Effektive Mikroorganismen
Effektive Mikroorganismen (auch EM oder EM-Technologie) ist die Bezeichnung für bestimmte Mikroorganismen enthaltende, umstrittene Produkte zur landwirtschaftlichen Boden- und Pflanzenbehandlung, Kompostbereitung und Abfallwirtschaft. Auch Reinigungsmittel für den Haushalt und Nahrungsmittel auf Basis von EM werden angeboten. Als Erfinder der EM gilt der Japaner Teruo Higa.
Die genaue Zusammensetzung der Mikroorganismen-Mischungen wird von den Anbietern geheim gehalten. Es werden lediglich vage Angaben zu den eingesetzten Mikroorganismen gemacht, die sich aber je nach Hersteller und Literaturangabe unterscheiden. Über die Wirkung von EM-Produkten gibt es unterschiedliche und widersprüchliche Angaben. Häufig werden pseudowissenschaftliche und esoterische Erklärungen angeführt.
Angebliche Wirkungsweise
Das Konzept der effektiven Mikroorganismen geht auf den Japaner Teruo Higa zurück.[1] Dieser will entdeckt haben, dass es im Boden drei Arten von Mikroorganismen geben soll: Positive (aufbauende/regenerative), negative (abbauende/degenerative) und opportunistische Mikroben.
Nach Higas Ansicht können die beiden ersten Gruppen dominant sein. Derjenigen dominanten Gruppe, die in der Überzahl ist, folgten die Opportunisten und unterstützen deren Wirkung. Das heißt, ob auf- oder abbauende Prozesse ablaufen, werde von einer mengenmäßig kleinen Gruppe von Mikroorganismenarten bestimmt. Daher könne man mit relativ kleinen Mengen an zusätzlich zugeführten Mikroorganismen die Prozessrichtung in einem Milieu (Boden, Wasser, Luft, Darm, usw.) festlegen. Da die effektiven Mikroorganismen gemäß Higa als dominant regenerativ angesehen werden, könnten mit ihrer Hilfe natürliche Milieus günstig beeinflusst werden.
Produkte
Übersicht
Produkte, die unter dem Namen EM verkauft werden, umfassen einerseits sowohl die Mikrobenmischung selbst, als auch mit EM in Verbindung stehende Fertigprodukte. Die Mikroben-Urlösung wird als EM-1 bezeichnet und soll nicht näher beschriebene Organismen unterschiedlicher Taxa enthalten. So sollen Bakterien der Ordnung Milchsäurebakterien und der nicht näher spezifizierten Gruppe „Photosynthesebakterien“ enthalten seien. Weiterhin sind als aktiver Bestandteil Hefen angegeben, die ebenfalls taxonomisch sehr vielfältig sind. Genauere Angaben werden vom Hersteller nicht mitgeteilt.[2]
In älteren Publikationen, die sich allerdings auch nur auf Herstellerangaben berufen, werden weiterhin Actinomyceten und Schimmelpilze als Bestandteile angegeben. Eine nicht weiter belegte Angabe listet einzelne Arten auf, darunter Rhodopseudomonas palustris.[3]
Weitere Produkte sind so genannte EM-Keramiken. Da diese nach der Behandlung mit EM bei hohen Temperaturen gebrannt werden, können aufgrund der Pyrolyse organischen Materials keine Mikroben mehr aktiv sein. Eine Wirkung wird mit "feinenergetischen Resonanzen" begründet, die von der Mikrobenmischung ausgingen und auf die Keramik übertragen werden sollen.[4]
Die Anbieter versprechen vielfältige positive Wirkungen beim Einsatz von EM. Das Anwendungsspektrum ist groß und erstreckt sich nicht nur auf die Bodenverbesserung:
Im landwirtschaftlichen Bereich:
- Verbesserung des physikalischen, chemischen und biologischen Bodenzustandes
- Beschleunigung der Kompostierung
- Förderung von Keimung, Wurzelbildung, Blüte, Fruchtansatz und Reifung
- Verbesserung der Qualität und der Haltbarkeit von Silage
- Verbesserung der Eigenschaften und der Emissionen von Gülle
- Verringerung der Fliegenplage in Viehställen
In Haushalt und Garten:
- Spül-, Wasch- und Putzmittel
- Verbesserung der Wasserqualität, Verminderung der Algenbildung in Aquarien und Teichen
Im gesundheitlichen Bereich:
- Nahrungsergänzungsmittel, z.B. Getränke zur Stärkung des Immunsystems
- "EM-Lebensmittel", z.B. Nudeln, Schokolade, Honig, Kaffee
- Kosmetikprodukte
Vertriebsstruktur
EM-Präparate und Anwendungsseminare für Landwirte, Gärtner, Haus- und Kleingärtner und Teichbesitzer werden von zahlreichen Verkaufsstellen und im Versandhandel angeboten. Der Markt wird von verschiedenen Herstellern und Vertreibern beherrscht, die sich überwiegend auf das von Higa begründete Konzept der EM berufen. Nicht alle Anbieter vertreiben aber die oft als Original bezeichneten Produkte des Herstellers EMRO (EM Research Organisation Inc.), des von Higa selbst geführten japanischen Unternehmens, das in zahlreichen Ländern Niederlassungen besitzt und hier auch Markenrechte auf den Namen EM angemeldet hat. Einige Anbieter vermeiden möglicherweise aus markenrechtlichen Gründen aber auch den Bezug auf Higa und EM oder sprechen von einer "Weiterentwicklung" der herkömmlichen EM.[5]
Anwendung
Zur Bodenverbesserung, als Spritzmittel oder als Güllezugabe soll die als Stammlösung bezeichnete EM-1 zuerst aktiviert werden. Dazu wird eine kleinere Menge der Stammlösung zu einer Melasselösung gegeben und ca. 7 Tage bei etwa 25 - 45 °C anaerob inkubiert. Die so gewonnene Lösung wird als aktiviertes EM (EM-A) bezeichnet und kann entweder direkt in den Boden verbracht, auf Pflanzen aufgespüht oder mit organischem Dünger vermischt werden. Die durch EM zur Gärung angesetzten organischen Dünger werden auch als Bokashi bezeichnet.[1]
Wissenschaftliche Studien
Studienlage
Viele Informationen, die sich über EMs finden lassen, sind unveröffentlichte Berichte oder Artikel, die entweder keinen wissenschaftlichen Gutachterprozess (Peer Review) durchlaufen haben oder die nur geringen wissenschaftliche Standards genügen.[6] Viel Forschung zum Thema wurde in asiatischen Ländern an Universitäten durchgeführt, die häufig nicht in unabhängigen Journalen veröffentlichen oder es werden Berichte in Tagungsbänden, die ebenfalls keiner wissenschaftlichen Begutachtung unterworfen sind, veröffentlicht. Viele der positiven Studien zu EMs sind mangelhaft dokumentiert und es wird nicht klar, worauf die angegebenen positiven Wirkungen beruhen.[7][6] Hinzu kommen Auftragsstudien, die die Hersteller und Vertreiber von EM in Auftrag geben und die ausnahmslos zu positiven Befunden kommen. Hier ist die Universität für Bodenkultur (Wien) zu nennen, die im Auftrag des österreichischen Herstellers Multikraft ausnahmslos positive Studien zur Wirksamkeit der Produkte erstellt. Diese Informationen werden von den Herstellern und Vertreibern der Produkte meist über deren Webseiten zur Einsicht angeboten.[8]
Im Folgenden sind nur Studien berücksichtigt, die in international anerkannten Zeitschriften veröffentlicht sind und die einen wissenschaftlichen Gutachterprozess durchlaufen haben.
Studien zur Bodenverbesserung und Ertragssteigerung
In einer breit angelegten Studie, die die Effekte von EM im Feldversuch unter den Bedingungen des ökologischen Landbaus im Langzeitversuch (4 Jahre) bei verschiedenen Kulturen (Kartoffeln, Gerste, Weizen, Alfalfa) untersuchte, konnten die Behauptungen der Hersteller in keinen Punkten bestätigt werden. Die im Agroscope in der Schweiz durchgeführte Studie untersuchte die Auswirkungen von EM alleine als auch in Verbindung mit organischem Dünger (Bokashi). Alle Effekte auf Boden und Ertrag konnten alleine auf die Düngerwirkung der aufgebrachten Substrate zurückgeführt werden, da neben den Kontrollgaben (ohne EM) auch mit sterilisierten EM-A getestet wurde. Veränderungen in der mikrobiellen Zusammensetzung des Bodens, so wie sie von der Herstellerseite behauptet werden, konnten ebenfalls nicht bestätigt werden. [9]
Zu ähnlichen Resultaten kommt eine frühere experimentelle Studie, die Bodenveränderungen und Ertragssteigerungen anhand von Inkubations- und Topfversuchen ermittelt hat. Auch hier wurde mit sterilisierten EM-A der Effekt der reinen Substratzugabe untersucht. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass die Wirkungen, die von EM ausgehen, nur auf die Zugabe von organischem Dünger, der immer mit der Gabe von EM verbunden ist, und nicht auf die Einbringung lebendiger Mikroorganismen beruhte [7]
In einer weiteren Untersuchung, die Bokashi (Kompost) - hergestellt aus Bananenstauden einmal mit EM, ohne EM (Wasser) und sterilisiertem EM – zur Düngung von Bananenpflanzen unter tropischen Bedingungen verwendet, findet sich ebenfalls kein signifikanter Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Behandlungen. Ertragszuwächse gegenüber der ungedüngten Kontrolle können alleine auf den eingebrachten Kompost zurückgeführt werden.[10]
Studien, die keine Vergleiche mit sterilisierten EM durchführen, kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. In diesen Studien kann nicht unterschieden werden, ob eine Beeinflussung von Bodenparametern und Ertragsveränderungen bei Pflanzen aufgrund eingebrachter lebender Mikroorganismen oder aufgrund des eingebrachten organischen Düngers (Substrateffekt) erfolgt.
So zeigte sich in einer Studie, die im Topfexperiment die Ertragsleistung von Deutschem Weidelgras (Lolium perenne) unter dem Einfuss von fermentierter Gülle (mit und ohne EM) kein Unterschied zwischen den Behandlungen. Lediglich zur Kontrolle ohne Düngergabe zeigten sich signifikante Unterschiede.[11]
Eine Untersuchung zur Verbesserung von Schwemmlandböden für die landwirtschaftliche Produktion konnte im Feldexperiment keinen Unterschied feststellen, ob der zur Düngung verwendete Hühnermist mit oder ohne EM behandelt wurde. Die Ertragssteigerung war alleine auf die Gabe des Hühnermists zurückzuführen.[12]
Einen positiven Effekt von EM auf Baumwollpflanzen will eine Studie gefunden haben, der allerdings nur dann zu verzeichnen ist, wenn gleichzeitig mit Mineraldünger und Kompost gedüngt wird. Ein alleiniger Einsatz von EM zeigte keinerlei Effekte.[13]
Eine 11 jährige Untersuchung in China beschreibt einen positiven Effekt von EM beim Ertrag von Weizen. Da zusammen mit den EM immer auch höhere Mengen an Rohzucker für die Kompostierung des eingebrachten Düngers verwendet wurde, und die Ertragssteigerung nur gering ausfiel, kann ein reiner Substrateffekt nicht ausgeschlossen werden.[14]
Eine Ertragsminderung bei Basilikum im Topfexperiment wird bei Einsatz von EM-A in verschiedener Applikationsform (Sprühbehandlung der Blätter, Aufbringung auf Samen und Substrat) beobachtet. Die Autoren der Studie raten von einem Einsatz von EM bei Kräutern in der Topfkultur ab.[15]
Im Feldversuch auf Teneriffa angebaute [Rote Beete] zeigte bei Behandlung mit EM bzw. mit EM und Bokashi gegenüber der Kontrolle ohne jegliche Düngergabe keinen nennenswerten Unterschiede bezüglich Ertrag und Inhaltsstoffen.[16]
Untersuchungen zur Kompostbereitung und zur Schädlingsbekämpfung mit EM
Die Kompostierung haushaltlicher Abfälle mit einem Schnellkomposter zeigte bei einer EM Behandlung der organischen Abfälle keine beschleunigte Kompostierung gegenüber der unbehandelten Kontrolle. Auch die Qualität des Kompostes, ausgedrückt durch das C/N-Verhältnis, zeigte keinen signifikanten Unterschied.[17]
In einer holländischen Studie wurde die Wirkung von Bokashi-Kugeln (mit EM versetzte Schlammkugeln) auf das Wachstum von Blaualgen bzw. auf eine Reduktion der Blaualgenblüte, wie sie vom Hersteller behauptet wurde, untersucht. Dabei wurde aber keine Reduktion der Blaualgen festgestellt, sondern ein verstärktes Wachstum. Dies konnte auf die Düngerwirkung der Kugeln zurückgeführt werden. Nur in sehr hohen Konzentrationen zeigten die Kugeln einen wachstumshemmende Wirkung auf die Blaualgen. Dies erklärte sich durch die starke Trübung, die der Schlamm verursachte.[18]
Der Befall von Rhododendron-Pflanzen mit dem pilzartigen Schädling Phytophthora ramorum konnte in einer experimentellen Studie durch EM nicht verhindert werden. Ebenso zeigten sich bei der Behandlung mit EM keine Änderung der Symptome. Im Gegensatz dazu verhinderten andere Präparate, die ebenfalls in der Studie untersucht wurden, sowohl Übertragung als auch Symptome der Krankheit.[19]
Vereine
Im Jahr 2001 wurde in Deutschland der Verein EM e.V. – Gesellschaft zur Förderung regenerativer Mikroorganismen zur Wiedergesundung von Mensch, Natur und Umwelt gegründet. Vorsitzender ist Franz-Peter Mau (geb. 1952), Sitz des Vereins ist Bremen. Der EM e.V. gibt die Zeitschrift EM-Journal heraus. Einem "Positionspapier" zufolge versteht er sich als Teil des "internationalen Netzwerks" EMRO.[20] Bei EMRO handelt es sich um Higas Firma EM Research Organisation Inc. zur Vermarktung von EM. An Aktivitäten des Vereins werden Veranstaltungen wie "EM-Studienreisen" oder ein "Humussymposium" genannt, aber auch die "Unterstützung zweier Gemeinden in Sachsen-Anhalt nach der Flutkatastrophe im Sommer 2002 mit Know-How und mehreren tausend Litern Ema". 2004 habe man ein Projekt in Thailand unterstützt, bei dem nach dem Tusnami im indischen Ozean die "Seuchengefahr mit EM kontrolliert" worden sei.
Ein Verein mit ähnlicher Zielsetzung ist der Schweizer Verein für Effektive Mikroorganismen mit Sitz in Schaffhausen.
Beide Vereine propagieren auch einen "Mondkalender"; ausgehend von der Vorstellung von Einflüssen der Mondphasen auf das Pflanzenwachstum wird hier Ansichten der Anthroposophie und der Astrologie Vorschub geleistet.
Siehe auch
Weblinks
- Höge, H.: Essen aus dem Labor. Der tägliche Mikroben-Mix. TAZ, 14.04.2008
- Ein Mikroben-Mix soll die Welt retten. Focus 35/2013
Quellennachweis
- ↑ 1,0 1,1 Higa, Teruo: Eine Revolution zur Rettung der Erde: mit effektiven Mikroorganismen (EM) die Probleme unserer Welt lösen. Xanten: OLV, Organischer Landbau-Verlag, 6. Aufl. 2004
- ↑ Microorganisms in EM
- ↑ Nathan Szymanski & Robert A. Patterson: Effective microoganisms and wastewater systems. In: R. A. Patterson & M. J. Jones: Future Directions for On-site Systems. Best Management Practice Proceedings of On-site ’03 Conference. Lanfax Laboratories, Armidale 2003
- ↑ www.emiko.de/produkte/resonanzkeramik/ "Resonanzkeramik" der Firma Emiko Aufruf am 12. Juli 2014
- ↑ Ein Beispiel ist das Produkt "Biologisch Aktive Mikroorganismen" BAMO der Firma BioEnergieFabrik.ch AG Manfred Landmann aus Balgach im Kanton St. Gallen in der Schweiz.
- ↑ 6,0 6,1 Cóndor Golec, Aníbal F., P. González Pérez, C. Lokare: Effective Microorganisms: Myth or reality? Rev. peru. biol., 14(2), 315–319 (2007) Volltext
- ↑ 7,0 7,1 Schenck zu Schweinsberg-Mickan, M. & Müller, T.: Impact of effective microorganisms and other biofertilizers on soil microbial characteristics, organic-matter decomposition, and plant growth. Journal of Plant Nutrition and Soil Science 172, 704–712 (2009) Referenzfehler: Ungültiges
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-Tag. Der Name „schenck“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert. - ↑ Studien zur Wirksamkeit von EMs bei der Firma Multikraft Aufruf am 12. Juli 2014
- ↑ Mayer, J., Scheid, S., Widmer, F., Fließbach, A. & Oberholzer, H.-R.: How effective are “Effective microorganisms® (EM)”? Results from a field study in temperate climate. Applied Soil Ecology 46, 230–239(2010) Zusammenfassung
- ↑ Formowitz, B., Elango, F., Okumoto, S., Müller, T. & Buerkert, A.: The role of “effective microorganisms” in the composting of banana (Musa ssp.) residues. Journal of Plant Nutrition and Soil Science 170, 649–656 (2007) Zusammenfassung
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- ↑ http://www.emev.de/files/bilder/Positionspapier_kurz.pdf Download am 11. Juli 2014