Diskussion:Felix Opprecht
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Zitat: Bericht Relinfo über einen Besuch eines Vortrags von Felix Opprecht (2022)
- Graswurzle schafft Raum für gefährliche Alternativmedizin – Felix Opprecht und die «Germanische Neue Medizin»
Veröffentlicht am 27. Juni 2022 von relinfo
Wir sind aufgeregt, als wir bei der Haltestelle «Quellenstrasse» in Zürich die Tram verlassen. Mitten in der Stadt soll ein Vortrag von Felix Opprecht stattfinden, der sich zum Ziel gesetzt hat, die «Germanische Neue Medizin» zu verbreiten. Veranstaltet wird der Vortrag von den Graswurzle Gruppen der Kreise Fünf und Zehn in Zürich.
Graswurzle, eine als Verein organisierte Post-Corona-Bewegung, hat sich in den letzten Monaten vermehrt rechtem, verschwörungsideologischem und esoterischem Gedankengut zugewendet. Dass Felix Opprecht nun im Rahmen seiner «Swiss Tour 2022» mit Graswurzle zusammenarbeitet, ist trotzdem erschreckend. Denn die «Germanische Neue Medizin» (GNM), die er vertritt, ist bekannt als ein pseudowissenschaftliches Erklärungsmodell für Krankheiten, das von Ryke Geerd Hamer ins Leben gerufen wurde. Die Erfindung des 2017 verstorbenen, einstigen deutschen Arztes ist bekanntlich antisemitisch, homophob und rassistisch und verharmlost unter anderem Krebserkrankungen, die nach Hamer am besten unbehandelt bleiben sollen.
Aus diesem Grund sind meine Kollegin und ich aufgeregt und besorgt, als wir zu der Adresse laufen, die sich in einem Zürcher Hinterhof befindet. Eingeladen sind explizit Personen, die sich «ein alternatives Gesundheitssystem wünschen». Gekennzeichnet mit einem Ballon ist der Eingang schnell entdeckt und kurz vor 19:00 betreten wir einen kleinen Gemeinschaftsraum. Felix Opprecht steht bereits vor der Leinwand, auf der seine Powerpoint-Präsentation ablaufen wird. Am Eingang werden wir nach unseren Namen für ein Namensschild und nach einer Kollekte gefragt. Die Namen werden anhand einer durch die Voranmeldungen erstellten Liste überprüft.
[...] Opprecht wirkt selbstbewusst, als er zu sprechen beginnt. Vor dem eigentlichen Vortrag, in dem er die sogenannten «Fünf biologischen Gesetze» erläutern will, unterbreitet er einige Prämissen, die man beachten soll. Zunächst erklärt er, dass er normalerweise keine Live-Vorträge halte, er habe zu oft schlechte Erfahrungen mit Justiz und Polizei gemacht. Er bevorzuge das Online-Format vor allem deshalb, weil er im Zweifel schnell das Land verlassen könne. Mit einem Lächeln auf den Lippen spricht er von Dubai und keiner der Zuhörer scheint sich daran zu stören. Im Verlauf des Abends soll sich herauskristallisieren, warum den Anwesenden solche Aussagen nicht bitter aufstossen.
[...] Für meine Kollegin und mich ist unerträglich anzuhören, was als nächstes folgt: Zu den Krankheiten, die sich von selbst heilen würden, gehören neben Autoimmunkrankheiten unter anderem auch Krebs und Depressionen. Im Klartext bedeutet das, dass schwere Krankheiten und psychische Störungen, die selbst bei einer adäquaten Behandlung eine hohe Mortalität aufweisen, lieber in Ruhe gelassen werden sollen und von selbst verschwinden. Chemotherapie und medikamentöse Behandlungen würden hier mehr schaden als helfen, so Opprecht.
Auf Nachfrage einer Zuschauerin hin erklärt Opprecht, wie aus der Sicht der GNM Covid zu erklären sei: Durch die kollektive Angst, ausgelöst durch Politik und Medien, hätten viele Menschen zur gleichen Zeit die gleichen Konflikte erfahren, die sich dann in ähnlichen Grippe-Symptomen manifestierten. Ursächlich für die seiner Ansicht nach vereinzelten Tode sei eine durch die Politik verursachte Todesangst, die sich schliesslich auf die Lunge auswirke. Jede Art von Konflikt könne nämlich spezifischen Symptomen zugeordnet werden. Der Mechanismus dahinter sei in der von Hamer vorgenommenen Dreiteilung von Psyche, Gehirn und Körper zu finden. Durch den «biologischen Konflikt», der psychisch wahrgenommen wird, finde ein «Einschlag» ins Gehirn statt. Es wird nicht näher erklärt, wie das funktionieren soll. Dieser Einschlag in einem bestimmten Areal des Hirns sei mit speziellen körperlichen Auswirkungen verbunden, da jeder Ort im Gehirn die Gesundheit anderer Organe und Körperteile steuere. So könnten durch bestimmte Konflikte beispielsweise Knochen brüchig werden, durch andere entstünden Herzinfarkte und wieder andere verursachten Hautkrankheiten. Während dies zwar aus medizinischer Sicht absolut unsinnig ist, folgt es immerhin einer gewissen Logik. Im Verlauf des Abends wird es aber immer unlogischer und abstruser. Bakterien und Viren (die es ja nach seiner Aussage eigentlich nicht gibt) seien für den Körper nie schädlich. Es gebe auch keine Schlaganfälle: Diese seien fehlgedeutete «Einschläge» in das Gehirn. Opprecht betont immer wieder die angebliche Unwissenheit und Dummheit von Schulmedizinern. Diese könnten nicht einmal einen Scan eines Magnetresonanztomografen (MRT) richtig interpretieren. Ironischerweise zeigt er bei diesem Satz auf ein Bild, bei dem es sich um einen Scan eines Computertomografen (CT) handelt, nicht um einen MRT Scan. [...] Im Allgemeinen sind Medikamente laut der GNM unsinnig, einige sind sogar schädlich. Sie würden gezielt eingesetzt, um die Menschen krank zu machen, damit die Pharmaindustrie davon profitiert. Nur in seltenen Ausnahmen seien Medikamente hilfreich. Bei einem Herzinfarkt müsse man im Zweifel eine Spritze Kortison direkt ins Herz geben. Opprecht kenne aber auch mindestens eine Person, die einen Herzinfarkt einfach «ausgesessen» habe. Er betont hier unverhohlen, dass er dies als persönliche Stärke interpretiert. Er selbst habe auch eine Krankheit unter unsäglichen Schmerzen «ausgesessen»: Leukämie. Die sei aber mittlerweile wieder verschwunden.
[...] Zu Beginn entstand für uns ein bitterer Beigeschmack als niemand sich regte, als Opprecht offen die Möglichkeit anspricht, aufgrund von strafrechtlicher Verfolgung das Land zu verlassen. Im Verlauf der Diskussion wird deutlich, was zu diesem Verhalten führt. Die Anwesenden fühlen sich als die Verfolgten, als die, die die Wahrheit kennen und denen dennoch niemand glaubt. Eine Dame fragt, was Opprecht ihr für den Umgang mit Freunden empfehle, die ihr nicht glauben, wenn sie ihre Meinung über Corona teilt. Er antwortet trocken, dass er sich mit anders gesinnten Menschen gar nicht beschäftigt. Mit seiner Familie rede er nicht über seine Überzeugungen.
Opprecht tritt während des gesamten Vortrags selbstsicher auf. Das scheint die Anwesenden dazu zu bringen, mit ihm persönliche Gesundheitsinformationen zu teilen. Eine Gruppe von Menschen, in der typischerweise echauffiert abgewunken wird, wenn man nach der «sensiblen» Information des Impfstatus fragt, vertraut einem Mann Gesundheitsinformationen an, der keinerlei medizinische oder psychologische Ausbildung hat und lediglich die Erfindungen eines verurteilten Straftäters rezitiert. Neben der bereits genannten Dame, die unter ihrem Tinnitus leidet und der Opprecht empfiehlt, besser nichts dagegen zu unternehmen, betraut noch ein anderer Mann Opprecht und das Plenum mit seiner Krankengeschichte. Er litt letztes Jahr unter einer Hirnblutung und wurde deshalb operiert. Ich bekomme gar nicht mit, was der Herr für eine Frage zu seiner Erkrankung hat, da unterbricht Opprecht ihn schon und weist darauf hin, dass es keine Hirnblutungen gebe. Als der Mann dann verunsichert von dem Bild erzählt, dass der Neurochirurg ihm von seiner Blutung gezeigt hat, winkt Opprecht ab und sagt, dass es sich um ein Ödem im Hirn gehandelt habe, was lediglich der Ausdruck eines Heilungsprozesses sei. Der Mann, der ein Bein hinter sich herzieht, ist einer der ersten, der sich auf den Heimweg macht. Wir hoffen inständig, dass dieser Mann nicht denkt, er habe mit dem lebenswichtigen Eingriff im letzten Jahr einen Fehler begangen.
[...] Als wären die vorherigen Inhalte des Abends nicht schon problematisch genug, tätigt Opprecht im Rahmen der Diskussion einige prekäre Aussagen. Zunächst erklärt er, dass es schwere psychische «Beeinträchtigungen» gebe, die durch einen doppelten «Einschlag» ins Gehirn entstünden. Er zählt gesammelt auf: Serienmörder, Pädophile und Homosexuelle. Es gebe aber eine gute Nachricht: Diese doppelten «Einschläge» seien bis zum 25. Lebensjahr reversibel, wenn man den zugrundeliegenden Konflikt löse. Nicht nur porträtiert Opprecht hier Homosexualität als Krankheit, er suggeriert darüber hinaus eine Umkehrbarkeit von sexueller Orientierung und dies explizit bei jungen Menschen. Die möglichen Ableitungen und Handlungen durch diese Ansicht sind bekannt und menschenverachtend.
Anschliessend weist er auf zwei weitere, seiner Ansicht nach bedenkliche, Entwicklungen hin.
Erstens sei die Einführung der Anti-Baby-Pille als eines der grössten Probleme unserer Welt anzusehen. Als er erläutert, was er damit meint, wird deutlich, dass er keine gesundheitlichen Konsequenzen des Präparats erklären will, sondern gesellschaftlich bedenkliche Veränderungen, die angeblich daraus resultieren. Die hormonelle «Veränderung» der Frau, die angeblich durch die Anti-Baby-Pille von statten gehe, verwandle eine Frau in einen Mann. Man solle sich mal darüber Gedanken machen, warum so viele Frauen heute ganz andere Sachen machen, als früher, beispielsweise Lastwagen fahren! Wir sind sprachlos, aber der zweite daraus abgeleitete Gedanke, den Opprecht ausspricht, ist mindestens genau so problematisch. Die Anti-Baby-Pille sei zudem dafür verantwortlich, dass durchschnittlich nur noch 1,8 Kinder pro Frau geboren würden. Um die Schweizer Kultur zu erhalten, müssten es jedoch 2,5 Kinder im Durchschnitt sein. Bei Muslimen hingegen würden vier Kinder durchschnittlich geboren – man solle sich also nicht wundern, wenn es 2050 nur noch Moscheen und keine Kirchen mehr gebe.
[...] Julia Sulzmann, Juni 2022