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| ==Auffassungen zu ADHS== | | ==Auffassungen zu ADHS== |
− | Zur Entstehung von ADHS vertritt Hüther eine vom allgemeinen Stand der Forschung abweichende Theorie. Er behauptet u.a., dass ADHS durch einen Überschuss an Dopamin im Striatum (einem Teil des Großhirnes) zustande komme.<ref>Hüther G: Kritische Anmerkungen zu den bei ADHD-Kindern beobachteten neurobiologischen Veränderungen und den vermuteten Wirkungen von Psychostimulanzien (Ritalin®). Analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie 2001;32(4):471. Das Manuskript dieses Aufsatzes wurde entgegen guter wissenschaftlicher Praxis vor seiner eigentlichen Veröffentlichung auf einer ritalinkritischen Internetpräsenz, dem ''Café Holunder'' von [[Hans-Reinhard Schmidt]], unter dem Titel: "Exklusiv: Die HÜTHER-Studie" einschließlich einer persönlichen Stellungnahme von Hüther selbst zur allgemeinen Kenntnisnahme verbreitet, siehe www.ads-kritik.de/ADS-Kritik7.htm und www.ads-kritik.de/HuetherStudie.htm</ref><ref>[http://www.win-future.de/downloads/diewirkungenvonritalin.pdf Gerald Hüther: Die Wirkungen von Ritalin® und ähnlichen Medikamenten]</ref> Dieser Ansatz wird von anderen Wissenschaftlern nicht geteilt, weil weder neurobiologische noch klinische Befunde diese Hypothese untermauern.
| + | === Hypothesen zur Entstehung von ADHS=== |
| + | Hüther vertritt eine vom allgemeinen Stand der Forschung abweichende Theorie. Er behauptet u.a., dass ADHS durch einen Überschuss an Dopamin im Striatum (einem Teil des Großhirnes) zustande komme.<ref>Hüther G: Kritische Anmerkungen zu den bei ADHD-Kindern beobachteten neurobiologischen Veränderungen und den vermuteten Wirkungen von Psychostimulanzien (Ritalin®). Analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie 2001;32(4):471. Das Manuskript dieses Aufsatzes wurde entgegen guter wissenschaftlicher Praxis vor seiner eigentlichen Veröffentlichung auf einer ritalinkritischen Internetpräsenz, dem ''Café Holunder'' von [[Hans-Reinhard Schmidt]], unter dem Titel: "Exklusiv: Die HÜTHER-Studie" einschließlich einer persönlichen Stellungnahme von Hüther selbst zur allgemeinen Kenntnisnahme verbreitet, siehe www.ads-kritik.de/ADS-Kritik7.htm und www.ads-kritik.de/HuetherStudie.htm</ref><ref>[http://www.win-future.de/downloads/diewirkungenvonritalin.pdf Gerald Hüther: Die Wirkungen von Ritalin® und ähnlichen Medikamenten]</ref> Dieser Ansatz wird von anderen Wissenschaftlern nicht geteilt, weil weder neurobiologische noch klinische Befunde diese Hypothese untermauern. |
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− | Umstritten sind Hüthers Experimente an insgesamt 5 Ratten, bei denen er nachgewiesen haben will, dass die Langzeitgabe von Methylphenidat (Ritalin®) das Entstehungsrisiko für eine spätere Parkinson-Krankheit stark erhöhe. Allerdings wurde im Abstract der Studie mit den Ratten ein mögliches Parkinson-Risiko nicht erwähnt, sondern dass die frühzeitige Gabe von Methylphenidat die Dopamin-Transporterdichte signifikant und nachhaltig reduziert, was eher eine Bestätigung für die Wirksamkeit von Methylphenidat bei ADHS ist.<ref>Moll GH, Hause S, Rüther E, Rothenberger A, Huether G: Early methylphenidate administration to young rats causes a persistent reduction in the density of striatal dopamine transporters. J Child Adolesc Psychopharmacol. 2001;11(1):15-24</ref>
| + | Nach Hüthers Auffassung besteht für ADHS zwar auch eine angeborene Anlage, die Störung soll sich aber, bedingt durch die Plastizität des Gehirns, allein durch erzieherische Maßnahmen lindern lassen oder gar nicht erst zum Ausbruch kommen.<ref>http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2002/0423/wissenschaft/0174/index.html</ref> Eine erbliche Komponente für die Entstehung von ADHS lehnt Hüther ab. Die Ursachen für ADHS sind ihm zufolge rein psychologischer und pädagogischer Natur. Die Behandlung von ADHS mit Methylphenidat (Ritalin®) sieht Hüther als "chemische Notlösung" an. Zitat: |
| + | :''"Die innere Struktur des kindlichen Gehirns, also die Art, wie die verschiedenen Zentren miteinander vernetzt werden, entsteht nicht von allein. Es hängt davon ab, welche Erfahrungen ein Kind macht. Das heißt: Wenn in der äußeren Welt Struktur gebende Elemente fehlen, kann auch im Gehirn keine Struktur aufgebaut werden. Das ist heute ein riesiges Problem, denn unsere Welt hat viel an Struktur verloren. Das hängt mit der Hektik des modernen Alltags zusammen, mit Problemen, die jungen Familien zu schaffen machen wie Partnerschaftskonflikte oder mit Karrieren, die aufzubauen sind. Kinder wachsen heute in eine Welt hinein, in der sehr viel durcheinander gerät, die wenig Halt, wenig Strukturen bietet. Besonders schwierig ist dies für diejenigen Kinder, die mehr Strukturen brauchen als andere, die so genannten ADHS-Kinder."''<ref name="istdaszap">www.win-future.de/downloads/istdaszappelphilippsyndromeinekrankheit.pdf</ref> |
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| + | Diese Auffassung bringt Hüther vor allem Beifall aus dem Lager der durch [[Scientology]] propagierten Psychiatriekritik<ref>http://www.mysnip.de/forum-archiv/thema/2306/872120/Leserbrief+an+den+Spiegel.html</ref>, von Vertretern der [[Psychoanalyse]], ADHS- bzw. [[Ritalinkritik]]ern sowie auch aus der [[Esoterik]]- und [[Anthroposophie|Anthroposophenszene]]<ref>http://www.info3.de/ycms/printartikel_700.shtml</ref> ein. Beispielsweise stützt [[Hans Tolzin]] seine ADHS- bzw. Ritalinkritik auf Hüther.<ref>http://anonym.to/?http://www.ads-kritik.de/HuetherStudie.htm</ref> Tolzins Internetseite verlinkt auf eine scientologynahe Ritalinkritik-Webseite, die sich ihrerseits auf Hüther beruft. Mit dem [[Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte e.V.|KVPM]]-Preisträger [[Paul Runge]] traf Hüther 2003 bei einem von [[Helmut Bonney]] veranstalteten Seminar mit bekannten Ritalinkritikern [[Ritalinkritik#bekannte_Ritalinkritiker|zusammen]]. |
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| + | ===Parkinson-Hypothese und Experimente mit Ratten=== |
| + | Häufig verweist Hüther auf Experimente an insgesamt 5 Ratten, bei denen er nachgewiesen haben will, dass die Langzeitgabe von Methylphenidat das Entstehungsrisiko für eine spätere Parkinson-Krankheit stark erhöhe. Allerdings wurde im Abstract der Studie mit den Ratten ein mögliches Parkinson-Risiko nicht erwähnt, sondern dass die frühzeitige Gabe von Methylphenidat die Dopamin-Transporterdichte signifikant und nachhaltig reduziert, was eher eine Bestätigung für die Wirksamkeit von Methylphenidat bei ADHS ist.<ref>Moll GH, Hause S, Rüther E, Rothenberger A, Huether G: Early methylphenidate administration to young rats causes a persistent reduction in the density of striatal dopamine transporters. J Child Adolesc Psychopharmacol. 2001;11(1):15-24</ref> |
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| Kritikpunkte an den Schlussfolgerungen zu den Ratten-Experimenten sind vor allem, dass man mit der geringen Anzahl von nur 5 Versuchstieren keine validen und signifikanten Ergebnisse liefern kann und dass in der Praxis, wo Methylphenidat bereits seit 40 Jahren angewendet wird, keine Parkinson-Fälle in Folge dieses Medikamentes auftraten. Der Zusammenhang zwischen einer Langzeit-Methylphenidatgabe im Kindesalter und einem erhöhten Risiko, später an der Parkinson-Krankheit zu erkranken, ist mittlerweile widerlegt.<ref>http://tu-dresden.de/die_tu_dresden/fakultaeten/medizinische_fakultaet/news/news-20100324-methylphenidat</ref><ref>V. Roessner, T. Sagvolden, T. DasBanerjee, F.A. Middleton, S.V. Faraone, S.I. Walaas, A. Becker, A. Rothenberger, N. Bock (2010): Methylphenidate normalizes elevated dopamine transporter densities in an animal model of the attention-deficit/hyperactivity disorder combined type, but not to the same extent in one of the attention-deficit/hyperactivity disorder inattentive type. Neuroscience (in print, doi:10.1016/j.neuroscience.2010.02.073)</ref><ref>http://tu-dresden.de/die_tu_dresden/fakultaeten/medizinische_fakultaet/news/news-20100324-methylphenidat</ref> Bei ADHS ist die Dopamin-Transporterdichte im striato''frontalen'' Gehirnbereich erhöht, während die Dopamin-Produktion normal ist. Bei Parkinson hingegen liegt das Problem im striato''nigralen'' Gehirnbereich, hierbei degenerieren die Zellen, die das Dopamin produzieren, in der Substantia nigra. Darum wird zu wenig Dopamin hergestellt. Dafür funktionieren bei Parkinson die Dopamin-Transporter normal. Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (DGKJPP) distanzierte sich nachdrücklich von Hüthers Aussagen hierzu.<ref>[http://wwwuser.gwdg.de/~ukyk/dgkjpp.pdf Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Editorial vom 26. März 2002]</ref> | | Kritikpunkte an den Schlussfolgerungen zu den Ratten-Experimenten sind vor allem, dass man mit der geringen Anzahl von nur 5 Versuchstieren keine validen und signifikanten Ergebnisse liefern kann und dass in der Praxis, wo Methylphenidat bereits seit 40 Jahren angewendet wird, keine Parkinson-Fälle in Folge dieses Medikamentes auftraten. Der Zusammenhang zwischen einer Langzeit-Methylphenidatgabe im Kindesalter und einem erhöhten Risiko, später an der Parkinson-Krankheit zu erkranken, ist mittlerweile widerlegt.<ref>http://tu-dresden.de/die_tu_dresden/fakultaeten/medizinische_fakultaet/news/news-20100324-methylphenidat</ref><ref>V. Roessner, T. Sagvolden, T. DasBanerjee, F.A. Middleton, S.V. Faraone, S.I. Walaas, A. Becker, A. Rothenberger, N. Bock (2010): Methylphenidate normalizes elevated dopamine transporter densities in an animal model of the attention-deficit/hyperactivity disorder combined type, but not to the same extent in one of the attention-deficit/hyperactivity disorder inattentive type. Neuroscience (in print, doi:10.1016/j.neuroscience.2010.02.073)</ref><ref>http://tu-dresden.de/die_tu_dresden/fakultaeten/medizinische_fakultaet/news/news-20100324-methylphenidat</ref> Bei ADHS ist die Dopamin-Transporterdichte im striato''frontalen'' Gehirnbereich erhöht, während die Dopamin-Produktion normal ist. Bei Parkinson hingegen liegt das Problem im striato''nigralen'' Gehirnbereich, hierbei degenerieren die Zellen, die das Dopamin produzieren, in der Substantia nigra. Darum wird zu wenig Dopamin hergestellt. Dafür funktionieren bei Parkinson die Dopamin-Transporter normal. Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (DGKJPP) distanzierte sich nachdrücklich von Hüthers Aussagen hierzu.<ref>[http://wwwuser.gwdg.de/~ukyk/dgkjpp.pdf Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Editorial vom 26. März 2002]</ref> |
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| Hüther vertritt jedoch weiterhin seine Parkinson-Hypothese und verweist auf seine Rattenversuche, beispielsweise 2010 in der Schweizer Zeitschrift ''Pädiatrie'':<ref>[http://www.tellmed.ch/include_php/previewdoc.php?file_id=6618 ADHS ist keine Krankheit! Interview mit Gerald Hüther. Pädiatrie 2/2010, 12-14]</ref> | | Hüther vertritt jedoch weiterhin seine Parkinson-Hypothese und verweist auf seine Rattenversuche, beispielsweise 2010 in der Schweizer Zeitschrift ''Pädiatrie'':<ref>[http://www.tellmed.ch/include_php/previewdoc.php?file_id=6618 ADHS ist keine Krankheit! Interview mit Gerald Hüther. Pädiatrie 2/2010, 12-14]</ref> |
| :"''In Tierversuchen hatte ich schon vor über zehn Jahren zusammen mit anderen herausgefunden, dass die dauerhafte Verabreichung von Methylphenidat die Ausreifung dopaminerger Projektionen hemmt. Die Tiere erhalten dadurch ein schwächer ausgebildetes dopaminerges System. Welche Spätfolgen das hat und ob das auch bei Kindern, die mit Ritalin behandelt wurden, so ist, weiss ich nicht. Da das Parkinson-Syndrom durch Degeneration dopaminerger Neuronen entsteht, könnten Personen, die sehr früh und über einen langen Zeitraum mit Methylphenidat behandelt worden sind und im Alter Parkinson bekommen, diese Störungen ein paar Jahre früher entwickeln''." | | :"''In Tierversuchen hatte ich schon vor über zehn Jahren zusammen mit anderen herausgefunden, dass die dauerhafte Verabreichung von Methylphenidat die Ausreifung dopaminerger Projektionen hemmt. Die Tiere erhalten dadurch ein schwächer ausgebildetes dopaminerges System. Welche Spätfolgen das hat und ob das auch bei Kindern, die mit Ritalin behandelt wurden, so ist, weiss ich nicht. Da das Parkinson-Syndrom durch Degeneration dopaminerger Neuronen entsteht, könnten Personen, die sehr früh und über einen langen Zeitraum mit Methylphenidat behandelt worden sind und im Alter Parkinson bekommen, diese Störungen ein paar Jahre früher entwickeln''." |
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− | Nach Hüthers Auffassung besteht für ADHS zwar auch eine angeborene Anlage, die Störung soll sich aber, bedingt durch die Plastizität des Gehirns, allein durch erzieherische Maßnahmen lindern lassen oder gar nicht erst zum Ausbruch kommen.<ref>http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2002/0423/wissenschaft/0174/index.html</ref> Eine erbliche Komponente für die Entstehung von ADHS lehnt Hüther ab. Die Ursachen für ADHS sind ihm zufolge rein psychologischer und pädagogischer Natur. Die Behandlung von ADHS mit Methylphenidat (Ritalin®) sieht Hüther als "chemische Notlösung" an. Zitat:
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− | :''"Die innere Struktur des kindlichen Gehirns, also die Art, wie die verschiedenen Zentren miteinander vernetzt werden, entsteht nicht von allein. Es hängt davon ab, welche Erfahrungen ein Kind macht. Das heißt: Wenn in der äußeren Welt Struktur gebende Elemente fehlen, kann auch im Gehirn keine Struktur aufgebaut werden. Das ist heute ein riesiges Problem, denn unsere Welt hat viel an Struktur verloren. Das hängt mit der Hektik des modernen Alltags zusammen, mit Problemen, die jungen Familien zu schaffen machen wie Partnerschaftskonflikte oder mit Karrieren, die aufzubauen sind. Kinder wachsen heute in eine Welt hinein, in der sehr viel durcheinander gerät, die wenig Halt, wenig Strukturen bietet. Besonders schwierig ist dies für diejenigen Kinder, die mehr Strukturen brauchen als andere, die so genannten ADHS-Kinder."''<ref name="istdaszap">www.win-future.de/downloads/istdaszappelphilippsyndromeinekrankheit.pdf</ref>
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− | Diese Auffassung bringt Hüther vor allem Beifall aus dem Lager der durch [[Scientology]] propagierten Psychiatriekritik<ref>http://www.mysnip.de/forum-archiv/thema/2306/872120/Leserbrief+an+den+Spiegel.html</ref>, von Vertretern der [[Psychoanalyse]], ADHS- bzw. [[Ritalinkritik]]ern sowie auch aus der [[Esoterik]]- und [[Anthroposophie|Anthroposophenszene]]<ref>http://www.info3.de/ycms/printartikel_700.shtml</ref> ein. Beispielsweise stützt [[Hans Tolzin]] seine ADHS- bzw. Ritalinkritik auf Hüther.<ref>http://anonym.to/?http://www.ads-kritik.de/HuetherStudie.htm</ref> Tolzins Internetseite verlinkt auf eine scientologynahe Ritalinkritik-Webseite, die sich ihrerseits auf Hüther beruft. Mit dem [[Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte e.V.|KVPM]]-Preisträger [[Paul Runge]] traf Hüther 2003 bei einem von [[Helmut Bonney]] veranstalteten Seminar mit bekannten Ritalinkritikern [[Ritalinkritik#bekannte_Ritalinkritiker|zusammen]].
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