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'''Primärtherapie''' (engl. ''Primal Therapy'', auch Urschreitherapie genannt) ist die deutschsprachige Bezeichnung für eine von dem US-amerikanischen Psychologen [[Arthur Janov]] entwickelte psychotherapeutische Behandlungsmethode. Sie beruht auf der von ihm entwickelten ''Primal Theory'' („Primärtheorie“), deren Grundlagen er in seinem Buch "Der Urschrei" beschrieben hat. Die Primärtherapie basiert auf der Annahme, dass frühkindliche katastrophale schmerzhafte (traumatische) psychobiologische Erfahrungen und Erlebnisse die gesamte Entwicklung und das spätere Leben von Menschen nachhaltig negativ beeinflussen können und dass durch Wiedererleben dieser Erfahrungen und Erlebnisse ihre negativen Auswirkungen gemildert und verringert werden können.  
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'''Primärtherapie''' (engl. ''Primal Therapy'', auch Urschreitherapie genannt) ist die deutschsprachige Bezeichnung für eine von dem US-amerikanischen Psychologen [[Arthur Janov]] entwickelte psychotherapeutische Behandlungsmethode. Sie beruht auf der von ihm entwickelten ''Primal Theory'' („Primärtheorie“), deren Grundlagen er in seinem Buch "Der Urschrei" beschrieben hat. Die Primärtherapie basiert auf der Annahme, dass frühkindliche katastrophale, schmerzhafte (traumatische) psychobiologische Erfahrungen und Erlebnisse die gesamte Entwicklung und das spätere Leben von Menschen nachhaltig negativ beeinflussen können und dass durch Wiedererleben dieser Erfahrungen und Erlebnisse ihre negativen Auswirkungen gemildert und verringert werden können.  
    
==Anwendungsgebiete==  
 
==Anwendungsgebiete==  
 
Janov nennt diese frühkindlichen Schmerzerfahrungen „Primal Pain“ (dtsch. „[[Urschmerz]]“). Laut seiner Theorie stören solche Schmerzerfahrungen (siehe auch Reizüberflutung) in der frühen Kindheit massiv die natürliche Entwicklung von wachsenden und sich entwickelnden menschlichen Gehirnen.  
 
Janov nennt diese frühkindlichen Schmerzerfahrungen „Primal Pain“ (dtsch. „[[Urschmerz]]“). Laut seiner Theorie stören solche Schmerzerfahrungen (siehe auch Reizüberflutung) in der frühen Kindheit massiv die natürliche Entwicklung von wachsenden und sich entwickelnden menschlichen Gehirnen.  
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Mit seinem primärtheoretischen Modell stellt Janov für individuelle psychische und physische Gesundheitsstörungen sowie soziale Schwierigkeiten von Menschen eine alternative Sichtweise sogenannter Krankheiten dar und entwickelt darin unter anderem eine neue Definition von Neurosen.
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Mit seinem primärtheoretischen Modell stellt Janov für individuelle psychische und physische Gesundheitsstörungen sowie soziale Schwierigkeiten von Menschen eine alternative Sichtweise so genannter Krankheiten dar und entwickelt darin unter anderem eine neue Definition von Neurosen.
    
Seiner Ansicht nach sind beispielsweise Alkohol- beziehungsweise Drogenmissbrauch und andere zwanghafte Verhaltensweisen von Menschen („Exhibitionismus“, „Fresssucht“, „Internetabhängigkeit“, „Kaufrausch“ und so weiter) Resultat eines natürlichen Prozesses, der den Betroffenen dazu dient, Erinnerungen an schmerzhafte, traumatische Erfahrungen und Erlebnisse aus ihrer bewussten Wahrnehmung zu verdrängen.  
 
Seiner Ansicht nach sind beispielsweise Alkohol- beziehungsweise Drogenmissbrauch und andere zwanghafte Verhaltensweisen von Menschen („Exhibitionismus“, „Fresssucht“, „Internetabhängigkeit“, „Kaufrausch“ und so weiter) Resultat eines natürlichen Prozesses, der den Betroffenen dazu dient, Erinnerungen an schmerzhafte, traumatische Erfahrungen und Erlebnisse aus ihrer bewussten Wahrnehmung zu verdrängen.  
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In seinen Büchern behauptet Janov, dass durch die von ihm entwickelte Primärtherapie bei Patienten weitreichende psychologische und physiologische Veränderungen wie zum Beispiel die Heilung von Neurosen und Psychosen, Minderung Epilepsie|epileptischer Anfälle sowie Senkung oder Steigerung des Blutdrucks möglich sind.
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In seinen Büchern behauptet Janov, dass durch die von ihm entwickelte Primärtherapie bei Patienten weitreichende psychologische und physiologische Veränderungen wie zum Beispiel die Heilung von Neurosen und Psychosen, Minderung [[Epilepsie|epileptischer Anfälle]] sowie Senkung oder Steigerung des Blutdrucks möglich sind.
    
Primärtherapeuten sind der Ansicht, dass jeder Mensch latent zu Psychosen neigt und sich daher von seinen Geburtstraumata befreien müsse.
 
Primärtherapeuten sind der Ansicht, dass jeder Mensch latent zu Psychosen neigt und sich daher von seinen Geburtstraumata befreien müsse.
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Primärtherapeuten versuchen, den Urschmerz und die vermuteten Traumatisierungen ins Bewusstsein zu bringen. Ähnlich wie in der klassischen [[Psychoanalyse]] sollen dabei psychische Abwehrmechanismen zu überwinden sein.  
 
Primärtherapeuten versuchen, den Urschmerz und die vermuteten Traumatisierungen ins Bewusstsein zu bringen. Ähnlich wie in der klassischen [[Psychoanalyse]] sollen dabei psychische Abwehrmechanismen zu überwinden sein.  
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Zu Beginn der Therapie verlassen Klienten für drei Wochen ihren üblichen Lebensraum, den Wohnort, den Beruf und die Familie, und leben während dieser Zeit isoliert, zum Beispiel in einem Hotel zurück. Kontakte nach außen, Lesen, Fernsehen, Radio hören, Rauchen und Alkohol trinken sind verboten.
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Zu Beginn der Therapie verlassen Klienten für drei Wochen ihren üblichen Lebensraum, den Wohnort, den Beruf und die Familie und leben während dieser Zeit isoliert, zum Beispiel in einem Hotel. Kontakte nach außen, Lesen, Fernsehen, Radio hören, Rauchen und Alkohol trinken sind verboten.
    
Die Primärtherapie selbst findet in einem extra dafür vorgesehenen fensterlosen, schalldichten und gepolsterten Raum statt. Die Klienten liegen einzeln, manchmal auch in kleinen Gruppen auf Matten und werden aufgefordert, aus ihrer Kindheit zu erzählen. Bei schmerzhaften Erinnerungen werden sie aufgefordert, die dabei aufgekommenen Gefühle von Angst, Verzweiflung, Wut, Trauer usw. zuzulassen und diese durch Weinen, Schreien oder Hechelatmung gezielt weiter zu steigern. Therapeuten versuchen heftige Gefühle zu provozieren, indem sie den Klienten auch körperlich manipulieren, z.B. durch Druck auf den Brustkorb.
 
Die Primärtherapie selbst findet in einem extra dafür vorgesehenen fensterlosen, schalldichten und gepolsterten Raum statt. Die Klienten liegen einzeln, manchmal auch in kleinen Gruppen auf Matten und werden aufgefordert, aus ihrer Kindheit zu erzählen. Bei schmerzhaften Erinnerungen werden sie aufgefordert, die dabei aufgekommenen Gefühle von Angst, Verzweiflung, Wut, Trauer usw. zuzulassen und diese durch Weinen, Schreien oder Hechelatmung gezielt weiter zu steigern. Therapeuten versuchen heftige Gefühle zu provozieren, indem sie den Klienten auch körperlich manipulieren, z.B. durch Druck auf den Brustkorb.
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Die Intensivphase einer Therapie dauert zwei bis drei Wochen und findet meist in einem abgeschlossenen Therapiezentrum statt, wo die Klienten täglich zwei bis drei Stunden einzeln oder in Gruppen arbeiten und der Therapeut rund um die Uhr für eine ggf. notwendige Krisenintervention bereit steht.
 
Die Intensivphase einer Therapie dauert zwei bis drei Wochen und findet meist in einem abgeschlossenen Therapiezentrum statt, wo die Klienten täglich zwei bis drei Stunden einzeln oder in Gruppen arbeiten und der Therapeut rund um die Uhr für eine ggf. notwendige Krisenintervention bereit steht.
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Nach der Intensivpha­se wird die Gruppenarbeit mit zwei bis drei Sitzungen pro Woche fortgesetzt. Bei Primärtherapie spielt die Gruppe als Gemeinschaft keine Rolle. Alle Teilnehmer arbeiten mit und an sich allein. Lediglich gegen Ende der jeweiligen Sitzung werden die Erfahrungen den anderen Gruppenmitgliedern mitgeteilt.<ref>Federspiel, Krista, Lackinger Karger Ingeborg: "Kursbuch Seele"; Verlag Kiepenheuer & Witsch, 1. Auflage, Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 1996</ref> Die Gesamtdauer einer Primärtherapie beträgt zwei bis vier Jahre.  
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Nach der Intensivpha­se wird die Gruppenarbeit mit zwei bis drei Sitzungen pro Woche fortgesetzt. Bei der Primärtherapie spielt die Gruppe als Gemeinschaft keine Rolle. Alle Teilnehmer arbeiten mit und an sich allein. Lediglich gegen Ende der jeweiligen Sitzung werden die Erfahrungen den anderen Gruppenmitgliedern mitgeteilt.<ref>Federspiel, Krista, Lackinger Karger Ingeborg: "Kursbuch Seele"; Verlag Kiepenheuer & Witsch, 1. Auflage, Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 1996</ref> Die Gesamtdauer einer Primärtherapie beträgt zwei bis vier Jahre.  
    
Im Verlauf einer Primärtherapie wird versucht, Patienten in rückwärts gerichteter chronologischer Reihenfolge verdrängte traumatische Erlebnisse wieder bewusst zu machen. Während eines so genannten ''Urerlebnisses'' durchlebt der Patient vor allem auf körperlicher Ebene sein Trauma. Zum einen werden frühe Erinnerungen unabhängig vom körperlichen Erleben wieder wachgerufen, zum anderen soll es dem Patienten so möglich werden, „Verbindungen“ zu Tics, Süchten und psychosomatischen Erkrankungen zu erkennen.  
 
Im Verlauf einer Primärtherapie wird versucht, Patienten in rückwärts gerichteter chronologischer Reihenfolge verdrängte traumatische Erlebnisse wieder bewusst zu machen. Während eines so genannten ''Urerlebnisses'' durchlebt der Patient vor allem auf körperlicher Ebene sein Trauma. Zum einen werden frühe Erinnerungen unabhängig vom körperlichen Erleben wieder wachgerufen, zum anderen soll es dem Patienten so möglich werden, „Verbindungen“ zu Tics, Süchten und psychosomatischen Erkrankungen zu erkennen.  
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