Methylenblau

Aus Psiram
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Kurzbeschreibung von Methylenblau bei Doc Morris mit Hinweis dass keine Zulassung als Nahrungsergänzungsmittel vorliegt und das Produkt daher als Laborchemikalie und zu Färbezwecken verkauft wird (Bild: Doc Morris, Januar 2025, rote Markierung: Psiram)
Chemikalie Methylenblau als Modetrend im Internet, hier bei TikTok
Schauspieler und Medizinlaie Mel Gibson propagiert eine unwirksame Scharlataneriemethode gegen Krebs mit den Antiwurmmittel Ivermectin, Fenbendazol Chlordioxid und Methylenblau[1]
Der von Donald Trump designierte US-Gesundheitsminister Robert Kennedy jr wird von Journalisten gesehen wie er Methylenblau einnimmt
Heilpraktiker Florian Schilling mit verschwörungs- ideologischer Werbung für Methylenblau
Methylenblau als Gemisch mit DMSO beim Kopp Verlag

Methylenblau (engl. Methylene blue, Methylthioninium, Methylthioniniumchlorid, Methylthioninii chloridum PhEur, Methylenum coeruleum) ist ein kationischer synthetischer Farbstoff, der als ein Phenothiazin-Derivat in der Chemie, Medizin und Färbetechnik verwendet wird. Alternative Bezeichnung für Methylenblau ist "synthetischer Farbstoff Methylthioniumchlorid". Die Substanz wurde erstmals 1876 von dem Chemiker Heinrich Caro synthetisch hergestellt, es handelt sich nicht um eine natürlich vorkommende Substanz. Neben seiner zugelassenen Anwendung bei Vergiftungen (Methämoglobinämie) spielt Methylenblau in der Alternativmedizin eine Rolle als Wundermittel "MB", verfügt jedoch nicht über eine rechtliche Einordnung als Nahrungsergänzungsmittel oder Lebensmittel.

Durch seine aromatische Struktur hat Methylenblau lipophile Eigenschaften und kann Zellmembranen durchdringen. Es überwindet die Blut-Hirn-Schranke und akkumuliert in neuronalem Gewebe. Methylenblau ist in der Medizin ein Antidot bei bestimmten Vergiftungen, die zur Methämoglobinämie führen. Das Mittel muss dann intravenös gespritzt werden mit einer Dosierung von 1 bis 2 mg/kg Körpergewicht. Bei höherer Dosierung stellen sich mehrere Nebenwirkungen ein, darunter auch die Methämoglobinämie selbst, obwohl bei niedrigerer Dosierung Methylenblau gegen diesen Zustand wirksam ist. In hohen Dosen kehrt sich die antioxidative in eine prooxidative Wirkung um, mögliche förderliche Effekte für die kognitive Leistung bleiben dann aus. Darüber hinaus wird die Chemikalie Methylenblau für Papierfärbung und Färbezwecke in der Histologie eingesetzt und für weitere spezielle Fragestellungen.

Methylenblau war in der Schweiz in Form von Augentropfen im Handel (Collyre bleu + Naphazolin). Es wurde im Jahr 1984 für die Behandlung unspezifischer Bindehautentzündungen zugelassen und im Jahr 2021 wurde der Vertrieb eingestellt. 2020 wurde eine Injektionslösung mit Methylenblau als zu spritzendes Antidot registriert (Methylthioniniumchlorid Proveblue von Bichsel).[2] Das Vorhaben Methylenblau zur Therapie der Alzheimerschen Krankheit einzusetzen, scheiterten, genauso wie ein geplantes Anti-Malariamittel mit Methylenblau.

Methylenblau ist neurotoxisch. Beim Kontakt mit Nervengewebe werden neurotoxische Wirkungen mit schwerwiegenden Folgen (Meningismus, Querschnittslähmung, Radikulopathie, Enzephalopathie) ausgelöst. Auch eine subkutane Anwendung ist kontraindiziert.[3]

Patienten, die Antidepressiva vom Typ der selektiven Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) oder SNRI nehmen, riskieren unter Methylenblau einen ein Serotonin-Syndrom.

Im Tierversuch zeigte eine langandauernde Einnahme bei männlichen Mäusen eine dosisabhängige Rate an Dünndarmtumoren. Bei männlichen Ratten traten nach lebenslanger Methylenblau-Behandlung vermehrt Tumore der Bauchspeicheldrüse auf. Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) stuft Methylenblau in Kategorie 3 ein, als nicht klassifizierbar hinsichtlich seiner Karzinogenität für den Menschen.[4]

Methylenblau in der Alternativmedizin und Internet

Die Laborchemikalie Methylenblau wird in mehreren Büchern als Wundermittel gegen mehrere unterschiedliche Erkrankungen vorgestellt und beworben und ist zu einem Online-Trend so genannter Biohacker geworden[5]. Das Mittel wird über mehrere einschlägige Webshops wie Kopp Verlag, Waldkraft (Alveda GmbH in Berlin von Jacob Michael Dill), Robert Franz, Alchemist (Monika Leutner aus Stuttgart)[6], Ittermann (Ralf Ittermann) oder Narayana von Herbert und Katrin Sigwart verkauft, bei Preisen um 200 €/Kg. International wird die Chemikalie Methylenblau ab etwa 5 US Dollar pro Kg gehandelt. Methylenblau-Produkte der chemischen Industrie sind nicht für Anwendungen beim Menschen gedacht.

Die als "bioaktiv" deklarierte Substanz Methylenblau hat keine Zulassung als Nahrungsergänzungsmittel oder Lebensmittel gemäss EU Novel Food Verordnung. Auch handelt es sich nicht um ein Mittel alter tradierter Verfahren oder ein Mittel aus der Natur. Desshalb müssen sich Verkäufer eine rechtliche Lösung einfallen lassen. So wird Methylenblau gerne als Laborchemikalie verkauft, oder wegen seiner Färbeeigenschaften als Farbe "zu Dekorationszwecken". In der jeweiligen Werbung wir jedoch regelmässig auf behauptete stets positive Eigenschaften für die menschliche Gesundheit verwiesen, was diese Mittel somit zu einem Präsentationsarzneimittel macht. Wegen der fehlenden Zulassung der zahlreichen Pulver und Lösungen mit Methylenblau wird der Reinheitsgehalt der Produkte nicht überprüft. Die meisten Hersteller kennzeichnen Methylenblau mit dem Hinweissatz „Gesundheitsschädlich bei Verschlucken“. Apotheker werden angehalten Kunden nach dem Verwendungszweck zu befragen. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA9 rät grundsätzlich dringend davon ab, Chemikalien einzunehmen. Apotheken sind auch nicht dazu verpflichtet, Methylenblau zu verkaufen. In einer aktuellen Stellungnahme auf Facebook rät die ABDA Apotheken generell davon ab, die Chemikalie zu verkaufen.[7]

Einer der eifrigsten Autoren befürwortender und werbender Literatur sind der kanadische Autor und Blogger Mark Sloan aus Ontario sowie der amerikanische Arzt Thomas Edward Levy (Thomas E. Levy). Weitere Autoren sind ein Thomas Lehmann und Marcus Burgstein. Der Blogger Mark Sloan, der im VAK Verlag publiziert, ist der Erfinder einer Badebomben - Methode nach Mark Sloan. Sein Bade-Rezept sieht dabei zwei Teile Natron, einen Teil Zitronensäurepulver, ein Viertel Teil Stärke und Methylenblau in einem Bad vor, mit der möglichen Folge einer dauerhaften Blaufärbung der Badewanne. Er beschreibt die Chemikalie Methylenblau als ein Mittel welches das Immunsystem stärke, Mitochondrien "unterstütze" und vor Demenz und neurodegenerativen Erkrankungen schütze. Wörtlich heisst es spekulativ zum "Stoffwechselmedikament Methylenblau":

Wissenschaftliche Forschungen haben gezeigt, dass praktisch alle Krankheiten einen metabolischen Ursprung haben, also den Stoffwechsel betreffen, und dass die Verbesserung der zellulären Mitochondrienfunktion der schnellste Weg zur Wiederherstellung von Gesundheit ist.

Glaubt man dem Autor Lehmann, so steigere das Wundermittel Methylenblau "Gehirn, Immunsystem und Mitochondrien". Zitat Thomas Lehmann:

Alzheimer, Malaria, Depressionen oder Krebs – Krankheiten, die unterschiedlicher kaum sein könnten, und doch wird eine Waffe erfolgreich im Kampf gegen alle genutzt: Methylenblau, ein unkomplizierter Farbstoff, der viel mehr kann als nur Textilien färben. Wenn Sie selbst herausfinden möchten, was mit dem Wundermittel alles möglich ist, schnappen Sie sich diesen Ratgeber und tauchen Sie ein in eine blaue Welt! ... als Antidot gegen chemische Vergiftungen, als Malariamedikament, als wirksamer Viren-Killer, zur Verlangsamung der Gehirnalterung bei Demenz- oder Alzheimerpatienten, in der Krebsmedizin, als Antidepressivum oder als Gehirn-Booster für Aufmerksamkeit und Fokus – der Griff zu Methylenblau kann in vielen medizinischen Fällen ein Gamechanger sein.[8]

Autor Marcus Burgstein bewirbt Methylenblau trotz der Gefahren bei falscher Dosierung und bei bestimmten bestehenden Krankheiten für private Experimente, laut Burgstein "Effektive Selbstbehandlung von Beschwerden und Schmerzen": ..Wir räumen mit häufigen Missverständnissen und Halbwahrheiten auf...Befreien Sie sich von: Unsicherheiten: Werden Sie zum Experten und treffen Sie informierte Entscheidungen...Enttäuschenden Erfahrungen: Keine verschwendete Zeit und Geld mehr mit unwirksamen oder unsicheren Produkten...Nutzen Sie Methylenblau mit Zuversicht und Sicherheit..

Neben den Werken der hier genannten Autoren finden sich noch weitere werbend gehaltene Bücher zur Chemikalie Methylenblau, die mit verschiedenen Autorenangaben angeboten werden. Nähere Angaben zu den Autoren wie Stefan Woznik lassen sich nicht finden, und der unstrukturierte Inhalt scheint einer Sammlung von KI-generierten Texten eines Pseudonyms zu entsprechen.

Zitate

  • Gehirndoping mit Methylenblau?
    Biohacker, die auf Methylenblau zur Steigerung ihrer kognitiven Leistung setzen, haben damit nur teilweise recht. In niedrigen Dosen zeigt Methylenblau neuroprotektive und gedächtnisfördernde Eigenschaften. Doch wie so oft macht allein die Dosis das Gift. Ab etwa 2 mg/kg Körper­gewicht können unerwünschte Wirkungen auf­treten. Dazu gehören Übelkeit, Erbrechen, Bauch- und Brustschmerzen. Außerdem kann es zu hämolytischer Anämie und Hypotension kommen.
    Haut und Schleimhäute verfärben sich blau, und auch der Urin nimmt eine dunkelblaue Farbe an [4]. Die methylenblauen Influencer berichten von einem breiten Dosisbereich. Während manche eine Dosis von wenigen mg alle paar Tage empfehlen, konsumieren andere täglich über 100 mg. Bei einer solchen Praktik sollte unbedingt auf die pharmazeutische Reinheit der Substanz geachtet werden. Industrielles Methylenblau ist zwar günstig, enthält aber auch mehrere Prozent Verunreinigungen. Einschlägige Onlineshops bieten Methylenblau-Lösungen in verzierten Tropffläschchen an, angeblich in „pharma grade“-Qualität. Dazu gibt es andere Lifestyle-Produkte wie methylenblaue Hautcremes. Pharmakologisch betrachtet ist Methylenblau eine vielfältige Substanz mit interessanten Eigenschaften. Sie wirkt neuroprotektiv und scheint in niedrigen Dosen Gedächtnis und Konzentrationsfähigkeit zu fördern, indem sie den oxidativen Metabolismus des Gehirns optimiert. Einige vielversprechende klinische Anwendungen bei schweren neuropsychiatrischen Erkrankungen werden erforscht. Methylenblau gilt allgemein als gut verträglich, es kann jedoch zu Interaktionen mit Antidepressiva kommen.
    Das Phänomen von Influencern, die in sozialen Medien für die Einnahme von Methylenblau werben, scheint auf den ersten Blick harmlos, birgt jedoch auch Risiken. Ein limitierender Faktor bei der Dosierung ist die hormetische Wirkung. Für den Laien unüberschaubare pharmakologische Zusammenhänge und die unklare Qualität vieler Produkte sollten zur Vorsicht mahnen.
    (Zitat von Deutsche Apotheker Zeitung, Autor: Ulrich Schreiber, 11.9.2024[9])
  • UNERWÜNSCHTE NEBENWIRKUNGEN :
    > Gastrointestinaltrakt : Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Bauchschmerzen, Blaufärbung von Stuhl und Speichel.
    > Hämatologie : Hämolyse (Glucose-6- Phosphat-Dehydrogenase-Mangel oder bei hohen Dosen), Methämoglobinämie (nach hohen Dosen), Hyperbilirubinämie.
    > Kardiovaskularsystem : Hypertonie, Hypotonie, Herzrhythmusstörungen, Schmerzen in der Brust.
    > Ganzer Körper : Übermäßiges Schwitzen.
    > Dermatologie : Hautausschlag (blaue Flecken, starkes brennendes Gefühl), Hautverfärbungen, Urtikaria, erhöhte Empfindlichkeit der Haut gegenüber Licht (Photosensitivität).
    > Nervensystem : Kopfschmerzen, Schwindelgefühl, Verwirrtheit, Angstzustände, Zittern, Fieber, Aphasie, Unruhe, Serotoninsyndrom, wenn bestimmte Medikamente zur Behandlung von Depressionen oder Angst angewendet wurden.
    > Am Verabreichungsort : Thrombophlebitis (resultierend aus hohen Dosen, bei falscher Verdünnung - es sollten nicht mehr als 350 mg Methylenblau in 500 ml Infusionslösung gelöst werden), Nekrose (bei Extravasation).
    > Nieren : Blaufärbung des Urins.
    > Atemwegs-, Brustraum- und Mediastinumerkrankungen: Atembeschwerden, Kurzatmigkeit, Hypoxie.
    > Ophthalmologie : Mydriasis.
    > Immunologie : anaphylaktische Reaktion
    > Die orale Verabreichung kann Magen-Darm-Störungen und Dysurie verursachen.
    > Die Verwendung von Methylenblau für das endoskopische tätowieren wurde mit Gefäßnekrose, Geschwürbildung der Schleimhäute, parietaler Nekrose, extra- parietaler Fettgewebsnekrose und entzündlichen Veränderungen des Dickdarms in Verbindung gebracht.
    [10]

Siehe auch

Bildbelege

Weblinks

Weblinks (englisch)

Quellennachweise