Kupferchloridkristallisation
Die Kupferchloridkristallisation nach Pfeiffer (auch empfindliche Kristallisation, sensible Kupferchloridristallisation nach Pfeiffer oder sensible Biokristallisation) ist ein historisch-umstrittenes anthroposophisches Testverfahren, das zu den bildschaffenden Verfahren der Anthroposophie gezählt wird. Vom Prinzip her wird eine Probe mit einer Kupferchloridlösung versetzt und getrocknet. Während des Verdampfens von Wasser bilden sich bei gleichzeitiger Verhinderung von Vibrationen Kristalle und Salze, die rein qualitativ in Bezug zur ihrer Form betrachtet und optisch beurteilt werden. Das Untersuchungsergebnis hängt von der untersuchenden Person ab und ist daher als subjektiv anzusehen, was eine Reproduzierbarkeit nur auf eine untersuchende Person einschränkt. Selbst Befürworter weisen darauf hin, die Interpretation der Kristalle/Salze stark an die interpretierende Person gebunden sei. Die Untersucher versuchen insbesondere Bezüge der nach Trocknung auftretenden grüngefärbten Kristalle und Salze zu einem Pflanzenwachstum herzustellen. Die sich bildenden Kristalle sollen der Pfeifferschen Lehre nach durch in der Anthroposophie angenommene feinstoffliche "lebendige Gestaltkräfte" in den Proben beeinflusst werden, was zu bestimmter "Ordnung" und bestimmten "Gestalten" bei den Kristallen führe. Befürworter glauben auch an kosmische Einflüsse auf die Aussalzung der Proben.
Von ihren Befürwortern wird die Kupferchloridkristallisation als geeignet angesehen, qualitative Aussagen zu Lebensmitteln zu machen. So sollen beispielsweise Lebensmittel des anthroposophischen biodynamischen Landbaus sich von konventionell angebauten Pflanzen und Früchten durch eine höhere so genannte "Vitalaktivität" unterscheiden. Auch wird sie in den Befürworterkreisen zu pseudodiagnostischen Zwecken in der anthroposophischen Medizin eingesetzt.
Die Methode wird in der wissenschaftlichen Medizin nicht berücksichtigt, da keine Nachweise einer Eignung vorliegen. Insbesondere fehlen wissenschaftliche Studien zur Methode, die den Einsatz zu diagnostischen Zwecken rechtfertigen würden. Gesetzliche Krankenkassen erstatten die Kosten nicht. Die Methode wird lediglich im anthroposophischen Umfeld eingesetzt. Literatur zur Kupferchloridkristallisation findet sich in alternativmedizinischen Zeitschriften und Werken.
Das Verfahren geht auf die Anthroposophen Ehrenfried Pfeiffer (1899-1961) und Erika Sabarth (1897-1981) zurück. Chemiker Pfeiffer stellte seine Methode im Jahre 1925 vor, und veröffentlichte zu ihr 1935.[1] Stichwortgeber war der Erfinder der Anthrosophie, Rudolf Steiner. Steiner hatte angeregt über die Verbindung von einem anorganischen Metallsalz und einer biologischen Substanz zu forschen um "ätherische Kräfte" nachzuweisen. Auf Pfeiffer geht auch das Rundfilterchromatogramm zurück.
Die Kupferchloridkristallisation ist hauptsächlich im deutschen Sprachraum bekannt. Nur wenige Anwender finden sich in anderen Ländern wie Frankreich oder Japan. Entsprechend liegen auch nur zwei Artikel in der Wikipedia vor: in deutscher und französischer Sprache.
Bei Anwendungen zur Glaubhaftmachung von Postulaten der Homöopathie wird die seit 1925 bekannte Methode nach Pfeiffer auch völlig anders bezeichnet.
Kupferchloridkritallisation mit Liquor
In der anthroposophischen Medizin findet sich die Erwähnung von "Kritallisationsbildern" von menschlichem Liquor (Hirnflüssigkeit) bei bestimmten Krankheiten. Eine Liquorprobe wird mit Kupferchlorid (CuCl2-Lösung) versetzt und gestrocknet. Demnach würde sich beispielsweise bei Tuberkulose (heute sehr seltene Meningitis tuberculosa) ein anderes Kristallisationsbild ergeben als bei gesunden Menschen. Es würden "Formen" auftreten, die mit organischen Wuchsformen übereinstimmten. Es würden sich bei den Kristallen Formen bilden, die blühenden Gräsern oder Baumflechten ähnelten.
Blutkristallisation in der anthroposophischen Medizin
Die Kupferchloridkristallisation wird auch zu diagnostischen Zwecken in der anthroposophischen Medizin eingesetzt. Untersuchungsgegenstand ist zumeist Blut. In diesem Zusammenhang wird dann auch von "Blutkristallisation" gesprochen. Eine kleine Menge Blut wird hierbei auskristallisiert. Die entstehenden Blutkristallisationsbilder (BKB) sollen Korrelationen zwischen den auftretenden Bildphänomenen und Krankheitsprozessen zeigen. Befürworter des Verfahrens behaupten insbesondere, dieses sei geeignet, Entzündungsprozesse und sogar Krebs anzuzeigen. Die von Krankheit betroffenen Organe sollen sich auch in einem organspezifischen Wachstumsfeld des Kristallbildes widerspiegeln, womit die Methode sogar zur Lokalisation des Geschehens geeignet sei. Merkwürdigerweise müssen aber zur "richtigen" Interpretation des BKB weitere klinische Befunde des Patienten bekannt sein.
Siehe auch: Blutkristallanalyse, (auch kristalloptische Analyse) als eine alchemistisch-diagnostische Labormethode, die 1977 von dem schwäbischen Heilpraktiker Ulrich-Jürgen Heinz erfunden wurde, dem Erfinder der so genannten Clustermedizin. Die Clustermedizin ist der Spagyrik zuzuordnen.
Methodik
4 ml oder 6 ml einer Mischung aus der zu untersuchenden Probe, destilliertem Wasser und Kupferchloridlösung lässt man auf einer Glasplatte, auf der ein Ring von 9 cm Durchmesser befestigt wird, auskristallisieren. Die Kupferchloridkonzentration soll dabei 0,10 bis 0,16 g Kupferchlorid/ Platte betragen. Als Kristallisationskammer dient ein Brutschrank mit einer Temperatur von 28 bis 30°C. Typischer Weise dauert der Trocknungsvorgang rund 12 bis 14 Stunden, gelegentlich etwas länger (bis 26 Std).
Die Kristallbildung hängt von mehreren Faktoren ab. So ergeben sich unterschiedliche Kristalle in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit der Erwärmung bzw. Dauer der Trocknung, der Positionierung auf dem Kristallisationsring, der Luftfeuchte und dem Grad der Sättigung der Lösung.
Mehrere private Unternehmen aus den Niederlanden und Dänemark, sowie die Universität Kassel (Triangle-Kooperation Uni Kassel/Witzenhausen[2], Labor LouisBolk-Instituut/NL[3] und BRA/DK[4]) haben sich per Konsens auf eine gemeinsame Methodik geeignet und bezeichnen diese Methodik als "standardisiert".
Bekannt gewordene Anwendungen
- Die Unternehmen Weleda, Wala (auch Marke "Dr. Hauschka) setzten oder setzen die Kupferchloridkristallisation für eigene Kosmetikprodukte und Heilmittel ein. Auch Lebensmittel mit Kennzeichnungen des Anbauverbandes Demeter wurden mit dieser Methode getestet. Nach einer Pressemitteilung der Firma Demeter vom 7.11.2005 soll die Qualität von Milch davon abhängen, ob die Kühe Hörner trügen oder nicht. Die Kupferchloridkristallisation sei in der Lage, bei Milchproben anzugeben, ob die Milche von hörnertragenden Kühen stamme oder nicht, meint die Ernährungswissenschaftlerin Renate Irion aus Unterreit (Oberbayern), die diese Untersuchungen durchgeführt hat. Die Demeter-Milch von hörnertragenden Kühen sei erstaunlicherweise für Menschen mit einer Milch-Unverträglichkeit bekömmlich, heisst es weiter bei Demeter. Gelegentlich werden auch Bio-Weinproben mit der Kupfechloridkristallisation getestet.
- Anwendungen im Bereich der anthroposophischen Medizin.
- Anwendungen zur. Glaubhaftmachung von Postulaten der Homöopathie. In diesem Zusammenhang wird der seit 1925 bekannten Methode gerne anders bezeichnet.
Alternative Bezeichnungen
Zu dieser Methode kursieren in der Literatur zahlreiche andere Bezeichnungen. Zu nennen sind:
- Biokristallisation und biocrystallization (engl.)
- dendritic crystallization pattern und "fingerprint metabolomic analysis" (mit Kupferchloridlösung)
siehe auch
- Bildschaffende Methoden der Anthroposophie
- Rundfilterchromatogramm (nach Pfeiffer)
- Kristallanalyse nach Hagalis
- Blutkristallanalyse
- Soyana Methode
Literatur
- Ehrenfried Pfeiffer, Kristalle. Berichte aus den Arbeiten des naturwissenschaftlichen Forschungslaboratoriums am Goetheanum Dornach, Orient-Occident-Verlag, Stuttgart 1930
- Ehrenfried Pfeiffer, Studium von Formkräften an Kristallisationen mit besonderer Berücksichtigung landwirtschaftlicher Gesichtspunkte, Naturwissenschaftliche Sektion der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft am Goetheanum, Dornach, 1931
- Pfeiffer, E.: Empfindliche Kristallisationsvorgänge als Nachweis von Formungskräften im Blut. Dresden: Verlag E. Weise 1935
- Pfeiffer E: Empfindliche Kristallisationsvorgänge als Nachweis von Formungskräften im Blut. Dresden: Verlag E. Weise 1935
- Selawry, A.: Neue Ergebnisse auf dem Gebiete der CuCl2-Blutkristallisations-Diagnostik. Dtsch. med. Wschr. 1949, 236
- Lehmann-Grube, F: Über die Beeinflußbarkeit der Kupferchlorid-Kristallisation durch Liquor cerebrospinalis bei Meningitis tuberculosa, Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten volume 192, S 207–219 (1954)
- A. / O. Selawry: Die Kupferchlorid-Kristallisation in Naturwissenschaft und Medizin. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, 1957
- Nickel E. : Die Reproduzierbarkeit der Sogenannten Empfindlichen Kupferchloridkristallisation. Bull Soc frib Sci Nat 57 : 65-179, 1967-68
- J.-G. Barth: Empfindliche Kristallisation – Krebs und Prekanzerose. Elemente der Naturwissenschaft 52, 1990, 42–51
- Barbara Burkhard: Anthroposophische Arzneimittel. Eine kritische Betrachtung. GOVI, Eschborn 2000
- S. Baumgartner, P. Doesburg, C. Scherr, and J.-O. Andersen: Development of a biocrystallisation assay for examining effects of homeopathic preparations using cress seedlings. Evidence-Based Complementary and Alternative Medicine eCAM, vol. 2012, pp. 125945 Volltext
- P. Doesburga, J.-O. Andersen, C. Scherr, S. Baumgartner: Empirical investigation of preparations produced according to the European Pharmacopoeia monograph 1038, European Journal of Pharmaceutical Sciences, 137, 2019 Volltext
Quellennachweise
- ↑ *Pfeiffer, E.: Empfindliche Kristallisationsvorgänge als Nachweis von Formungskräften im Blut. Dresden: Verlag E. Weise 1935
- ↑ Universität Kassel Fachgebiet Ökologische Lebensmittelqualität und Ernährungskultur Nordbahnhofstr. 1a D-37213 Witzenhausen
- ↑ Louis-Bolk-Instituut, Hoofdstraat 24, NL-3972 Driebergen
- ↑ Biodynamic Research Association, Landsbyvänget 7B, DK-8464 Galten