Urzeit-Code
Als Urzeit Code wird eine Methode bezeichnet, von der ihre Befürworter glauben, dass sie sich einerseits zur Ertragssteigerung in der Landwirtschaft eigne und andererseits zu einer Art Jurassic-Park-Wiedererwachen längst ausgestorbener Tier- und Pflanzenarten und eigene. Wissenschaftliche Literatur zu dieser Methode ist in Datenbanken nicht zu finden. Beachtung fand sie vor allem in Esoterikerkreisen und Esoterikzeitschriften, in Unterhaltungssendungen im Fernsehen oder in der Kent-Depesche. Meist ist die Methode mit weiteren Annahmen, Verschwörungstheorien oder Ideologien verknüpft und wird auch als mögliche ökologische Alternative zur Gentechnologie verstanden.
Als Entdecker werden die zwei Schweizer Chemiker Guido Ebner und Heinz Schürch angegeben, die beim Basler Chemieunternehmen Ciba-Geigy (heute Novartis) bis in die 1990er-Jahre das Verhalten von Organismen untersucht haben, die starken elektrostatischen Feldern ausgesetzt wurden. 1987 sollen sie eigenen Angaben zufolge die Methode des Urzeit-Code entdeckt haben und 1989 wurde von Ciba Geigy ein Patent zu einem neuartigen Fischzuchtverfahren angemeldet. Nach dem Tod von Guido Ebner wird der Urzeit Code heute von seinem Sohn Daniel Ebner weiter propagiert und es wurde ein Guido Ebner Institut gegründet. Interessanterweise residiert das Guido Ebner Institut in Dornach bei Basel, der Hochburg der Anthroposophie. Ebner und Schürch gründeten eine eigene Firma namens Institute for Pharmaceutical Research in der Nähe von Basel und in dessen Namen meldet Guido Ebner 1997 ein weiteres Patent an. Darin wird die Auswirkung von elektrostatischen Feldern auf verschiedenste Spezies (Kresse, Weizen, Mais, Farn, Mikroorganismen, Bakterien) im Frühstadium beschrieben, bei denen es unter Anwendung von Hochspannung laut Patentschrift zu eine Veränderung der Genexpressionsmuster, der Morphologie und der Entwicklungs- und Wachstumseffizienz kommen soll.
Pflanzenarten, die über die beschriebene Methode verändert werden, müssten neu charakterisiert werden, um zugelassen zu werden.
Behauptungen
In diversen Fernsehauftritten und auf mehreren Webseiten wird seit einiger Zeit behauptet, dass sich das Pflanzenwachstum in einem statischen Hochspannungsfeld beschleunige und dass sich in einem Hochspannungfeld Organismen und Pfanzen der Urzeit, aber auch diejenigen, die erst vor wenigen Jahren ausgestorben sind, auf geheimnisvolle Weise wieder zum Leben erweckt werden könnten.
Als Beispiel für eine derartige Erweckung wird eine Regenbogenforellenart genannt, die erfolgreich in eine angebliche "ursprüngliche Wildform" zurückverwandelt worden wäre, wie sie vor Jahrhunderten existiert habe. Eine Fischuntersuchungsstelle der Eidgenossenschaft in Bern soll angeblich vorgestellte Forellen als eine Urform der Forelle bezeichnet haben, die vor ca. 150 Jahren ausgestorben sei. Abbildung 1 zeigt im oberen Teil eine normale Regenbogenforelle im Vergleich zum unterem Bild, wo angeblich die Urform der Regenbogenforelle zu sehen ist, die sich entwickelt haben soll, nachdem der Laich mit einem elektrostatischen Feld behandelt wurde, erkennbar an dem „Lachshöcker“ am Unterkiefer des Fisches. Eine naturwissenschaftliche Erklärung für ihre jetzige Existenz gebe es nicht.
Ein nach der Urzeit-Code-Methode behandelter Wurmfarn sei auch erfolgreich "zurück" verwandelt worden, in eine Erscheinungsform, wir sie angeblich vor 300 Millionen existiert habe.
Methode
Den zur Verfügung stehenden Angaben kann entnommen werden, dass Forelleneier, Maiskörner oder Farnsporen einem elektrostatischen Feld von 500 bis 2000 V/m Volt/m ausgesetzt waren. Der negative Pol soll dabei oben und der positive Pol nach unten, in Richtung Erdoberfläche ausgerichtet sein. Dies in Analogie zu natürlichen elektrischen Feldern in der Atmosphäre. Im Feld soll sich ein beschleunigtes Wachstum gezeigt haben und in einigen Fällen hätten sich die Organismen gar zu einer Art "Urform" zurückentwickelt. Im Falle eines Wurmfarns hätte sich dabei auch die
Anzahl der Chromosomen von 36 auf 41 erhöht und die gekeimten Pflanzen hätten das Aussehen von Hirschzungenfarn angenommen.
Die Publicity
Als vermeintliche wissenschaftliche Sensation wurde in einer Unterhaltungssendung namens Supertreffer des Schweizerischen Fernsehens am 17. Dezember 1988 der Urzeit-Code von Show-Master Kurt Felix ganz ernsthaft vorgestellt. Felix ist dem deutschen Fernsehpublikum durch die Sendung Verstehen Sie Spaß bekannt. Gezeigt wurden in der Sendung Bilder von einer Pflanze, die elektrisch aus einer Jahrmillionen alten Urzeit als "Evolutionsrückschritt" hervorgezaubert worden sei. Aus einem normalen Wurmfarn mit seinen gefiederten Blättern sei demnach ein Hirschzungenfarn mit rund zulaufenden, zungenartigen Blättern geworden, der als ein "Urfarn" bezeichnet wurde.
Der Schweizer Journalist und Herausgeber der Zeitschrift für Okkultismus und Verschwörungstheorien Myteries, Luc Bürgin brachte über den Urzeit-Code ein Buch heraus. Bürgin will auch herausgefunden haben, dass an zwei deutschen Universitäten in Mainz und Freiburg die Ergebnisse von Ebner und Schürch reproduziert und bestätigt worden sein sollen. Drei Professoren sollen dazu stehen, darunter der Schweizer Nobelpreisträger Werner Arber.
Verschwörungstheorien um eine Urzeit-Code-Unterdrückung
Die angeblich einfache Methode zur vermeintlichen "Rückholung" ausgestorbener Pflanzen- und Tierarten soweie die elektrische Stimulation des Pflanzenwachstums werde laut Anhängern des Urzeit-Code angeblich von der Firma Ciba-Geigy geheim gehalten und Unterlagen unter Verschluss gehalten. Unterstellt wird dabei Ciba, dass das Verfahren mit angeblichem Ur-Getreide aus dem Elektrofeld im Vergleich zu modernen Saatgut-Züchtungen zu resistent gegenüber Schädlingen sei und daher weniger Pestizide benötige. Wissenschaftlich hätten die beiden Erfinder auch über den Urzeit-Code nicht publizieren "dürfen", daher gebe es keine seriöse Fachliteratur zum Thema und sie mussten sich "auf Druck der Bevölkerung" an das Fernsehen richten.
Tatsächlich jedoch lassen sich Einzelheiten aus den Ebner-Patenten ersehen. Ciba-Geigy veröffentlichte auch eine Pressemeldung, in der erklärt wurde, Forschungen zur Anwendung von Hochspannung bei der Pflanzenzüchtung nicht weiter zu betreiben.
Wissenschaftliche Erkenntnisse zum Thema
Über Einflüsse von elektrischen Felder während der Keimung und Zellteilung liegen wissenschaftliche Erkenntnisse vor, nicht jedoch darüber wie aus heute lebenden Organismen ihre Vorfahren wieder zum Leben erweckt werden könnten. Erste Veröffentlichungen zum Keimverhalten von Pflanzen bei Anwesenheit von elektrischen Feldern stammen aus den zwanziger Jahren aus Deutschland von dem Pflanzenwissenschaftler Ernst Tamm[1] und wurden unter dem Begriff der Elektrokultur bekannt. Weitere Forschungen wurden aus den siebziger Jahren aus Russland bekannt.
Literatur
- Goodman, Henderson. Sine waves enhance cellular transcription. Bioelectromagnetics, 7, 23-29 (1986)
- Schoen, Axel. Auswirkungen elektrostatischer Felder auf das Keimverhalten und die Ontogenie verschiedener Getreidearten. 2001. Biologie-Diplomarbeit. Universität Mainz, Institut für Allgemeine Botanik. Gunter M. Rothe
- Demiray H. Effect of static electric fields in root cells of Vicia faba (Fabaceae). Electromagn Biol Med. 2006;25(1):53-60.
- Grigor'eva NN, Shakhbazov VG, Nebogatikova EI. Mutagenic effects of direct electric current. Genetika. 1989 Jan;25(1):158-60.
- Portnov OG, Shakarnis VF, Maĭore DIa. Mutagenic action of static electric fields on Drosophila melanogaster females. Genetika. 1975;11(6):177-9.
Weblinks
Siehe auch
Angemeldete Patente
- EP 0351357 B1 - Verbessertes Fischzuchtverfahren. Angemeldet: 15.06.1989, veröffentlicht am 03.03.1993. Patentinhaber: Ciba Geigy AG, Basel [1]
- EP 0791651 A1 - Methode zur Behandlung von biologischem Material. Angemeldet: 22.01.1997. Vertreter: IPR Institute for Pharmaceutical Research, Riehen (CH)
- http://www.freepatentsonline.com/5048458.html
Quellenangaben
- Fernsehsendung ARD-Report vom 5.10.1992
- ↑ Tamm E: Über den Einfluß der durch den Boden geleiteten elektrischen Energie auf Keimfähigkeit, Triebkraft und Jugendwachstum von Pisum sativum. Ein Beitrag zur Frage der Elektro-Kultur. Habil.-Schr. Landw. Hochschule Berlin 1928. - Zugl in: Botanisches Archiv Bd. 21, 1928, S. 9-115.