Jörg Lanz von Liebenfels

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Jörg Lanz von Liebenfels (eigentlich Adolf Josef Lanz, geboren am 19. Juli 1874 gestorben am 22. April 1954) war ein österreichischer rassistischer Esoteriker, Antisemit und ehemaliger Zisterziersermönch.


Die frühen Jahre

Adolf Josef Lanz entstammte einer Wiener Bürgerfamilie. Bereits in seiner Kindheit interessierte er sich sehr für das Mittelalter, die Kreuzritter und religiöse Orden.

Als junger Mann trat er 1893 dem Zisterzienserorden bei und lebte bis 1899 als Bruder Georg im Stift Heiligenkreuz. Lanz wurde 1898 zum katholischen Priester geweiht. Während seiner Zeit im Kloster wurde Lanz von dem Novizenmeister Nivard Schlögl, einem Professor für orientalische Sprachen und Altes Testament, unterrichtet. Lanz betrieb intensives Bibelstudium und befasste sich mit der Geschichte der 1133 gegründeten Abtei Heiligenkreuz. Lanz entwickelte während dieser Zeit, vielleicht auch inspiriert durch den glühenden Antisemiten Schlögl, eine eigenwillige Interpretation der christlichen Religion. Er gelangte zu der Überzeugung, dass das "gute Prinzip" von den blonden und blauäugigen Herrenmenschen verkörpert werde, das "dunkle Prinzip" von "animalischen Rassen", wie Afrikanern, Asiaten und "Mediterranoiden"[1]. Glaubt man Lanz, so verließ er den Orden weil dieser die ursprüngliche "rassische Doktrin" des Christentums verraten habe. Seine Vorgesetzten bestanden jedoch darauf, Lanz wäre wegen "fleischlicher Liebe" ausgetreten. Lanz selbst gab später an, seine ständig „steigende Nervosität“ und seine dadurch angegriffene Gesundheit seien der Grund für seinen im April 1899 vollzogenen – und im Übrigen völlig freiwilligen – Austritt gewesen. Das Kapitelbuch hingegen vermerkt „fleischliche Liebe“ als Ausscheidensgrund. Einige Kommentatoren vermuten hinter diesem Vermerk eine Frauenbeziehung und sehen in derem mutmaßlichen Scheitern einen Grund oder Mitgrund für Lanz’ spätere Misogynie. Andere Kommentatoren verweisen auf das in den 1930ern von Nationalsozialisten in Umlauf gebrachte Gerücht, Lanz sei homosexuell gewesen, und auf den Umstand, dass Lanz nach seiner Priesterweihe an der Ausbildung der Wiener Sängerknaben beteiligt war.

Die Theozoologie

Nach seiner Lossagung vom Zisterzienserorden reüssierte Lanz als freischaffender Gelehrter auf den Gebieten der Geschichtswissenschaft, Anthropologie, Paläontologie und Mythologie. Er veröffentlichte nicht nur in völkischen Zeitschriften, sondern verfasste auch ernstzunehmende wissenschaftliche Artikel. In dieser Zeit entwickelte er seine rassistische Version der christlichen Lehre weiter. In seiner 1904 publizierten "Theozoologie oder die Kunde von den Sodoms-Äfflingen und dem Götter-Elektron" und in seiner Schriftenreihe "Ostara" entfaltete er ein okkultes Weltbild einer zweigeteilten Menschheit[2]. Auf der einen Seite finden wir da die blondblauäugigen, alle Kultur bringenden Ario-Heroen, auf der anderen Seite begegnen wir dunkelhäutigen, "kulturzersetzenden Äfflingen". Der Sündenfall wurde von Lanz als die rassische Kompromittierung der gottgleichen Ur-Arier gedeutet, die sich mit den „niederen Rassen“ vermischt hatte. Lanz Besessenheit mit der sexuellen Komponente seiner Lehre führte zu skurrilen Aussagen, z.B. über die massenhafte Aufzucht von „Buhlzwergen“ für perverse sexuelle Vergnügungen in der Antike oder über die Kreuzigung Jesu als versuchte Vergewaltigung. Er war außerdem davon überzeugt, dass arische Frauen streng kontrolliert werden müssten, da diese sich unbewusst zu den sexuelle leistungsfähigeren „Äfflingen“ hingezogen fühlten. Lanz ließ sich auch von der naturwissenschaftlichen Forschung seiner Zeit inspirieren. Die arischen Gottmenschen der Urzeit hatten seiner Ansicht nach über besondere Sinnesorgane verfügt, mit denen sie elektronische Signale übermitteln konnten. Diese körperlichen Voraussetzungen von Allwissenheit und Telepathie wurden aber durch die Vermischung mit den „Tiermenschen“ zerstört. Eine Rückzüchtung durch strikte Rassentrennung könnte diese Fähigkeiten wieder zurückbringen. Daher machte Lanz sich für Brutmütter und Zuchtklöster für “arische“ Frauen stark und forderte gleichzeitig die Sterilisation der „Tiermenschen“. Bei Lanz findet sich auch die Forderung, die "Schrättlinge" oder "Sodoms-Äfflinge", auch "Tschandalen" genannt - alles Gegenspieler seiner Asinge bzw. Arioheroiker - als Opfer auf dem Altar der Freya darzubringen. Lanz befasste sich intensiv mit theosophischen und okkulten Lehren seiner Zeit und entwickelte eine eigene „rassenmetaphysische“ Astrologie, mit deren Hilfe er eine Zeit schwerer Prüfungen für die Arier vorhersagte, aber auch den darauf folgenden endgültigen Triumph über die „Tiermenschen“.

Politische Aktivitäten und die Gründung des Ordo Novi Templi

Bereits 1893 hatte Lanz List kennen gelernt, dessen Ideen großen Einfluss auf ihn hatten. Nach seinem Austritt aus dem Orden schloss er sich der List-Gesellschaft an. Er trat auch der völkischen und antisemitischen Alldeutschen Vereinigung bei. Ab 1902 begann Lanz damit, sich als Jörg Lanz von Liebenfels auszugeben. Er sei in Messina als Sohn des Barons Johann Lancz de Liebenfels und dessen Frau Katharina Skala zur Welt gekommen. Der Grund für diese Geschichte dürfte einmal sein Wunsch gewesen sein, dem seiner Ansicht nach besonders reinblütigen Adel anzugehören. Es wird auch spekuliert, dass er seine wahre Herkunft verschleiern wollte, weil seine Mutter jüdischer Abstammung gewesen sei[3].

Für Lanz waren die mittelalterlichen Kreuzritter die Bewahrer der okkulten Lehre der arisch-germanischen Herrenmenschen. Besonders dem Templerorden galt sein Interesse. Dessen gewaltsame Auflösung im Jahr 1312 hielt Lanz für den vorläufigen Sieg der Minderrassigen über die ario-christliche Ritterschaft. Daher gründete er 1900 den Neutemplerorden, auch Ordo Novi Templi (ONT) genannt[4] Als Hauptquartier des ONT erwarb Lanz mit Hilfe von Gesinnungsgenossen die Burg Werfenstein in Oberösterreich, auf der er zu feierlichen Anlässen auch eine Swastika-Fahne hisste. Ziel des ONT war laut Lanz u.a. das „Rassebewusstsein“ durch Forschung und Bildung zu fördern und die Gründung „rassereiner“ Idealstaaten zu unterstützen. Der Orden stand nur „ario-heroischen“, blonden und blauäugigen Männern offen. Neben der Verbreitung der Ideologie des Ordens widmeten sich die Mitglieder religiösen Ritualen, die von Lanz persönlich entworfen worden waren und eine Mischung aus christlicher Liturgie und rassistischer Mythologie darstellten. Die Hierarchie des Ordens war streng geregelt und hing von der „Reinrassigkeit“ der Brüder, ihrem Alter und ihren Leistungen für den Orden ab. Wie viele Mitglieder der ONT hatte ist nicht genau bekannt, aber er konnte einige namhafte Unternehmer und bekannte Persönlichkeiten in seinen Reihen aufweisen, u.a. den Schriftsteller August Strindberg.

Nach dem ersten Weltkrieg

Die Niederlage des deutschen Reiches und Österreich-Ungarns im ersten Weltkrieg, der Sturz der Monarchie in beiden Ländern und die politischen und wirtschaftlichen Wirren der 1920er Jahre erschütterten Lanz. Er entwickelte sich zu einem fanatischen Antisemiten und prangerte die „jüdisch-bolschewistische-freimaurerische“ Verschwörung an, die er für den Umsturz der alten Ordnung verantwortlich machte. Tatkräftig unterstützt wurde Lanz in dieser Zeit von seinem Zögling Detlef Schmude, Prior des ONT, der einflussreiche und finanzkräftige Unterstützer warb und die Ostara-Schriftenreihe, die zwischenzeitlich eingestellt worden war, fortsetzte. Schmude half auch dabei, den ONT in Deutschland zu etablieren. In Österreich finanzierte der Industrielle Johann Walthari Wölfl, der selbst Prior war, viele Aktivitäten des ONT. Wölfl erwies sich ebenso wie Schmude als erfolgreicher Werber in rechtsgerichteten adeligen und großbürgerlichen Kreisen. Lanz selbst zog 1918 nach Budapest und wurde dort als Mitglied einer patriotischen Vereinigung in die Kämpfe zwischen Kommunisten und Reaktionären verwickelt[5]. Nach dem Sieg der konservativ-christlichen Kräfte konnte Lanz in Ungarn als „verbannter deutscher Baron“ Fuß fassen und als Journalist für rechtsgerichtete ungarische Zeitungen arbeiten. 1926 ließ er sich in dem Dorf Szentantalfa in der Nähe des Plattensees nieder, wo er eine alte Kirche zu einer Ordensstätte umbaute und mit einer adeligen ungarischen Freundin eine Art Landkommune gründete.

Späte Jahre und Wirkung

Seine Blütezeit erlebte der ONT zwischen 1925-1935, in den 40er Jahren wurde er von den Nationalsozialisten verboten, die keine geheimbündlerischen Organisationen duldeten. Lanz ging 1933 in die Schweiz. Er war enttäuscht über die ausbleibende Anerkennung durch die Nationalsozialisten, deren Erfolge er ursprünglich enthusiastisch begrüßt hatte. Er legte aber auch Wert auf die Feststellung, er sei der Mann gewesen, der „Hitler die Ideen gab“. Es gelang ihm kurz vor seinem Tod 1954 den Psychologen Wilhelm Daim davon zu überzeugen, der diese These in einem gleichnamigen Buch vertrat. Die heutige Forschung schätzt die Wirkung von Lanz auf Hitler vorsichtiger ein. Feststeht, dass Hitler Ostara-Leser war und die Weltanschauung von Lanz sicher einen Einfluss auf seine Überzeugungen hatte. Hitler vermied in seinen Schriften und Reden aber jeden Bezug auf den esoterischen Mystiker Lanz und dessen skurrilen ONT. Was die Bedeutung des ONT angeht, so kann Goodrick-Clarke gefolgt werden[6]: „Die Bedeutung des ONT liegt mehr in dem was er ausdrückte, als in dem was er erreicht hat. Er kann als Symptom diffuser Unzufriedenheit genommen werden, dessen eigene Mischung typischer Sorgen, Interessen und Lebensstile in klarem Zusammenhang mit den unterschwelligen Ängsten innerhalb der österreichischen und deutschen Gesellschaft stand. Seine elitären und endzeitlichen Antworten auf diese Ängste vervollständigte den genozidischen Impuls“.

Im Jahr 2000 wurde der ONT nach eigenen Angaben wieder gegründet[7]. In Leipzig existiert ein Ordenshaus. Ziel des ONT ist es, die Weltanschauung und die Lehren von Lanz zu verbreiten.

Weblinks

Quellennachweise

  1. Goodrick-Clarke, Nicholas: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus, Wiesbaden 2004,84.
  2. Goodrick-Clarke, Nicholas: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus, Wiesbaden 2004,86-89.
  3. http://www.antifa.co.at/antifa/lanz.pdf
  4. Goodrick-Clarke, Nicholas: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus, Wiesbaden 2004,96-102.
  5. Goodrick-Clarke, Nicholas: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus, Wiesbaden 2004,107-108.
  6. Goodrick-Clarke, Nicholas: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus, Wiesbaden 2004,109.
  7. http://www.deutschekirche.drhr.de/index.php?action2=Gemeinschaft&root=002