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| + | ==zu Wodarg/Postel== |
| + | ..II. Feststellungen zur Sache |
| + | 1.) |
| + | a) |
| + | Im Sommer 1982 hielt sich der Angeklagte urlaubshalber im Kreis |
| + | Schleswig-Flensburg auf. Am 4. August 1982, an einem Tag, an |
| + | welchem das Wetter nicht besonders sonnig war, begab der |
| + | Angeklagte sich in die Stadt Flensburg. Hier fiel ihm beim Bummeln |
| + | durch Flensburg ein, daß die Stelle des stellvertretenden Amtsarztes |
| + | im Ärzteblatt noch ausgeschrieben war. Der Angeklagte rief im |
| + | Gesundheitsamt der Stadt F an, gab sich als Arzt aus und erkundigte |
| + | sich, ob die ausgeschriebene Stelle noch vakant sei und ob er sich |
| + | bejahendenfalls vorstellen könne. Ihm wurde bedeutet, daß er |
| + | sofort vorbeikommen könne. So begab sich der Angeklagte |
| + | unverzüglich zum Gesundheitsamt, wo er sich dem dortigen |
| + | Verwaltungsleiter, dem Zeugen C, als Dr. Dr. Bartholdy vorstellte |
| + | und von diesem zu dem Amtsarzt, dem Zeugen Dr. W geleitet |
| + | wurde. In einem nun folgenden kurzen Gespräch zwischen dem |
| + | Angeklagten und dem Zeugen Dr. W stellte der Angeklagte heraus, |
| + | daß seine Interessen primär auf dem Gebiet der Psychologie und |
| + | der Psychiatrie lägen. Der Zeuge Dr. W fand den Angeklagten sehr |
| + | sympathisch, ließ erkennen, daß er ihn, den Angeklagten, für die |
| + | vakante Stelle des stellvertretenden Amtsarztes als geeignet ansah |
| + | und legte dem Angeklagten nahe, seine Bewerbungsunterlagen |
| + | zügig einzureichen, was der Angeklagte versprach. Die Vorstellung |
| + | 14 |
| + | im Gesundheitsamt dauerte insgesamt nicht mehr als 20 - 25 |
| + | Minuten. |
| + | b) |
| + | Da dem Zeugen Dr. W sehr daran gelegen war, die vakante Stelle |
| + | seines Stellvertreters schnellstmöglich zu besetzen, erinnerte er den |
| + | Angeklagten schon wenige Tage später nochmal schriftlich an die |
| + | Einreichung der Bewerbungsunterlagen. Bereits am 12. August 1982 |
| + | ging bei dem Gesundheitsamt der Stadt F ein Bewerbungsschreiben |
| + | des Angeklagten ein, dem ein Lebenslauf sowie notariell beglaubigte |
| + | Ablichtungen je einer auf den Namen Clemens Bartholdy lautenden |
| + | Approbations- und Promotionsurkunde zum Dr. med. beigefügt |
| + | waren. In dem – frei erfundenen – Lebenslauf gab der Angeklagte |
| + | u. a. an, als Sohn eines Arztehepaares nach dem Abitur Medizin |
| + | studiert zu haben sowie Psychologie mit den Schwerpunkten |
| + | klinische Psychologie und forensische Psychologie. Des weiteren |
| + | habe er in einer psychiatrischen Privatklinik sowie in der |
| + | psychiatrischen-neurologischen Praxis seines Onkels gearbeitet, wie |
| + | er außerdem 2 Jahre und 1 Monat lang in einem kirchlichen Klinikum |
| + | in M tätig gewesen sei. Die Name und/oder nachprüfbare Auskünfte |
| + | seiner Arbeitsstellen gab er nicht an, wie er auch als Geburtsdatum |
| + | den 18. März 1952 angab. |
| + | Die Approbationsurkunde der Gesundheitsbehörde H trägt die |
| + | Matrikel Nr. 61.00897, das Aktenzeichen 86/79 a und die |
| + | Unterschrift eines Senatsdirektors Dr. Leinert. Die |
| + | 15 |
| + | Promotionsurkunde mit dem Prädikat "summa cum laude" der |
| + | medizinischen Hochschule Hannover weist als Aussteller die |
| + | Schriftzüge des Rektors Prof. Dr. Hundeshagen auf. Bei beiden |
| + | Zertifikaten handelt es sich um Ablichtungen von Totalfälschungen. |
| + | Die entsprechenden Urkundsformulare hatte der Angeklagte sich |
| + | eigenen Angaben zufolge von einer Druckerei in B herstellen lassen |
| + | und mit von ihm frei erfundene Eintragungen versehen. |
| + | Anschließend war er in der Bremer Anwaltskanzlei Cassens und |
| + | Partner vorstellig gewesen, wo es ihm gelang, nach Vorlage der |
| + | gefälschten "Originale" nebst der benötigten Anzahl von |
| + | Ablichtungen sich letztere von dem Notarvertreter B notariell |
| + | beglaubigen zu lassen. |
| + | c) |
| + | Die vorgenannten in Flensburg für zweifelsfrei gehaltenen |
| + | Unterlagen wurden eiligst, und zwar schon am 18. August 1982 dem |
| + | Zeugen B als dem zuständigen Dezernenten vorgelegt. Dieser |
| + | unterzeichnete ein von dem Zeugen C vorbereitetes Schreiben an |
| + | das Personalamt der Stadt Flensburg, wonach "sich herausgestellt |
| + | habe, daß der Bewerber die fachliche und persönliche Eignung für |
| + | die Stelle des stellvertretenden Amtsarztes mitbringe". Es wurde |
| + | gebeten, die "notwendigen Beschlüsse der zuständigen Gremien |
| + | herbeizuführen mit dem Ziel, Herrn Dr. Bartholdy am 15.09.1982 als |
| + | Arzt bei dem Gesundheitsamt einzustellen." Eine inhaltliche Prüfung |
| + | der Empfehlung nahm der Zeuge B nicht vor, wie er sich auch nicht |
| + | bei dem Zeugen Dr. W danach erkundigte, wie und auf welche |
| + | 16 |
| + | Weise dieser sich über die fachliche Eignung des Angeklagten |
| + | vergewissert habe. Das Personalamt der Stadt Flensburg legte die |
| + | Bewerbung noch am gleichen Tage dem Personalausschuß vor, |
| + | welcher die Einstellung des Angeklagten empfahl. Mit Wirkung vom |
| + | 15. September 1982 wurde der Angeklagte als Arzt mit Vergütung |
| + | nach BAT Gruppe II eingestellt. Er war als solcher bis Ende März |
| + | 1983 im Gesundheitsamt tätig. Seine Dienstbezüge für diesen |
| + | Zeitraum beliefen sich auf ca. 32.000,– DM. |
| + | d) |
| + | Zusammen mit dem Einstellungsbescheid vom 25. August 1984 |
| + | wurde der Angeklagte gebeten, außer einem amtsärztlichen |
| + | Gesundheitszeugnis und einem amtlichen Führungszeugnis einen |
| + | Leistungsnachweis seines letzten Arbeitgebers, Geburts- und |
| + | Heiratsurkunde sowie die von der Buchhaltung benötigte |
| + | Lohnsteuerkarte nebst Befreiungsnachweis von der |
| + | Rentenversicherungspflicht beizubringen. |
| + | Der Angeklagte trat seinen Dienst vereinbarungsgemäß zum |
| + | vorgesehenen Zeitpunkt pünktlich an, legte jedoch zunächst nur die |
| + | Geburts- und Heiratsurkunde sowie ein amtsärztliche Zeugnis der |
| + | Freien Hansestadt Bremen vor. Die standesamtlichen Urkunden |
| + | hatte er selbst auf einer Schreibmaschine getippt, sie als Abschriften |
| + | deklariert und auf ihrer unteren linken Seite einen vom 3. |
| + | September 1982 datierenden Beglaubigungsvermerk angebracht. |
| + | Sodann war er erneut zur Anwaltskanzlei Cassens in Bremen |
| + | 17 |
| + | gegangen, wo er einen geeigneten Augenblick abgepaßt haben will, |
| + | in dem er die Schriftstücke unbemerkt mit dem Notariatssiegel |
| + | versehen konnte. Den Namen des Notarvertreters B will er später |
| + | daruntergesetzt haben, wobei er sich nicht einmal die Mühe |
| + | gemacht habe, dessen Schrift nachzuahmen. Auch bei dem |
| + | Gesundheitszeugnis handelt es sich um eine Fälschung. |
| + | e) |
| + | Bald nach Dienstantritt in Flensburg bemühte der Angeklagte sich |
| + | um die Beschaffung der noch fehlenden geforderten Unterlagen, |
| + | deren Vorlage ihm besonders dringlich erschien. Am 22. September |
| + | 1982 suchte er die Flensburger Druckerei Gebh auf, stellte sich |
| + | unter dem Namen Dr. Dr. Bartholdy als bei dem Gesundheitsamt in |
| + | Flensburg tätiger Arzt vor und beauftragte die Firma mit der |
| + | Herstellung einer angeblich für die Bundesversicherungsanstalt für |
| + | Angestellte bestimmten Bescheinigung. Hierbei handelt es sich um |
| + | den von ihm für seinen Dienstherrn benötigten Nachweis von der |
| + | Befreiung zur Beitragsleistung zur Rentenversicherungspflicht. |
| + | Auftragsgemäß wurden nach einer von dem Angeklagten |
| + | mitgebrachten Vorlage ein Filmabzug und davon wiederum die |
| + | gewünschten Blankoformulare gefertigt. Eines dieser Formulare |
| + | füllte der Angeklagte aus, unterzeichnete es mit einem unleserlichen |
| + | Namenszug und übersandte es zusammen mit einer gefälschten |
| + | Lohnsteuerkarte sowie einem Krankenversicherungsnachweis an das |
| + | Personalamt der Stadt F. |
| + | 18 |
| + | f) |
| + | Der im Einstellungsschreiben enthaltenen Aufforderung, ein Zeugnis |
| + | seines letzten Arbeitgebers einzureichen, kam der Angeklagte |
| + | schließlich nach, als er vom Personalamt unter dem 17. Januar 1983 |
| + | daran erinnert wurde. Der Angeklagte benutzte dazu einen von ihm |
| + | beschafften, mit dem Namen "Prof. Dr. Dr. med. Leiding" |
| + | versehenen Briefbogen, überschrieb ihn mit dem Titel |
| + | "Arbeitszeugnis" und setzte darunter einen Text auf, wonach er vom |
| + | 1. Mai 1980 bis zum 31. Mai 1982 in der medizinischen Klinik des St. |
| + | Elisabeth-Hospitals in München als Assistenzarzt tätig gewesen sei, |
| + | diese Tätigkeit zur Zufriedenheit seines angeblichen Arbeitgebers |
| + | ausgeführt habe und auch als verantwortlicher Stationsarzt der |
| + | allgemeinen internistischen Station tätig gewesen sei. Dieses |
| + | angebliche Zeugnis unterschrieb der Angeklagte anschließend mit |
| + | dem Namen "Leiding". Die in dem erwähnten Schreiben der Stadt |
| + | Flensburg erstmals von ihm erbetene Promotionsurkunde zum Dr. |
| + | phil. und das gleich zu Beginn seiner Tätigkeit erwähnte amtliche |
| + | Führungszeugnis blieb er dagegen bis zu seinem Ausscheiden aus |
| + | dem amtsärztlichen Dienst der Stadt Flensburg schuldig. |
| + | g) |
| + | In seinen Aufgabenbereich bei dem Gesundheitsamt der Stadt |
| + | Flensburg wurde der Angeklagte durch den Zeugen Dr. W |
| + | eingewiesen. Der Angeklagte lernte dabei nach und nach |
| + | verschiedene Tätigkeiten kennen. So entnahm er Abstriche bei |
| + | Prostituierten, führte selbständig körperliche Untersuchungen nach |
| + | 19 |
| + | dem Bundesseuchengesetz durch, nahm die bei Feuerbestattungen |
| + | üblichen Leichenschauen vor und wurde auf Ersuchen anderer |
| + | Behörden tätig, welche um die Aufstellung amtsärztlicher Zeugnisse |
| + | bei Verkehrsteilnehmern, Beamten und Personen aus anderen |
| + | Berufsschichten ersuchten. Daneben wurde der Angeklagte auch |
| + | von der Justiz als Gutachter in Anspruch genommen. So hatte er |
| + | sich beispielsweise im Bereich der Familiengerichtsbarkeit zur |
| + | Arbeitsfähigkeit der einen oder anderen Partei zu äußern, |
| + | untersuchte er Beteiligte an vormundschaftsgerichtlichen Verfahren |
| + | auf ihre Vernehmungsfähigkeit und wurde er mit der Prüfung der |
| + | Verhandlungsfähigkeit von Angeklagten in einem Strafverfahren |
| + | beauftragt. Im einzelnen gab er auch Stellungnahmen zur |
| + | strafrechtlichen Verantwortlichkeit Jugendlicher ab. Außerdem |
| + | unterstützte er den Zeugen Dr. W auch bei dessen Nebentätigkeiten |
| + | für das Kraftfahrtbundesamt und für die Seeberufsgenossenschaft in |
| + | nicht aufzuklärendem Umfang. |
| + | h) |
| + | Einige Zeit nach seinem Dienstantritt zeichnete sich ab, daß der |
| + | Angeklagte auf dem Gebiet der Allgemeinmedizin erhebliche |
| + | Wissensdefizite aufwies und auch praktisch noch nicht sehr gut |
| + | arbeiten konnte. Der Angeklagte entschuldigte sich damit, daß er |
| + | nur sehr wenig Praxis auf diesem Gebiet habe, was einmal durch die |
| + | neue Ausbildungsordnung für Ärzte erklärlich und zum anderen auch |
| + | dadurch bedingt sei, daß seine Interessen mehr auf dem Gebiet der |
| + | Psychologie und der Psychiatrie lägen. Dem Zeugen Dr. W |
| + | 20 |
| + | erschienen solche Begründungen im Ergebnis plausibel. Ernsthafte |
| + | Zweifel an dem Arztsein des Angeklagten kamen dem Zeugen nicht |
| + | auf. Vielmehr trug der Zeuge Dr. W den Interessen des Angeklagten |
| + | dadurch Rechnung, daß er diesem weniger allgemeinmedizinische |
| + | Aufgaben übertrug und ihn verstärkt auf psychiatrischem bzw. |
| + | psychologischem Gebiet einsetzte. |
| + | i) |
| + | Anders als dem Zeugen Dr. W kamen dem Zeugen Dr. Dr. B, der |
| + | seit mehr als 20 Jahren zweimonatlich Sprechstunden im |
| + | Gesundheitsamt abhielt, massive Bedenken bezüglich der ärztlichen |
| + | Fähigkeiten des Angeklagten, und zwar insbesondere, was die |
| + | psychologischen bzw. psychiatrischen Kenntnisse des Angeklagten |
| + | betraf. Der Zeuge Dr. Dr. B, ein erfahrener Nervenarzt und |
| + | Psychologe, hatte besonders deshalb Anlaß, an der fachlichen |
| + | Qualifikation des Angeklagten zu zweifeln, weil der Angeklagte u. a. |
| + | auf seine angebliche Ausbildung zum Facharzt bezogene |
| + | Äußerungen machte, die dem Fachmann ohne weiteres als |
| + | unzutreffend auffallen mußten. Außerdem waren dem Zeugen Dr. |
| + | Dr. B eine gewisse "Umtriebigkeit" und "Unkontrolliertheit" bei dem |
| + | Angeklagten aufgefallen, die zusätzlich sein Mißtrauen erregten. |
| + | Der Zeuge Dr. Dr. B teilte seine ernsthaften Zweifel an der |
| + | fachlichen Qualifikation des Angeklagten dem Zeugen Dr. W als den |
| + | ärztlichen Leiter des Gesundheitsamts der Stadt F mehrmals |
| + | mündlich mit. Der Zeuge Dr. W, welcher den Zeugen Dr. Dr. B auch |
| + | 21 |
| + | persönlich nicht leiden konnte, nahm die Warnungen jedoch nicht |
| + | ernst, sondern tat sie auch dem Zeugen Dr. Dr. B gegenüber als |
| + | Ausfluß von "Futterneid" ab in dem Sinne, daß Dr. Dr. B wohl um |
| + | seine "lukrativen Nebeneinnahmen" bange. Darüber hinaus machte |
| + | der Zeuge Dr. W sich nun noch dafür stark, daß eine besonders auf |
| + | die |
| + | Interessen des Angeklagten zugeschnittene Planstelle im |
| + | Städtischen Gesundheitsdienst geschaffen würde, welcher dann u. |
| + | a. auch die von dem Zeugen Dr. Dr. B und dem Zeugen Dr. J, der |
| + | ebenfalls seit Jahren nebenamtlich als Psychologe tätig war, |
| + | verwalteten Stellen zum Opfer fallen sollten. Als den Zeugen Dr. Dr. |
| + | B und Dr. J solche Pläne durch Zufall bekannt wurden, wiesen bei |
| + | de erneut und nachdrücklich auf die mangelnde Qualifikation des |
| + | Angeklagten hin. Der Zeuge Dr. J wandte sich in einer ausführlichen |
| + | schriftlichen Stellungnahme an den Zeugen B als dem |
| + | Gesundheitsdezernenten der Stadt Flensburg. Er wies nachdrücklich |
| + | und eindringlich aus Sorge um die Patienten darauf hin, daß man es |
| + | fachlich nicht verantworten könne, dem Angeklagten die von ihm, |
| + | Dr. J, bis dahin wahrgenommenen Aufgaben zu übertragen. Der |
| + | Zeuge Dr. Dr. B äußerte sich in ähnlicher Weise mündlich gegenüber |
| + | dem Zeugen Dr. W. Ob der Zeuge B durch das in der |
| + | Hauptverhandlung verlesene und dem unbefangenen Leser nur als |
| + | "Hilferuf" zu deutende Schriftstück des Zeugen Dr. J inhaltlich zur |
| + | Kenntnis genommen hat, ließ sich in der Hauptverhandlung nicht |
| + | klären. Der Zeuge B hat insoweit nur bekundet, er habe das |
| + | Schreiben dem zuständigen "zwecks Beantwortung weitergeleitet". |
| + | 22 |
| + | Der Zeuge Dr. Dr. B sah sich schließlich genötigt, etwa Anfang |
| + | Februar 1983 selbst so massiv auf den Angeklagten einzuwirken, |
| + | dieser sich schließlich entschloß, seinen Dienstvertrag mit Stadt |
| + | Flensburg über den Ablauf der Probezeit hinaus nicht zu verlängern, |
| + | sondern das Dienstverhältnis einvernehmlich zu lösen. Damit |
| + | erklärte sich auch die Stadt F einverstanden. Der Zeuge Dr. W |
| + | wirkte jedoch noch erfolgreich auf den Angeklagten ein, daß dieser |
| + | auf zwei Wochen anteiligen Urlaub verzichte, um noch bis Ende |
| + | März 1983 den damals beurlaubten Zeugen Dr. W vertreten zu |
| + | können, weil – so der Zeuge Dr. W – "ein schlechter Arzt eben noch |
| + | besser sei als gar kein Arzt." |
| + | Nach dem Ausscheiden des Angeklagten aus den Diensten der Stadt |
| + | F erteilte der Zeuge Dr. W dem Angeklagten unter dem 11. April |
| + | 1984 ein als "Bescheinigung" deklariertes Dienstzeugnis, in welchem |
| + | es zusammenfassend heißt: "Herr Dr. Dr. B. hat alle ihm |
| + | übertragenen Aufgaben mit großem Engagement und in erstaunlich |
| + | kurzer Zeit bewältigen können. Seine unvoreingenommene Art und |
| + | seine Begeisterungsfähigkeit machten ihn zu einem angenehmen |
| + | Kollegen." |
| + | 2.) |
| + | Der Schwerpunkt der dem Angeklagten im Gesundheitsamt der |
| + | Stadt Flensburg übertragenen Aufgaben lag – wie gesagt – auf dem |
| + | Gebiet der Psychiatrie. Ihm oblag es, psychisch auffällige Menschen |
| + | 23 |
| + | fachärztlicher Behandlung zuzuführen, vor allen Dingen aber dem |
| + | Ordnungsamt und dem zuständigen Richter nach dem SchleswigHolsteinischen PsychKG beratend zur Seite zu stehen, wenn die |
| + | Unterbringung gefährlicher oder gefährdeter Menschen nach diesem |
| + | Gesetz in Rede stand. Diese Mitwirkung des Angeklagten trug in |
| + | insgesamt 34 Fällen mit dazu bei, daß die vorläufige Unterbringung |
| + | von Personen nach dem PsychKG beantragt wurde, weil der |
| + | Angeklagte psychische Erkrankungen diagnostiziert hatte. Seine |
| + | Diagnosen wurden in 31 Fällen durch die Aufnahmeärzte des |
| + | Landeskrankenhauses in Schleswig bestätigt, so daß die vorläufigen |
| + | Maßnahmen aufrechterhalten bleiben mußten. In drei Fällen |
| + | hingegen kamen die ärztlichen Sachverständigen des |
| + | Landeskrankenhauses Schleswig zu dem Ergebnis, daß die |
| + | Voraussetzungen für eine Unterbringung nach dem PsychKG aus |
| + | medizinischer Sicht nicht (mehr) vorlagen, woraufhin die Entlassung |
| + | der Betroffenen angeordnet wurde. Allerdings konnte in diesen drei |
| + | Fällen nicht sicher festgestellt werden, daß der Angeklagte insoweit |
| + | Fehldiagnosen gestellt hätte. Möglicherweise waren auch die |
| + | Krankheitssymptome im Zeitpunkt der späteren Anhörung der |
| + | Patienten im Landeskrankenhaus Schleswig wieder abgeklungen. |
| + | 3.) |
| + | Etwa drei Wochen nach seinem Dienstantritt in F beantragte der |
| + | Angeklagte bei der Commerzbank in Flensburg einen Kredit in Höhe |
| + | von 13.500,– DM zur Anschaffung eines Pkw's. Er fügte dem mit |
| + | dem Namen Dr. Dr. B unterschriebenen Antrag seinen neuen |
| + | 24 |
| + | Arbeitsvertrag mit der Stadt Flensburg bei und erreichte so, daß es |
| + | zum Abschluß des gewünschten Kreditgeschäftes kam. Der der |
| + | Commerzbank insgesamt geschuldete Betrag belief sich |
| + | einschließlich aller Nebenkosten auf 17.323,– DM und sollte in |
| + | monatlichen Teil beträgen von 969,– DM abgezahlt werden. Dieser |
| + | Abzahlungsverpflichtung kam der Angeklagte in der Folgezeit |
| + | regelmäßig nach. Er mußte seine Zahlungen jedoch einstellen, als |
| + | nach Auflösung des Dienstverhältnisses seine monatlichen Bezüge |
| + | ausblieben. Die inzwischen gerichtlich gelten gemachte |
| + | Restforderung der Kreditgeberin beträgt noch mehr als 12.000,– |
| + | DM. |
| + | 4.) |
| + | Mitte Dezember 1982 bestellte der Angeklagte die Zeugin M zu sich |
| + | in die Dienststelle. Dort bot er der Zeugin an, ihren Sohn Kay-Uwe |
| + | M, welcher nach seiner Entlassung aus dem Landeskrankenhaus |
| + | Schleswig zur weiteren Betreuung durch den sozialpsychiatrischen |
| + | Dienst an das Gesundheitsamt der Stadt F überwiesen worden war, |
| + | privat zu behandeln. Der Angeklagte schlug eine Gesprächstherapie |
| + | vor. Er stellte der Zeugin M in Aussicht, daß ihr Sohn durch eine |
| + | derartige Behandlung innerhalb eines halben Jahres wieder |
| + | arbeitsfähig werden könnte. Der Angeklagte versprach, |
| + | ausschließlich homöopathische Mittel zu verwenden, die man als |
| + | Privatmann nicht erwerben könne. |
| + | Diese sollten sich auch mit den Medikamenten vertragen, die der mit |
| + | der Behandlung des Sohnes außerdem befaßte Nervenarzt Dr. D |
| + | 25 |
| + | verordnet habe. Die Zeugin M nahm das Angebot des Angeklagten |
| + | an, worauf der Angeklagte in der Folgezeit mehrere Gespräche mit |
| + | ihrem Sohn führte. |
| + | Anfang Februar 1983 suchte die Zeugin M den Angeklagten erneut |
| + | im Gesundheitsamt auf, wo sie ihn zunächst aus Dankbarkeit eine |
| + | Flasche Whisky der Marke "Chivas Regal" aushändigte, welche der |
| + | Angeklagte annahm. In dem nun folgenden Gespräch ging es u. a. |
| + | darum, daß die Behandlung des Kay-Uwe M sehr kostspielig sei, |
| + | zumal deshalb, weil er – der Angeklagte – teure und noch nicht im |
| + | Handel befindliche Medikamente anwende. Die Zeugin M ließ im |
| + | Verlaufe des Gesprächs verlauten, daß ihr für die Behandlung ihres |
| + | Sohnes "nichts zu teuer" sei. Ob der Angeklagte von der Zeugin M |
| + | direkt Geld forderte oder ob die Zeugin dem Angeklagten |
| + | unaufgefordert einen Geldbetrag gab, ließ sich in der |
| + | Hauptverhandlung nicht genau klären. Fest steht jedenfalls, daß die |
| + | Zeugin dem Angeklagten einen Scheck über 700,– DM überließ, den |
| + | der Angeklagte später auch einlöste. |
| + | 5.) |
| + | Anfang des Jahres 1983 beschloß der Angeklagte, sich mit einem |
| + | Eurosignalempfänger auszurüsten. Durch Vermittlung der Firma |
| + | "Thaysen Funktechnik" in Harrislee bei Flensburg nahm er |
| + | Verbindung zu einer Heidelberger Gesellschaft für Mobilienleasing |
| + | auf und schloß mit dieser am 1. Februar 1983 unter dem Namen Dr. |
| + | Dr. Bartholdy einen Leasingvertrag über ein solches Gerät. Der |
| + | 26 |
| + | Vertrag hatte eine unkündbare Laufzeit von 4 1/2 Jahren und sah |
| + | Leasingraten in Höhe von monatlich 72,30 DM vor. Der Empfänger |
| + | und ein dazugehöriges Netzladegerät im Werte von 1.860,– DM |
| + | wurden dem Angeklagten ausgehändigt. Wie auch im Falle der |
| + | bereits erwähnten Kreditaufnahme bei der Commerzbank in |
| + | Flensburg konnte der Angeklagte nach der Beendigung seiner |
| + | Tätigkeit für das Gesundheitsamt Flensburg die vereinbarten |
| + | Ratenzahlungen nicht mehr erfüllen, behielt aber gleichwohl das |
| + | Leasingobjekt zunächst noch in seinem Besitz. Inzwischen hat er es |
| + | Anfang 1984 an die Eigentümerin zurückgegeben. |
| + | 6.) |
| + | Als sein Ausscheiden aus dem amtsärztlichen Dienst in Flensburg |
| + | feststand, bewarb der Angeklagte sich um die freigewordene Stelle |
| + | eines Assistenzarztes an der psychiatrischen Abteilung der |
| + | Universitätsnervenklinik in Kiel. Der Angeklagte rief am 23. und 24. |
| + | März dort an und wurde durch Zufall mit dem Direktor der Klinik, |
| + | dem Zeugen Prof. Dr. Sch verbunden, welcher den Angeklagten für |
| + | den 25. März 1983 zu einem Gespräch bat. Bei dieser Gelegenheit |
| + | berichtete der Angeklagte dem Zeugen Sch, er habe in Freiburg und |
| + | München studiert. Sein verhältnismäßig hohes Lebensalter erklärte |
| + | er mit einem angeblichen Doppelstudium von Medizin und |
| + | Psychologie. Nach bestandener ärztlicher Prüfung habe er über ein |
| + | Jahr lang in der Praxis seines Onkels gearbeitet, der in M als |
| + | Nervenarzt niedergelassen sei. Anschließend habe er den Wunsch |
| + | des mit ihm befreundeten Flensburger Amtsarztes Dr. W |
| + | 27 |
| + | entsprochen, diesem beim Aufbau eines sozialpsychiatrischen |
| + | Dienstes in Flensburg zu helfen. Nachdem er das 8 Monate lang |
| + | gemacht habe, wolle er sich nun seiner Weiterbildung zum Arzt für |
| + | Psychiatrie zuwenden. |
| + | Der bei diesem Gespräch sehr sicher, dabei aber durchaus höflich |
| + | und bescheiden auftretende Angeklagte verfehlte seinen Eindruck |
| + | auf den Zeugen Prof. Dr. Sch nicht Der Zeuge stellte dem |
| + | Angeklagten daher als Termin für die Aufnahme seiner Tätigkeit in K |
| + | den 18. April 1983 in Aussicht und richtete noch am selben Tag, |
| + | nämlich am 25.03. 1983, ein entsprechendes Empfehlungsschreiben |
| + | an das Präsidium der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. |
| + | Nun galt es für den Angeklagten wieder einmal, sämtliche |
| + | Bewerbungsformalitäten zu erfüllen. Hierbei ergab sich als |
| + | zusätzliche Hürde, daß die Universitätsklinik in Kiel bei |
| + | Neubewerbungen auf Vorlage der Originalapprobationsurkunde |
| + | bestand, die naturgemäß mit einem Siegel versehen ist. Ein solches |
| + | fehlte aber auf der nach wie vor im Besitz des Angeklagten |
| + | befindlichen Fälschung. Er beschaffte es sich in der Zeit zwischen |
| + | dem 29. und 30. März 1983 auf folgende Weise: Zunächst schnitt er |
| + | aus einem Hamburger Amtsblatt den Siegelabdruck heraus, um |
| + | diesen als Vorlage zu benutzen. Sodann setzte er sich mit einer |
| + | Klischeeanstalt in Flensburg in Verbindung, wo er sich deren |
| + | Betriebsleiter gegenüber als Arzt des hiesigen Gesundheitsamtes |
| + | auswies. Der Angeklagte erklärte, er handele im amtlichen Auftrage |
| + | 28 |
| + | und müsse sehr eilig, und zwar noch im März 1983, ein Siegel der |
| + | Gesundheitsbehörde Hamburg beschaffen, die in Flensburg eine |
| + | Filiale gründen wolle. Der Betriebsleiter verwies den Angeklagten zur |
| + | Fertigung des dafür erforderlichen Fotosatzes zunächst an die Firma |
| + | Petersen in Harrislee und stellte nach dessen Erhalt ein Zinkklischee |
| + | des benötigten Dienstsiegels her. Mit diesem suchte der Angeklagte |
| + | die Stempel- und Gravierwerkstatt Kahle in Flensburg auf, legte |
| + | auch dort seine Dienstausweis vor, beauftragte die Firma, von dem |
| + | mitgebrachten Klischee einen Gummistempel anzufertigen. Der |
| + | Inhaber der Firma, der Zeuge K, dem an der Rechtmäßigkeit des |
| + | Auftrages ebensowenig Bedenken kamen wie zuvor den übrigen |
| + | Geschäftsleuten, führte die Bestellung aus und versetzt den |
| + | Angeklagten dadurch unbewußt in die Lage, eine falsche |
| + | Approbationsurkunde mit dem Abdruck eines Dienststempels der |
| + | Gesundheitsbehörde Hamburg zu versehen. |
| + | Zur Vervollständigung seiner Bewerbungsunterlagen benötigte der |
| + | Angeklagte außerdem wieder beglaubigte Abschriften einer Geburtsund Heiratsurkunde, von denen er im Gegensatz zu anderen selbst |
| + | gefertigten Legitimationspapieren keinen Vorrat besaß. Er stellte |
| + | daher erneut je ein Exemplar auf die schon beschriebene Weise her |
| + | und versah beide mit dem Dienstsiegel des Gesundheitsamts |
| + | Flensburg, das dessen Verwaltungsleiter, der Zeuge C, in seiner |
| + | Schreibtischschublade aufbewahrte und zu dem der Angeklagte |
| + | offenbar ohne erhebliche Schwierigkeiten Zugang nehmen konnte. |
| + | Den Beglaubigungsvermerk unterschrieb der Angeklagte mit einem |
| + | 29 |
| + | unleserlichen Namenszug und fügte die Dienstbezeichnung |
| + | "Amtsrat" sowie die ein Auftragsverhältnis kennzeichnenden |
| + | Buchstaben "i. A." hinzu. Zusammen mit einer äußerlich von früher |
| + | benutzten Exemplaren abweichenden Promotionsurkunde, der |
| + | Bescheinigung über seine "ärztliche Tätigkeit" beim Gesundheitsamt |
| + | Flensburg und einen zum Teil abgewandelten Lebenslauf übersandte |
| + | der Angeklagte sodann die vorgenannten Unterlagen unter dem |
| + | 26.03.1983 dem Personalsachbearbeiter im Präsidium der ChristianAlbrechts-Universität zu Kiel. Dieser fertigte nach Prüfung der |
| + | Bewerbungsunterlagen eine Ablichtung von der gesiegelten |
| + | Approbationsurkunde und händigte dem Angeklagten das "Original" |
| + | wieder aus. Bald danach beschloß das Präsidium der ChristianAlbrechts-Universität in Kiel empfehlungsgemäß die Einstellung des |
| + | Angeklagten als wissenschaftlicher Angestellter (Arzt) in der |
| + | Abteilung Psychiatrie der Universitätsnervenklinik in Kiel. Dort sollte |
| + | er seinen Dienst am 18. April 1983 antreten, wozu es aber infolge |
| + | der Entlarvung des Angeklagten nicht mehr kam. Denn wenige Tage |
| + | vorher hatte der Angeklagte auf dem Südermarkt in Flensburg eine |
| + | Hülle mit zwei Ausweisen verloren, von denen zwar beide mit |
| + | seinem Paßbild versehen waren, jedoch verschiedene Namen |
| + | trugen. Dadurch konnte die wahre Identität des Angeklagten |
| + | aufgedeckt und der Angeklagte selbst wenig später in Bremen |
| + | festgenommen werden. |
| + | Der Angeklagte wurde zunächst wenige Tage in Untersuchungshaft |
| + | genommen, von deren Vollzug er jedoch durch Beschluß des |
| + | 30 |
| + | Amtsgerichts Flensburg verschont wurde. Den |
| + | Verschonungsbeschluß hat die Kammer nach Beschwerde der |
| + | Staatsanwaltschaft bestätigt. |
| + | Nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft hat der |
| + | Angeklagte die ihm besonders in den Medien zuteil gewordene |
| + | Aufmerksamkeit genützt und seine Tätigkeit als "Flensburger |
| + | Amtsarzt" durch Presse und Fernsehen "vermarktet". |
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