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| * Werner Achelis trat im Mai 1933 in die NSDAP ein, war ab 1937 in der NS-Volkswohlfahrt aktiv und ab Januar 1937 bis November 1941 als politischer Leiter und kommissarischer Blockleiter für die NSDAP tätig. Zur gleichen Zeit war er Fachzensor für das Gebiet Tiefenpsychologie/Psychotherapie beim Amt Rosenberg der NSDAP. Zwischen Juni und November 1941 arbeitete Achelis, der 1939 aufgrund der Kriegssituation eine beschleunigte ärztliche Approbation erhalten hatte, als Volontärassistent an der medizinischen Poliklinik der Berliner [[Charité]] und ab Dezember 1941 bis 1945 als wissenschaftlicher Assistent an der Universitätsklinik für natürliche Heilweisen unter Professor Vogler. Nach 1945 war Achelis als niedergelassener Psychotherapeut in Hamburg tätig. | | * Werner Achelis trat im Mai 1933 in die NSDAP ein, war ab 1937 in der NS-Volkswohlfahrt aktiv und ab Januar 1937 bis November 1941 als politischer Leiter und kommissarischer Blockleiter für die NSDAP tätig. Zur gleichen Zeit war er Fachzensor für das Gebiet Tiefenpsychologie/Psychotherapie beim Amt Rosenberg der NSDAP. Zwischen Juni und November 1941 arbeitete Achelis, der 1939 aufgrund der Kriegssituation eine beschleunigte ärztliche Approbation erhalten hatte, als Volontärassistent an der medizinischen Poliklinik der Berliner [[Charité]] und ab Dezember 1941 bis 1945 als wissenschaftlicher Assistent an der Universitätsklinik für natürliche Heilweisen unter Professor Vogler. Nach 1945 war Achelis als niedergelassener Psychotherapeut in Hamburg tätig. |
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− | * Rudolf Bilz, ausgebildeter Neuropathologe und Psychotherapeut, trat bereits 1930 in die NSDAP ein. 1939 wurde er Schriftleiter der Zeitschrift für Psychotherapie. 1941 fungierte er als Herausgeber des Sammelbandes 'Psyche und Leistung' und veröffentlichte in den NS-Monatsheften über 'Fragen der seelischen Gesundheitsführung'. Er argumentierte darin unter Verweis auf den von Zeiss und Pintschovius herausgegebenen Sammelband 'Zivilisationsschäden' u.a. dafür, dass eine psychische Hygiene des Volkes sich auf klare völkische Gesundheitsführung stützen müsse, wobei die Instrumente für ein solches Vorgehen der Offizier, der Heerespsychologe, der Betriebsführer, vor allem aber die Organe der Deutschen Arbeitsfront sein sollten. Nach 1945 war Bilz weiter als Psychotherapeut tätig. Er konnte sich sogar 1957 an der Universität Mainz habilitieren, erlangte dort 1959 den Status eines außerplanmäßigen Professors und wurde 1961 zum Wissenschaftlichen Rat berufen. | + | * Rudolf Bilz, ausgebildeter Neuropathologe und Psychotherapeut, trat bereits 1930 in die NSDAP ein. 1939 wurde er Schriftleiter der Zeitschrift für Psychotherapie. 1941 fungierte er als Herausgeber des Sammelbandes ''Psyche und Leistung'' und veröffentlichte in den NS-Monatsheften über ''Fragen der seelischen Gesundheitsführung''. Er argumentierte darin unter Verweis auf den von Zeiss und Pintschovius herausgegebenen Sammelband ''Zivilisationsschäden'' u.a. dafür, dass eine psychische Hygiene des Volkes sich auf klare völkische Gesundheitsführung stützen müsse, wobei die Instrumente für ein solches Vorgehen der Offizier, der Heerespsychologe, der Betriebsführer, vor allem aber die Organe der Deutschen Arbeitsfront sein sollten. Nach 1945 war Bilz weiter als Psychotherapeut tätig. Er konnte sich sogar 1957 an der Universität Mainz habilitieren, erlangte dort 1959 den Status eines außerplanmäßigen Professors und wurde 1961 zum Wissenschaftlichen Rat berufen. |
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| * Friedrich F. Haag trat im Mai 1933 in die NSDAP ein und war ab 1934 Mitglied im NS-Hochschullehrerbund. 1934 wurde er zum außerordentlichen Professor an der medizinischen Akademie Düsseldorf ernannt und erhielt 1940 mit Unterstützung von Zeiss den Lehrstuhl für Hygiene an der Universität Gießen. Haag formulierte seine Überlegungen zur Zivilisationsschadentheorie nicht nur im Sammelband von Zeiss und Pintschovius, sondern auch wiederholt vor dem Forum des NS-Dozentenbundes. | | * Friedrich F. Haag trat im Mai 1933 in die NSDAP ein und war ab 1934 Mitglied im NS-Hochschullehrerbund. 1934 wurde er zum außerordentlichen Professor an der medizinischen Akademie Düsseldorf ernannt und erhielt 1940 mit Unterstützung von Zeiss den Lehrstuhl für Hygiene an der Universität Gießen. Haag formulierte seine Überlegungen zur Zivilisationsschadentheorie nicht nur im Sammelband von Zeiss und Pintschovius, sondern auch wiederholt vor dem Forum des NS-Dozentenbundes. |
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| * Hildegard Hetzer, Psychologin und Vorreiterin auf dem Gebiet der Entwicklungspsychologie, war von 1931-1934 als Professorin an der Pädagogischen Akademie Elbing tätig. Später war sie Gutachterin des Jugendamtes und Mitarbeiterin in Einrichtungen der NS-Volkswohlfahrt. Hetzers Theorien waren Grundlage für psychologische Begutachtungen im Prozess der "Eindeutschung" polnischer Kinder im besetzten Warthegau. Im Rahmen der so genannten 'Waisenhausaktion' war sie 1942 auch als Gutachterin für die Gauverwaltung tätig. Sie beschrieb ihre Tätigkeit damit, dass es sich um Kinder handele, bei denen gewissermaßen von außen her die Frage nach der Verpflanzung in einen anderen Lebensraum gestellt sei. Nach dem II. Weltkrieg konnte Hetzer ihre wissenschaftliche Karriere unbeschadet fortführen. 1948 wurde sie Professorin am Pädagogischen Institut Weilburg/Lahn, 1961 wechselte sie an die Universität Gießen und erhielt 1972 sogar das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. | | * Hildegard Hetzer, Psychologin und Vorreiterin auf dem Gebiet der Entwicklungspsychologie, war von 1931-1934 als Professorin an der Pädagogischen Akademie Elbing tätig. Später war sie Gutachterin des Jugendamtes und Mitarbeiterin in Einrichtungen der NS-Volkswohlfahrt. Hetzers Theorien waren Grundlage für psychologische Begutachtungen im Prozess der "Eindeutschung" polnischer Kinder im besetzten Warthegau. Im Rahmen der so genannten 'Waisenhausaktion' war sie 1942 auch als Gutachterin für die Gauverwaltung tätig. Sie beschrieb ihre Tätigkeit damit, dass es sich um Kinder handele, bei denen gewissermaßen von außen her die Frage nach der Verpflanzung in einen anderen Lebensraum gestellt sei. Nach dem II. Weltkrieg konnte Hetzer ihre wissenschaftliche Karriere unbeschadet fortführen. 1948 wurde sie Professorin am Pädagogischen Institut Weilburg/Lahn, 1961 wechselte sie an die Universität Gießen und erhielt 1972 sogar das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. |
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− | * [[Werner Kollath]] trat im Mai 1933 in die NSDAP ein und wurde 1935 Ordinarius für Hygiene in Rostock. 1945 wurde er aus allen universitären Ämtern entlassen, blieb aber weiterhin Direktor des Medizinal-Untersuchungsamtes. 1947 siedelte er nach Hamburg über und war bis zu seinem Tode 1970 als freier Wissenschaftler und Schriftsteller tätig. Ab 1958 versuchte er, den Wert seiner Reformkost 'Kollath-Frühstück' bzw. 'Kollath-Diät' wissenschaftlich zu begründen und in den Rahmen einer politischen Hygiene zu integrieren. Die in diesem Zusammenhang formulierten Ideen Kollaths unterscheiden sich nur unwesentlich (hauptsächlich nur in der Terminologie) von dem Programm des Sammelbandes 'Zivilisationsschäden am Menschen', der 1940 veröffentlicht wurde. | + | * [[Werner Kollath]] trat im Mai 1933 in die NSDAP ein und wurde 1935 Ordinarius für Hygiene in Rostock. 1945 wurde er aus allen universitären Ämtern entlassen, blieb aber weiterhin Direktor des Medizinal-Untersuchungsamtes. 1947 siedelte er nach Hamburg über und war bis zu seinem Tode 1970 als freier Wissenschaftler und Schriftsteller tätig. Ab 1958 versuchte er, den Wert seiner Reformkost "Kollath-Frühstück" bzw. "Kollath-Diät" wissenschaftlich zu begründen und in den Rahmen einer politischen Hygiene zu integrieren. Die in diesem Zusammenhang formulierten Ideen Kollaths unterscheiden sich nur unwesentlich (hauptsächlich in der Terminologie) von dem Programm des Sammelbandes ''Zivilisationsschäden am Menschen'', der 1940 veröffentlicht wurde. |
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− | * Karl Pintschovius war in den 1920iger Jahren u.a. Sekretär und Geschäftsführer in der Deutschen Volkspartei (DVP). Ab 1933 war er als Heerespsychologe für die Deutsche Wehrmacht tätig und wechselte 1939 in das Referat im Wehrmachtsführungsstab. 1945 geriet er in US-Kriegsgefangenschaft. 1946 immatrikulierte er sich zum Medizinstudium in Heidelberg, schloss 1951 mit der Promotion ab und arbeitete in den 1960er und 1970er Jahren in München als Psychotherapeut. | + | * Karl Pintschovius war in den 1920er Jahren u.a. Sekretär und Geschäftsführer der Deutschen Volkspartei (DVP). Ab 1933 war er als Heerespsychologe für die Deutsche Wehrmacht tätig und wechselte 1939 in das Referat im Wehrmachtsführungsstab. 1945 geriet er in US-Kriegsgefangenschaft. 1946 immatrikulierte er sich zum Medizinstudium in Heidelberg, schloss 1951 mit der Promotion ab und arbeitete in den 1960er und 1970er Jahren in München als Psychotherapeut. |
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− | * Heinz Zeiss war von 1920 bis 1928 Mitglied in der Deutsch-Nationalen Volkspartei (DNVP) und trat bereits 1931 der NSDAP bei. Ab Januar 1934 war er 'Vertrauensmann der Reichsleitung der NSDAP bei der Medizinischen Fakultät der Universität Berlin'. Ab Februar 1941 war er Zensor für das 'Fachbuch-Zentrallektorat' des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda und der Deutschen Arbeitsfront (DAF). Zeiss geriet 1945 in sowjetische Kriegsgefangenschaft und starb 1949 in einem Gefängnislazarett. | + | * Heinz Zeiss war von 1920 bis 1928 Mitglied in der Deutsch-Nationalen Volkspartei (DNVP) und trat bereits 1931 der NSDAP bei. Ab Januar 1934 war er "Vertrauensmann der Reichsleitung der NSDAP bei der Medizinischen Fakultät der Universität Berlin". Ab Februar 1941 war er Zensor für das "Fachbuch-Zentrallektorat" des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda und der Deutschen Arbeitsfront (DAF). Zeiss geriet 1945 in sowjetische Kriegsgefangenschaft und starb 1949 in einem Gefängnislazarett. |
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− | Weitere Bedeutung bei der Verbreitung der Zivilisationsschadentheorie hatte im III. Reich Gerhard Wagner, Führer des Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebundes (NSDÄB). Ab 1933 leitete er zusätzlich die Kassenärztliche Vereinigung Deutschlands (KVD) und ab 1934 das NSDAP-(Haupt-)Amt für Volksgesundheit. 1936 stieg er zum Leiter der neu eingerichteten Reichsärztekammer auf. Wagner hatte persönlichen Rückhalt bei Reichsminister Rudolf Hess. | + | Weitere Bedeutung bei der Verbreitung der Zivilisationsschadentheorie hatte im III. Reich Gerhard Wagner, so genannter Führer des Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebundes (NSDÄB). Ab 1933 leitete er zusätzlich die Kassenärztliche Vereinigung Deutschlands (KVD) und ab 1934 das NSDAP-(Haupt-)Amt für Volksgesundheit. 1936 stieg er zum Leiter der neu eingerichteten Reichsärztekammer auf. Wagner hatte persönlichen Rückhalt bei Reichsminister Rudolf Hess. |
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| Nach dem Tode Wagners übernahm Leonardo Conti im April 1939 seine Position und Ämter. Ab August 1939 war Conti auf dem Gipfel seiner Macht und war Adressat des Kreises um Zeiss und Pintschovius mit dessen Programm einer psychologischen Hygiene. | | Nach dem Tode Wagners übernahm Leonardo Conti im April 1939 seine Position und Ämter. Ab August 1939 war Conti auf dem Gipfel seiner Macht und war Adressat des Kreises um Zeiss und Pintschovius mit dessen Programm einer psychologischen Hygiene. |