Phytotherapie

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Historische Illustration aus Johann Georg Sturm: Deutschlands Flora in Abbildungen (1796), Quelle:Wikipedia

Phytotherapie (Pflanzenheilkunde) ist die Anwendung von pflanzlichen Teilen oder Extrakten in der Medizin, aber auch in der Pseudomedizin zur Therapie von Krankheiten. Die dabei verwendeten Pflanzen enthalten pharmakologisch wirksame Inhaltsstoffe; das sind meist sekundäre Stoffwechselprodukte der Pflanze, z.B. Phenole, Polyphenole, Xanthone, Phenylpropanoide, Stilbene, Terpene, Steroide, Carotinoide, Speicherlipide, Alkaloide und Aminosäurederivate. Viele verwechseln Phytotherapie mit der Homöopathie. Im Gegensatz zur Homöopathie werden in der Phytotherapie tatsächlich vorhandene pharmakologische Wirkstoffe der Pflanzen verwendet.

Bedeutung in der Vergangenheit

In der Vergangenheit, bevor Medikamente durch chemische Synthese hergestellt werden konnten, war man auf die Verwendung von Heilpflanzen angewiesen. Das Wissen, welche Pflanzen(teile) und welche Zubereitungsform bei welchen Symptomen hilfreich waren, lernte man aus Erfahrungen und deren Weitergabe. Da man aber keine Kenntnisse über Anatomie, Physiologie und Biochemie des Menschen hatte, spielten hier auch viele magische Vorstellungen eine Rolle, z.B. das Ähnlichkeitsprinzip oder die Signaturenlehre, bei dem ähnliche Eigenschaften einer Pflanze ähnliche Symptome beim Menschen heilen sollte. Beispiele hierfür sind das Essen roter Früchte bei Blutarmut.

Besondere Bedeutung hatten Heilpflanzen in der Klostermedizin, bei der spezielle Heilpflanzengärten angelegt wurden.

Mit Entwicklung wissenschaftlicher Analysemethoden begann man, Pflanzeninhaltsstoffe systematisch zu erforschen und in der Medizin zu nutzen. So konnte man die wirksamen Stoffe gezielt extrahieren oder synthetisieren und chemisch abwandeln, um sie verträglicher oder wirksamer zu machen. Einige der heute bekanntesten Medikamente haben pflanzlichen Ursprung, wie z.B. Acetylsalicylsäure, Digitalis-Glycoside, Mutterkorn-Alkaloide (die aus einem Pilz stammen, der auf Roggen parasitiert), Morphine, Atropin und viele andere. Andere pflanzliche Präparate stellten sich hingegen als wirkungslos heraus oder werden heute zu den Genussmitteln (z.B. Tee, Kaffee oder Tabak), als Gewürzkräuter zu den Küchenkräutern (Pfeffer, Zimt, Basilikum, u.v.a.) gezählt bzw. als Nahrungsmittel (Apfel, Zitrusfrüchte) verwendet.

Von der Nutzung als Heilpflanze zeugen noch die Namen einiger Pflanzen wie Pestwurz[1], Lungenkraut[2], Beinwell[3] und Augentrost[4].

Heutige Bedeutung

Neben unwirksamen pflanzlichen Mitteln gibt es auch solche, deren Wirksamkeit in wissenschaftlichen Studien belegt ist. Diese werden auch als Medikament genutzt. Die Wirkstoffe werden extrahiert und standardisiert, oder der Wirkstoff wird aus einem pflanzlichen Grundstoff teilsynthetisiert. Viele der ursprünglich pflanzlichen Substanzen werden inzwischen industriell synthetisiert und chemisch abgewandelt, was eine höhere Wirksamkeit und bessere Verträglichkeit bewirken soll. Derzeit werden zahlreiche Pflanzenarten auf wirksame Inhaltsstoffe untersucht.

Unaufbereitete Kräuter, die zum Teil noch in der Pseudomedizin verwendet werden, können in Wirkstoffgehalt und Zusammensetzung je nach Standort, Klima und Bodenverhältnissen zum Teil enorm schwanken. Zudem sind viele dieser Stoffe potente Gifte, die nicht der menschlichen Gesundheit dienen sollen, sondern der Abwehr von Feinden der Pflanze (z.B. Strophanthin). Bei vielen Heilpflanzen wird behauptet, dass diese natürlicher und sanfter wirkten und keine Nebenwirkungen haben sollen. Es werden nicht nur in ihrem Wirkprofil bekannte Heilpflanzen vermarktet, sondern auch solche aus exotischen Ländern, die angeblich medizinische Wunder bewirken sollen. Da diese Pflanzen in vielen Fällen noch nicht ausreichend auf Wirksamkeit und Nebenwirkungen untersucht wurden, sind sie nicht als Arzneimittel zugelassen und werden als Nahrungsergänzungsmittel bei vielerlei - aber unbelegten - Behauptungen über deren Wirksamkeit verkauft, oft über Multilevel-Marketingsysteme.

Pflanzliche Mittel werde auch in der traditionellen chinesischen Medizin und der Ayurveda verwendet.

Risiken

Entgegen der immer wieder propagierten angeblichen Sanftheit „natürlicher" Mittel können pflanzliche Arzneimittel erhebliche Nebenwirkungen haben, die sogar die der chemisch synthetisierten Derivate übersteigt. Diese Pflanzen werden gemeinhin als Giftpflanzen bezeichnet.

Dazu kommt, dass je nach Standort, Zeitpunkt, Boden und anderen Faktoren der Wirkstoffgehalt, und somit auch der Giftgehalt, der Pflanzen sehr unterschiedlich ist und man nur schwer kalkulieren kann, wie viel Wirkstoff man zu sich nimmt. Dem geht man bei der Arzneimittelherstellung aus dem Weg, indem man standardisierte Präparate herstellt, was allerdings nicht immer möglich ist, wie z.B. bei Tees.

Beispiele für schädliche Präparate aus Pflanzen:

  • Schlankheitspillen aus China (bezeichnet als Xiao Qin Long Wan, Chuan Xiong Cha Tiao Wan, Bai Tou Weng Wan und Xie Gan Wan), die Bestandteile der Osterluzei (Aristolochia clematitis) enthielten, können Nierenversagen und Nierenkrebs auslösen. Auslöser hierfür sind nephrotoxische (giftig für die Nieren) und karzinogene (krebserregende) Aristolochiasäuren.[5][6] [7] Das Bundesinstitut für Risikobewertung sprach sogar die Empfehlung aus, dass Personen, die diese Produkte regelmäßig eingenommen haben, die Einnahme sofort beenden und einen Arzt aufsuchen sollen.
  • Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) widerrief 2002 die Zulassung für Kava Kava (gegen Angstzustände) und kavainhaltige Heilmittel, nachdem mehrere Fälle von Leberversagen und sogar Todesfälle in der Folge der Einnahme bekannt wurden.
  • Johanniskraut kann bei hellhäutigen Personen durch erhöhte Empfindlichkeit der Haut gegenüber Sonnenlicht (Photosensibilisierung) sonnenbrandähnliche Reaktionen der Hautpartien bewirken. Besonders gefährdet ist Haut, die starker Bestrahlung durch Sonne oder Solarium ausgesetzt ist. Weiterhin können allergische Ausschläge (Exantheme), Verdauungsbeschwerden, Müdigkeit oder Unruhe auftreten.
  • Carnivora, ein Extrakt aus der fleischfressenden Venusfliegenfalle zeigt sehr starke, lebensbedrohliche Nebenwirkungen (allergische Reaktionen bis zum anaphylaktischen Schock). Die Zulassung für dieses unter dem Druck der Massenmedien voreilig in den Handel gebrachte Medikament wurde anschließend durch das Bundesgesundheitsamt 1983 annulliert. Weitere Nebenwirkungen sind Appetitlosigkeit und Haarausfall.
Arnika (Arnica montana), Quelle: Wikipedia

Pseudomedizinische Phytotherapie mit geschützten Pflanzenarten

Viele phytotherapeutische Zubereitungen verwenden Wirkstoffe aus Pflanzen, die geschützt (350 geschützte Pflanzenarten) oder bestandsgefährdet sind.

  • Hoodia spp.
  • Afrikanisches Stinkholz (Prunus africana, syn.Pygeum africanum). Handel verboten
  • Indische Kostuswurzel (Saussurea costus, syn. S. lappa)
  • Afrikanische Teufelskralle (Harpagophytum procumbens)
  • Ginseng (Panax ginseng)
  • Arnika (Arnica montana)
  • Kanadische Gelbwurz (Hydrastis canadensis)
  • Frühlings-Adonisröschen (Adonis vernalis)

Ein Handel mit diesen Pflanzen oder mit Präparaten daraus ist nur unter besonderer Kontrolle der Organisation CITES erlaubt.

Durch intensiven Abbau für die kommerzielle internationale Nutzung sind viele Pflanzenarten so rücksichtslos ausgebeutet worden, dass sie heute vom Aussterben bedroht sind.[8] Gleichzeitig ist der Wirksamkeitsnachweis oftmals schwach oder nicht existent [9].

Beispiele für Heilpflanzen/Produkte:

Weblinks

Quellenverzeichnis