Plastikschamane
Unter einem Plastikschamanen versteht man eine Person, die unzutreffenderweise behauptet, in das schamanische Wissen der Stammeskultur eines indigenen Volkes eingeweiht zu sein, und daraus Kapital schlägt. Der Begriff wurde von indigenen Amerikanern geprägt, die sich gegen die Ausbeutung ihrer Spiritualität wenden; zudem wird der Begriff Schamane bei indigenen amerikanischen Ethnien nicht verwendet.
Ein Plastikschamane kommerzialisiert die entsprechenden Traditionen und kombiniert sie je nach eigenem Gusto mit verschiedenen esoterischen Inhalten, die nicht Inhalt dieser Traditionen sind. Plastikschamanen geben sich teilweise indianisch klingende Namen, die häufig jedoch in englischer oder deutscher Sprache wiedergegeben werden. Dies betrifft auch solche Plastikschamanen, die wiederum bei Plastikschamanen gelernt haben, auch wenn diese z.B. aus den USA stammen, da diese häufig nicht wie behauptet indigen sind und daher die Sprache der von ihnen behaupteten Ethnie nicht beherrschen. Sofern der Name in einer indigenen amerikanischen Sprache angegeben wird, handelt es sich meist um Lakota, da hierzu im Internet und in Büchern am meisten Informationen zu Verfügung stehen; trotzdem können sich hierbei lexikalische Fehler einstellen. Einige treten darüber hinaus in einer authentisch anmutenden Phantasiekleidung auf, die sich häufig an der Kleidung orientiert, die die nordamerikanischen Plainskulturen bis ca Mitte des 19. Jahrhunderts trugen.
Plastikschamanen geben meist fälschlich vor, von einem Stamm entweder abzustammen oder adoptiert worden zu sein, eine Lehre bei einem echten Schamanen absolviert zu haben, in die traditionellen Riten des Stammes eingeweiht und somit im Besitz traditionellen Wissens und berechtigt zu sein, Rituale wie z.B. den Sonnentanz oder Schwitzhüttenrituale durchzuführen. Neben diversen Ritualen bieten Plastikschamanen auch Kurse, Seminare und Accessoires gegen Bezahlung an. Ein weiteres Geschäftsfeld bei europäischer bzw.euro-amerikanischer Klientel ist die Ernennung so genannter "Pfeifenträger", die in den indigenen Kulturen in dieser Form unbekannt sind.
Das Angebot umfasst weitgehend indigene Zeremonien, die aus den Plainskulturen stammen, wie z.B. Schwitzhütten, Visionssuchen und Sonnentanz. Diese Zeremonien werden in der esoterischen Szene als sozusagen generisch indigen wahrgenommen. Es gab in Nordamerika jedoch 500 indigene Nationen, die jeweils eigene spirituelle Traditionen entwickelt hatten. Nicht alle Zeremonien wurden und werden von allen Ethnien praktiziert. In der esoterischen Szene bzw. von einigen Plastikschamanen werden die aus den Plainskulturen entnommenen Zeremonien jedoch auch Ethnien zugeschrieben, bei denen diese unbekannt sind.
Es sind ebenfalls Plastikschamanen in Europa tätig, die einen tatsächlichen indigenen Hintergrund haben - teils jedoch vor mehreren Generationen - oder sogar eingetragene Mitglieder einer indigenen Nation sind. Nur in Ausnahmefällen handelt es sich dabei um genuine Medizinleute; zumeist haben diese Personen gar keine entsprechende Ausbildung in ihrer Ethnie durchlaufen und verkaufen nur, was am Markt gängig ist. Indigene Amerikaner bezeichnen diese Plastikschamanen als "sell-out", übersetzt etwa: Ausverkäufer. Darunter sind einige, die aus Ethnien stammen, die die von ihnen verkauften Zeremonien gar nicht kennen; teils wird dann eine Adoption durch einen entsprechenden anderen Stamm behauptet. Adoptionen durch die gesamte Nation sind jedoch äußerst selten, sondern werden durch eine Familie oder Einzelperson vorgenommen; dem Adoptierten entstehen hieraus zwar Pflichten gegenüber den Adoptanten, aber keine Rechte auf eine offizielle Eintragung in das Register (das so gen. Enrollment) oder Rechte auf Zeremonien oder auch nur an der Teilnahme an Zeremonien.
Insbesondere Plastikschamanen ohne jeglichen indigenen Hintergrund nehmen häufig weitere esoterische Praktiken in ihr Angebot auf. Hier ist z.B. das Familienstellen zu nennen, das dann als "schamanisches Familienaufstellen" bezeichnet wird. Derartige Praktiken sind aber weder aus Sibirien, noch von indigenen amerikanischen Ethnien bekannt.
Beispiele
siehe auch
- Indigene Spiritualität in Europa
- psiram-Blog: Tacansina Miwatani – das ‘Leichengerüst’, das ein Bär sein wollte
- psiram-Blog: WindEagle und RainbowHawk Kinney-Linton: Unternehmensberatung auf gemein(nützig) – steuerbefreit abkassieren
- psiram-Blog: Stefan Björn Ulbrich und Gerhard Popfinger beim Rainbow-Spirit-Festival
- psiram-Blog: Gaia-Pfad – Andreas und Jeannette Jacobs
- psiram-Blog: William Jervis alias “Firewalker” alias “Turtle Winds” – oder: Die Parodie eines Plastikschamanen