Amygdalin

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Amygdalin (- β-D-gentiobiosid-α-((6-O-β-D-Glucopyranosyl-β-D-glucopyranosyl)oxy) phenylacetonitril, syn Mandelonitril, Laetrile (Lätril), fälschlich auch Vitamin B17) von griechisch amygdalis, (Mandelkern) bezeichnet ein cyanogenes pflanzliches Glykosid das in Gegenwart von Wasser Blausäure (HCN) abspaltet. In Reinform handelt es sich um eine farblose, kristalline Substanz. Amygdalin kommt in bitteren Aprikosenkernen, Apfelkernen, Bittermandeln, und in Samen von anderen Steinfrüchten vor. Vor der Vermarktung wird häufig eine Entbitterung durchgeführt um Konsumenten (insbesondere Kinder) vor der Blausäure zu schützen.

Bewerbung als alternatives Krebsmittel

Aprikosenkerne

Amygdalin wird manchmal in der Alternativmedizin als mögliches Allheilmittel gegen Krebs eingesetzt und entsprechende Produkte werden mit unhaltbaren Heilversprechen beworben und kommerziell vermarktet obwohl es keinerlei Zulassung für Amygalin als Arzneimittel gibt. Preise betragen bis 25 Euro / Kg. Es unterliegt stattdessen als ein Lebensmittel dem Lebensmittel- und Futtergesetzbuch das eine gesundheitsbezogene Werbung für Lebensmittel verbietet. Pharmakologen halten das Pseudovitamin B17 für ein "unseriöses Wundermittel". Amygdalin wird in Deutschland als ein bedenklicher Arzneistoff angesehen. Herstellung, Einfuhr und Handel sind nicht erlaubt. Die Abgabe von Amygdalin für den Gebrauch beim Menschen durch Apotheker ist strafbar im Sinne des §5 Arzneimittelgesetz und kann auch ohne konkreten Schadensfall strafrechtlich verfolgt werden.

Wirkmechanismus

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Amygdalin wird durch das Enzym Glucuronidase in Benzaldehyd, Cyanid (Blausäure) und Glucose (Traubenzucker) aufgespalten. Es gibt Hinweise darauf, dass die β-Glucuronidase im menschlichen Körper in Tumorzellen in sehr geringen Mengen vorkommt, jedoch kommt dieses Enzym genauso in gesunden Körperzellen vor und wird auch von Bakterien im Darm gebildet. Das auf diese Weise freigesetzte Cyanid (Blausäure) ist sehr toxisch, da es die Zellatmung unterdrückt. Es kommt zum Ersticken auf Zellebene bei vollem Bewusstsein. Die Entgiftung des Cyanids findet normalerweise durch das Enzym Rhodanase (engl. Rhodanese) statt, bei der das Cyanid in das unschädlichere Thiocyanat umgewandelt wird. Rhodanase befindet sich gleichermaßen in gesunden Zellen des Körpers, aber auch in Tumorzellen.[1]. Da Amygdalin wegen hoher Glukuronidasekonzentrationen im Darm nur in kleinen Mengen eingenommen werden darf (Gefahr einer akuten Vergiftung) ist eine eventuelle orale Zufuhr problematisch da nie erforderliche ausreichend hohe Konzentrationen in Blut und Gewebe erreicht werden können. Daher wurde es in der Vergangenheit vielfach im Rahmen klinischer Erprobung injiziert. Sämtliche klinischen Studien zur Anwendung von Amygdalin haben sich als wirkungslos bei Krebs gezeigt. [2] [3].

Es besteht die Gefahr der tödlichen Vergiftung durch Blausäure. Mehrere Kleinkinder verstarben oder erlitten lebensgefährdende Vergiftung nach Einnahme von B17-Tabletten denn die Eltern glaubten an eine Ungefährlichkeit der angeblichen Vitamintabletten. Tödliche Vergiftungsfälle durch Aprikosenkerne sind in der toxikologischen Literatur gut belegt.[4] [5]. In Regionen, wo Aprikosenkernzubereitungen regulär gegessen werden, wird durch die Zubereitungstechnik der Amygdalingehalt gesenkt. Werden diese Zubereitungstechniken nicht genau eingehalten, kann es zu tödlichen Vergiftungsfällen kommen.

Die niedrigste tödliche Dosis einer Erwachsenen Person mit 60 kg liegt bei 0,57 mg/kg Körpergewicht, das sind etwa 40 Aprikosenkerne.[6]. Betrachtet man den Blausäuregehalt vor dem Hintergrund des niedrigsten Wertes der Metabolisierungsrate (Entgiftungsrate) für Blausäure von 0,1 mg/kg/h, resultieren daraus folgende Zahlen: Ein Erwachsener kann damit pro Stunde 6,0 mg Blausäure durch Metabolisierung entgiften, was einer Verzehrrate von rund 7 Kernen pro Stunde entspricht.[7]

Vorkommen in Lebensmitteln

Amygdalin, Prunasin und andere cyanogene (blausäureabspaltende) Glykoside (Linamarin, Lotaustralin (Lein, Hülsenfrüchtler, Maniok u.a.), Dhurrin (Hirse), Taxiphyllin (Bambussprossen), Sambunigrin (Holunder) und über 70 weitere) kommen in einigen unverarbeiteten Lebensmitteln in relevanten Mengen (> 0,02% gebundene Blausäure [8]) vor. Durch traditionelle Verarbeitungsweisen wird der Blausäuregehalt aber auf ungefährliche Konzentrationen reduziert.

Die höchsten Blausäuregehalte weisen die Steinfrüchte einiger Rosengewächse auf, v.a. Bittermandeln und Aprikosenkerne. So enthalten Aprikosenkerne bis zu 8% Amygdalin [9], entsprechend etwa 0,4% gebundene Blausäure, Bittermandeln bis zu 5% (0,3% Blausäure)[10].

Von Anhängern des Pseudovitamins B17 werden oft auch andere Lebensmittel genannt, die aber entweder nur unwesentliche Mengen an cyanogenen Glykosiden enthalten (Brombeeren, Erdbeeren, Gartenbohnen, Erbsen) oder bei denen durch traditionelle Zubereitungsweisen die Blausäure weitestgehend entfernt wird (Maniok/Tapioka, Yams, Limabohne).

Die tödliche Dosis beim Menschen liegt bei etwa 0,7 mg/kg Körpergewicht oder einer Bittermandel pro kg Körpergewicht. Als unbedenklich dagegen gelten 5 µg/kg Körpergewicht, wie sie durch gewöhnliche Lebensmittel niemals überschritten werden, zumal die mit etwas höherem Gehalt an gebundener Blausäure (Hülsenfrüchte) auch bei uns nicht roh verzehrt werden.

Wichtige cyanogene Nahrungspflanzen, nach [11]
Cyanogenes Glykosid Gehalt (mg HCN/kg Nahrungsmittel) Nahrungsmittel
Amygdalin 2,5 - 5 Bittermandel-, Pfirsich- und Aprikosenkerne
Amygdalin <1 Pflaumen-, Birnen- und Apfelkerne
Prunasin 1,0 - 1,5 Kirschlorbeer
Linamarin 0,3 - 2,5 Maniok-knollen
Linamarin bis 8 Bambussprossen (unreif)
Linamarin bis 3 Lima-bohnen
Linamarin bis 0,5 Leinsamen
Dhurrin 0,3 - 2,5 Sorghum-Hirse
Sambunigrin 1 Holunder, Apfelkerne

Opfer des Amygdalin-Business

Das fünfjährige Kind Chad Green aus den USA erkrankte an einer akuten Form der Leukämie (ALL). Green sprach zunächst gut auf eine Chemotherapie an. Seine Eltern wandten jedoch stattdessen Laetril an statt der empfohlenen Therapie und flohen mit ihm in eine mexikanische Alternativklinik in Tijuana, wo ihn ein Dr Contreras behandelte. Er starb dort an einer Vergiftung (offenbar Zyanidvergiftung) [12][13].

Joseph Hofbauer war ein neun Jahre altes Kind aus New York, das ein Hodgkin Lymphon bekam. Seine Eltern lehnten eine herkömmliche Therapie ab und entschieden sich ebenfalls für Laetril. Das zuständige Gericht lehnte es ab den Eltern das Sorgerecht zu entziehen. Das Kind starb zwei Jahre später.

Die ALL als auch das Hodgkinlymphom gelten als Krebserkrankungen, die gut therapierbar sind. Auch der Filmschauspieler Steve McQueen überlebte eine Therapie mit Laetril nicht, die ihm ein William D. Kelley im Rahmen einer Kelley-Gonzales Behandlung empfahl.

Quellennachweis

  1. 'Unproven Methods of Cancer Management. Laetrile. In: 1991, CA Cancer J. Clin. Bd. 41, S. 187-192. PMID 1902140 PDF
  2. Moertel, C.G., et al. (1982): A clinical trial of amygdalin (Laetrile) in the treatment of human cancer. In: N. Engl. J. Med. Bd. 306, S. 201-206. PMID 7033783
  3. Milazzo, S. et al. (Jun 2007): Laetrile for cancer: a systematic review of the clinical evidence. In: Supportive Care in Cancer. Bd. 15, S. 583-595.
  4. Herbert, V. (1979): Laetrile: the cult of cyanide. Promoting poison for profit. In: Am. J. Clin. Nutr. Bd. 32, S. 1121-58. PMID 219680 PDF
  5. Braico KT, Humbert JR, Terplan KL, Lehotay JM. Laetrile intoxication. Report of a fatal case. N Engl J Med 1979; 300: 238-240
  6. Lindner, E. (1990). Toxikologie der Nahrungsmittel
  7. Kaschuba WA, Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit
  8. http://www.uni-jena.de/img/unijena_/faculties/bio_pharm/ieu/ls_lmc/10.0_Obst_Gemuese_1.Teil.doc
  9. http://www.giftpflanzen.com/prunoidae.html
  10. http://www.giftpflanzen.com/prunus_dulcis.html
  11. H. Marquardt und S.G. Schäfer, Lehrbuch der Toxikologie, Mannheim 1994, BI Wissenschaftsverlag
  12. Brant J, Graceffa J: Rutherford, Priviteria, and Chad Green: Laetrile's setbacks in the courts. Am J Law Med. 1980 Summer;6(2):151-71
  13. Irving J. Lerner: Laetrile: A Lesson in Cancer Quackery. CA Cancer J Clin 1981; 31:91-95. doi: 10.3322

Weblinks