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Die '''Zivilisationsschadentheorie''' bzw. diesbezügliche Hypothesen während des 3. Reiches.
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Die '''Zivilisationsschadentheorie''' bzw. diesbezügliche Hypothesen waren während des 3. Reiches entstandene Ansichten, der Mensch sei durch Zivilisation, Kultur, technischen Fortschritt, und Urbanisierung degeneriert, was verschiedene Zivilisationskrankheiten und moralischen Verfall zur Folge habe. Vertreter sahen die Moderne nicht als Fortschritt, sondern als Verfallserscheinung des Menschen an. Als Reaktion darauf etablierte sich die konservative und anti-moderne Lebensreformbewegung, die den Menschen wieder in eine natürlichere Form zurückführen will.
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Diskussionen über den Zusammenhang zwischen dem Grad der Zivilisation in der modernen Gesellschaft und dem Auftreten körperlicher oder geistiger Krankheiten lassen sich erstmals ab dem Jahr 1880 feststellen. Der Begriff 'Zivilisationskrankheit' oder 'disease of civilisation' wurde erstmals wohl vom amerikanischen Neurologen George M. Beard im Zusammenhang mit seinem Konzept der 'Neurasthenie' gebraucht (Roelcke 1995).
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==Entstehung==
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Diskussionen über den Zusammenhang zwischen dem Grad der Zivilisation in der modernen Gesellschaft und dem Auftreten körperlicher oder geistiger Krankheiten lassen sich erstmals ab dem Jahr 1880 feststellen. Der Begriff 'Zivilisationskrankheit' oder 'disease of civilisation' wurde erstmals wohl vom amerikanischen Neurologen George&nbsp;M. Beard im Zusammenhang mit seinem Konzept der 'Neurasthenie' gebraucht. <ref name='roelcke'>Roelcke V: 'Zivilisationsschäden am Menschen' und ihre Behandlung: Das Projekt einer 'seelischen Gesundheitsführung' im Nationalsozialismus. Medizinhistorisches Institut der Universität Bonn, 1995</ref>
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Dass Infektionskrankheiten um die Jahrhundertwende in Europa mit 20-25% aller Todesfälle die Mortalitätsstatistik bei Weitem dominierten, mag ein Grund für den Analogieschluss gewesen sein, dass eine zunehmender Zivilisationsgrad auch mehr Krankheiten nach sich ziehe. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass gegen Ende des 19.&nbsp;Jahrhunderts massive Wanderungsbewegungen der Landbevölkerung in die ab 1870-1880 zunehmend Arbeitskräfte benötigenden Industriebereiche der Städte einsetzten. So entstanden im Deutschen Reich in vielen Industrieregionen Ansiedlungen für Arbeiter, die miserable hygienische Bedingungen boten. Da eine konsequente Erschließung sauberen Trinkwassers bzw. eine Entsorgung der Fäkalien fehlte, waren solche Elendsquartiere Reservoire für Infektionskrankheiten wie Cholera, Typhus und andere hygienebedingte Erkrankungen. Die Hygienelehre, wie sie z.B. die Miasmenlehre des Max von Pettenkofer darstellte, wirkte deutlich zeitversetzt zur Verstädterung, so dass eine bauliche Bekämpfung der hygienischen Ursachen von Infektionskrankheiten (Schaffung von separaten Brunnenanlagen, Einführung von Abwasser- und Klärsystemen in räumlicher Trennung von Wassergewinnungseinrichtungen, fließendes Wasser in den Häusern, Toiletten auf dem Flur des Wohnhauses mit separater Drainage) erst zu Beginn des 20.&nbsp;Jahrhunderts und verstärkt erst nach dem I.&nbsp;Weltkrieg im Rahmen der so genannten 'Bauhausarchitektur' umgesetzt wurde. Dies führte bereits vor Beginn der antibiotischen Ära zur Reduktion des Auftretens hygienebedingter 'Zivilisationskrankheiten' wie Cholera oder Typhus in den Elendsgebieten der Arbeiterschaft. In den Wohnbereichen der vornehmen Bürgerschaft der Adligen waren bereits zur Hochblüte der Choleraseuchen im 19.&nbsp;Jahrhundert aufgrund besserer hygienischer Verhältnisse erheblich weniger Erkrankungsfälle aufgetreten. So hatten z.B. nur Wohlhabende die Möglichkeit, durch den Kauf von Brennholz in ausreichender Menge Trinkwasser zu kochen oder überhaupt sauberes Trinkwasser aus sauberen nicht-öffentlichen Brunnen zu beziehen. Wie die Cholera-Epidemie in Hamburg Ende des 19.&nbsp;Jahrhunderts lehrte, waren gerade öffentliche Brunnen oder Trinkkästen im Armenbereich der Stadt, die ihr Wasser ohne jede Vorfilterung direkt aus der fäkalienverseuchten Alster bezogen, Brutstätten der Seuchenerreger.
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Dass Infektionskrankheiten um die Jahrhundertwende in Europa mit 20-25% aller Todesfälle die Mortalitätsstatistik bei Weitem dominierten, mag ein Grund für den Analogieschluss gewesen sein, dass eine zunehmender Zivilisationsgrad auch mehr Krankheiten nach sich ziehe. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass gegen Ende des 19.&nbsp;Jahrhunderts massive Wanderungsbewegungen der Landbevölkerung in die ab 1870-1880 zunehmend Arbeitskräfte benötigenden Industriebereiche der Städte einsetzten. So entstanden im Deutschen Reich in vielen Industrieregionen Ansiedlungen für Arbeiter, die miserable hygienische Bedingungen boten. Da eine konsequente Erschließung sauberen Trinkwassers bzw. eine Entsorgung der Fäkalien fehlte, waren solche Elendsquartiere Reservoire für Infektionskrankheiten wie Cholera, Typhus und andere hygienebedingte Erkrankungen. Die Hygienelehre, wie sie z.B. die [[Miasmentheorie]] des Max von Pettenkofer darstellte, wirkte deutlich zeitversetzt zur Verstädterung, so dass eine bauliche Bekämpfung der hygienischen Ursachen von Infektionskrankheiten (Schaffung von separaten Brunnenanlagen, Einführung von Abwasser- und Klärsystemen in räumlicher Trennung von Wassergewinnungseinrichtungen, fließendes Wasser in den Häusern, Toiletten auf dem Flur des Wohnhauses mit separater Drainage) erst zu Beginn des 20.&nbsp;Jahrhunderts und verstärkt erst nach dem I.&nbsp;Weltkrieg im Rahmen der so genannten 'Bauhausarchitektur' umgesetzt wurde. Dies führte bereits vor Beginn der antibiotischen Ära zur Reduktion des Auftretens hygienebedingter 'Zivilisationskrankheiten' wie Cholera oder Typhus in den Elendsgebieten der Arbeiterschaft. In den Wohnbereichen der vornehmen Bürgerschaft der Adligen waren bereits zur Hochblüte der Choleraseuchen im 19.&nbsp;Jahrhundert aufgrund besserer hygienischer Verhältnisse erheblich weniger Erkrankungsfälle aufgetreten. So hatten z.B. nur Wohlhabende die Möglichkeit, durch den Kauf von Brennholz in ausreichender Menge Trinkwasser zu kochen oder überhaupt sauberes Trinkwasser aus sauberen nicht-öffentlichen Brunnen zu beziehen. Wie die Cholera-Epidemie in Hamburg Ende des 19.&nbsp;Jahrhunderts lehrte, waren gerade öffentliche Brunnen oder Trinkkästen im Armenbereich der Stadt, die ihr Wasser ohne jede Vorfilterung direkt aus der fäkalienverseuchten Alster bezogen, Brutstätten der Seuchenerreger.
    
==Die Zivilisationstheorie im III.&nbsp;Reich==
 
==Die Zivilisationstheorie im III.&nbsp;Reich==
Im III.&nbsp;Reich wurde in der Zeit zwischen 1939 und 1942 von einer kleinen Gruppe von Vertretern der Hygiene und Psychologie bzw. Psychotherapie eine spezifische Form der Zivilisationskritik formuliert, die vor allem in allgemeinmedizinischen Zeitschriften und parteinahen Publikationsorganen für eine gebildete Laienleserschaft formuliert wurden (Roelcke 1995).
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Im III.&nbsp;Reich wurde in der Zeit zwischen 1939 und 1942 von einer kleinen Gruppe von Vertretern der Hygiene und Psychologie bzw. Psychotherapie eine spezifische Form der Zivilisationskritik formuliert, die vor allem in allgemeinmedizinischen Zeitschriften und parteinahen Publikationsorganen für eine gebildete Laienleserschaft formuliert wurden<ref name='roelcke'/>.
    
Zu dieser Gruppe zählten folgende Protagonisten:
 
Zu dieser Gruppe zählten folgende Protagonisten:
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* Hildegard Hetzer (1899 - 1991), Pionierin auf dem Gebiet der Entwicklungspsychologie
 
* Hildegard Hetzer (1899 - 1991), Pionierin auf dem Gebiet der Entwicklungspsychologie
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Roelcke (1995) beschreibt am Beispiel der Publikationen von Achelis die Denkstruktur der Befürworter der 'Zivilisationsschadenstheorie'. Achelis knüpfte mit seinen Äußerungen an die Ideen Oswald Spenglers aus den 1920er Jahren an, die dieser in seinem Werk 'Der Untergang des Abendlandes' veröffentlicht hatte: Danach sind Kultur und Zivilisation zwei aufeinander folgende Phasen der Entwicklung einer Gesellschaft oder Nation, wobei die Phase der Kultur als Zustand der Blüte und inneren Kohärenz, die Phase der anschließenden Zivilisation dagegen als Prozess zunehmender Degeneration aufgefasst werden.
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Roelcke (1995) beschreibt am Beispiel der Publikationen von Achelis die Denkstruktur der Befürworter der 'Zivilisationsschadenstheorie'<ref name='roelcke'/>. Achelis knüpfte mit seinen Äußerungen an die Ideen Oswald Spenglers aus den 1920er Jahren an, die dieser in seinem Werk 'Der Untergang des Abendlandes' veröffentlicht hatte: <ref>Spengler O (1918/1922): Der Untergang des Abendlandes. München, 1972</ref> Danach sind Kultur und Zivilisation zwei aufeinander folgende Phasen der Entwicklung einer Gesellschaft oder Nation, wobei die Phase der Kultur als Zustand der Blüte und inneren Kohärenz, die Phase der anschließenden Zivilisation dagegen als Prozess zunehmender Degeneration aufgefasst werden.
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Für Achelis war der 'Kulturzustand' durch festgefügte soziale und religiöse Bindungen gekennzeichnet, was dem Menschen ein äußeres und inneres Gleichgewicht und somit seelische Gesundheit gewährleiste. Zivilisation sei demgegenüber ein Vorgang der Entwurzelung, der durch Entseelung, Verstädterung und Vertechnisierung gekennzeichnet sei und schließlich zur Degeneration führe. Den Beginn dieses Prozesses definierte Achelis zeitlich durch die Inthronisaton der Göttin der Vernunft im Rahmen der französischen Revolution. In der Folge dieser Entwicklung sei der Mensch in der Zivilisation einerseits der Verdrängung des Irrationalen ausgesetzt, andererseits verfüge er durch die Beherrschung der äußeren Natur über mehr technische Hilfsmittel als im Natur- oder Kulturzustand.
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Für Achelis war der 'Kulturzustand' durch festgefügte soziale und religiöse Bindungen gekennzeichnet, was dem Menschen ein äußeres und inneres Gleichgewicht und somit seelische Gesundheit gewährleiste. Zivilisation sei demgegenüber ein Vorgang der Entwurzelung, der durch Entseelung, Verstädterung und Vertechnisierung gekennzeichnet sei und schließlich zur Degeneration führe. Den Beginn dieses Prozesses definierte Achelis zeitlich durch die Inthronisation der Göttin der Vernunft im Rahmen der französischen Revolution. In der Folge dieser Entwicklung sei der Mensch in der Zivilisation einerseits der Verdrängung des Irrationalen ausgesetzt, andererseits verfüge er durch die Beherrschung der äußeren Natur über mehr technische Hilfsmittel als im Natur- oder Kulturzustand.
    
Nach Achelis war das historische Resultat des Zivilisationsprozesses neben Landflucht, Sittenzerfall und Geburtenrückgang ein gesteigertes Risiko des Individuums bezüglich Verschleißkrankheiten des Gefäß-, Magen-, Darm-, Drüsen- und Nervensystems über Genussgiftsucht bis hin zur allgemeinen Nervosität. Dazu kamen seiner Meinung nach sexueller Identitätsverlust, besonders in Form der Homosexualität in der sozialpolitisch bedeutsamen Form der Epidemie. Auch das Extrem der Weimarer Republik verkörperte nach Achelis den Zivilisationsschaden, wobei bereits die Demokratie als dekadent und pathogen betrachtet wurde.
 
Nach Achelis war das historische Resultat des Zivilisationsprozesses neben Landflucht, Sittenzerfall und Geburtenrückgang ein gesteigertes Risiko des Individuums bezüglich Verschleißkrankheiten des Gefäß-, Magen-, Darm-, Drüsen- und Nervensystems über Genussgiftsucht bis hin zur allgemeinen Nervosität. Dazu kamen seiner Meinung nach sexueller Identitätsverlust, besonders in Form der Homosexualität in der sozialpolitisch bedeutsamen Form der Epidemie. Auch das Extrem der Weimarer Republik verkörperte nach Achelis den Zivilisationsschaden, wobei bereits die Demokratie als dekadent und pathogen betrachtet wurde.
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Achelis war deshalb der Meinung, dass die größte Aufgabe für die Zukunft der Kampf gegen das Gespenst einer alleinseligmachenden Vernunft sei. Als Maßnahmen empfahl er Schutz und Festigung der gesunden Familie als der Keimzelle des Volkes und das Prinzip der germanischen Führeridee, das auf allen Organisationsstufen des sozialen Verbandes wieder zur Geltung gebracht werden müsse. Diese Maßnahmen sollten seiner Ansicht nach durch eine Aufwertung der modernen [[Naturheilkunde]] und einer Ausweitung der psychologischen Betreuung, unterstützt durch die Tätigkeit z.B. einer Zentralstelle für psychologische Bekämpfung von Zivilisationsschäden, erreicht werden.
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Achelis war deshalb der Meinung, dass die größte Aufgabe für die Zukunft der Kampf gegen das Gespenst einer alleinseligmachenden Vernunft sei. Als Maßnahmen empfahl er Schutz und Festigung der gesunden Familie als der Keimzelle des Volkes und das Prinzip der germanischen Führeridee, das auf allen Organisationsstufen des sozialen Verbandes wieder zur Geltung gebracht werden müsse. Diese Maßnahmen sollten seiner Ansicht nach durch eine Aufwertung der modernen [[Naturheilkunde]] und einer Ausweitung der psychologischen Betreuung, unterstützt durch die Tätigkeit z.B. einer Zentralstelle für psychologische Bekämpfung von Zivilisationsschäden, erreicht werden. <ref>Zeiss; H.; Pintschovius; K., (Hrsg.); Achelis W.: Zivilisationsschäden am Menschen, Lehmanns, Berlin, München, 1944</ref>
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Als Vermeidung von vermeintlichen Zivilisationsschäden sah die in der Mitte des 19. Jahrhunderts entstandene Lebensreformbewegung, die den Menschen wieder in einen Naturzustand zurückführen will. Dazu bediente man sich unter anderem der Naturheilkunde (zum Beispiel [[Impfgegner|Verzicht auf Impfungen]], da Infektionskrankheiten eine Art Reinigungsprozess der Natur wären, Homöopathie und [[Kneipp-Therapie|Kneippkuren]]), Reformkleidung, Freikörperkultur, Ernährungsreform (zum Beispiel Vollwertkost, Vegetarismus), Bildung von Landkommunen (Öko-Landbau) und Reformpädagogik. (siehe auch den [http://de.wikipedia.org/wiki/Lebensreform Wikipedia-Eintrag zu „Lebensreform“])
    
==Die NSDAP als Sammelbecken der Akteure der Zivilisationsschadenstheorie==
 
==Die NSDAP als Sammelbecken der Akteure der Zivilisationsschadenstheorie==
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* Friedrich&nbsp;F. Haag trat im Mai 1933 in die NSDAP ein und war ab 1934 Mitglied im NS-Hochschullehrerbund. 1934 wurde er zum außerordentlichen Professor an der medizinischen Akademie Düsseldorf ernannt und erhielt 1940 mit Unterstützung von Zeiss den Lehrstuhl für Hygiene an der Universität Gießen. Haag formulierte seine Überlegungen zur Zivilisationsschadentheorie nicht nur im Sammelband von Zeiss und Pintschovius, sondern auch wiederholt vor dem Forum des NS-Dozentenbundes.
 
* Friedrich&nbsp;F. Haag trat im Mai 1933 in die NSDAP ein und war ab 1934 Mitglied im NS-Hochschullehrerbund. 1934 wurde er zum außerordentlichen Professor an der medizinischen Akademie Düsseldorf ernannt und erhielt 1940 mit Unterstützung von Zeiss den Lehrstuhl für Hygiene an der Universität Gießen. Haag formulierte seine Überlegungen zur Zivilisationsschadentheorie nicht nur im Sammelband von Zeiss und Pintschovius, sondern auch wiederholt vor dem Forum des NS-Dozentenbundes.
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* Hildegard Hetzer, Psychologin und Vorreiterin auf dem Gebiet der Entwicklungspsychologie, war von 1931-1934 als Professorin an der Pädagogischen Akademie Elbing tätig. Später war sie Gutachterin des Jugendamtes und Mitarbeiterin in Einrichtungen der NS-Volkswohlfahrt. Hetzers Theorien waren Grundlage für psychologische Begutachtungen im Prozess der "Eindeutschung" polnischer Kinder im besetzten Warthegau. Im Rahmen der so genannten 'Waisenhausaktion' war sie 1942 auch als Gutachterin für die Gauverwaltung tätig. Sie beschrieb ihre Tätigkeit damit, dass es sich um Kinder handele, bei denen gewissermassen von außen her die Frage nach der Verpflanzung in einen anderen Lebensraum gestellt sei. Nach dem II. Weltkrieg konnte Hetzer ihre wissenschaftliche Karriere unbeschadet fortführen. 1948 wurde sie Professorin am Pädagogischen Institut Weilburg/Lahn, 1961 wechselte sie an die Universität Gießen und erhielt 1972 sogar das Bundesverdienstkreuz 1.&nbsp;Klasse.
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* Hildegard Hetzer, Psychologin und Vorreiterin auf dem Gebiet der Entwicklungspsychologie, war von 1931-1934 als Professorin an der Pädagogischen Akademie Elbing tätig. Später war sie Gutachterin des Jugendamtes und Mitarbeiterin in Einrichtungen der NS-Volkswohlfahrt. Hetzers Theorien waren Grundlage für psychologische Begutachtungen im Prozess der "Eindeutschung" polnischer Kinder im besetzten Warthegau. Im Rahmen der so genannten 'Waisenhausaktion' war sie 1942 auch als Gutachterin für die Gauverwaltung tätig. Sie beschrieb ihre Tätigkeit damit, dass es sich um Kinder handele, bei denen gewissermaßen von außen her die Frage nach der Verpflanzung in einen anderen Lebensraum gestellt sei. Nach dem II. Weltkrieg konnte Hetzer ihre wissenschaftliche Karriere unbeschadet fortführen. 1948 wurde sie Professorin am Pädagogischen Institut Weilburg/Lahn, 1961 wechselte sie an die Universität Gießen und erhielt 1972 sogar das Bundesverdienstkreuz 1.&nbsp;Klasse.
    
* [[Werner Kollath]] trat im Mai 1933 in die NSDAP ein und wurde 1935 Ordinarius für Hygiene in Rostock. 1945 wurde er aus allen universitären Ämtern entlassen, blieb aber weiterhin Direktor des Medizinal-Untersuchungsamtes. 1947 siedelte er nach Hamburg über und war bis zu seinem Tode 1970 als freier Wissenschaftler und Schriftsteller tätig. Ab 1958 versuchte er, den Wert seiner Reformkost 'Kollath-Frühstück' bzw. 'Kollath-Diät' wissenschaftlich zu begründen und in den Rahmen einer politischen Hygiene zu integrieren. Die in diesem Zusammenhang formulierten Ideen Kollaths unterscheiden sich nur unwesentlich (hauptsächlich nur in der Terminologie) von dem Programm des Sammelbandes 'Zivilisationsschäden am Menschen', der 1940 veröffentlicht wurde.
 
* [[Werner Kollath]] trat im Mai 1933 in die NSDAP ein und wurde 1935 Ordinarius für Hygiene in Rostock. 1945 wurde er aus allen universitären Ämtern entlassen, blieb aber weiterhin Direktor des Medizinal-Untersuchungsamtes. 1947 siedelte er nach Hamburg über und war bis zu seinem Tode 1970 als freier Wissenschaftler und Schriftsteller tätig. Ab 1958 versuchte er, den Wert seiner Reformkost 'Kollath-Frühstück' bzw. 'Kollath-Diät' wissenschaftlich zu begründen und in den Rahmen einer politischen Hygiene zu integrieren. Die in diesem Zusammenhang formulierten Ideen Kollaths unterscheiden sich nur unwesentlich (hauptsächlich nur in der Terminologie) von dem Programm des Sammelbandes 'Zivilisationsschäden am Menschen', der 1940 veröffentlicht wurde.
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==Die Strategie der Akteure der Zivilisationsschadentheorie==
 
==Die Strategie der Akteure der Zivilisationsschadentheorie==
Das Projekt einer psychologischen Hygiene bzw. einer seelischen Gesundheitsführung wurde von den Akteuren dieser Szene aus verschiedenen Gründen vorangetrieben. Während es den Hygienikern um Zeiss darum ging, den Kompetenzbereich ihres Faches auszubauen, wollten die Psychotherapeuten sich zunächst als universitäres Fach etablieren. Es war weniger der Mangel an Stellen für Psychologen oder Psychotherapeuten, der für Achelis, Pintschovius oder Hetzer im Vordergrund stand - vielmehr die mangelnde Möglichkeit einer akademischen Position oder Karriere. Achelis hatte offensichtlich neben einer sicher vorhandenen intellektuellen und literarischen Befähigung auch einen erheblichen Geltungsdrang und einen Hang zum Großartigen, wie sein Buch 'Principia Mundi: Versuch einer Auslegung des Wesens der Welt' aus dem Jahre 1930 zeigt (Roelcke 1995).
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Das Projekt einer psychologischen Hygiene bzw. einer seelischen Gesundheitsführung wurde von den Akteuren dieser Szene aus verschiedenen Gründen vorangetrieben. Während es den Hygienikern um Zeiss darum ging, den Kompetenzbereich ihres Faches auszubauen, wollten die Psychotherapeuten sich zunächst als universitäres Fach etablieren. Es war weniger der Mangel an Stellen für Psychologen oder Psychotherapeuten, der für Achelis, Pintschovius oder Hetzer im Vordergrund stand - vielmehr die mangelnde Möglichkeit einer akademischen Position oder Karriere. Achelis hatte offensichtlich neben einer sicher vorhandenen intellektuellen und literarischen Befähigung auch einen erheblichen Geltungsdrang und einen Hang zum Großartigen, wie sein Buch 'Principia Mundi: Versuch einer Auslegung des Wesens der Welt' aus dem Jahre 1930 zeigt. <ref name='roelcke'/>
    
==Die Bedeutung der Zivilisationsschadentheorie heute==
 
==Die Bedeutung der Zivilisationsschadentheorie heute==
 
In der [[New-Age]]- und Tierversuchsgegner-Szene (z.B. [[Urkost]] nach [[Franz Konz]]) und im Bereich der nicht evidenzbasierten Medizin (z.B. [[Homöopathie]]) wird das aus dem III.&nbsp;Reich stammende Modell des 'Zivilisationsschadens' wieder verstärkt verbreitet. Dabei weisen die Befürworter der jeweiligen Szenen historisches Unwissen und fehlendes Faktenwissen auf. Immerhin blenden sie aus, dass trotz steigenden 'Organisations- und Zivilisationsgrads' der modernen Industriegesellschaft allein in den letzten 25&nbsp;Jahren die altersstandardisierten Mortalitätsziffern vieler Tumorerkrankungen und Herzkreislaufkrankheiten erheblich gesunken ist, die Säuglings- und Müttersterblichkeit drastisch reduziert werden konnte und die allgemeine Lebenserwartung der jüngeren Generation bzw. Restlebenszeitspanne der älteren Generation sich im Zeitraum von weniger als einer Generation erheblich verlängerte und beständig weiter steigt.
 
In der [[New-Age]]- und Tierversuchsgegner-Szene (z.B. [[Urkost]] nach [[Franz Konz]]) und im Bereich der nicht evidenzbasierten Medizin (z.B. [[Homöopathie]]) wird das aus dem III.&nbsp;Reich stammende Modell des 'Zivilisationsschadens' wieder verstärkt verbreitet. Dabei weisen die Befürworter der jeweiligen Szenen historisches Unwissen und fehlendes Faktenwissen auf. Immerhin blenden sie aus, dass trotz steigenden 'Organisations- und Zivilisationsgrads' der modernen Industriegesellschaft allein in den letzten 25&nbsp;Jahren die altersstandardisierten Mortalitätsziffern vieler Tumorerkrankungen und Herzkreislaufkrankheiten erheblich gesunken ist, die Säuglings- und Müttersterblichkeit drastisch reduziert werden konnte und die allgemeine Lebenserwartung der jüngeren Generation bzw. Restlebenszeitspanne der älteren Generation sich im Zeitraum von weniger als einer Generation erheblich verlängerte und beständig weiter steigt.
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Sollte man also als Patient auf Begrifflichkeiten wie 'Zivilisationsschaden' stoßen oder mit Äußerungen des Nobelpreisträgers Alexis Carell aus dessen Buch 'Der Mensch - das unbekannte Wesen' konfrontiert werden, so darf man sich sicher sein, dass man es mit der Argumentationsweise des III.&nbsp;Reiches zu tun hat, die auch heute noch bewusst oder unbewusst von den naturheilkundlichen Szenen fortgeschrieben wird.
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Sollte man auf Begrifflichkeiten wie 'Zivilisationsschaden' stoßen oder mit Äußerungen des Nobelpreisträgers Alexis Carell aus dessen Buch 'Der Mensch - das unbekannte Wesen'<ref>Carell; A,: Der Mensch, das unbekannte Wesen, DVA Stuttgart, 1955</ref> konfrontiert werden, so darf man sich sicher sein, dass man es mit der Argumentationsweise des III.&nbsp;Reiches zu tun hat, die auch heute noch bewusst oder unbewusst von den naturheilkundlichen Szenen fortgeschrieben wird.
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Heutige Anklänge an die Lebensreformbewegung findet man innerhalb der rechten Szene in Form der [[braunen Ökologie]], einer Art Umweltbewegung rechtskonservativer bis neonazistischer Kreise.
    
==Quellennachweise==
 
==Quellennachweise==
* Roelcke V: 'Zivilisationsschäden am Menschen' und ihre Behandlung: Das Projekt einer 'seelischen Gesundheitsführung' im Nationalsozialismus. Medizinhistorisches Institut der Universität Bonn, 1995
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<references/>
* Spengler O (1918/1922): Der Untergang des Abendlandes. München, 1972
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{{Paralex}}
   
[[category:Pseudomedizin]]
 
[[category:Pseudomedizin]]
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