Familienaufstellung nach Hellinger
Die Familienaufstellung nach Hellinger ist eine umstrittene Form der Systemaufstellung innerhalb der Systemischen Beratung und geht auf den Theologen Bert Hellinger zurück.
Der im Jahre 1928 geborene, II. Weltkrieg-Teilnehmer Bert Hellinger, trat nach dem Studium der Philosophie, Theologie und Pädagogik als Bruder Suitbert den Mariannhiller Missionaren, einem missionierenden Orden in Südafrika, bei. Er verließ den Orden im Jahre 1971 und heiratete.
Eigenen Angaben zufolge (siehe 'Kurzbiographie Bert Hellinger' auf www.hellinger.com) soll er sich dann der Psychotherapie zugewandt und eine von der Münchner Arbeitsgemeinschaft für Psychoanalyse (MAP= anerkannte psychoanalytische Ausbildung absolviert haben. 1982 hätte die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) seine Tätigkeit als nichtärztlicher Psychotherapeut auf dem Gebiet der sog. großen Psychotherapie im Wege der Delegation als anerkannt erachtet. Unter dieser Delegation ist zu verstehen, dass ein Patient legal durch einen Arzt nach Überweisung an Hellinger durch diesen psychoanalytisch behandelt werden durfte. Die Zulassung für den GKV-Bereich gab Hellinger angeblich später zurück, da er keine Einzeltherapien anbot. Als das neue Psychotherapeutengesetz in Kraft trat, strebte er keine Zulassung als Psychotherapeut mehr an.
Da Hellinger aber weiterhin auf Veranstaltungen tätig ist und ein Konzept mit therapeutischem Anspruch verficht, greift im Bereich der Bundesrepublik Deutschland das Heilpraktikergesetz. Hellinger, der bisher offenbar keine Zulassung als Heilpraktiker nachweisen kann, ist demzufolge illegal tätig. Ein entsprechender Strafantrag gegen ihn bei der Staatsanwaltschaft München I wurde im Februar 2002 durch Ingo Heinemann (Aktion für Geistige und Psychische Freiheit/AGPF) gestellt.
Was ist die Kernaussage der Familienaufstellung?
Das Familienstellen nach Hellinger, im englischen Sprachraum auch als Clanning (Bezugnahme auf den Familien-Clan) bezeichnet, wird auf der Homepage des Virtuellen Bert Hellinger Instituts (http://www.hellinger.com/deutsch/virtuelles_institut/familien-stellen/einfuehrung.shtml) dargestellt. Es ergibt sich jedoch wenig Sinn aus diesem pseudo-psychoanalytischen Kauderwelsch.
Kernpunkt ist die Behauptung einer Art Familienseele, die nicht dulden würde, dass ein Mitglied ausgeschlossen sei. In der esoteriklastigen Talk-Show von Jürgen Fliege am 13.02.2002 äußerte sich Hellinger in Form eines Beispiels: Würde in einer Familie über einen Großvater deshalb nicht geredet, weil dieser ein Nazi-Täter gewesen sei, müsste später ein anderer diesen Menschen vertreten und zwar beispielsweise dadurch, dass er rechtsradikal würde.
Das Familien-Stellen geschieht anfänglich nach folgender Regel. Der Klient wählt aus einer Gruppe die Stellvertreter für Mitglieder seiner Familie (Vater, Mutter, Geschwister, für sich selbst). Dabei spielt es keine Rolle, wen er für die verschiedenen Mitglieder auswählt. Der 'Therapeut' kann ebenfalls Stellvertreter wählen und den Klienten selbst mit diesen Stellvertretern seine Familie aufstellen lassen. Es muss jedoch geschlechtsidentisch gewählt werden (für Männer werden Männer und für Frauen werden Frauen gewählt).
Sind die Stellvertreter ausgewählt, stellt der Klient sie räumlich in Beziehung zueinander. Dabei ist es hilfreich, wenn er sie mit beiden Händen bei den Schultern nimmt und sie so in Verbindung mit ihnen an ihren Platz stellt. Er ist während des Aufstellens nicht nur mit dem Stellvertreter und mit sich, sondern auch mit einem Umfeld im Kontakt und empfängt auch von daher Signale, die ihn den richtigen Platz für diese Person finden lassen. Nach Abschluss der Aufstellungsphase erfolgt noch eine Nachkorrektur, sofern der Klient dies für notwendig hält (z.B. Vorgabe einer bestimmten Körperhaltung des Stellvertreters).
Nach Hellinger gehören notwendige Fragen zu seiner Aufstellungsideologie. Sie lauten:
- Wer gehört zur Familie?
- Sind Familienmitglieder tot geboren oder früh verstorben, und gab es in der Familie besondere Schicksale (zum Beispiel eine Behinderung)?
- War jemand von den Eltern oder Großeltern vorher in einer festen Bindung, also verlobt, verheiratet oder sonstwie in einer längeren bedeutsamen Beziehung?
Eine darüber hinausgehende, tiefere Anamnese (z.B. mit Fragebögen, Vorgesprächen) lehnt Hellinger ab, weil dies angeblich die 'phänomenologische Wahrnehmung' sowohl beim Therapeuten als auch bei den Stellvertretern stören würde. Dem Klient wird während der Aufstellung untersagt, Fragen zu stellen oder etwas zu sagen, was über die obigen Fragen hinausgeht.
Danach schließt sich eine Phase der Selbstwahrnehmung an, die Hellinger unterteilt in 'Zeichen', 'Sammlung' und 'Offenheit'. Letztendlich ist es nichts anderes als ein simples Ablenkungsmanöver für die Klienten, deren psychologischer Selbstschutz während dieser Konzentrationsphase abgebaut werden soll. Dies macht die Betroffenen, die während dieser Phase Erinnerungen an ihre Familie oder eigene Vorgeschichte stärker ausgesetzt sind, leichter manipulierbar, aber vor allem auch leichter emotional verletzlich.
Der nächste Schritt, von Hellinger als 'Vorgehensweise' bezeichnet, ist durch das Befragen der gewählten Stellvertreter durch den Therapeuten gekennzeichnet. Der Klient erlebt dies in emotional gespannter Atmosphäre mit erniedrigter Abwehrschwelle. Körperliche Reaktionen wie Weinen, Kopfschütteln bis hin zu Zusammenbrüchen des Klienten liegen bei derartiger Brutal-Psychotherapie auf der Hand. Sie kommen auch immer wieder vor, werden aber von Hellinger als Zeichen der Richtigkeit seiner verletzenden Primitivpsychotherapie gesehen. Erschwerend kommmt hinzu, dass sich für das Familien-Stellen gehäuft Personen mit bewussten oder unbewussten psychischen Problemen unterschiedlicher Stärke melden, die sich von dieser Pseudotherapie eine Hilfe versprechen.
Besonders gefährdet sind psychisch labile Personen, wenn Hellinger eine Situation der 'psychischen Verdichtung' anstrebt. So berichtet der Spiegel (Nr.7, 09.02.2002) über eine Veranstaltung Hellingers in einem Tagungshotel im spanischen Toledo:
Die Klientin hat einen geschiedenen Mann, zwei Kinder und leidet an Krebs. Hellinger holt einen großen Holländer auf die Bühne. Der dünne, grauhaarige Mann spielt schon zum dritten Mal den Tod. Er trägt einen schwarzen Anzug. 'Die Kinder sind bei deinem Mann richtig', sagt Hellinger zu der Kranken. Sie selbst stellt er neben den Tod: 'Dein Platz ist hier.' Sie starrt den Holländer an. Sie hat Angst. Sie weint laut, sie kann nicht mehr aufhören. 'Sag: Mein Platz ist hier.' Die Frau wimmert. Sie schüttelt den Kopf. 'Das ist die Wahrheit. Sag es ganz klar.' - 'Mein Platz ist hier', flüstert sie mit niedergeschlagenen Augen. Hellinger: 'Lauter! Schau ihn an!'. Dann baut er die Stellvertreter für Sohn und Tochter auf. Hellinger verkündet, was sich ihm zeigt: 'Die Tochter wird dir nachfolgen in den Tod. Sie ist nicht zu retten.' Die Krebskranke weint noch lauter. 'Aber es gibt eine Lösung', wendet sich Hellinger ans Publikum: 'Wenn kein Geheimnis daraus gemacht wird, dass die Mutter sterben will, kann die Tochter leben'. Dann lächelt er seine Klientin an: 'Der Tod ist wunderschön. Weißt du das? Die Engel stehen ums Grab.' Die Frau wimmert noch. Sie zittert. Sie schluckt. Dann nickt sie und versucht ein Lächeln. Hellinger schaut ihr lange mit einem hypnotisierenden Blick in die Augen, der entfernt an den eines schläfrigen Katers erinnert. 'Sieht sie nicht glücklich aus?', fragt Hellinger dann ins Publikum. 'Danke, das war's dann.'
Collin Goldener beschreibt in seinem Buch 'Die Psychoszene' die Therapie Hellingers. Dieser verändere die Position der einzelnen 'Familienmitglieder' beliebig zu einer von ihm so bestimmten 'Lösungskonstellation' und konfrontiert den Klienten mit apodiktisch vorgetragenen Interpretationen und Anweisungen. Dem Klienten bleibt lediglich die Wahl, Hellingers Anweisungen anzunehmen oder abzulehnen. Eine weitere Erörterung oder therapeutische Bearbeitung findet nicht statt. Im Gegenteil: Etwaiges Nach- oder Hinterfragen wird von Hellinger kategorisch unterdrückt. So wurde ein Inzest-Opfer angewiesen, sich als 'kleines Mädchen' vor die Stellvertreterin ihrer 'Mutter' zu knien und zu sagen: 'Mama, für Dich tue ich es gern!'
Diese Art des Umgangs mit sensiblen Patienten wird in Fachkreisen gerade bei Personen, die unter emotionalem Druck Probleme mit ihren Selbstkontroll- und Abwehrmechanismen aufweisen, als inakzeptabler, emotionaler Angriff gewertet. Hellingers 'Therapie' ist eine direkte Form psychischer Gewalt mit menschenverachtender Tönung. Typisch ist in seiner Lehre ein frauenfeindlicher Aspekt, denn einer der Kernpunkt seiner Irrlehre ist es, dass Frauen dem Manne untertan zu sein haben.
Selbsttötung nach Hellinger'schem Psychoterror
Es wurde ein Fall eines Suizids einer Frau dokumentiert, die eine Show von Hellinger besucht hatte. Im Rahmen eines Großseminars in Leipzig holte er eine jungen Ärztin und vierfache Mutter auf die Bühne. Er wusste (außer von einer schlecht vertragenen Trennung von ihrem Mann) nichts von ihrer Familiengeschichte. Hellinger attackierte die Frau auf massivste Weise. Auf den Stellvertreter ihres Mannes zeigend verkündete er: 'Dort sitzt die Liebe' und auf sie zeigend: 'Und hier sitzt das kalte Herz'; danach ins Publikum gewandt: 'Die Kinder sind bei der Frau nicht sicher, die gehören zum Mann.' (Fiocke 1998). Obwohl Hellingers Unterstellungen völlig aus der Luft gegriffen waren, trafen sie die Betroffene emotional sehr stark. Sie verließ wortlos die Veranstaltung, schrieb ein paar Abschiedsworte auf einen Notizblock und nahm sich das Leben. Selbst wenn die Frau bereits vorher suizidal gefährdet gewesen sein sollte, wie Hellinger behauptet, entlastet ihn dies nicht. Im Gegenteil: Es zeigt, wie unverantwortbar es ist, in einer 10-minütigen Therapie-Show alle Ich-Grenzen des Rat- und Hilfesuchenden mit brutaler emotionaler Gewalt niederzureißen und ihn von oben herab mit selbstgestrickten höheren Wahrheiten zu konfrontieren.
Abschließende Bewertung
Hellinger ist ein typischer Vertreter seiner geistigen Szene. Selbst Täter und Opfer im II. Weltkrieg und als Kind zu einer Zeit groß geworden und geprägt, in der die Gleichberechtigung der Geschlechter kein Thema war, fügte er sich später als Ordensbruder selbst eine Kauterisierung des eigenen Willens zu, denn der Marianhiller-Orden gehört zu den aggressiveren katholischen Missionsorden. Sein Ausstieg aus der sexuellen Deprivation des Ordens und seine spätere Heirat zeigt jedoch, dass er durchaus bereit ist, nur bis zu einer gewissen Grenze die emotionale Beherrschung durch Dritte zuzulassen. Diese Haltung überträgt er offenbar auf Dritte, in dem er selbst zu Beherrscher wird und in der Rolle des unkritisierbaren Gurus (Halbgottes?) eingebildete Empfehlungen bei psychisch Labilen auszusprechen. Mit seiner persönlichen Vorgeschichte (Ordensbruder, Psychoanalytiker) ist er sowohl fähig als auch willens, emotionale Schwächen seiner Klienten zu erkennen und gnadenlos auszunutzen.
Hellinger verdient eine Menge Geld mit seiner Methode. Er ist nicht nur Bestsellerautor, er soll nach Angaben des Spiegel pro Veranstaltung über 100.000 Euro umsetzen. In Deutschland agieren derzeit etwa 2.000 Personen und in der Schweiz weitere 300 Personen als 'Familien-Aufsteller'. Sogar in einigen Volkshochschulen werden Vorträge bzw. Kurse in "Familienaufstellung" angeboten, z.B. an der Volkshochschule Chemnitz.[1]
Nach dem langsamen Abflauen des Esoterik-Booms scheint sich hier ein neues Betätigungsfeld für Quacksalber aufzutun. Vor dieser Irrlehre ist aber auf Grund ihrer Gefährlichkeit bei psychisch labilen Personen explizit zu warnen.
Quellennachweise
- Fiocke A: Wie gefährlich ist Bert Hellingers Therapie? Psychologie Heute, Nr. 4, 16, 1998
- Heinemann I: Hellinger und seine 'Familienaufstellung', auch 'Clanning' genannt. http://www.agpf.de/Hellinger.htm, 2002
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