Lügendetektor

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Darstellung der Messwerte eines Lügendetektors auf einem Notebook

Als Lügendetektor wird umgangssprachlich ein Gerät bezeichnet, das kontinuierlich den Verlauf von körperlichen Parametern (nämlich der peripher-physiologischen Variablen) – wie Blutdruck, Puls, Atmung oder die elektrische Leitfähigkeit der Haut – einer Person während einer Befragung misst und aufzeichnet. In Fachkreisen wird das Gerät nicht als Lügendetektor, sondern als Polygraph (= Vielschreiber), Mehrkanalschreiber oder auch Biosignalgerät bezeichnet. Der Begriff „Lügendetektor“ ist deshalb nicht korrekt, weil es sich bei dem Polygraphen lediglich um ein technisches Hilfsmittel handelt, mit dem physiopsychologische Parameter gemessen und aufgezeichnet werden. Die aufgezeichneten Reaktionen sind nicht spezifisch für die Wahrheit oder Unwahrheit der gegebenen Antwort, sondern zeigen lediglich das momentane Aktiviertheitsniveau an. Ob jemand die Wahrheit oder Unwahrheit sagt, ergibt erst die von dem Untersucher im Anschluss an die Untersuchung vorgenommene Auswertung.

Entwicklung und Geschichte

Die Grundidee zum Polygraphen geht auf die Psychologen Carl Gustav Jung und Max Wertheimer zurück. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts veröffentlichten sie zwei unabhängige Arbeiten zur Nutzung physiopsychologischer Verfahren als Indikatoren für juristische Belange. Vittorio Benussi konstruierte im März/April 1913 an der Universität Graz einen Apparat, der die Atmungsphasen und den Puls registriert und an dem abgelesen werden kann, ob die Versuchsperson lügt - den ersten Polygraphen. Ein Polygraph wurde zum ersten Mal am 2. Februar 1935 in einem Experiment von Leonard Keeler getestet.

Seitdem haben sich Polygraphen in vielen Ländern verbreitet; das Hauptanwendungsgebiet war und sind jedoch wohl die USA, in denen mit der American Polygraph Organisation auch eine einflussreiche Organisation existiert. Die Anwendungsgebiete erstrecken sich von Bewerbungsgesprächen für eine Arbeitsstelle bis zum Verhör von Angeklagten. Auch der Geheimdienst CIA und die Bundespolizei FBI in den USA verwenden Polygraphen, um die Vertrauenswürdigkeit von aktuellen und potentiellen Mitarbeitern zu beurteilen.

Neben den Polygraphen wurden in jüngerer Zeit alternative Methoden zum Erkennen wahrer oder unwahrer Aussagen entwickelt. Darunter sind rein stimmenbasierte, die Änderungen in der Stimme als Indikator für Lügen verwenden und bei einem Telefongespräch eingesetzt werden können, sowie Infrarotkameras, mit denen die Durchblutung des Gesichts sichtbar gemacht und als Indikator verwendet wird.

Theorie

Polygraphische Untersuchungen basieren auf der Annahme, dass Menschen beim Lügen mindestens geringfügig nervös werden. Auch wenn diese Nervosität dem Gegenüber unsichtbar bleibt, erzeugt sie durch das vegetative Nervensystem unwillkürliche Reaktionen. Dieses momentane Aktiviertheitsniveau des Organismus lässt sich durch entsprechende Messgeräte sichtbar machen und kann aufgezeichnet werden.

Geeignete Reaktionen sind unter Anderem:

  • Änderung der Atemfrequenz
  • Änderung des Pulses
  • Änderung des Blutdrucks
  • psychogalvanische Hautreaktion – Änderung des Hautwiderstands durch Schwitzen
  • Zittern

Für eine zuverlässige Bewertung werden mehrere dieser Reaktionen gleichzeitig überwacht. Der Polygraph an sich ist nicht mehr als ein Messgerät, das eben diese Reaktionen misst und aufzeichnet. Eine Auswertung findet durch das Gerät nicht statt und obliegt allein dem Polygraphisten, der entsprechend ausgebildet wurde. Ein Polygraphist soll in der Lage sein, echte Reaktionen von willentlich herbeigeführten unterscheiden zu können.

Durchführung einer polygraphischen Untersuchung

Um den Wahrheitsgehalt einer Aussage zu klären, etwa bei einem Tatverdacht, gibt es zwei gängige polygraphische Testverfahren: den Tatwissens- und den Vergleichsfragentest.

Tatwissenstest

Beim Tatwissenstest handelt es sich um eine indirekte Methode, weil der zu Untersuchende nicht direkt gefragt wird, ob er dieses oder jenes getan habe, sondern er wird gefragt, ob er etwas über die aufzuklärende Tat wisse. Ziel ist herauszufinden, ob er Wissen über Einzelheiten des Tatgeschehens besitzt, das nur der Täter haben kann. Zu diesem Zweck wird der zu Untersuchende zunächst gefragt, was er über die vorgeworfene Tat weiß und woher dieses Wissen stammt. Sodann werden ihm zu einem bestimmten Aspekt der Tat (Begehungsweise etc.) sechs Fragen gestellt, worunter eine Alternative die zutreffende ist. Es hat sich gezeigt, dass die Reaktionen besonders hoch sind, wenn die Frage auf die zutreffende Antwortalternative wahrheitswidrig verneint wird.[1] Laut Max Steller zeigten verschiedene Laborstudien sogar, „daß Probanden ohne Tatwissen bei fast allen Untersuchungen mit dem Tatwissentest zu 100 Prozent richtig identifiziert werden konnten, d.h., daß keine falsch-positiven Zuordnungen erfolgten. Bei Personen mit Tatwissen erfolgten in 80 bis 95 Prozent richtige Klassifikationen.“[2]

Vergleichsfragentest

Beim Vergleichsfragentest[3] (auch Kontrollfragentest genannt) geht es nicht um mögliches Tatwissen, sondern der zu Untersuchende wird direkt nach dem zu klärenden Sachverhalt gefragt, etwa ob er die aufzuklärende Tathandlung begangen habe. Eine solche Frage kann beim Vorwurf sexueller Nötigung etwa lauten: „Haben Sie Frau X jemals geküsst?“ Die auf den Tatvorwurf zielenden Fragen (in der Regel sind es drei) werden als Tatfragen bezeichnet. Sie werden in Beziehung gesetzt zu (möglichst vier) Vergleichsfragen. Der methodische Ansatz, der dem Versuchsaufbau zugrunde liegt, besteht darin, dass die Reaktionen einer Person auf die tatbezogenen Fragen zu vergleichen sind mit den Reaktionen derselben Person auf dargebotene Vergleichsfragen. Die tatbezogenen Fragen lösen sowohl beim Täter als auch beim fälschlich Verdächtigten eine starke Reaktion aus. Beim fälschlich Verdächtigten lösen die Vergleichsfragen aber noch stärkere Reaktionen als die tatbezogenen Fragen aus, während der Täter von der Bedrohung, die von den tatbezogenen Fragen für ihn ausgeht, überhaupt nicht abzulenken ist. Damit die Vergleichsfragen ihren Zweck erfüllen, müssen sie so formuliert werden, dass sie den Probanden während der Dauer der Untersuchung „beschäftigen“, ihre gewissenhafte Beantwortung ihm also „zu schaffen macht“. Um dies zu erreichen, beziehen sich die Vergleichsfragen auf sozial missbilligtes Verhalten des Untersuchten, und zwar auf dem gleichen Normgebiet, dem auch die Taten angehören, deren er verdächtigt wird.

Anfangs wird mit dem Probanden ein Gespräch geführt, in dem neben einer biographischen Anamnese auch der Konsum von Medikamenten, Alkohol und Drogen innerhalb der letzten 24 Stunden sowie die Länge der Schlafenszeit in der vergangenen Nacht erfragt werden. Sodann werden mit dem zu Untersuchenden zunächst die tatbezogenen Fragen besprochen und danach die Vergleichsfragen. Stehen sowohl Tat- als auch Vergleichsfragen fest, wird der Proband mit dem Untersuchungsablauf vertraut gemacht und mit ihm ein Probelauf durchgeführt. Dazu wird der Proband gebeten, eine der Zahlen 22 bis 26 auszuwählen und diese Zahl, ohne dass der Untersucher die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat, zu notieren. Sodann wird der Proband an den Polygraphen angeschlossen, d.h. ihm werden die Messfühler angelegt in Form einer Blutdruckmanschette am linken Oberarm, eines Atmungsgürtels am Brustkorb, von Fingerelektroden zur Messung der Schweißabsonderung an den Ringfinger und an den Zeigefinger der linken Hand sowie einer Fingerklemme, mit der die Durchblutung der Haut über die Fingerspitze gemessen wird. Im Anschluss daran werden drei Einzeltests durchgeführt: Zuerst werden die Zahlen 22 bis 26 der Reihe nach abgefragt, wobei der Proband immer mit „Nein“ antworten soll, also auch dann, wenn er nach der Zahl gefragt wird, die er notiert hat. Beim zweiten Durchgang werden die Zahlen in unterschiedlicher Reihenfolge abgefragt, wobei der Proband wiederum stets mit „Nein“ antworten soll. Im dritten Durchgang soll der Proband die Fragen wahrheitsgemäß beantworten. Der Zahlentest dient vor allem dazu, Störungen auszuschließen, die die Auswertung der im Haupttest zu gewinnenden Reaktionskurven unmöglich oder unsicher machen würden. Einen die Treffsicherheit leicht erhöhenden Nebeneffekt stellt es dar, dass dem Probanden die Zuverlässigkeit des Tests verdeutlicht wird. Das geschieht, indem der Untersucher dem zu Untersuchenden die von diesem notierte Zahl „verrät“. In der Regel kennt der Untersucher die notierte Zahl nämlich bereits nach den ersten beiden Durchgängen.

Danach werden dem Probanden noch einmal alle Fragen vorgelesen, und es wird ihm erklärt, dass der Probedurchgang zufriedenstellend verlaufen ist und der Durchführung des eigentlichen Tests keine Schwierigkeiten im Wege stehen. Im Anschluss an diese Informationen wird der zu Untersuchende gefragt, ob er sich dem Test unterziehen wolle. Es wird ihm weiter gesagt, wenn er dies nicht wolle, so brauche er das nur zu sagen. Die Untersuchung werde dann sofort abgebrochen, und er werde nicht einmal danach gefragt, weshalb er sich dem Test nicht unterziehen wolle. Aus seiner Ablehnung dürften und würden keine negativen Schlüsse gezogen. Entschließt sich der Proband zur Fortführung des Tests, folgt der Auswertung und Erklärung der Reaktionskurven die Hauptuntersuchung. Zum Einsatz kommt der Polygraph meist in drei Durchgängen, die Messungen können aber auch bis zu fünf Mal erfolgen. Im Anschluss daran beginnt die Testauswertung. Die drei Einleitungsfragen werden nicht ausgewertet. Sie dienen dazu, den in der Psychologie bekannten Effekt „aufzufangen“, dass der erste in einer Reihe dargebotene Reiz immer eine verstärkte Aufmerksamkeitszuwendung erfährt.

Bei der Auswertung wird die Reaktion auf die tatbezogene Frage mit der Reaktion auf eine der beiden daneben stehenden Vergleichsfragen verglichen. Dafür werden die auf Millimeterpapier aufgezeichneten körperlichen Reaktionen (Atmung, Hautwiderstand, Blutdruck und periphere Hautdurchblutung) ausgewertet, die während der Hauptuntersuchung bei den drei bis fünf Durchgängen angefallen sind. Quantifiziert werden die unterschiedlichen Kurvengrößen mithilfe einer siebenstufigen Skala. Ist ein Unterschied nicht klar erkennbar, wird die Bewertung „0“ vergeben; ist er deutlich erkennbar, so wird er mit „1“ bewertet, bei einem großen Unterschied mit „2“ und bei einem außerordentlich großen Unterschied mit „3“. Ist die Reaktion auf die tatbezogene Frage größer, erhält die Ziffer ein Minus-Zeichen; ist die Reaktion auf die Vergleichsfrage stärker, wird ein Plus vergeben. Die siebenstufige Skala reicht also von -3 bis +3. Sind die tatbezogenen Fragen inhaltlich verschieden, so kann für jede einzelne Frage ein Gesamtwert berechnet werden, indem alle für die betreffende tatbezogene Frage ermittelten Vergleichswerte unter Berücksichtigung des Vorzeichens addiert werden. Die Summe ist dann der Testwert für die betreffende tatbezogene Frage. In der experimentellen Forschung und in der kriminalistischen Praxis haben sich folgende Grenzwerte bewährt: Werte von +3 und darüber sind Indikatoren dafür, dass die tatbezogene Frage wahrheitsgemäß verneint wurde. Werte von +2 bis -2 erlauben keine sichere Schlussfolgerung. Schließlich ist bei Werten von -3 und darunter davon auszugehen, dass die tatbezogene Frage wahrheitswidrig verneint wurde.

Sind die drei ausgewerteten tatbezogenen Fragen inhaltsgleich (unterscheiden sich also bloß in den Formulierungen), so können sämtliche Vergleichswerte unter Berücksichtigung des Vorzeichens zu einem Gesamtwert für den ganzen Test summiert werden. Bei dieser Konstellation haben sich in der experimentellen Forschung und in der kriminalistischen Praxis folgende Grenzwerte bewährt: Werte von +6 und darüber sind Indikatoren für die wahrheitsgemäße Verneinung der tatbezogenen Fragen, Werte von +5 bis -5 erlauben keine sichere Schlussfolgerung, und bei Werten von -6 und darunter ist davon auszugehen, dass die tatbezogenen Fragen wahrheitswidrig verneint wurden.

Kritik an Lügendetektoren

Angesichts der Tatsache, dass die Anerkennung von Lügendetektoren bei Unzuverlässigkeit großen Schaden anrichten kann, sind die Gegenstimmen zahlreich. Es wird angeführt, dass keine wissenschaftlich haltbaren Beweise für die Zuverlässigkeit existieren, dagegen aber viele Fälle von Fehleinschätzungen durch Lügendetektortests bekannt und die Tests demonstrierbar zu manipulieren sind. Mit seinem Urteil vom 16.02.1954 (1 StR 578/53, BGHSt 5, 332ff[4]) verbietet der BGH den Einsatz von Lügendetektoren sowohl im Strafverfahren als auch bei den Vorermittlungen, selbst wenn der Angeklagte dem Einsatz zustimme. Der Test verletze die Menschenwürde, weil der Beschuldigte Beteiligter und nicht Gegenstand des Verfahrens sei. Die Wahrheit müsse vom Gericht ohne das Zutun des Beschuldigten aufgeklärt werden. Der Polygraph („Lügendetektor“) beeinträchtige den Willen des Beschuldigten und untergrabe die im § 136a StPO (Verbot der Misshandlung) garantierte Willensfreiheit. 1998 lehnte der Bundesgerichtshof den Polygraphen erneut als Beweismittel wegen mangelnder Verlässlichkeit der Ergebnisse ab.[5]

Befremdlich ist aus heutiger Sicht auch die geradezu mechanistische Vorstellung vom „Innenleben“ des Menschen: Es wird unterstellt, dass ein bestimmter Input zu einem reproduzierbaren und bei allen Menschen vergleichbaren Output führe, sprich: eine Konfrontation mit bestimmten Fakten zu einem bestimmten Affekt. Eine willentliche Beeinflussung dieser Affekte wird so schon vor aller Erfahrung mit dem Gerät ausgeschlossen.

Die Kritik am Einsatz des Polygraphen als Lügendetektor, insbesondere in der Variante 'Vergleichsfragentest' wird auch von Praktikern geteilt. In einer 1997 vorgenommenen Umfrage unter Mitgliedern der Society for Psychophysiological Research stimmten nur 36% der Aussage zu, dass der Kontrollfragentest auf einem wissenschaftlich fundierten Prinzip beruhe.[6]

Der Einsatz von Lügendetektoren spielt mittlerweile auch eine große Rolle in den Medien. In deutschen „daily talkshows“ wie Britt werden diese Tests sehr häufig eingesetzt. Bedenklich erscheint vor allem, dass die Ergebnisse nicht hinterfragt, sondern als unumstößlich wahr dargestellt werden.


Mangelnde wissenschaftliche Grundlage

Ein erster wesentlicher Kritikpunkt bezieht sich auf die Theorie, die dem Einsatz der Technik zugrunde liegt, nämlich die Annahme, durch das technische Hilfsmittel eines Polygraphentests („Lügendetektors“) körperliche Reaktionen bei einer Befragung so festhalten und auswerten zu können, dass damit der Wahrheitsgehalt von Antworten „gemessen“ werden könne. Die gemessenenen Erregungsunterschiede sind jedoch grundsätzlich unspezifisch, d.h. es ist an der Erregungsveränderung selbst nicht abzulesen, ob sie durch Schuldbewusstsein, Stress beim Lügen oder etwa der Angst, fälschlich verdächtigt zu werden, ausgelöst wurde. 'Lügendetektoren' messen demnach keine Lügen, sondern lediglich Veränderungen der körperlichen Erregung, die auf Nervosität oder andere Emotionen zurückzuführen sind. Damit ist jemand, der auf eine Frage nicht gelassen reagiert, trotz wahrheitsgetreuer Antwort gefährdet, für einen Lügner gehalten zu werden. Emotionale Reaktionen eines unschuldig Verdächtigten auf eindringliche Beschuldigungen sind nicht überraschend, vor allem wenn der Befragte dem Opfer des Verbrechens nahe steht.

Ein zweiter Kritikpunkt bezieht sich auf die empirische Evidenz, mit der die Trefferquoten des Polygraphen belegt werden sollen. Diese Belege stammen entweder aus dem Labor oder aus dem Feld; bei beiden Datenquellen sind gravierende methodische Probleme vorhanden. In Laborstudien ist es nahezu unmöglich, den Stress nachzubilden, den eine Person empfindet, wenn sie in einem echten Ermittlungsverfahren befragt wird. Dies gilt insbesondere für die Erregung fälschlich Verdächtigter. Daher ist im Labor die Trennung von Lügnern und wahrheitsgemäss aussagenden Personen anhand der Erregung zwar häufig möglich, die Test-Situation ist aber nicht genügend wirklichkeitsnah. In Feldstudien wird als Kriterium für die tatsächliche Täterschaft (mit der das Polygraphen-Ergebnis in Beziehung gesetzt wird) das Geständnis des Verdächtigten verwendet. Dass ein Tatverdächtigter sich zu einem (möglicherweise sogar falschen) Geständnis entschließt, ist aber seinerseits nicht unabhängig von dem Polygraphen-Ergebnis. Damit ist das Geständnis kein geeignetes Vergleichs-Kriterium.

Verzerrung durch Vorurteile

Eine Eigenschaft der Lügendetektoren ist, dass sie keine exakten Zahlen oder dergleichen ausgeben. Die Ergebnisse hängen von der Interpretation durch den Untersucher ab, wobei dieselbe Aufzeichnung von verschiedenen Polygraphisten unterschiedlich ausgewertet werden kann. Damit sind Vorurteile nicht ausgeschlossen.

In der so genannten Friendly-Polygraph-Examiner-Hypothese wird eine Wechselwirkung zwischen Messergebnis und der Haltung des Untersuchers dergestalt angenommen, dass bei einem freundlich gesinnten Untersucher eher entlastende Ergebnisse erzielt würden, sei es, dass der Tatverdächtige weniger eine Entdeckung fürchtet und die messbaren Erregungsdifferenzen dadurch geringer würden oder dass der Untersucher die Ergebnisse eher als entlastend wertet.[7]

Befürworter von „Lügendetektoren“ weisen darauf hin, dass Ergebnisse eines EKG-Geräts prinzipiell von ähnlicher Natur sind wie jene eines Polygraphen (eine auf Papier aufgezeichnete Kurve), aber bei einem EKG spreche man von einer wissenschaftlich haltbaren Methode. Der Unterschied zwischen Polygraph und EKG ist aber, dass die Grundlagen der EKG-Resultate restlos klar sind (elektrische Spannung der verschiedenen Herzmuskeln); und dass der gleiche Schaden am Herz auch zu den gleichen Ergebnissen führt. Diese fehlende Reproduzierbarkeit führt zu einem Interpretationsspielraum, welcher Vorurteile begünstigt.

Manipulierbarkeit

Es ist möglich, messbare Reaktionen willentlich durch Methoden zu erzeugen, die der Untersucher nicht entdeckt. Damit kann das Ergebnis eines Tests in eine gewünschte Richtung gelenkt werden und eventuell eine andere Person mit einem Verbrechen belastet werden. Dies geschieht nicht durch Erregungs-Unterdrückung bei den kritischen Fragen, sondern durch Erregungs-Erhöhung bei den Kontrollfragen. Führende Polygraphisten behaupten, sie könnten jede Art solcher Manipulation entdecken, bleiben den Beweis aber schuldig. Fest steht, dass Angehörige militärischer Spezialeinheiten (im Rahmen ihrer RtI = Resistance-to-Interrogation-Ausbildungsphase) und Mitarbeiter von Geheimdiensten seit langem im Manipulieren von Lügendetektortests geschult werden.

Unter Anderen hat James Randi seine Herausforderung (er bietet eine Million Dollar für den Beweis übernatürlicher Kräfte) so ausgeweitet, dass der Beweis dieser Behauptung ebenfalls gewinnt. Kein Polygraphist nahm die Herausforderung an, jedoch zogen sie ihre Behauptung auch nicht zurück.

Bekannte Fälle

Es sind viele Fälle bekannt geworden, in denen durch das Vertrauen auf Lügendetektoren Schaden angerichtet wurde.

Aldrich Ames war ein Mitarbeiter der CIA, der geheime Informationen an die Sowjetunion verkaufte. Vor allem handelte es sich dabei um die Identitäten von Quellen im KGB und dem sowjetischen Militär, die die USA mit Informationen versorgten. Dies führte dazu, dass mindestens 100 Geheimoperationen aufflogen und mindestens 10 Informanten hingerichtet wurden. Ames bestand während seiner Spionagezeit zwei Lügendetektortests bei der CIA und wurde erst durch das eingeschaltete FBI aufgedeckt. Wie er später erzählte, hatte er vor den Tests seinen sowjetischen Kontakt gefragt, was er tun solle. Ihm wurde gesagt, er solle sich bei den Tests einfach entspannen, was er dann tat.

Melvin Foster wurde als Verdächtiger in einem Serienmordfall 1982 einem Polygraphentest unterzogen, den er nicht bestand. In Folge wurde er jahrelang weiter öffentlich verdächtigt, obwohl keine handfesten Beweise vorlagen. Erst 2001 wurde er endgültig von allen Verdächtigungen befreit, als DNS-Untersuchungen Gary Ridgway mit den Fällen in Verbindung brachten. Ridgway war anfangs einer der Hauptverdächtigten, wurde dann aber nicht weiter beachtet, da er zwei Lügendetektortests bestand. Ridgway konnte seine Mordserie fortsetzen und gestand schließlich vor Gericht 48 Morde.

Gehirnscans als Lügendetektor

Neue Methoden versuchen den Wahrheitsgehalt einer Aussage anhand von Gehirnscans festzustellen. Mittels fMRT-Aufnahmen, die aktive Hirnareale sichtbar machen, wollen Firmen wie z. B. Cephos Trefferquoten von 90% erreicht haben.[8] Die grundsätzliche Idee ist, dass Lügen ein komplexerer Vorgang ist, als die Wahrheit zu sagen; demzufolge sind dabei mehr bzw. andere Gehirnareale (Frontal- und Parietallappen) aktiv. Eine weitere Begründung lautet: die Lüge strengt das Gehirn mehr an als die Wahrheit und deshalb werden bestimmte Regionen stärker durchblutet.[9] Wenn der Proband sich allerdings schon vorher überlegt, was er sagen wird und sich fest genug „einredet“, es sei wahr, dann wird beim Test die vorbereitete Antwort aus dem Gedächtnis (Temporallappen bzw.Hippocampus) abgefragt und erscheint somit als wahr.

Siehe auch

Quellen

  1. Vgl. dazu Holm Putzke, Jörg Scheinfeld, Gisela Klein, Udo Undeutsch (2009). Polygraphische Untersuchungen im Strafprozess. Neues zur faktischen Validität und normativen Zulässigkeit des vom Beschuldigten eingeführten Sachverständigenbeweises. In: Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 121, S. 604-644
  2. Steller, M. (1997). Psychophysiologische Täterschaftsermittlung („Lügendetektion“, „Polygraphie“). In M. Steller & R. Volbert (Hrsg.). Psychologie im Strafverfahren (S. 89-104). Bern: Huber. S. 92
  3. Beschreibung des Testverfahrens nach: Holm Putzke, Jörg Scheinfeld, Gisela Klein, Udo Undeutsch (2009). Polygraphische Untersuchungen im Strafprozess. Neues zur faktischen Validität und normativen Zulässigkeit des vom Beschuldigten eingeführten Sachverständigenbeweises. In: Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 121, S. 604-644
  4. BGHSt 5, 332
  5. Der Bundesgerichtshof folgte in seiner Entscheidung den kritischen Gutachten. (Alle Gutachten und Urteil in: Praxis der Rechtspsychologie, 9 (Sonderheft Psychophysiologische Aussagenbeurteilung) 1999; Pressemitteilung Bundesgerichtshof Nr. 96 vom 17. Dezember 1998.
  6. Iacono, W.G., & Lykken, D.T. (1997). The validity of the lie detector: Two surveys of scientific opinion. Journal of Applied Psychology, 82, 426-433.
  7. Steller, M., & Dahle, K.-P. (1999) Wissenschaftliches Gutachten: Grundlagen, Methoden und Anwendungsprobleme psychophysiologischer Aussage- und Täterschaftsbeurteilung ("Polygraphie","Lügendetektion"). Praxis der Rechtspsychologie, 9 Sonderheft, (S.127-204) S.178-179
  8. Brain Scans May Be Used As Lie Detectors. AP/ABC News, 28. Januar 2006
  9. Rotes Gespinst in den Hirnwindungen - Eine kalifornische Firma hat einen Lügenscanner entwickelt. Berliner Zeitung vom 13./14. Oktober 2007

Literatur

  • Holm Putzke, Jörg Scheinfeld, Gisela Klein, Udo Undeutsch: Polygraphische Untersuchungen im Strafprozess. Neues zur faktischen Validität und normativen Zulässigkeit des vom Beschuldigten eingeführten Sachverständigenbeweises. In: Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft (ZStW) 121 (2009), S. 607–644
  • Sektion Rechtspsychologie im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen: Praxis der Rechtspsychologie, 9. Jahrgang, Sonderheft BGH-Gutachten Psychophysiologische Aussagebeurteilung (1999). ISSN 0939-9062

Weblinks


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