Zeile 23: |
Zeile 23: |
| Ferner werde eine Ausbildung durch den "Bildungscheck- NRW" staatlich gefördert<ref>http://www.luxo.me/startseite/seminare-ausbildung/stipendium/</ref> | | Ferner werde eine Ausbildung durch den "Bildungscheck- NRW" staatlich gefördert<ref>http://www.luxo.me/startseite/seminare-ausbildung/stipendium/</ref> |
| | | |
− | ==== Pseudowissenschaftlicher Kontext der "Lehre" ====
| + | === Pseudowissenschaftlicher Hintergrund der "Lehre" === |
− | ===== Phrenologie nach Gall =====
| + | Das „Structured Face Reading“ basiert nach eigenen Angaben auf den Erkenntnissen und Lehren anderer Autoren. Diese werden in der Fachwelt ebenfalls als empirisch nicht belegt angesehen und spielen daher in der wissenschaftlichen Praxis keine ernstzunehmende Rolle. |
| + | |
| + | ====Phrenologie nach Gall==== |
| Die Methode des Structured Face Reading weist Analogien zur klassischen [[Phrenologie]] nach Gall (19. Jahrhundert) auf. Der deutsche Arzt '''Franz Joseph Gall''' (1758-1828) glaubte den Charakter und die "Triebe" eines Menschen anhand der Form seines Schädels bestimmen zu können. Galls Phrenologie fußte auf unwissenschaftliche Annahmen des Altertums, der [[Physiognomik]], die auch Element diverser [[Okkultismus|okkulter ]]Geheimlehren war. Kernthese Galls war, dass jede charakterliche Eigenschaft des Menschen einem Gehirnareal zuzuordnen sei. Je stärker somit eine bestimmte Eigenschaft ausgeprägt ist, desto größer sollte das entsprechende Hirnareal sein. Weiterhin würde nun je nach Größe des Areals von der Innenseite | | Die Methode des Structured Face Reading weist Analogien zur klassischen [[Phrenologie]] nach Gall (19. Jahrhundert) auf. Der deutsche Arzt '''Franz Joseph Gall''' (1758-1828) glaubte den Charakter und die "Triebe" eines Menschen anhand der Form seines Schädels bestimmen zu können. Galls Phrenologie fußte auf unwissenschaftliche Annahmen des Altertums, der [[Physiognomik]], die auch Element diverser [[Okkultismus|okkulter ]]Geheimlehren war. Kernthese Galls war, dass jede charakterliche Eigenschaft des Menschen einem Gehirnareal zuzuordnen sei. Je stärker somit eine bestimmte Eigenschaft ausgeprägt ist, desto größer sollte das entsprechende Hirnareal sein. Weiterhin würde nun je nach Größe des Areals von der Innenseite |
| des Schädels ein verschieden starker Druck auf den Schädelknochen ausgeübt. Dieser "Schädelinnendruck" wiederum sollte dafür veantwortlich sein, dass an verschiedenen Stellen der Schädeloberfläche "Auswölbungen" entstehen, die - von außen sichtbar- Rückschlüsse auf die bestimmten vergrößerten Hirnarealen geben sollen. Jeder denkbaren Eigenschaft des Menschen eine spezifische Hirnregion zuzuordnen ist bis heute nicht gelungen und wird wahrscheinlich nicht gelingen, da wir dank der modernen Neurowissenschaften wissen, dass die Hirnstrukturen netzwerkartig organisiert sind. Selbst für den Fall, dass man einzelnen Arealen derart exakte Eigenschaften zuordnen könnte, würde die Masse der Hirnsubstanz nicht ausreichen um einen derartigen Druck zu erzeugen, der die Schädelkalotte wölben oder verformen kann. Bei erhöhtem Hirndruck kommt es vielmehr zum Koma bzw. Tod eines Menschen durch eine Einklemmung des Gehirns, da der einzige Ort einer möglichen Ausdehnung das Foramen magnum ( Übergang zwischen Hirn und Rückenmark, Austrittsstelle des Rückenmarks) ist. Auch kann Galls Theorie nicht erklären, wie es zu einer Verformung des Ohren- oder Nasenknorpels durch das angeblich größer werdende Gehirn kommen soll, welches sich ja in der Schädelhöhle befindet ohne direkten Kontakt zu diesen Strukturen. | | des Schädels ein verschieden starker Druck auf den Schädelknochen ausgeübt. Dieser "Schädelinnendruck" wiederum sollte dafür veantwortlich sein, dass an verschiedenen Stellen der Schädeloberfläche "Auswölbungen" entstehen, die - von außen sichtbar- Rückschlüsse auf die bestimmten vergrößerten Hirnarealen geben sollen. Jeder denkbaren Eigenschaft des Menschen eine spezifische Hirnregion zuzuordnen ist bis heute nicht gelungen und wird wahrscheinlich nicht gelingen, da wir dank der modernen Neurowissenschaften wissen, dass die Hirnstrukturen netzwerkartig organisiert sind. Selbst für den Fall, dass man einzelnen Arealen derart exakte Eigenschaften zuordnen könnte, würde die Masse der Hirnsubstanz nicht ausreichen um einen derartigen Druck zu erzeugen, der die Schädelkalotte wölben oder verformen kann. Bei erhöhtem Hirndruck kommt es vielmehr zum Koma bzw. Tod eines Menschen durch eine Einklemmung des Gehirns, da der einzige Ort einer möglichen Ausdehnung das Foramen magnum ( Übergang zwischen Hirn und Rückenmark, Austrittsstelle des Rückenmarks) ist. Auch kann Galls Theorie nicht erklären, wie es zu einer Verformung des Ohren- oder Nasenknorpels durch das angeblich größer werdende Gehirn kommen soll, welches sich ja in der Schädelhöhle befindet ohne direkten Kontakt zu diesen Strukturen. |
| | | |
− | ===== Psycho-Physiognomik nach Huter =====
| + | ====Psycho-Physiognomik nach Huter==== |
| An der Schwelle zum 20. Jahrhundert hat vor allem Carl Huter (1861–1912) die Bezeichnung „Psycho-Physiognomik“ geprägt. Der gelernte Porzellan- und Porträtmaler gilt seinen Anhängern bis heute als Universalgenie <ref>https://www.gwup.org/infos/themen/92-psychotechniken/995-schaedeldeutung-und-co-)</ref> <ref>https://www.gwup.org/infos/themen/92-psychotechniken/995-schaedeldeutung-und-co-</ref>] , weil er nicht nur zur Schädeldeutung sondern auch zur Graphologie , Irisdiagnostik, | | An der Schwelle zum 20. Jahrhundert hat vor allem Carl Huter (1861–1912) die Bezeichnung „Psycho-Physiognomik“ geprägt. Der gelernte Porzellan- und Porträtmaler gilt seinen Anhängern bis heute als Universalgenie <ref>https://www.gwup.org/infos/themen/92-psychotechniken/995-schaedeldeutung-und-co-)</ref> <ref>https://www.gwup.org/infos/themen/92-psychotechniken/995-schaedeldeutung-und-co-</ref>] , weil er nicht nur zur Schädeldeutung sondern auch zur Graphologie , Irisdiagnostik, |
| Rassenlehre, Paläontologie sowie zur Entstehung des Weltalls "forschte". Huter legte äußerst umfangreiche "Deutungskataloge" für alle Regionen des menschlichen Schädels vor. Hierbei spielen mehrere von ihm eigens definierte „Strahlungsenergien“ eine zentrale Rolle, denn es komme - so die Theorie- zu einem stetigen Energieaustausch zwischen Innerem und Äußeren der "Körperhülle", wodurch das äußere Erscheinungsbild des Menschen maßgeblich geprägt werden soll. Wie diese spezifischen Deutungspunkte entstehen sollen, die auf charakterliche Eigenschaften des | | Rassenlehre, Paläontologie sowie zur Entstehung des Weltalls "forschte". Huter legte äußerst umfangreiche "Deutungskataloge" für alle Regionen des menschlichen Schädels vor. Hierbei spielen mehrere von ihm eigens definierte „Strahlungsenergien“ eine zentrale Rolle, denn es komme - so die Theorie- zu einem stetigen Energieaustausch zwischen Innerem und Äußeren der "Körperhülle", wodurch das äußere Erscheinungsbild des Menschen maßgeblich geprägt werden soll. Wie diese spezifischen Deutungspunkte entstehen sollen, die auf charakterliche Eigenschaften des |
Zeile 35: |
Zeile 37: |
| | | |
| Hinweis: in der wissenschaftlichen Medizin spielen die "ad hoc" Diagnosen durch Betrachten eines Patienten eine wichtige Rolle, auch wenn diese in der Vergangenheit eine größere Rolle spielte als heute. Psychiatrische Erkrankungen, Hautkrankheiten oder bestimmte Stoffwechselerkrankungen hinterlassen regelmäßig sichtbare Spuren, die Hinweise zur Diagnose von Krankheiten geben können, und beispielsweise bei bewusstlosen unbekannten Patienten die ersten Hinweise für lebensrettende Maßnahmen geben. Zur entsprechenden medizinischen Blickdiagnostik liegt umfangreiche Fachliteratur vor. Die sinnvolle und verantwortungsvolle Anwendung der ad hoc Blickdiagnostik setzt jedoch die genaue Kenntnis der jeweiligen Krankheiten und deren Pathophysiologie voraus. | | Hinweis: in der wissenschaftlichen Medizin spielen die "ad hoc" Diagnosen durch Betrachten eines Patienten eine wichtige Rolle, auch wenn diese in der Vergangenheit eine größere Rolle spielte als heute. Psychiatrische Erkrankungen, Hautkrankheiten oder bestimmte Stoffwechselerkrankungen hinterlassen regelmäßig sichtbare Spuren, die Hinweise zur Diagnose von Krankheiten geben können, und beispielsweise bei bewusstlosen unbekannten Patienten die ersten Hinweise für lebensrettende Maßnahmen geben. Zur entsprechenden medizinischen Blickdiagnostik liegt umfangreiche Fachliteratur vor. Die sinnvolle und verantwortungsvolle Anwendung der ad hoc Blickdiagnostik setzt jedoch die genaue Kenntnis der jeweiligen Krankheiten und deren Pathophysiologie voraus. |
| + | |
| + | ====Mimiklehre nach Paul Ekman==== |
| + | Ekman wurde von Menschenrechtsorganisationen mehrfach Diskriminierung vorgeworfen, weil er Flughafenpersonal bei der Wahrnehmung der Mikroexpressionen von Passagieren schult, damit sie auffällige Passagiere erkennen können. In einem ''Nature-News''-Artikel aus dem Jahr 2010 bezweifeln Wissenschaftlerkollegen, dass das Konzept in der Praxis funktioniert. Zudem habe Ekman seit Jahrzehnten seine Studien nicht per Peer-Review überprüfen lassen.<ref>[http://dasgehirn.info/handeln/mimik-gestik-koerpersprache/der-gesichtsversteher ''Der Gesichtsversteher.''] dasgehirn.info, Zugriff 30. Oktober 2013.</ref> |
| + | |
| + | Weiterhin fehlen wichtige Emotionen im Ekman-Modell (sexuelle Erregung, Mutter-Kind-Liebe, Neugier). Die Basisemotionen werden von Ekman ''unipolar'' dargestellt (z. B. fehlt zum Ekel der Appetit). Viele Persönlichkeitstheorien bevorzugen hingegen eine ''bipolare'' Skalierung von Persönlichkeitsmerkmalen. Sie verorten Individuen auf einem Kontinuum z. B. zwischen Introversion und Extraversion. Freude wiederum ist eine sehr unspezifische Emotion – von der hämischen Schadenfreude bis zur Freude über einen sportlichen Sieg hat sie viele Facetten und unterschiedliche Ausdrucksformen. |
| + | |
| + | Ekman übersieht nach Ansicht von Kritikern, dass die soziale Kommunikation nur eine Funktion von Emotionen ist. Bei vielen Emotionen wäre es unter evolutionstheoretischen Gesichtspunkten adäquater, sie zu verbergen.<ref>Hans-Georg Häusel: ''Die wissenschaftliche Fundierung des Limbic-Ansatzes.'' Nymphenburg Consult AG, Paper, München 2010. [http://www.nymphenburg.de/tl_files/pdf/LimbicScience101120.pdf (PDF; 1,3 MB)]</ref> |
| + | |
| + | Auch aus Sicht der Hirnforschung kommt Kritik an Ekman. So konnten Hennenletter und Schröder nur für Ekel und Angst eindeutige neuronale Korrelate nachweisen.<ref>A. Hennenlotter, U. Schroeder: ''Partly dissociable neutral substrates for recognizing basic emotions: a critical review.'' In: S. Anders u. a. (Hrsg.): ''Understanding Emotions.'' In: ''Progress in Brain Research.'' 156, Elsevier 2006.</ref> |
| + | |
| + | Die hohe Varianz und vergleichsweise schwache Signifikanz seiner eigenen Befunde erklärt Ekman selbst mit der kulturellen Prägung des Ausdrucks durch soziale Normen sowie kulturell geprägte Dekodierregeln. Soziologische Kritiker setzen dem ein Konzept der ''graduellen Dekodierung'' von Expressionen entgegen: Bei einer anzunehmenden begrenzten, eventuell nur minimalen Universalität des Gesichtsausdrucks sei innerhalb kulturell und sozial homogener bzw. sich nahestehender Gruppen eine deutlich präzisere „Decodierung“ der ''Dialekte'' möglich als zwischen unterschiedlichen Gruppen. Die Basisemotionen seien außerdem nicht diskret, sondern mischten sich im komplexen Gesichtsausdruck. Ekman ignoriere auch das seit Gustave Le Bon und Emile Durkheim bekannte Phänomen „sozial ansteckender“ Emotionen.<ref>Christian von Schewe: ''Die emotionale Struktur sozialer Interaktion: Emotionsexpression und soziale Ordnungsbildung.'' In: ''Zeitschrift für Soziologie.'' Jg. 39, H. 5 (2010), S. 346–362.</ref> |
| | | |
| ==Methode== | | ==Methode== |