Zum Absturz eines Germanwings Airbus am 24. März 2015 mit der Flugnummer 4U 9525 entstanden bereits nach wenigen Stunden verschiedene miteinander konkurrierende und sich gegenseitig ausschließende Verschwörungstheorien zum Absturz. Sämtliche bislang verbreiteten Verschwörungstheorien zeichnen sich durch fehlende Belege aus und bleiben somit reine Spekulation auf Kosten der Hinterbliebenen der Opfer. Eine kritische Auseinandersetzung mit den jeweils genannten dubiosen Quellen fehlt. Gemeinsam ist den Theorien der Versuch, geheimnisvolle mächtige Kreise, Regierungen oder militärische Institutionen als Drahtzieher des Absturzes hinzustellen. Auffällig und verwunderlich ist, dass andererseits bestimmten Quellen wie dem privaten Internetdienst "Flightradar24" der schwedischen Firma Svenska Resenätverket AB vorbehaltlos vertraut wird. Die Einteilung in vertrauenswürdige und nicht vertrauenswürdige Quellen erscheint willkürlich.

Vermutet werden kann, dass die verschiedenen Theorien im Sinne der seinerzeit von IBM erfundenen FUD-Strategie (fear, uncertainty and doubt strategy, englisch: Furcht, Ungewissheit und Zweifel) bei leichtgläubigen Menschen das Vertrauen in Presse und staatliche Institutionen beeinträchtigen soll, was insbesondere dem rechtslastigen politischen Bereich förderlich zu sein scheint. Bei einigen Verbreitungsmedien können auch kommerzielle Aspekte eine Rolle spielen, da in Suchmaschinen eingegebene Begriffe zum Absturz Leser zu den jeweiligen Anbietern lenken. Dort können dann entsprechende Produkte (beispielsweise Bücher) präsentiert und angeboten werden.

Dieser Artikel dokumentiert einige der absurdesten und skurrilsten Verschwörungstheorien als Beispiele für das Ausnutzen einer Katastrophe für eigene Zwecke.

Christian Anders: Passagiere waren bereits vor dem Flug tot

Der deutsche Impfgegner, Verschwörungstheoretiker und ehemalige Schlagersänger Christian Anders verbreitet bei YouTube seine absonderliche und die Hinterbliebenen verletzende Gewissheit, dass die Passagiere des Fluges 4U 9525 bereits vor dem Fluge tot gewesen seien. Es habe ein Interesse bestanden, ihnen die Organe zu entnehmen, behauptet er. Zu seinen wirren Phantasien ohne Belege komponierte er ein passendes Lied, das bei YouTube anzusehen ist (das geschmacklose Video wird nicht verlinkt).

Niki Vogt: Co-Pilot war vor dem Start bereits tot

Am 30. März 2015 veröffentlichte die Autorin Niki Vogt (Ehefrau von Michael Vogt) einen Artikel bei Quer-Denken TV, in dem sie behauptete, dass der Copilot des Fluges, Andreas L., bereits vor dem Flug tot gewesen und in seinem Auto am Flugplatz von Barcelona aufgefunden worden sei.[1] Zitat: "Das hier ist aber echt krass. Der US-Fernsehsender CBS New York brachte gestern abend an prominenter Stelle unter "Breaking News" die Meldung, Copilot Andreas Lxxxxx sei überhaupt nicht im Flugzeug gewesen, sondern liege tot in im Kofferraum seines Wagens am Flughafen Barcelona." (Name unkenntlich gemacht). Als Quelle berief sie sich einzig auf einen sehr schlechten Video-Scherz des Amerikaners John Cain. Cain hatte ein selbstproduziertes Video hochgeladen, welches eine Nachrichtensendung des Senders CBS nachahmte und eine entsprechende Story bei liveleak eingestellt.

Vogt fiel weder auf, dass es abwegig ist anzunehmen, dass der Düsseldorfer Copilot sein Auto in Barcelona geparkt hatte, noch dass das Video auf einer Webseite zu finden war, die mit CBS nichts zu tun hat. Auch erwähnt sie keinen Kontaktversuch zu CBS. Auch fiel ihr als kritische Medienbeobachterin (Zitat: "wir haben ja in den letzten Tagen einiges über den Germanwings-Unglücksflug gehört und vieles davon gleich in die Schublade "pure Spekulation" gesteckt") nicht auf, dass auf dem im Video angeblich gezeigten Flughafen von Barcelona nur amerikanische Polizeiwagen zu sehen waren. Auch dass Cain das Video hochgeladen hatte, bemerkte sie nicht. Erst nachdem in kritischen Kommentaren im Internet auf den schlechten Scherz von Cain und die Widersprüche hingewiesen wurde[2], fügte Vogt nachträglich Kommentare im Artikel an und erkannte, dass es sich um einen Fake handelte (Zitat: "Update: Dieser Bericht ist wohl ein Fake!").

Abschuss durch US-Luftwaffe oder wahlweise französische Luftwaffe

 
Artikel bei "Alles Schall und Rauch" über einen angeblichen Abschuss des Airbus der Germanwings durch die französische Luftwaffe. Laut Autor sei der Artikel als Satire zu verstehen.
  • Manfred Petritsch vom verschwörungstheoretischen Blog Alles Schall und Rauch behauptet, selbst Privatpilot zu sein. Er stellte bereits wenige Stunden nach Bekanntwerden des Absturzes die Behauptung auf, dass der Germanwings-Airbus "abgeschossen" worden sei. Petritsch bezeichnete seine Spekulation als "Satire" - angeblich um die Öffentlichkeit darauf hinzuweisen, wie fragwürdig die Belege seien, dass das tatsächlich über der Ostukraine abgeschossene malaysische Passagierflugzeug des Fluges MH17 von prorussischen Rebellen abgeschossen worden sei. Auch in einem weiteren Artikel "Germanwings - War es wirklich ein Selbstmord?" befasst sich Petritsch erneut mit dem Thema und stellt widerlegbare Behauptungen auf. So habe es vom Flugkapitän kein Klingelzeichen ins Cockpit gegeben (tatsächlich ist dieses im Stimmenrekorder zu hören) und es habe bislang in der Geschichte der Luftfahrt keine Selbsttötungen von Piloten im Flug gegeben. Tatsächlich sind aber mehrere derartiger Ereignisse bekannt.
  • Eine gänzlich andere Variante behauptet einen versehentlichen Abschuß des Airbus durch die amerikanische Luftwaffe. Entsprechende Theorien stammen von Bloggern, die sich auf russische Quellen stützen. Laut dieser Theorie habe die US-Luftwaffe über den Alpen Experimente mit Flüssiglaser-Waffen des US DARPA-Projektes (System HELLADS) gegen eine Cruise Missile (nach anderen Angaben eine Interkontinentalrakete) durchgeführt und dabei das zivile Passagierflugzeug getroffen. Als Beleg wird das russische Verteidigungsministerium zwar als angebliche Quelle genannt, aber keine Angabe zum Datum der Meldung genannt noch genau das russische Ministerium zitiert. Auch heißt es, daß es einen Report des russischen Foreign Intelligence Service (SVR) gebe in dem behauptet wird, daß US Präsident Obama angeblich erbost gewesen sei, als er erfahren habe, dass Nato-Kampfjets im Rahmen eines “Wargames” den deutschen Germanwings Airbus abgeschossen hätten. Er habe daraufhin ein Treffen mit Nato Generalsekretär Jens Stoltenberg abgelehnt. Auch zu diesem angeblichen Report werden keine Angaben gemacht, die eine Überprüfung zuliessen.

Behauptungen zum Copiloten Andreas L.

Auch zum Copiloten L., der zuletzt alleine im Cockpit saß, wurden diverse Theorien aufgestellt. So behauptet der auch für PI-News schreibende Blogger mit dem Pseudonym Michael Mannheimer (bürgerlich Karl-Michael Merkle[3][4]), der Copilot sei während seiner Ausbildung in Bremen zum Islam konvertiert; Bremen sei als Dschihadisten-Hochburg bekannt. Beweise werden aber nicht genannt. Nach einer anderen Theorie dagegen höre sich dessen Nachname "jüdisch" an; der Copilot wird deshalb als Agent des israelischen Mossad bezeichnet.

Der Verschwörungsexperte und Islamgegner Udo Ulfkotte ließ vorübergehend über seinen Facebook-Account Erkundigungen einholen, ob es sich beim Copiloten L. nicht in Wirklichkeit um den türkischstämmige Abbas G. handele. Bei Kopp Online wunderte er sich über die Geschwindigkeit der Berichterstattung in der amerikanischen und britischen Presse: "Warum wussten die Amerikaner schon, was auf den Aufzeichnungen zu hören ist? Hier sollte die Bevölkerung offenkundig nebulös in die Irre geführt werden, warum nur?".

Unbekannte verbreiteten bei Facebook unter dem Pseudonym Anonymous ebenfalls Verschwörungstheorien mit antiamerikanischen Tenor zum Copiloten: Demnach sei dieser gar nicht der Copilot gewesen. Behauptungen dazu seien Produkte einer "Lügenpresse", die Russland schaden wolle. Am 27. März teilten bereit 79.000 Leser diese Ansicht.

Weblinks und Zeitungsartikel zum Thema


Quellennachweise

Psiram distanziert sich ausdrücklich von sämtlichen Inhalten der hier thematisierten Verschwörungstheorien und verlinkt daher nicht zu den originalen Quellen.