Höhenflugtherapie
Die Höhenflugtherapie ist eine historische und obsolete Therapiemethode zur Behandlung von Asthma und Keuchhusten, bei der die Patienten einen Flug in einem Flugzeug ohne Druckkabine durchführten und somit einem niedrigeren Umgebungsluftdruck ausgesetzt waren. Unter der gleichen Bezeichnung wurden auch Behandlungen in Unterdruckkammern oder Höhendruckkammern durchgeführt.
Die so genannten "Keuchhustenflüge" (fr. vol coqueluche) zur Behandlung des kindlichen Keuchhustens reihten sich ein in die Liste von überholten Behandlungsversuchen wie denen in Brauereien oder gar Gaswerken. Bevor Antibiotika zur Verfügung standen, wurde Keuchhusten auch mit allen möglichen und erdenklichen Mitteln wie Schneckensirup, Eichelkaffee oder mit Milch gekochtem Seehundfett behandelt. Ursache von Keuchhusten ist eine Infektion mit Bordetella pertussis-Bakterien. Zur Prophylaxe existiert eine allgemein empfohlene wirksame Impfung mit einer Schutzrate von 80-90 %. In der Vor-Antibiotikazeit wurden bei Keuchhusten Besserungen der Symptomatik durch Ortswechsel beobachtet. Da die Kinder dazu auch in die Berge (oder auch an Orte mit Windmühlen) "verschickt" wurden, ist hier möglicherweise ein Grund für die Höhenflugversuche zu sehen. Als weitere Gründe für diese Praxis wurden mögliche Erweiterungen von Bronchial- und Lungengefäßen unter Sauerstoffmangel gesehen. Sturzflüge mit dem Flugzeug sollten den meist kindlichen Flugpassagieren zudem das Abhusten von Schleim erleichtern.
Unterdruckversuche in Deutschland und Österreich
1939 wurden in Deutschland Behandlungsversuche bei Kindern mit Keuchhusten in Zusammenarbeit mit dem Sanitätsamt des "nationalsozialistischen Fliegerkorps" unternommen. Die Durchführung der "Keuchhustenflüge" wurde unterstützt durch die Gruppe IV des NSFK sowie durch die Hansa-Flugdienst G.m.b.H. Bei den erkrankten Kindern wurden mehrmals Unterdruckbehandlungen mittels Flüge in 3500 m Höhe oder in einer Unterdruckkammer am Boden durchgeführt. Unterschiede im Behandlungsergebnis sollen dabei nicht erkennbar geworden sein, ein Vergleich zu einer Placebobehandlung wurde nicht angestellt. Bei den Kindern, die mitgeflogen waren, soll es zu einer Besserung des Zustandes in 10% der Fälle gekommen sein, am Boden in 15% der Fälle. Insgesamt zeigte sich keine Überlegenheit zu damals etablierten Behandlungen.[2] Die Ergebnisse wurden auch für "wehrmedizinische" Betrachtungen herangezogen.[3]
Tödliche Unterdruckversuche wurden im 2. Weltkrieg auch mit KZ-Häftlingen durchgeführt.
In Österreich wurden 1954 Keuchhustenflüge durchgeführt. 1955 führte die "Salzburger Rettungsflugwacht" Flüge mit keuchhustenkranken Kindern über Salzburg durch. Dabei wurden auch Sturzflüge von 4000 m auf 2000 m absolviert:
- Der Pilot eines Kleinflugzeuges stürzte aus ca. 4000 Meter im Sturzflug auf knapp 2000 Meter hinunter. Dort wurde heftig der Steuerknüppel gegengezogen. Die daraus resultierende Kraft beförderte, neben Mageninhalt, sämtlichen Schleim aus den Bronchien.[4][5]
In Deutschland fanden 1955 weitere Untersuchungen mit Höhenflügen bei Kindern mit Keuchhusten an der Universitäts-Kinderklinik Hamburg-Eppendorf statt.[6]
Auch heute werden in Deutschland und Österreich noch vereinzelt "Keuchhustenflüge" beworben. Dabei erfolgt mit Sportflugzeugen ein Aufstieg auf 3000 m bis 4000 m. Ein Anbieter nennt dafür einen Preis von 168 Euro.[7][8][9]
Frankreich und Luxemburg
In Luxemburg und auch in Frankreich wurden "vols coqueluches" (Keuchhustenflüge oder "méthode Strasbourgeoise", als "Strasburger Methode" oder "aérothérapie") durchgeführt, offenbar bereits seit den fünfziger Jahren. Der Legende nach sollen derartige Flüge bereits vor 1914 existiert haben, wofür jedoch keine prüfbaren Quellen vorliegen. Einer der Befürworter war der französische Arzt Max Richou. Richou wandte jedoch Unterdruckkammern an, die einen Aufenthalt auf 4000 m simulierten. Diese sollten auch bei Asthma wirksam sein. Nach Richou sei die Methode in Frankreich von einem Arzt namens W. Matter vom "Aeroclub Elsass" erfunden worden, um Keuchhusten zu behandeln. Die "Strasburger Methode" nach Matter sah einen raschen Aufstieg auf 3000-3500 Meter vor sowie einen dortigen Aufenthalt von 50 Minuten. Danach sollte noch vor der Landung eine Weile auf 1500 m geblieben werden. Offenbar werden derartige Flüge weiterhin vereinzelt in Frankreich von einigen Fliegerclubs durchgeführt.
Höhentherapie und Doping im Sport
Die Unterdruckbehandlung spielt auch eine Rolle im Sportdoping, da ein niedrigerer Sauerstoffpartialdruck längerfristig (ab ca. einer Woche) zu einer vermehrten Bildung roter Blutkörperchen führt, was dem Sportler dann unter normalen Druckverhältnissen Vorteile verschaffen kann, ohne dass dies durch Medikamenteneinnahmen erfolgt. Der begleitende Anstieg des Hämatokritwertes (Anteil zellulärer Bestandteile im Blut) kann jedoch auf eine derartige Maßnahme hinweisen und zur Sperrung des Sportlers (wie im Fall Claudia Pechstein) führen, wenn der durch die Sportverbände festgelegte Hämatokritgrenzwert überschritten wird.
Gaswerktherapie des Keuchhustens
Bereits ab 1864 wurden in Frankreich im Rahmen einer Gaswerktherapie Kinder im Gaswerk von Saint-Mandé zur Keuchhustenbehandlung den Gasen des Werkes ausgesetzt. Man erhoffte sich eine Besserung durch die Einatmung von Ammoniakdämpfen, die bei der Verkokung von Kohle entstehen.
Untersuchung an Asthmapatientinnen bei Achterbahnfahrten
Im Jahre 2000 veröffentlichte die holländischen Forscher Simon Rietveld und Ilja van Beest einen Artikel in der Fachzeitschrift "Behaviour Research and Therapy" mit dem Titel "Rollercoaster asthma: When positive emotional stress interferes with dyspnea perception", in dem sie sich mit Frage nach der Einwirkung des Achterbahnfahrens bei Frauen mit Asthma beschäftigten.[10]
Siehe auch
Literatur
- H. G. Clamann, H. Becker-Freyseng. Über Erfahrungen mit Keuchhusten-Höhenflügen und Unterdruckkammer-Behandlungen, Vortrag in der Sitzung der Berliner Medizinischen Gesellschaft am 21. VI. 1939. Aussprache vgl. 1939 Nr. 44 S. 1647
- Friedrich Pflug, Hildegard Jungheim: Über die Beeinflussung des Keuchhustens durch Höhenflüge, Journal of Molecular Medicine, Volume 18, Number 37, September 1939.
- Flammer R. Gaswerktherapie und Schneckensirup gegen Keuchhusten, Schweiz Ärztezeitung. 2006; 87(42):1808.
Quellennachweise
- ↑ http://tontondaniel.over-blog.com/article-17952111.html
- ↑ H. G. Clamann, H. Becker-Freyseng. Über Erfahrungen mit Keuchhusten-Höhenflügen und Unterdruckkammer-Behandlungen, Vortrag in der Sitzung der Berliner Medizinischen Gesellschaft am 21. VI. 1939. Aussprache vgl. 1939 Nr. 44 S. 1647
- ↑ Wehrmedizin, Dtsch med Wochenschr 1940; 66(3): 61-65, DOI: 10.1055/s-0028-1121446
- ↑ http://www.kugener.com/abfrage.php?id=1166&show=1
- ↑ 5. http://www.baur.ch/neu/gesundheit/Kinderkrankheiten/anzeige.php?KikraID=2
- ↑ G.-A. von Harnack: Die Beeinflussung des Keuchhustenverlaufes durch Höhenflüge, Dtsch med Wochenschr 1955; 80(25): 958-961. DOI: 10.1055/s-0028-1116552
- ↑ http://www.fliegerschule-stroessenreuther.de/html/charter_preise.html
- ↑ http://www.freude-am-fliegen.de/specials-flugzeug-keuchhustenfluege.htm
- ↑ http://www.verwaltung.steiermark.at/cms/dokumente/11288212_54280727/cda73c59/Jahresbericht%20SP2009%20%282%29.pdf
- ↑ Simon Rietveld, Ilja van Beest: Rollercoaster asthma: When positive emotional stress interferes with dyspnea perception, Behaviour Research and Therapy, vol. 45, 2006, S. 977–87. Abstract:
This study tested the hypothesis that breathlessness in asthma relates linearly to airway obstruction when situational, attentional and emotional influences are held constant via random presentation of different intensities of externally applied airflow obstruction. Adolescents with stable asthma and normal controls (n=25+25) with lung functions of approximately 3.5 l forced expiratory volume in 1 s (FEV1) breathed through a device which obstructed airflow with five stimulus intensities, analogous to a mean reduction in FEV1 of 8–66%. A session consisted of 10 blocks, each with presentation of five stimulus intensities plus the baseline resistance of the apparatus. Breathlessness was continuously reported by moving a lever along a 10-point scale. The mean breathlessness was computed per stimulus intensity. Lung function and anxiety were measured before and after the test.
Participants with asthma, not controls, manifested a paradoxical response: they reported significantly more breathlessness, but undifferentially. One patient against 12 controls reported consistently more breathlessness from baseline to severe obstruction. The hypothesis was only supported for controls. Breathlessness did not correlate with severity of asthma, lung function, duration of asthma, number of exacerbations over the last six months, age, sex or anxiety.
It was concluded that the meaning of airflow obstruction in patients with asthma has changed and underlies their paradoxical responses, even when situational, attentional and emotional factors are controlled.