Chiropraktik
Die Chiropraktik (auch Chirotherapie, manuelle Medizin) ist eine pseudomedizinische Methode, die vor allem zur Behandlung von Rückenschmerzen angewendet wird.
Das Heilen mit Handgriffen an Wirbelsäule oder Gelenken ist in vielen Kulturen bekannt. Man nannte solche Heiler in der Volksheilkunde "Gliedersetzer" oder "Ziehleute". In den USA gründete 1894 der Knocheneinrichter Andrew Taylor Still die Osteopathie. Seine Lehre breitete sich rasch aus und wird in den USA unterrichtet.
Daneben entwickelte sich ab 1895 in den USA eine Handgrifftechnik nach den Ideen des Gemischtwarenhändlers Daniel David Palmer (1845-1913), die so genannte Chiropraktik. Palmer glaubte, dass nahezu alle Arten von Erkrankungen durch Subluxationen verursacht würden, womit er Fehlstellungen von Wirbeln meinte. Durch Subluxationen würde eine "körpereigene Intelligenz" (ein ähnlich nebelhafter Begriff wie das bekanntere Ch'i) am Fließen gehindert. Entsprechend wurde die Chiropraktik von Palmer und seinen Nachfolgern als geeignete Therapie für eine Vielzahl von Krankheiten angesehen. Heute wird sie überwiegend bei Rückenbeschwerden angewendet. Das Wort Subluxation wird aber in der Sprache der Chiropraktiker nach wie vor verwendet.
Die Vereinigung Palmers agierte zunächst sektenhaft und verbreitete medizinisch schon damals unhaltbare Vorstellungen vom "Einrenken" fehlstehender Wirbel. Erst ab 1987, als die Szene ihre wirren Theorien teilweise entrümpelt hatte, konnten in den USA die sog. Chiropraktiker ihre staatliche Anerkennung durchsetzen. Während des II. Weltkrieges gelangte die Szene aber schon nach Europa. Zunächst nach Skandinavien, dann nach Deutschland und England. In den 1950iger Jahren etablierten sich zwei konkurrierende Vereine in der Bundesrepublik Deutschland, die sich, gemeinsam mit drei Ärzte-Fachgesellschaften, im Dachverband Deutsche Gesellschaft für Manuelle Medizin zusammengeschlossen haben. In ärztlichen Fachkreisen nennt man deshalb die Chiropraktik auch Chirotherapie oder Manuelle Medizin.
Die Theorie der Chirotherapie
Ursprünglich meinte man, ausgerenkte Wirbel und Gelenke mit bestimmten ruckartigen Griffen wieder in die richtige Position schieben zu können, um Patienten zu heilen. Heute erklärt man sich die "Blockierung der Gelenke" im Sinne einer verklemmten Schublade. Verspannte Muskeln halten den Knochen fest und behindern seine Bewegung. Dies kann zu Beeinträchtigungen von Gefäßen und Nervenleitung führen.
Bei der osteopathischen Technik bewegt der Therapeut die Gelenke behutsam bis zur eingeschränkten Zone. Er fixiert den Patienten und zieht die Gelenkflächen auseinander, bewegt sie parallel zu einander oder in ihrer normalerweise vorhergesehenen Bewegungsweite. Dies wird langsam und rhythmisch wiederholt, bis der Bewegungsspielraum langsam wieder vergrößert wurde. Mit einer speziellen Technik (Isometrics) wird der Muskel 10 Sekunden lang gegen Widerstand aktiviert und in der Entspannungsphase sanft gedehnt. Damit können muskulärer Hartspann und Bewegungseinschränkungen beseitigt werden.
Die chirotherapeutische Variante arbeitet hingegen mit dem bekannten "Knacken" der Gelenke. Der Therapeut wendet aber nur wenig Kraft auf und gibt mit kleinen Bewegungen einen raschen Impuls an das Gelenk ab (ca. 4 Kilopond). Schmerzt diese Behandlung nicht, ist sie korrekt durchgeführt.
Das Problem der Chiropraktik ist jedoch, dass sie eine rein akut ausgerichtete, symptomatische Therapieform ist. Obgleich unstrittig ist, dass man bei bestimmten Indikationen und bei akkurater Vorgehensweise Verspannungen und Gelenkbockierungen therapieren kann, bedeutet dies nicht, dass man mit dieser Methode eine dauerhafte Heilung erreichen kann. Sind z.B. Rückenschmerzen, die auf verklemmten Wirbeln beruhen, u.a. deshalb entstanden, weil der Patient übergewichtig ist und bewegungsarm lebt, kann die Chirotherapie nur einen Teil des Problems lösen.
Chirotherapie kann sehr gefährlich sein
Das Grundproblem der Chirotherapie ist, dass sie Bewegungsenergie in das beschädigte Gelenk appliziert. Gerade im Halsbereich und an der Wirbelsäule ist dies besonders gefährlich, wenn Vorschädigungen bestehen oder der Therapeut sich vor der Therapie keinen Überblick über die knöcherne Situation (z.B. durch Anfertigung eines Röntgenbildes) macht. In der medizinischen Fachliteratur gibt es hunderte von Fällen, in denen besonders im Halsbereich eine Chirotherapie zu schweren Nebenwirkungen geführt hat. Eine Übersicht bietet z.B. Assendelft et al. (1996). Wenn im Halsbereich durch zu schnelle oder zu starke Bewegung die Vertebralarterien gezerrt werden, können sie im Innenbereich einreissen. Dies kann zu einer lokalen Thrombosebildung führen. Wird das Gerinnsel abgerissen, kann es in das Gehirn verschleppt werden und dort z.B. zur Verstopfung der Arterien führen, die das Blut zur Netzhaut leiten. Entsprechende Fälle wurden mehrfach beschrieben.
Heilpraktiker, die keine wirklich gute anatomische Ausbildung besitzen, sollte man an sich selbst keinesfalls eine chiropraktische Behandlung durchführen lassen. Auch Therapeuten, die dem Patienten einreden wollen, mit Chirotherapie innere "Blockaden" oder "energetische Probleme" heilen zu wollen, sollte man meiden. Die Manuelle Medizin ist nur in sicheren und erfahrenen Händen eine bei zielgenauer Indikation kurzzeitig wirksame Therapieform bei akuten Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen, die durch muskuläre Blockaden bedingt sind. Für mehr ist sie nicht geeignet und eine Dauerbehandlung der ursächlichen Probleme ersetzt sie keinesfalls.
Siehe auch
- Atlasmedizin
- Atlasprofilax (Atlantotec)
- Chiro-Scanner
- Nervo-Scope
Weblinks
Quellennachweise
- Assendelft WJJ, Bouter LM, Knipschild PG: Complications of spinal manipulation. A comprehensive review of the literature. J Fam Pract, 42, 475-480, 1996
Dieser Text ist ganz oder teilweise von Paralex übernommen