Zungendiagnostik

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Die chinesische Zungendiagnostik gehört zur Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) und muss in deren historisch-diagnostischem Kontext verstanden werden. Aus westlicher Sicht hat die Zungendiagnostik nur wenig Nutzen, obgleich unstrittig ist, dass man die Zunge in gewisser Weise auch als Diagnostikum verwenden kann. In der wissenschaftsbasierten Medizin wird aber aus der reinen Betrachtung der Zunge - und sei diese auch noch so genau - deshalb im Idealfall nur eine grobe, orientierende Diagnostik erstellt, weil die Veränderungen der Zunge meist unspezifisch sind und keiner speziellen Erkrankung zugeschrieben werden können.

Während die moderne westliche Medizin sich vorwiegend auf objektivierbare Befunde stützt, basiert das Krankheitsverständnis der TCM vor allem auf Beobachtungen. Man schreibt dort daher der äußeren Erscheinung der Zunge eine erheblich größere Bedeutung zu und stützt Diagnosen zuweilen ganz wesentlich auf Zungenbefunde. Dies ist naturwissenschaftlich gesehen unzulässig.

Aspekte der Zungendiagnostik

Wichtige Aspekte bei der Betrachtung des Zungenkörpers in der TCM sind dessen Vitalität, Form, Farbe und Beweglichkeit. Eine gesunde Zunge hat eine angepasste Form, ist hellrot (blassrot), beweglich und hat einen dünnen, weißlichen und feuchten Belag. Sie ist feucht und glänzend. Eine solche Zunge deutet auf eine gesunde Fülle von Qi, Blut und Säften hin. Eine junge Zunge hat noch viel Qi, Vitalität, Kraft. Sie ist lebhaft und fein strukturiert. Im Krankheitsfalle weist sie auf ein Leere- oder Kälte-Syndrom hin. Eine alte Zunge ist hart und matt, das Zungengewebe ist rau. Sie zeigt einen chronischen Zustand an. Die Reserven sind schon in Anspruch genommen.

Methodik

Allgemein

Damit farbliche Veränderungen der Zunge gut festgestellt werden können, ist Tageslicht am besten. Ist es notwendig, die Untersuchung am Abend durchzuführen, sollte am besten Neonlicht verwendet werden. Die Zunge soll locker herausgestreckt werden, denn ein zu kräftiges Herausstrecken der Zunge kann die Zungenfarbe verändern. Die Beobachtungszeit soll deshalb auch kurz sein. Wenn notwendig, soll man die Zunge mehrmals mit kurzen Pausen dazwischen beobachten. Außerdem ist es notwendig, sich zu vergewissern, ob die Farbe des Belags nicht durch die Einwirkung von Speisen, Getränken oder Arzneien verändert ist (z.B. durch Erdbeeren, Oliven, Tee oder Tabak dunkelbraun bis schwarz, durch Mandarinen und Eigelb gelb). Häufig wird auch die Oberfläche des Belags durch die Einwirkung von Speisen und Getränken abgeschabt bzw. weggespült. Man prüft folgende Bereiche:

  • Ist Belag vorhanden?
  • Ist der Belag, falls vorhanden, dick oder dünn?
  • Ist der Belag, falls vorhanden, fett?
  • Welche Farbe hat der Belag?
  • Hat der Belag Flecken oder Punkte?
  • Ist der Zungenkörper normal, dick (geschwollen) oder dünn (schmal)?
  • Gibt es Risse?
  • Welche Farbe hat der Zungenkörper?

Größe

Die Größe der Zunge in Relation zur Mundhöle soll Auskunft über den Gesamtzustand des Körpers liefern.

So deutet eine geschwollene Zunge immer auf eine Feuchtigkeitsproblematik hin: Der Mittlere Erwärmer (Magen, Gallenblase, Milz) kann die Säfteproduktion nicht ausreichend kontrollieren, so dass Feuchtigkeit als Abfallprodukt entsteht. Ist die Zunge rötlich und geschwollen, ist dies ein Hinweis auf Feuchtigkeit und Hitze. Eine blasse und geschwollene Zunge zeigt hingegen Feuchtigkeit und Kälte.

Eine dünne (schmale) und kleine Zunge ist Folge von Trockenheit im Körper, d.h. einer Schwäche des Blutes, der Säfte und des Yin. Eine blasse (blass-rote) und dünne (schmale) Zunge ist Hinweis auf eine Qi- und Blutschwäche, eine schmale (dünne) und dunkelrote (scharlachrote) Zunge hingegen zeigt eine Yin-Schwäche mit sekundärer Hitze an.

Zahnabdrücke sind Folge einer schon chronischen Fehlfunktion (Qi-Schwäche) des Verdauungsapparates, die oft konstitutionell (mit-)bedingt ist und sich durch schlechte Ernährung noch weiter verschlechtert.

Farbe

Die Zungenfarbe zeigt an, ob Hitze oder Kälte vorliegt und, je nach Farbveränderung, wie tief die Krankheit eingedrungen ist. Die Farben des Zungenkörpers reichen von hellrot über dunkelrot, bordeaux, purpurn bis schwarz bzw. von hellrot über blass, bläulich und lila bis hin zu blau und schließlich schwarz. Die Helligkeit oder Dunkelheit der Farbe deutet darauf hin, ob die Krankheit oberflächlich ist oder in der Tiefe eingedrungen. Allgemein gilt, dass je blasser (heller) der Zungenkörper ist, desto deutlicher ist der Hinweis auf eine Schwäche von Qi und Blut, aber auch auf eine Verlangsamung der dynamischen Prozesse, d.h. auf Kälte. Nimmt hingegen die Rötung zu, ist dies ein Hinweis auf eine gesteigerte Dynamik der energetischen Prozesse, d.h. auf Hitze. Je dunkler die Farbe, desto tiefer ist die Hitze eingedrungen. Die Abstufung der Farben im 'blassen Bereich' reicht - gereiht nach der Schwere der Erkrankung - von blass über bläulich und lila bis hin zu blau und schließlich schwarz.

Die Farben sind zudem dem Yin/Yang-Prinzip zugeordnet: Die Yin-Farben entfalten sich von blass über weiß, lila, bläulich und violett bis hin zu schwarz, während die Yang-Farben sich von hellgelb über braun und dunkelbraun bis hin zu schwarz (trocken) entfalten.

  • Gelber oder gelblicher Zungenbelag deutet auf innere Erkrankungen und Hitze hin. Seine Nuancen gehen von Hellgelb über Dunkelgelb und Braun bis hin zu Verbrannt-Gelb. Ein blass-gelber Belag weist auf die Präsenz von relativ harmloser Hitze hin, ein dunkelgelber Belag auf eine gefährliche Hitze und ein verbrannt-gelber Belag (gelb-schwärzlich) auf eine Hitze-Ansammlung im Inneren.
  • Der braune oder bräunliche Zungenbelag deutet auf eine Schleim-Problematik hin.
  • Der graue Zungenbelag (er zeigt eine bis ins Schwarz gehende Farbe) weist auf eine Erkrankung im Inneren, verbunden mit Kälte oder Hitze, hin.

Beläge

Der Zungenbelag soll Prozesse an der Körperoberfläche, aber auch im Verdauungstrakt anzeigen. Betrachtet werden beim Zungenbelag seine Dicke, Beschaffenheit und Farbe. Beim gesunden Menschen ist der Zungenbelag weißlich und dünn, weder zu trocken noch zu feucht, weder zu glatt noch zu rau.

  • Ein dünner Belag soll anzeigen, dass eine Krankheit (noch) leicht ist
  • Ein dicker Zungenbelag soll zeigen, dass die krank machende Energie tiefere Schichten des Organismus erreicht hat und die Erkrankung schwerwiegender ist. Eine Fehlfunktion des Verdauungsapparates führt ebenfalls zu dicken Belägen.
  • Generell zeigt ein feuchter, glatter Zungenbelag, dass die Körperflüssigkeiten nicht verletzt sind. Ist der Belag jedoch sehr flüssig (glitschig) und durchsichtig oder halbdurchsichtig, und die Zunge glänzt, so deutet dies auf eine Feuchtigkeitsproblematik hin.
  • Ein trockener Belag (eine trocken erscheinende, matte Zunge mit wenig Speichel) deutet auf Hitze und eine Erschöpfung der Säfte hin.
  • Der fette Belag besteht aus sehr feinen, dichten Körnern, die sich nur schwer entfernen lassen. Ein fetter und klebriger Belag deutet auf eine Schleim-Problematik hin.

Beweglichkeit

Die Beweglichkeit der Zunge zeigt schwerwiegende "Blockaden der Meridiane und Wind-Symptome" an.

  • Eine asymmetrische Zunge oder eine beim Herausstecken zur Seite hängende Zunge soll ein Hinweis auf einen (vorausgegangenen oder bevorstehenden) Hirnschlag sein.
  • Eine rote und unkontrollierbar zitternde Zunge soll auf „Inneren Wind“ hinweisen.
  • Eine blasse und zitternde Zunge weist angeblich auf „Inneren Wind“ infolge einer unzureichenden Ernährung der Muskeln mit Qi und Blut hin.
  • Die sich von selbst unaufhörlich bewegende Zunge ist Folge von Innerem Wind.

topologische Besonderheiten

In Anlehnung an eine Repräsentation von Körperregionen auf der Zunge sollen Veränderungen auf bestimmten Zugenteilen den Zustand entsprechend zugeordneter Organe/Organsysteme anzeigen.

  • Eine rissige Zunge zeigt ein fortgeschrittenes Stadium einer Schwäche im Yin-Bereich an. Eine Ausnahme bilden angeborene Risse, die nicht als pathologisch angesehen werden. Ist die Zunge blass, ist die Problematik mehr im Bereich des Blutes, ist sie rot, hingegen mehr im Bereich des Yin.
  • Die Landkarten-Zunge (die Zunge ist nicht gleichmäßig belegt) weist auf eine Fehlfunktion des Verdauungstraktes, auf eine Schwäche seiner Extraktionsfähigkeit hin.
  • Ein Teilbelag im Bereich der Zungenspitze kann beispielsweise auf eingedrungene pathogene Einflüsse hinweisen, ein Teilbelag im der Zungenmitte auf eine Fehlfunktion des Mittleren Erwärmers (Magen, Milz, Gallenblase) und ein Teilbelag im Bereich des Zungengrundes auf Fehlfunktion des Unteren Erwärmers (Niere, Blase, Leber, Dünn- und Dickdarm).
  • Der verwurzelte Belag (er lässt sich schwer abkratzen, ist fest mit dem Zungenkörper verbunden) deutet insbesondere auf Hitze oder einen tief eingedrungenen pathogenen Einfluss hin. Lässt sich der Belag hingegen leicht ablösen, ist die Krankheit nicht tief eingedrungen.

Bewertung

Die Besonderheiten der Zunge, die für die chinesische Zungendiagnostik verwendet werden, stehen in keinem Zusammenhang mit tatsächlich im Körper ablaufenden pathologischen Vorgängen. Das Verfahren der Zungendiagnostik stimmt damit nicht mit dem allgemeinen anerkannten Wissensstand der Medizin und Pathophysiologie überein. Die Methode ist wissenschaftlich nicht valide und kann demnach nicht als diagnostisches Verfahren verwendet werden.

Siehe auch