminarm dargestellt. Zum einen dient dieses Argument der Vermarktung von [[Nahrungsergänzungsmittel]]n, andererseits der von Lebensmitteln aus ökologischem Anbau unter Verwendung alter Kultursorten und -rassen. | | In Kreisen "ökologisch" orientierter Menschen werden derzeitige Nahrungsmittel als "degeneriert" und vitaminarm dargestellt. Zum einen dient dieses Argument der Vermarktung von [[Nahrungsergänzungsmittel]]n, andererseits der von Lebensmitteln aus ökologischem Anbau unter Verwendung alter Kultursorten und -rassen. |
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− | Es existieren zahlreiche Ernährungsideologien, von denen jede von sich selbst behauptet, sie sei die ursprünglich natürliche Ernährung des Menschen. Beispiele sind: [[Urkost]], [[Rohkost]] und [[Steinzeitdiät]] sowie teilweise [[Veganismus]]. Aufgrund archäologischer Befunde geht man davon aus, dass der Mensch sich in der Vergangenheit von einer Mischkost ernährte. Das gilt vor allem für die Jäger und Sammlerkulturen. "Natürlich" waren und sind für die heutigen Jägerkulturen allerdings auch Hungerperioden. Erst mit der Sesshaftwerdung, also der Entwicklung der Landwirtschaft, hat sich das Bild geändert. Wir haben Grund zur Annahme, dass sich die ersten Bauern sehr einseitig ernährt haben, was sich auf den Gesundheitszustand und damit auf die Lebenserwartung massiv negativ ausgewirkt hat. Erst in der industriellen Epoche sollten wir Menschen dieses Defizit wieder aufholen. | + | Es existieren zahlreiche Ernährungsideologien, von denen jede von sich selbst behauptet, sie sei die ursprünglich natürliche Ernährung des Menschen. Beispiele sind: [[Urkost]], [[Rohkost]] und [[Steinzeitdiät]] sowie teilweise [[Veganismus]]. Aufgrund archäologischer Befunde geht man davon aus, dass der Mensch sich in der Vergangenheit von einer Mischkost ernährte. Das gilt vor allem für die Jäger- und Sammlerkulturen. "Natürlich" waren und sind für die heutigen Jägerkulturen allerdings auch Hungerperioden. Erst mit der Sesshaftwerdung, also der Entwicklung der Landwirtschaft, hat sich das Bild geändert. Wir haben Grund zur Annahme, dass sich die ersten Bauern sehr einseitig ernährt haben, was sich auf den Gesundheitszustand und damit auf die Lebenserwartung massiv negativ ausgewirkt hat. Erst in der industriellen Epoche sollten wir Menschen dieses Defizit wieder aufholen. |
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| Der Begriff "natürliche Ernährung" steht oft in Zusammenhang mit frei sein von Konservierungsstoffen. | | Der Begriff "natürliche Ernährung" steht oft in Zusammenhang mit frei sein von Konservierungsstoffen. |