Psychographie

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Unter Psychographie versteht man im engeren Sinn die Kartierung der Psyche anhand bestimmter Merkmale. Der amerikanische Psychologe Gordon W. Allport hat den Begriff in die Psychologie eingeführt.

Dabei wird vorausgesetzt, dass:

  • bei einer vorgegebenen Psychographie die "richtigen" Merkmale verwendet werden
  • die Merkmale überhaupt vernünftig interpersonell skaliert werden können
  • eine solche Kartierung eine Person beschreiben kann "Allport ging davon aus, dass ein Individuum durch Bewertungen in Form von Maßzahlen innerhalb eines Psychogramms dargestellt werden kann" [1]
  • eine solche Kartierung sinnvoll ist.

Die Beschreibung von Menschen anhand von erhobenen Merkmalen kann als Hilfsmittel z.B. bei einer Therapie sinnvoll sein. Dazu gibt es z.B. Big Five.

Im weiteren Sinn versteht man unter Psychographie die Ableitung von postulierten Persönlichkeitstypen aus den kartierten Merkmalen. In diesem weiteren Sinn wird Psychographie derzeit im Rahmen von ILP verstanden. "Friedmanns eigener Aussage zufolge war ihm zu diesem Zeitpunkt [ILP-Markeninhaber Friedmann formuliert seine Psychographie] jedoch weder Gordon W. Allport noch der DUDEN-Eintrag bekannt, sondern er kombinierte "Psychologie" und "Geographie" zu einem Kunstwort." [2]

Auswahl der Merkmale

Da es unterschiedliche Psychographien gibt, stellt sich die Frage nach ihren Unterschieden. Sie bestehen darin, dass unterschiedliche Merkmale erhoben werden, die man hinsichtlich ihrer Eignung zur zielorientierten Beschreibung einer Person zu prüfen hat. Ansonsten besteht hier das Risiko der Beliebigkeit.

Skalenproblem

Die Verbindung von IQ und Intelligenz ist so, dass man davon spricht, dass Intelligenz das sei, was der Intelligenztest misst. Hiermit wird verdeutlicht, dass bestimmte Merkmale nicht einfach erhoben und skaliert werden können. Möchte man z.B. wissen, wie stark ein Mensch das "Fühlen" betont, muss erstens klar sein, wie man das messen möchte (ggfs. durch Hinschauen) und wie man das Ergebnis in Bezug zu anderen Personen einschätzt (Skalenproblem). Auch Letzteres könnte man durch Hinschauen erledigen, begibt sich damit aber automatisch auf dünnes Eis.

Deskriptive Qualität

Die Reduktion eines Menschen auf die Merkmale einer Psychographie blendet notwendigerweise Aspekte aus. So z.B. die Art und Weise, wie die Person diese erhobenen Merkmale in Verbindung bringt. Es ist widersinnig anzunehmen, dass man durch die Reduktion eines Menschen auf erhobene Merkmale mehr über diesen Menschen erfährt. Allenfalls kann man im Sinne der differenziellen Psychologie Ähnlichkeiten und Differenzen zwischen Menschen feststellen. Das kann für die Diagnose vorteilhaft sein, vgl. Big Five.

Das Reduzieren einer Person auf einige wenige Merkmale widerspricht auch der oft im Umfeld von Esoterik und Alternativmedizin propagierten ganzheitlichen Betrachtung.

Sinnhaftigkeit einer Kartierung

Abgesehen von den bereits beschriebenen Zwecken der Diagnose und ggfs. der Therapieauswahl bietet es sich an, aufgrund der Kartierung Typen zu postulieren, d.h. Psychographie im weiteren Sinne zu verstehen. Dass man Menschen vollständig durch eine Psychographie beschreiben könne und auch solle, ist naiv.

Ableitung von postulierten Persönlichkeitstypen

Aufgrund einer Anzahl erhobener Psychographien erhält man eine Datenwolke, die man in Bereiche einteilen kann. Z.B. kann man ein zweidimensionales Koordinatensystem in vier Quadranten einteilen. Diese Bereiche kann man dann mit Namen versehen und ihnen Persönlichkeitstypen zuordnen. An dieser Stelle ist das Risiko der Beliebigkeit besonders hoch. Hier bietet sich daher das statistische Verfahren der Diskriminanzanalyse an, um einen solchen Verdacht zu entkräften.

Unseriöser Einsatz

  • Die Psychographie ist - vor allem im weiteren Sinn - dem Verdacht der Beliebigkeit ausgesetzt. Insbesondere die Postulierung gewisser Typen ohne ausreichende Datenbasis und ohne den Einsatz statistischer Verfahren kann man direkt als unseriös einstufen.
  • Dabei stellt sich auch immer die Frage, was man durch die Einteilung in Typen denn erreichen will. Hier liegt der Verdacht nahe, dass lediglich der Barnum-Effekt [3] ausgenutzt werden soll.
  • Die immanente Ungenauigkeit der Typen sowie das Ausblenden von Sonderfällen und individuellen Besonderheiten wirft insgesamt ein schlechtes Licht auf den Einsatz von Psychographien.
  • Ob es überhaupt ethisch/moralisch gerechtfertigt ist, Persönlichkeitstypen zu postulieren, ist offen.
  • Wenn ein Patient während einer Behandlung seinen Persönlichkeitstypen erfährt, liegt aller Wahrscheinlichkeit nach ein unseriöses Verfahren vor, denn hier handelt es sich um ein gezieltes Hervorbringen des Placebo-Barnum-Effekts, der bei einem seriösen Verfahren zur Diagnose und Behandlungsauswahl völlig überflüssig ist.
  • Wenn ein Patient seine Persönlichkeitstyp-Zuordnung nicht aktiv ändern kann (bspw. spricht man ihm auf Dauer die Fähigkeit und den Willen ab, Beziehungen zu führen), liegt aller Wahrscheinlichkeit nach ein unseriöses Verfahren vor.

Weitere Typenlehren ergeben sich nicht nur durch andere Psychographien, sondern auch durch die Einbeziehung physiologischer Merkmale. So sind Typenlehren nach Blutdruck oder die Einteilung von Menschen nach Körperbau bekannt, siehe bspw. die Konstitutionstypologie nach Kretschmer. [4] Insgesamt haben sich Typenlehren oft als unhaltbar und damit ausschließlich glaubensbasiert erwiesen.

Quellen