Andrew Wakefield

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Andrew Wakefield (* 1957) ist ein britischer Chirurg, der 1998 mit einer Veröffentlichung in der medizinischen Zeitschrift The Lancet großes Aufsehen sowohl in der Fachwelt als auch in der Öffentlichkeit erregte. Der Artikel mit dem Titel "Ileal-lymphoid-nodular hyperplasia, non-specific colitis, and pervasive developmental disorder in children"[1] stellt einen Zusammenhang zwischen der Impfung mit dem MMR-Kombinations-Impfstoff (gegen Mumps, Masern, Röteln) und Autismus her. In der Folge fielen die Impfraten insbesondere in Großbritannien deutlich ab.

2004 wurde bekannt, dass Wakefield vor der Veröffentlichung von Anwälten, die Eltern Autismus-betroffener Kinder vertraten, 55.000 £ an Drittmitteln erhalten hatte.[2] Diese suchten Verbindungen zwischen Autismus und der Impfung, um Hersteller des Impfstoffes zu verklagen. Die Gelder waren weder den Mitautoren noch der Zeitschrift bekannt gewesen. Daraufhin traten zehn der dreizehn Autoren des Artikels von diesem zurück.[3]

Wakefield gab 2001 seinen Job im Royal Free Hospital in London auf und arbeitet heute für eine Privatklinik in den USA. 2007 musste er sich aufgrund der Vorwürfe vor einem Gericht der britischen Ärztekammer verantworten.[4]

Nichtsdestotrotz werden seine längst widerlegten Thesen insbesondere von esoterisch inspirierten Kreisen immer wieder aufgegriffen, so zB von Andreas Bachmair [6].

Die 1998er Lancet-Veröffentlichung

Im Februar 1998 veröffentlichte eine Gruppe um Dr. Andrew Wakefield einen Bericht mit dem Titel "Ileal-lymphoid-nodular hyperplasia, non-specific colitis, and pervasive developmental disorder in children" in der angesehenen medizinischen Fachzeitschrift The Lancet [1]. Der Bericht analysierte die Fälle von zwölf autistischen Kindern, welche 1996-1997 in dem Royal Free Hospital im Norden Londons behandelt wurden. Beschrieben werden den Darm betreffende Symptome, welche gemäß Wakefield der Beweis eines vollständig neuen Syndroms waren. Dieses bezeichnete er später als autistische Enterocolitis. Wakefield empfahl eine nähere Untersuchung von möglichen Ursachen in der Umwelt der Kinder, unter anderem des MMR-Impfstoffes. In der Arbeit werden Verbindungen zwischen Magen-Darm-Symptomen und Entwicklungsstörungen dieser Kinder vermutet, welche angeblich mit der MMR-Impfung verbunden waren. Die kausale Verknüpfung, die MMR-Impfstoffe führten zu Autismus, wurde indes nicht erreicht. In einer Pressekonferenz vor Veröffentlichung der Arbeit gab Wakefield jedoch an, er würde es für sinnvoll halten, bis zur Klärung Einzelimpfstoffe statt dem Dreifach-MMR zu nutzen. Weiterhin gab er an, dass acht der zwölf Eltern die Impfung für eine wahrscheinliche Ursache hielten, da Impfung und Beginn der Symptome nur Tage auseinander lagen. Er erklärte, die weitere Verwendung des Kombinationsimpfstoffs ohne detaillierte Prüfung der Sachlage nicht mehr unterstützen zu können. In einer vorher für das Fernsehen erstellten Videoaufzeichnung forderte er, die Nutzung von MMR zugunsten der Einzelimpfstoffe auszusetzen [5].

Die folgende Kontroverse

Bericht, Pressekonferenz und Video verunsicherten die britische Bevölkerung. Die folgende Debatte wurde polarisiert, wobei beide Seiten Wakefields Forschung argumentativ nutzten. Er wurde öffentlich angegriffen, seine Kritiker bezweifelten sowohl die Korrektheit als auch die Ethik seiner Forschungen. Die Regierung und die medizinischen Ämter, wie der National Health Service (NHS), betonten, ausführliche epidemiologische Daten würden keinerlei Zusammenhang zwischen den MMR-Impfungen und Entwicklungsstörungen aufzeigen. Manche Eltern weigerten sich, diesen Dementis glauben zu schenken, da bereits zuvor staatliche Angaben zur Sicherheit diskreditiert wurde, wie im Falle des BSE-Skandals. Die Regierung wurde beschuldigt, die höheren Kosten der Einzelimpfungen seien der Grund für deren Ablehnung. Als Ergebnis brach die Impfung mit MMR von 92% (1996) auf 84% (2002) ein. Von Teilen Londons wurde vermutet, dass nur noch 60% der Impfungen mit MMR durchgeführt wurden, was drastisch unterhalb des für Herdenimmunität vor Masern notwendigen Schwellenwerts liegt. Auch wenn bisher keine Masern-Epidemie auftrat, haben Ärzte aufgrund der ansteigenden Zahl von Infektionen bereits vor einer solchen gewarnt.

Ein Faktor der Kontroverse ist, dass nur der Kombinationsimpfstoff über das NHS verfügbar ist. Eltern die diesen Impfstoff ablehnen, haben so nur die Wahl entweder die separaten Impfungen privat vornehmen zu lassen, oder aber ihre Kinder gar nicht zu impfen. Premierminister Tony Blair hat den MMR-Impfstoff zwar öffentlich verteidigt, gibt jedoch keine Auskunft darüber, welche Impfung sein Sohn Leo bekam.

Die Mehrheit der Ärzte bevorzugt den Kombinationsimpfstoff, da er weniger belastend für das Kind ist und Eltern eher eine als drei Impfungen vornehmen lassen.

Epidemiologische Forschung an hunderttausenden Kindern in zahlreichen Studien zeigt weiterhin keine Verbindung zwischen MMR-Impfung und Autismus. Kritiker dieser Studien, wie der im Ruhestand lebende Kliniker John Walker-Smith, obwohl ein Unterstützer des Dreifachimpfstoffs, bezeichneten die Epidemiologie als 'stumpfes Werkzeug', welche derartige Kausalzusammenhänge nicht notwendigerweise aufzeigt. [7] So ist es beispielsweise schwierig, zwei Populationen hinreichender Größe zu finden, welche sich nur durch die Impfung unterscheiden.

Dr. Wakefield gab seinen Job im Royal Free Hospital 2001 auf und arbeitet nun für eine umstrittene Privatklinik in den USA. Seine fortgesetzten Studien beinhalten die Arbeit an möglichen immunologischen, metabolischen und pathologischen Veränderungen durch die "autistische Enterocolitis", sowie Verbindungen zwischen Darmerkrankungen und neurologischen Störungen bei Kindern und dem möglichen Zusammenhang zwischen diesen Störungen und Einflüssen wie Impfstoffen [6]

Vorwurf eines Interessenskonfliktes

Im Februar 2004 deckte der Journalist Brian Deer auf, dass Wakefield zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Lancet-Berichtes £55.000 an Drittmitteln von Anwälten erhielt, welche zwischen Autismus und dem MMR-Impfstoff Verbindungen suchten [7]. Gemäß dem Artikel in der Sunday Times waren einige der zitierten Eltern an Prozessen gegen Hersteller des MMR-Impfstoffes beteiligt. Obwohl Wakefield angab, die Drittmittel seien von Anfang an veröffentlicht worden, wurde bemängelt, dass diese weder dem Lancet, noch den Co-Forschern bekannt gemacht wurden. Am 20. Februar 2004 bezeichnete der Lancet Wakefields Studie aufgrund eines "fatalen Interessenskonfliktes" als "fehlerhaft" und gab an, dass diese niemals hätte veröffentlicht werden dürfen. Mehrere von Wakefields Co-Forschern bemängelten ebenfalls deutlich die fehlenden Angaben zu den Drittmitteln. [8] Das General Medical Council, welches in Großbritannien für die Vergabe von Lizenzen für Doktoren und die Überwachung der medizinischen Ethik zuständig ist, hat Ermittlungen aufgenommen. [9]

Ferner haben Wakefield und die Royal Free Hospital Medical School in London bereits 9 Monate, bevor sie mit dem inkriminierten Artikel weltweit Angst und Unsicherheit bezüglich des MMR-Impfstoffs erzeugten, das erste einer Serie von Patenten eingereicht, mit denen eine Reihe theoretisch hochprofitabler Produkte geschützt werden sollten, welche aber am Markt nur Erfolg haben konnten, wenn der Ruf des MMR-Impfstoffs beschädigt würde. Dabei handelte es sich u.a. um einen angeblich sichereren Masern-Impfstoff und Medikamente zur Behandlung von Darmkrankheiten und Autismus, die alle darauf basierten, dass diese Krankheiten durch den MMR-Impfstoff ausgelöst würden[10].

Rückzug des Lancet-Berichts

In Folge des Artikels von Brian Deer traten zehn der dreizehn Autoren des Berichtes formal von der Behauptung zurück, eine Verbindung zwischen Autismus und MMR gefunden zu haben [11]. Deer setzte seine Ermittlung in einer Dokumentation des britischen Fernsehens MMR: What They Didn't Tell You fort, welche am 18. November 2004 ausgestrahlt wurde. Hierin wird Wakefield beschuldigt, Patente für ein Konkurrenzprodukt zu MMR zu besitzen und von Testergebnissen seines eigenen Labors zu wissen, welche seine Behauptungen klar widerlegten. [12]

Anwälte der Impfgegner zahlten 3,5 Millionen britische Pfund

Weitere Nachforschungen der englischen Zeitung „Sunday Times“ ergaben, dass im Vorfeld zu der bewussten Publikation Wakefield und weitere Protagonisten bis zu 3,5 Millionen britische Pfund von einer Anwaltskanzlei erhalten haben, welche die Eltern der vermeintlich geschädigten Kinder vertrat. Andrew Wakefield selber soll sich mit einer halben Million Pfund bereichert und schon zwei Jahre vor dem Erscheinen des strittigen Beitrags die ersten Zahlungen erhalten haben. Weiterhin hatten fünf weitere Autoren der Publikation und auch ein Gutachter, der seinerzeit die Veröffentlichung für „The Lancet“ prüfte, persönliche Zahlungen von der Anwaltskanzlei erhalten. [13]

Inzwischen bereitet die britische Ärztekammer einen Ausschluss von Andrew Wakefield vor.[14]

Neuere Studien zum Thema Autismus

Epidemiologische Forschungen zeigen für die vergangenen Jahrzehnte einen Anstieg bei Autismus. Die Ursache ist unklar, vielfach wird allerdings weniger ein realer Anstieg als die Veränderung der Diagnose- und Erhebungsmethodik als Grund vermutet [15] [16] [17]. So ist die Diagnose für Autismus in den vergangenen Jahren ausgeweitet worden, und Kinder werden heute intensiver und eher als früher diagnostisch untersucht. Ein kausaler Zusammenhang zwischen MMR und Autismus kann dagegen inzwischen als so gut wie ausgeschlossen gelten, wie die im folgenden zitierten, im Unterschied zu Wakefields Arbeit sehr umfangreichen, Studien gezeigt haben.

  • In der Folge von Wakefields Veröffentlichung folgten viele Studien[18], die den Zusammenhang zwischen MMR und Autismus untersuchten. Im Oktober 2003 wurde eine von der Europäischen Union finanzierte Übersichtsarbeit veröffentlicht, welche die Ergebnisse aus 120 anderen Studien und Nebenwirkungen des MMR-Impfstoffs zusammenfasste und näher analysierte [19]. Die Autoren schlossen
    • Der Impfstoff ist mit einigen positiven und einigen negativen Wirkungen assoziiert
    • Es ist 'unwahrscheinlich' dass es eine Verbindung zwischen MMR und Autismus gab und
    • 'Das Design und der Bericht von sicherheitsrelevanten Ergebnissen in MMR-Impfstoff-Studien...sind überwiegend inadäquat.'
  • Im Januar 2005 wurde nach intensiver Forschung in einer einzelnen Grafschaft in Minnesota von einer Verachtfachung des Auftretens von Autismus berichtet. Der untersuchte Zeitraum umfasst die frühen 1980er Jahre und endet in den späten 1990ern. Bei der Forschung wurde kein Zusammenhang mit MMR entdeckt. Die Autoren vermuten, dass der Anstieg mit verbesserter Diagnostik der Störung und sich wandelnden Definitionen zu erklären ist [17].
  • Im März 2005 schloss eine an 30.000 in einem Distrikt von Yokohama geborenen Kindern durchgeführte Studie, dass Auftreten von Autismus weiterhin anstieg (von 46-86 Fällen auf 10.000 Kindern zu 97-161 auf 10.000), obwohl die Nutzung des MMR-Impfstoffs in Japan im April 1993 eingestellt wurde. Die Schlussfolgerung der Autoren lautet. "Die Bedeutung dieser Ergebnisse ist, dass MMR-Impfung höchst wahrscheinlich keine Hauptursache von ASD ist, da sich hiermit der Anstieg des Auftretens von ASD über die Zeit nicht erklären lässt und dass von einem Rückzug des MMR-Impfstoffs in denjenigen Ländern, die ihn noch verwenden, kein Rückgang im Auftreten von ASD zu erwarten ist"[20]. Wakefield behauptet indes, der Anstieg von Autismus, welchen die Daten belegen, würde seine Hypothese stützen [21]. Seine Ansichten fanden jedoch wenig Unterstützung [22].
  • Im Oktober 2005, veröffentlichte die Cochrane Library eine Überprüfung von 31 wissenschaftlichen Studien und schloss "es gibt keinen glaubwürdigen Beweis hinter den Behauptungen der Schadhaftigkeit des MMR-Impfstoffs". Allerdings bemängelten auch diese Autoren, das Design und der Bericht von sicherheitsrelevanten Ergebnissen in MMR-Impfstoffstudien sei überwiegend inadäquat [23]. Cochrane, in Oxford, England, wird von Wissenschaftlern weithin als die höchste unabhängige Prüfinstanz medizinischer Literatur angesehen und als Küster der "beweisgeführten Medizin".
  • Ein Fall-Kontrollstudie von 2008 lässt es als sehr unwahrscheinlich erscheinen dass eine Masernimpfung ursächlich mit Autismus in Zusammenhang gebracht werden kann [24].

Weblinks

Quellennachweise

  1. 1,0 1,1 Wakefield AJ et al.: Ileal-lymphoid-nodular hyperplasia, non-specific colitis, and pervasive developmental disorder in children. Lancet. 351(9103), 1998, S. 637-41 PMID 9500320 (PDF, 592 kB) Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „Wakefield98“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert.
  2. Brian Deer: Revealed: MMR Research Scandal The Sunday Times (London) February 22 2004
  3. Murch SH et al.: Retraction of an interpretation. Lancet. 2004;363(9411):750 PMID 15016483
  4. Reiner Luyken: Panik vor dem Piks. DIE ZEIT, 19.04.2007, 17/2007
  5. Video des Wakefield-Interviews
  6. A. Wakefield bei seinem neuen Arbeitgeber
  7. B Deer: Revealed: MMR Research Scandal. The Sunday Times, London, 22. Feb. 2004
  8. [1]
  9. [2]
  10. http://briandeer.com/wakefield-deer.htm
  11. Murch SH et al.: Retraction of an interpretation. Lancet. 2004;363(9411):750 PMID 15016483
  12. B Deer: Weitere Anschuldigungen von Wakefield
  13. H. Kaulen: Artikel in der FAZ, 8. Januar 2007
  14. Reiner Luyken: Panik vor dem Piks. Die Zeit, 19.04.2007, Nr. 17
  15. B Taylor et al.: Measles, mumps, and rubella vaccination and bowel problems or developmental regression in children with autism: population study. British Medical Journal, Vol 324, 16. Feb. 2002, S. 393-396 PDF
  16. BMJJournals.com - 'Rapid Responses to: Increase in autism due to change in definition, not MMR vaccine' British Medical Journal (Meinungsaustausch der BMJ-Website)
  17. 17,0 17,1 WJ Barbaresi et al.: The incidence of autism in Olmsted County, Minnesota, 1976-1997: results from a population-based study. Arch Pediatr Adolesc Med. Jan. 2005, 159(1), S. 37-44 PMID 15630056
  18. Auflistung von 17 Studien zum möglichen Zusammenhang MMR-Autismus, Immunization Action Coalition [3]
  19. T Jefferson: Unintended events following immunization with MMR: a systematic review. Vaccine. 2003 Sep 8;21(25-26), S. 3954-60 PMID 12922131
  20. H Honda, Y Shimizu, M Rutter: No effect of MMR withdrawal on the incidence of autism: a total population study. J Child Psychol Psychiatry. 2005 Jun;46(6):572-9. PMID 15877763
  21. Japanese Study Is The Strongest Evidence Yet For A Link Between MMR And Autism. The Red Flag, 6. März 2005 [4]
  22. I Sample: Lingering fears of MMR-autism link dispelled. The Guardian, 3. März 2005 [5]
  23. V Demicheli,T Jefferson, A Rivetti, D Price: Vaccines for measles, mumps and rubella in children. Cochrane Database of Systematic Reviews 2005, Issue 4. Art. No.: CD004407. PDF
  24. Hornig M, Briese T, Buie T, Bauman ML, Lauwers G, et al. 2008 Lack of Association between Measles Virus Vaccine and Autism with Enteropathy: A Case-Control Study. PLoS ONE 3(9): e3140 doi:10.1371/journal.pone.0003140


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