Arsen-Therapie nach Tarello

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Erfinder und Tierarzt Walter Tarello

Die Arsen-Therapie nach Tarello ist eine experimentelle und patentierte Behandlungsmethode der Borreliose und des chronischen Erschöpfungssyndroms (CFS, "Fatigue", chronisches Müdigkeitssyndrom) bei Mensch und Tier, die der italienische Tierarzt Walter Tarello aus Perugia erfand.[1] Auf Grund ihres rein experimentellen Charakters, fehlender Validierungen und fehlender veröffentlichter Studienergebnisse für Anwendungen im humanmedizinischen Bereich und gleichzeitiger unkritischer Bewerbung im Internet ist die Methode so lange dem Bereich der Pseudomedizin zuzuordenen, wie sich kein Beleg einer Eignung ergibt oder anerkannte Fachgesellschaften sie in ihre Leitlinien aufnehmen. Gesetzliche Krankenkassen übernehmen die Kosten nicht.

Prinzipiell ist die Arsen-Therapie nach Tarello in einem Zusammenhang zu Hypothesen zu sehen, das chronische Erschöpfungssyndrom (CFS) als Begleitsymtom einer Infektionskrankheit zu verstehen, ohne die kontroverse und komplexe Studienlage zu diesem Syndrom zu berücksichtigen. In der Patentschrift zu seiner Methode beschreibt Tarello das CFS fälschlich als eine "Infektionskrankheit".

Im Rahmen der Werbemaßnahmen für die Arsen–Therapie nach Tarello werden auch Verschwörungstheorien um eine "Unterdrückung" dieser auf Spekulationen basierenden Therapie verbreitet. Demnach solle "Die Pharmaindustrie" die Anwendung von vermeintlich preiswertem Arsen behindern, um eigene, teurere Arzneimittel verkaufen zu können.

Methode

Arsenamide

In den Eigendarstellungen der Methode des Erfinders Tarello ist von einer niedrig dosierten Anwendung des arsenhaltigen Mittels Caparsolate[2] die Rede. Dabei handelt es sich um eine Natriumarsenitlösung (thiacetarsamide sodium). Die Substanz gehört zu den toxischen organischen Arsenverbindungen, die auch als Arsine bezeichnet werden. Zur Dosierung äußert sich Tarello in seiner Patentschrift (siehe unten).

Caparsolate ist in den USA als Mittel gegen die Herzwurmerkrankung (Dirofilariose) des Hundes zugelassen. Das Nebenwirkungsprofil ist jedoch erheblich. Diese Krankheit wird durch die Filarienart Dirofilaria immitis ausgelöst.

Eine Zulassung des relativ toxischen Caparsolate ist für den humanmedizinischen Bereich unbekannt, es existieren keinerlei bekannte Indikationen.

Bekannt wurden organische Arsenverbindungen bereits im 18. Jahrhundert. Zu nennen ist der "Liquor Fowleri" benannt nach dem Arzt Thomas Fowler (1736-1801), der gegen Haut-, Nerven- und Fieberkrankheiten angewandt wurde. Bis vor einigen Jahrzehnten wurde Liquor Fowleri, eine 1%ige Lösung von "weissem Arsenik" (Arsentrioxyd), als Mittel gegen die Psoriasis (Schuppenflechte) eingesetzt. Im Zusammenhang mit Anwendungen kam es dabei auch zu chronischen Arsenvergiftungen, "Arsenkeratosen" sowie arsenbedingten Tumoren.[3]

Zu Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts kamen erste chemotherapeutisch-antibiotische Mittel mit Arsen auf. Dazu gehören das arsenhaltige Natriumhydrogenarsanilat (Handelsname Atoxyl), das auf Antoine Béchamps Synthese zurückgeht und von Robert Koch eingesetzt wurde. Es ist heute zur Behandlung der Leukämie (genauer der "Akuten Promyelozyten-Leukämie" -APL) zugelassen. Des Weiteren gehören zu diesen Mitteln auch das Arsphenamin, das als Salvarsan von Hoechst zur Behandlung der Syphilis bekannt wurde. Derivate sind das Suramin (Bayer) und weitere Arzneimittel. Salvarsan und seine Nachfolgepräparate (außer Suramin bei der Schlafkrankheit) werden heute nicht mehr eingesetzt, da sie ab Mitte des 20. Jahrhunderts weitgehend von modernen Antibiotika wie dem Penicillin mit geringeren unerwünschten Wirkungen verdrängt wurden.

Recht hohe Arsenkonzentrationen mit Vergiftungsmöglichkeit können heute noch in Mitteln aus der indienstämmigen Ayurveda-Medizin gefunden werden. Als besonders hoch stellte sich der Schwermetallgehalt bei den "rasa shastra" Produkten heraus, die bewusst mit Schwermetallen angereichert werden, im Gegensatz zu kontaminierten Naturprodukten.

Walter Tarello

Walter Tarello auf Liste von "HIV-AIDS rethinkern" (screenshot vom 1.1.2011)

Walter Tarello[4] (geb. 30. Dezember 1954 in Aosta, Italien) ist ein italienischer Tierarzt, der sich mit chronischen Müdigkeitszuständen bei Pferden und anderen Tieren beschäftigt und dazu wissenschaftlich veröffentlichte. Zu Themen der Humanmedizin lassen sich für Tarello jedoch keine Veröffentlichungen in medizinischen Datenbanken finden (Stand Jan. 2011). Sowohl Tarello als auch seine Frau behaupten, sich im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit bei behandelten Tieren mit Staphylokokken und Mikrokokken infiziert zu haben.[5] Weiterhin behaupten sie, dass diese Infektionen bei ihnen zum chronischen Müdigkeitssyndrom CFS geführt habe. Drei Jahre lang hätten sie ohne Erfolg verschiedene Therapien (darunter eine Antibiotikatherapie) ausprobiert. Blutkulturen hätten weiterhin unverändert Staphylokokken und Mikrokokken nachgewiesen. Erst die Verwendung des von ihnen propagierten arsenhaltigen Mittels habe bei ihnen zum gewünschten Effekt einer "vollständigen Eliminierung" von Staphylokokken und Mikrokokken geführt. Außerdem habe sich bei ihnen das CD4/CD8 Verhältnis "gebessert" und sie seien vollständig vom CFS gesundet. Tarello ist auch auf den Webseiten von HIV-AIDS-"doubtern" genannt, die die HIV-Infektion als Ursache von AIDS leugnen.[6]

Tarello ist auch im "Honorarvorstand" des Lahnsteiner Vereins "Verein zur Bekämpfung chronischer Infektionskrankheiten e.V." (VBCI)[7]

Zur Zeit soll sich Tarello in Kuwait aufhalten, wo er eine veterinärmedizinische Klinik leiten soll.

VBCI e.V.

Der 1999 gegründete Lahnsteiner (bei Köln) Verein "Verein zur Bekämpfung chronischer Infektionskrankheiten e.V." versteht sich im Eigenverständnis als eine Notanlaufstelle für Infektionserkrankungen wie z.B. Borreliose, Rickettsien, Babesien, Chlamydien oder Schwermetallvergiftungen und Hilfestelle für infektiologisch denkende Ärzte und Therapeuten. Ziel des Vereins sei es, über Schutz, Früherkennung und Therapiemöglichkeiten von Infektionskrankheiten aufzuklären. Angeboten werden eine "Sprechstunde" für Patienten und Ratgeberbücher. Ein weiteres ausdrückliches Vereinsziel ist die Förderung von "Diagnose-und Therapieverfahren von Prof. Jean Baptiste Jadin" bzw. seiner Tochter, Cecile Jadin aus Johannesburg/Brüssel.

Dem Betrachter der Webseiten des Vereins fallen lobbyartige Aktivitäten und Werbemaßnahmen für umstrittene Therapiemethoden, Bücher und Nahrungsergänzungsmittel ins Auge. So geht der Verein auf seinen Internetseiten unkritisch und werbend auf die Arsen-Therapie nach Tarello ein. Dabei wird auf Literatur Bezug genommen, die der Interessierte erwerben muss. In einer an Ärzte gerichteten Broschüre [8] werden unkritisch Zoonosen (von Tieren auf den Menschen übertragene Erkrankungen) für alle möglichen Allgemeinsymptome des Menschen verantwortlich gemacht. Die genannten diagnostischen und therapeutischen Empfehlungen des Vereins müssen von den Kontaktierenden bezahlt werden.

Auf einer eigenen Seite werden auch gesundheitspolitische Forderungen nach einer Anerkennung chronischer Zoonosen erhoben:

"Anerkennung der chronischen Borreliose und chronischen Rickettsiose als invalidierende Krankheiten, die lebensbedrohlich sein können mit Anspruch auf die Ausschöpfung der gesetzlichen Möglichkeiten zum Off Label, Anspruch auf eine Erwerbsunfähigkeitsrente und Anerkennung der Erkrankten als Schwerbehinderte."

"Der Pharmaindustrie" wird vom VBCI e.V. im Sinne einer Verschwörungstheorie der Vorwurf gemacht, das toxische und nicht zugelassene arsenhaltige Pharmaprodukt von Tarello an einem Markterfolg zu hindern:

"Die Pharmaindustrie möchte aber weiterhin ihre teuren Therapien auf dem Markt platzieren. Arsen ist vielleicht unter anderem auch deswegen als Therapie nicht willkommen."[9]

Im Impressum des Vereins ist die Frechener Journalistin Teresa Maria Taddonio genannt[10], die 2004 zur Europawahl für die Kleinpartei "Aufbruch für Bürgerrechte, Freiheit und Gesundheit"[11] kandidierte.[12] In der Zeitschrift der Partei kommt der Impfgegner Hans Tolzin völlig unkommentiert zu Wort.[13] Gründer der Kleinpartei war im Mai 1998 der Arzt, Liedermacher und "Klein"politiker Hans-Christoph Scheiner, der als Mobilfunkkritiker durch absurde Behauptungen auf sich aufmerksam macht, die er auch auf einer Veranstaltung der Anti Zensur Konferenz des Schweizer Sektengründers Ivo Sasek verbreitete. Scheiner ist mit Hans Tolzin im Vorstand des Impfgegner-Vereins AGBUG e.V. Mit seiner Frau Ana betreibt Scheiner ein "Institut für Holistische Medizin".

Die Webseite des Verein verlinkt auch zum deutschen Froximun-Anbieter, der "Froximun Aktiengesellschaft".[14] Bei Froximun handelt es sich um ein Nahrungsergänzungsmittel, dem von zahlreichen Vermarktern gesundheitsbezogene Eigenschaften beigemessen werden. Das relativ teure Froximun enthält das Mineral Klinoptilolith (Klinoptilolith-Zeolith, englisch: Clinoptilolite), ein Mineral der Zeolithgruppe, chemisch gesehen Alumosilikate.

Verlinkt wird auch auf den Webshop für Nahrungsergänzungsmittel der in den Niederlanden residierenden Firma "Deltastar", die wiederum die MLM-Firmen "Nature’s Plus", "Allergy Research Group", "Herbs of Light" und "Vitaplex" vertritt.

CFS

Für das chronische Erschöpfungs- oder Müdigkeitssyndrom gibt es bislang keine diagnostischen Labortests oder objektivierende technische Untersuchungen, so dass die Diagnose heute als eine Ausschlussdiagnose gilt. Erschwerend kommt hinzu, dass das CFS viele Symptome hervorrufen kann, die auch andere Krankheiten begleiten. Eine allgemein anerkannte wirksame Therapie des CFS existiert nicht.

Die Ursache des CFS ist nicht endgültig geklärt. Einerseits wird eine chronische "Schwächung" oder auch chronische Aktivierung des Immunsystems diskutiert, andererseits aber auch begünstigende psychologische und psychosoziale Faktoren und eine genetische Prädisposition ("Veranlagung").

Als mögliche mitauslösende Faktoren werden Infektionen durch intrazelluläre Erreger wie Mykoplasmen, Chlamydien (Chlamydia pneumoniae), Coxiella burnetii, gram-negative Enterobakterien oder Borrelien diskutiert, aber auch Pilzerkrankungen und Viruserkrankungen (Epstein-Barr-Virus - EBV, Coxsackie Virus, Poliovirus).

Patent zur Methode

  • Arsenic Medicaments for the Treatment of Chronic Fatigue Syndrome. Erfinder: Tarello, W., World Patent WO9501789 vom 19.1.1995. Auch "ARSENIC MEDICAMENTS FOR THE TREATMENT OF CHRONIC FATIGUE SYNDROME", European Patent EP0804185 vom 2.2.2000. [2] Mitinhaberin des Patents ist Anna Santamaria an gleicher Anschrift, offenbar seine Ehefrau.
    Abstract WO9501789:
    The object of my invention is to provide a very safe and active drug against the new infectious disease called Chronic Fatigue Syndrome (CFS). This illness is characterized by chronic debilitation and fatigue. Other symptoms include malaise, muscle and joint pain, muscle weakness, mild fever, recurrent sore throats, swollen or tender lymph nodes, headaches and a variety of neuropsychological complaints that include dizziness, visual disturbance, irritability, cognitive dysfunction, sleep disturbances. All Arsenic compounds, organic and inorganic, work as very good and efficacious drugs against the Chronic Fatigue Syndrome. Oral treatment: 2 milligrams of Arsenic trioxide/10 kilograms of body weight every day and for a period of 10-15 days. A second cycle can be made after 40 days. By intravenous injection of 2 milligrams of pure Arsenic/10 kilograms of body weight, for 2-4 consecutive days, we can resolve all the symptoms of Chronic Fatigue Syndrome.

Literatur

Veröffentlichungen von Walter Tarello zum Thema

  • Tarello, W: Chronic Fatigue Syndrome in Horses: Diagnosis and Treatment of 4 Cases. Comparative Immunology, Microbiology, and Infectious Diseases, 2000 (23:4)
  • Tarello W: Chronic Fatigue Syndrome (CFS) in 15 Dogs and Cats with Specific Biochemical and Microbiological Anomalies, Comparative Immunology, Microbiology, and Infectious Diseases, 2001 (24:3)
  • Tarello W: Chronic Fatigue and Immune Dysfunction Syndrome Associated with Staphylococcus SPP. Bacteraemia Responsive to Thiacetarsamide Sodium in Eight Birds of Prey, J. of Veterinary Medicine 2001; (48,4): 267-281
  • Tarello W: Chronic Fatigue Syndrome (CFS) Associated with Staphylococcus SPP. Bacteremia, Responsive to Potassium Arsenite 0.5% in a Veterinary Surgeon and His Coworking Wife, Handling with CFS Animal Cases (unveröffentlicht, "in press")

Weblinks

Quellennachweise

  1. Walter Tarello, "Clinica Veterinaria Airone" casella postale 42, I-06061 Castiglione del Lago (Perugia)
  2. http://pubchem.ncbi.nlm.nih.gov/summary/summary.cgi?cid=10749
  3. Konrad Bork: Arzneimittelnebenwirkungen an der Haut: Klinik - Diagnostik zur Erkennung
  4. http://www.facebook.com/people/Walter-Tarello/1003963308
  5. *Tarello W: Chronic Fatigue Syndrome (CFS) Associated with Staphylococcus SPP. Bacteremia, Responsive to Potassium Arsenite 0.5% in a Veterinary Surgeon and His Coworking Wife, Handling with CFS Animal Cases(unveröffentlicht)
  6. Zitat: The 2,738 doubters: This is not a petition, it is a compilation of notable people whose doubts about Aids are publicly known (more details at the end). New and updated entries from the last three months are shown in red. Limitations on the beliefs of those who question only key parts of the Hiv theory are shown in brackets. [1]
  7. Verein zur Bekämpfung chronischer Infektionskrankheiten e.V., VBCI e.V. c/o Taddonio, Bürgermeister Müller Str. 1, 56112 Lahnstein
  8. http://vbciev.de/wp-content/uploads/2010/07/Broschuere-fuer-Aerzte.pdf
  9. http://vbciev.de/vbci-wer-sind-wir/forderungen
  10. VBCI_Impressum_Juni_2019.jpg
  11. http://de.wikipedia.org/wiki/Aufbruch_f%C3%BCr_B%C3%BCrgerrechte,_Freiheit_und_Gesundheit
  12. http://www.wahlen-berlin.de/wahlen/europawahl-2004/stimmzettel/sz-htm.htm
  13. http://www.partei-aufbruch.de/old/Zeitung.01.2007.pdf
  14. froximun AG, Neue Straße 2a, D-38838 Schlanstedt