Placeboeffekt

Aus Psiram
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Placeboprodukt Obecalp
Scheinpräparat aus der Homöopathie

Geschichte

Das Wort Placebo (auch sympathische Magie, zur Unterscheidung von einem Verum-Mittel mit Wirksamkeitsnachweis) ist lateinischen Ursprungs und bedeutet: ich werde gefallen. Im Mittelalter bezeichnete dieses Wort den Namen einer Totenvesper, weil deren antiphone Antwort damit begann. Diese wiederum geht auf Psalm 116, Vers 9 zurück: "Ich werde wandeln vor dem Herrn im Lande der Lebenden", woraus "Ich werde wandeln" und irrtümlich "Ich werde gefallen" wurde. Kurz nach 1800 verwendete man diesen Begriff bereits als ein Synonym für ein inaktives Medikament, das gegeben wird, um dem Patienten zu gefallen.

Definition

Häufig wird der Placeboeffekt definiert als jede Wirkung, die einem Medikament oder einem Verfahren, nicht aber dessen pharmakodynamischen und spezifischen Eigenschaften zugeschrieben werden kann. H. Brody definiert ihn wie folgt: Veränderung im Zustand des Patienten, die eher auf die symbolische Bedeutung der Intervention als auf die spezifischen pharmakologischen oder physiologischen Wirkungen dieser Intervention zurückzuführen ist. [1].

Damit wird ausgedrückt, dass die Placeboreaktion nicht eine auf die Krankheit ist, sondern die psychische Veränderung in der Person des Betroffenen meint.

Gemeint ist immer, dass ein medizinischer Erfolg ohne medikamentöse Therapie eintritt.

Arten

Man unterscheidet gelegentlich reine von unreinen Placebos. Erste sind pharmakologisch vollkommen inaktiv, etwa Zucker. Unreine Placebos haben einen pharmakologischen Effekt, der aber für das Problem, für das es verschrieben wird, nicht entscheidend ist, etwa viele Vitaminpräparate oder milde Spasmolytika. Nebenwirkungen dieser unreinen Placebos können den Placeboeffekt sogar verstärken: Mundtrockenheiten bei Spasmolytika. Die Fähigkeit, die Speichelsekrektion zu verringern, erzeugt im Probanden die Vorstellung, dass das Mittel auch an anderer Stelle entsprechend wirken würde.


Oft wird argumentiert, die Nebenwirkungen von Placebos denen der Medikamente ähnlich sein würde. In mehreren Studien wurde nachgewiesen, dass die berichteten Nebenwirkungen bereits vor Einnahme des Placebos bestanden hatten. Das Ausmaß dieser Beschwerden ging sogar so weit, dass die Teilnehmer baten, den Versuch abbrechen zu dürfen. Durch das Placebo wird also die Aufmerksamkeit des Probanden stark nach innen gelenkt. [2].

Gelegentlich wird der Einsatz von Placebos bei Krebserkrankungen thematisiert. Sehr selten verlangsamt sich das Wachstum eines Tumors aus bislang unbekannten Gründen oder verschwindet sogar gänzlich. [3] Berichte von Spontanheilungen sind allerdings mit größter Vorsicht zu genießen. Sie sind nur punktuell und der weitere, langfristige Verlauf der Krankheit wird in der Regel nicht thematisiert. Besonders von religiöser, aber auch esoterischer Seite wird auch heute noch der Fall Wright aus den 1950er Jahren propagandiert. Der Patient litt an einem fortgeschrittenen Lymphosarkosom. Behandelt wurde er mit Krebiozen, das damals als wahres Wundermittel angesehen wurde. Schon nach einer Injektion konnte er als geheilt betrachtet werden. Dann aber las der Patient, dass dieses Krebiozen unwirksam sei und er erlebte einen massiven Rückfall. Nun riet ihm der Arzt, den Berichten nicht zu glauben und bot Wright ein angeblich verbessertes Krebiozen an. Tatsächlich aber spritzte er lediglich Wasser und wieder schmolzen die Tumore dahin. Dann erschien in der Zeitung wiederum ein Bericht über die Wirkung dieses Mittels, woraufhin Wright innerhalb von zwei Tagen verstarb. Der Name des Arztes ist unbekannt und eine Krankengeschichte gab es nicht. [4] [5]


Es handelt sich in der Regel um eine Scheinarznei oder eine Scheinbehandlung, die anstelle einer wirksamen Zubereitung gegeben wird. Im Medizingerätesektor kann man Placebos dann einsetzen, wenn man dem zu täuschenden Patienten ein Gerät vorstellt, das nur scheinbar funktioniert. So kann man ein Bioresonanzgerät dadurch zu einem Placebogerät umfunktionieren, dass man zwar die Leuchtdioden und PC-Programme funktionsfähig erhält, die 'Therapiefunktion' des Gerätes aber durch Unterbrechung der Stromzufuhr deaktiviert. Mack Lipkin beschrieb einen obskuren elektrischen Apparat, den er bei Patienten mit schmerzenden Fingern und Gelenken als Placebo einsetzte. Dabei stellte er den Strom gar nicht an, sondern drückte nur auf ein paar beeindruckende Knöpfe. Alle Patienten erfuhren eine Linderung, bei sechs Patienten waren die Ergebnisse sogar ausgezeichnet. [6]

Ob man sich selbst Placebos verordnen kann, gilt als umstritten. Morton Hunt hielt dies aufgrund der menschlichen Bereitschaft zur Ausschaltung des Zweifels für möglich. Nach diesem Autor läge in diesem Fall Selbstsuggestion vor.


In der Arzneimittelforschung wird ein Placebopräparat dann eingesetzt, wenn es darum geht, den tatsächlichen Nutzen einer pharmakologischen Zubereitung (das sog. Verumpräparat) im Vergleich zu einer Scheinbehandlung zu prüfen. Wirkt Verum nur so gut wie Placebo, ist es nutzlos bzw. hat keine eigenständige, zusätzliche Wirkung bei der entsprechenden Indikation.

In der Naturheilkunde- und Esoterikszene wird dem Placebo gelegentlich eine eigenständige Wirkung zugemessen. Es wird zu einem vermeintlichen Verum hochstilisiert. Dabei wird regelhaft der Effekt einer Scheinbehandlung (Placebobehandlung) von jenem einer für den Patienten offensichtlichen Nichtbehandlung nicht ausreichend abgegrenzt. Auch wird oft der Effekt der Selbstheilung, die bei allen Erkrankungen zu einer (teilweisen oder vollständigen) Gesundung führt, mit dem Placeboeffekt verwechselt.

In den 1950er Jahren wurde durch Beecher[7] die These aufgestellt, dass das Placebo selbst eine medizinische Wirkung habe: It is evident that placebos have a high degree of therapeutic effectiveness in treating subjective responses, deciding improvement, interpreted under the unknown technique as a real therapeutic effect, being produced in 35.2 +/- 2.2% of cases. Damit stellte er die Behauptung auf, dass in jedem dritten Behandlungsfall mit Placebo das Placebopräparat zu einer Heilung führen würde. Diese These hielt sich über Jahrzehnte und wurde sogar in führenden Medizinjournalen immer wieder nachgebetet, ohne dass dafür jemals ein glaubhafter Beweis erbracht worden wäre.

Hröbjartsson und Gotzsche[8] trugen 2001 die Beecher'sche These zu Grabe. Sie analysierten 114 klinische Studien, in denen Placebos bezüglich ihrer angeblichen Wirksamkeit untersucht wurden. Im Vergleich zu einer Nichtbehandlung konnte auf der Basis von 3.795 Patienten die Aussage getroffen werden, dass im Vorher-Nachher-Vergleich zwischen beiden Studienarmen kein signifikanter Unterschied bestand. Somit wirkte Placebo nicht eigenständig, sondern war so 'effektiv' wie eine Nichtbehandlung. In kleineren Studien mit geringen Patientenzahlen viel gelegentlich ein scheinbares Überwiegen von Placebo gegenüber Nichtbehandlung auf, was vor allem bei der Behandlung von Schmerzen der Fall war. Wurden diese Effekte aber in größeren Studien untersucht, verschwanden sie. Zu erklären ist dieser scheinbare Placeboeffekt dadurch, dass in kleineren Studien bereits wenige Patienten, die sich gegenläufig verhalten, zu einem geringen, positiven Placeboeffekt führen können. Dieser methodisch bedingte Fehler verschwindet aber in umfangreicheren Patientenkollektiven.

Außerhalb klinischer Studien, die die (Nicht-)Wirksamkeit von Arzneimitteln prüfen sollen, Placebos zu therapeutischen Zwecken einzusetzen, lehnen Hröbjartsson und Gotzsche (2001) ab.

Die Wirkung von Placebos kann unterschiedlich stark ausfallen[9]:

  • So wirken per Injektionen verabreichte Scheinmedikamente stärker als solche in Tablettenform. Dies deshalb, weil Injektionen invasiv verabreicht werden. Ein weiterer Grund liegt darin, dass sie von einer anderen Person verabreicht werden müssen.
  • Sehr große Tabletten wirken besser als kleine, sehr kleine wiederum besser als letztere.
  • Auch die Farbe und die Gestaltung der Verpackung spielt eine Rolle: Farbige Tabletten wirken stärker als weiße, blaue Präparate wirken beruhigend, gelbe stimulierend, weißgrüne besonders schmerzlindernd, Medikamente mit spürbaren Nebenwirkungen haben auch eine höhere Wirksamkeit. Kapseln besser als Tabletten und solche in Markenverpackungen besser als solche in einfachen Verpackungen.
  • Placebos, die von einem Arzt in weißem Kittel verabreicht werden, wirken besser als wenn der Arzt nur ein T-Shirt an hat, dies aber wiederum besser, als wenn Pflegepersonal das Placebo verabreicht. Ähnliches ist im Zuge der Blutdruckmessung bekannt: Weißer Mantel-Effekt.
  • Besonders hohe Placeboeffekte lassen sich mit technischen oder invasiven Maßnahmen erzielen (z.B. Akupunktur). Auch Operationen sind nach einer schwedischen Studie an mehreren tausend Bandscheibenoperierten sehr wirksam - als Placebo. Die Gründe liegen in der aufmerksamen Zuwendung des ärztlichen Personals schon vor der Operation, der nachfolgenden Pflege, der verwendeten Apparate und im postoperativen Schmerz; auch eine sichtbare Narbe kann diesen Effekt verstärken.
  • Persönlichkeitsfaktoren des Patienten spielen auch eine Rolle - z. B. sprechen ängstliche Menschen besonders gut an. Generell lässt sich aber festhalten, dass es eine "Placebo-Persönlichkeit" nicht gibt. Man kann also kaum prognostizieren, ob und in welchem Ausmaß ein Placebo ansprechen wird.
  • Wichtigster Faktor für die Placebowirkung ist der Behandler: Ein empathischer, optimistischer Arzt, der eine vertrauensvolle Arzt-Patient-Beziehung herstellen kann, von seiner Behandlungsstrategie überzeugt ist und gute Aufklärung leistet, kann nicht nur beim Patienten subjektiv, sondern auch objektivierbar erstaunliche Effekte erzielen.

Placeboprodukte

Eine zuckerhaltige Placebotablette mit Kirschgeschmack wird in den USA als Nahrungsergänzungsmittel unter dem Handelsnamen Obecalp (Placebo rückwärts ausgeschrieben) für 6 US-Dollar pro 50 Stück angeboten. Die Pille soll Beschwerden bei Kindern lindern, der angeführte mögliche Placeboeffekt wird hierbei ausdrücklich bei der Vermarktung erwähnt. Das NEM-Produkt stieß interessanterweise sowohl auf Kritik der US-amerikanischen Nahrungsergänzungsmittelindustrie, die ihre eigenen Produkte in schlechter Gesellschaft sah, als auch auf Kritik der Aufsichtsbehörde FDA und Fachgremien die auf die Gefahr hinwiesen bei Anwendung von Placebos den Einsatz wirksamer Mittel zu unterlassen. Auch ergaben sich rechtliche Fragen, da dieses Mittel einerseits eine Placebo-Wirkung erzielen soll, und das nicht explizit zugelassene Mittel somit als zulassungspflichtiges Arzneimittel einzustufen sei, es aber andererseits vom Hersteller als (gegenüber Placebo) wirkungsloses und wirkstofffreies Placebo bezeichnet wird. Letztendlich wird das Produkt zur Zeit als dietary supplement (Nahrungsergänzungmittel) im Sinne des Dietary Supplement Health and Education Act von 1994 angesehen und kann legal angeboten werden.

Siehe auch: Noceboeffekt

Literatur

  • Beecher HK: The powerful placebo. Journal of the American Medical Association 1955: 159: 1602-1606

Literatur zum Placeboeffekt in der Tierheilkunde

  • Koch T: Placebowirkung bei Tieren. Intern. Praxis 24:587-589 (1984)
  • Löscher W: Hoöopathie in der Veterinärmedizin
  • Tree S, Marks R. im Br J Dermatol. 1975 Feb;92(2):195-8: "An explanation for the 'placebo' effect of bland ointment bases."

Weblinks


Quellennachweise

Dieser Text ist ganz oder teilweise von Paralex übernommen