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| Der Begriff Osteopathie wird gelegentlich als Bezeichnung für die sogenannte Glasknochenkrankheit (''Osteogenesis imperfecta'') verwendet. | | Der Begriff Osteopathie wird gelegentlich als Bezeichnung für die sogenannte Glasknochenkrankheit (''Osteogenesis imperfecta'') verwendet. |
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− | ==Allgemeines==
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− | Die der osteopathischen Medizin zugrunde liegenden Vorstellungen gehen auf den US-amerikanischen Chirurgen und Arzt Andrew Taylor Still (6. August 1828 - 12. Dezember 1917) zurück, der im Jahr 1892 in Kirksville/Missouri das erste medizinisch-osteopathische College gründete, nachdem er seine osteopathischen Thesen 1874 erstmals verkündet hatte. Zu seiner Zeit steckte die Hochschulmedizin noch in den Kinderschuhen. In den USA dominierten noch die [[Humoralpathologie|säftepathologischen Behandlungsweisen]] aus dem Mittelalter.
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− | Still hatte zu Lebzeiten recht seltsame Ansichten über die Wirksamkeit seiner Methode. So schrieb er in seiner Autobiographie:
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− | :''"shake a child and stop scarlet fever, croup, diphtheria, and cure whooping cough in three days by a wring of its neck"''.
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− | Solch fragwürdigen Ansichten sind medizinhistorisch jedoch typisch für die Zeit, in der Still lebte. Offenbar sah er die therapeutische Welt nur aus der vereinfachten chirurgischen Perspektive und erklärte sich die Krankheiten nach dem Aufbau eines eigenen Denksystems als Folge von Veränderungen der Knochen und Organe. Es ist auch dem medizinischen Laien offensichtlich, dass dieses begrenzte System nur zu einem kleinen Teil die tatsächlichen Abläufe im menschlichen Organismus beschreibt. Wird solch ein Ansatz aber mit genügender Energie verfolgt, ist er durchaus geeignet, einfachere Gemüter in seinen Bann zu ziehen.
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− | Die Verknüpfung zwischen Ausbildungssystem und therapeutischer Anwendung, also das Geldverdienen mittels Ausbildungsgebühren für das Erlernen der Still'schen Therapie, ist eine der Säulen, auf der die Osteopathie ruht. Mit dieser Methode gelang es Still (wie auch vielen anderen Ärzten, die ähnliche Systeme etablierten), sich genügend Finanzmittel zu beschaffen, um sein System weiter auszubreiten. Dies geschah vor dem Hintergrund, dass es in den USA historisch bedingt keine einheitliche, hochschulmedizinische, universitäre Ärzteausbildung gab, wie sie heute z.B. in den meisten EU-Ländern vorhanden ist. Im Gegenteil, es gibt in einigen Bundesstaaten weiterhin die Möglichkeit, an naturopathischen Einrichtungen eine vollgültige Ausbildung zu absolvieren. Danach kann man sich als (naturopathischer) Arzt bezeichnen und beruflich tätig werden. Ein solches Studium ist nach Gugliemo (1998)<ref>Guglielmo, Wayne J.: ''Are D.O.s Losing Their Unique Identity?''. Medical Economics, April 27, 1998, Vol. 75, No. 8</ref> gegenwärtig an 19 Hochschulen in den USA möglich. Möglicherweise kommt aufgrund der Vereinheitlichungstendenzen auf europäischer Ebene eine ähnliche Verschlechterung der hochschulmedizinischen Ausbildung auch in der EU in den nächsten Jahren zum Tragen.<ref>Buchmann J.: ''What is osteopathic medicine?'' Dtsch Med Wochenschr. 2003 Jan 24;128(4):159. PMID: 12589588</ref> Insgesamt arbeiten in den USA heutzutage schätzungsweise 44.000 Osteopathen.<ref>Guglielmo WJ.: Are D.O.s losing their unique identity? Med Econ. 1998 Apr 27;75(8):200-2</ref>
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| ==Inhalte der Osteopathie== | | ==Inhalte der Osteopathie== |
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| *[[Cranio-Sakrale-Therapie|Kranio-sakrale Techniken]]: Es wird postuliert, dass bei Erwachsenen die Schädelknochen gegeneinander beweglich seien. Man postuliert ebenfalls einen bestimmten Rhythmus dieser Bewegung, nämlich Druckschwankungen des Liquor, der das Gehirn umhüllt. | | *[[Cranio-Sakrale-Therapie|Kranio-sakrale Techniken]]: Es wird postuliert, dass bei Erwachsenen die Schädelknochen gegeneinander beweglich seien. Man postuliert ebenfalls einen bestimmten Rhythmus dieser Bewegung, nämlich Druckschwankungen des Liquor, der das Gehirn umhüllt. |
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− | ==Ausbildung eines "ärztlichen Osteopathen" in den USA== | + | ==Osteopathie in den USA und in Europa== |
| + | ===Andrew Taylor Still=== |
| + | Die der osteopathischen Medizin zugrunde liegenden Vorstellungen gehen auf den US-amerikanischen Chirurgen und Arzt Andrew Taylor Still (6. August 1828 - 12. Dezember 1917) zurück, der im Jahr 1892 in Kirksville/Missouri das erste medizinisch-osteopathische College gründete, nachdem er seine osteopathischen Thesen 1874 erstmals verkündet hatte. Zu seiner Zeit steckte die Hochschulmedizin noch in den Kinderschuhen. In den USA dominierten noch die [[Humoralpathologie|säftepathologischen Behandlungsweisen]] aus dem Mittelalter. |
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| + | Still hatte zu Lebzeiten recht seltsame Ansichten über die Wirksamkeit seiner Methode. So schrieb er in seiner Autobiographie: |
| + | :''"shake a child and stop scarlet fever, croup, diphtheria, and cure whooping cough in three days by a wring of its neck"''. |
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| + | Solch fragwürdigen Ansichten sind medizinhistorisch jedoch typisch für die Zeit, in der Still lebte. Offenbar sah er die therapeutische Welt nur aus der vereinfachten chirurgischen Perspektive und erklärte sich die Krankheiten nach dem Aufbau eines eigenen Denksystems als Folge von Veränderungen der Knochen und Organe. Es ist auch dem medizinischen Laien offensichtlich, dass dieses begrenzte System nur zu einem kleinen Teil die tatsächlichen Abläufe im menschlichen Organismus beschreibt. Wird solch ein Ansatz aber mit genügender Energie verfolgt, ist er durchaus geeignet, einfachere Gemüter in seinen Bann zu ziehen. |
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| + | Die Verknüpfung zwischen Ausbildungssystem und therapeutischer Anwendung, also das Geldverdienen mittels Ausbildungsgebühren für das Erlernen der Still'schen Therapie, ist eine der Säulen, auf der die Osteopathie ruht. Mit dieser Methode gelang es Still (wie auch vielen anderen Ärzten, die ähnliche Systeme etablierten), sich genügend Finanzmittel zu beschaffen, um sein System weiter auszubreiten. Dies geschah vor dem Hintergrund, dass es in den USA historisch bedingt keine einheitliche, hochschulmedizinische, universitäre Ärzteausbildung gab, wie sie heute z.B. in den meisten EU-Ländern vorhanden ist. Im Gegenteil, es gibt in einigen Bundesstaaten weiterhin die Möglichkeit, an naturopathischen Einrichtungen eine vollgültige Ausbildung zu absolvieren. Danach kann man sich als (naturopathischer) Arzt bezeichnen und beruflich tätig werden. Ein solches Studium ist nach Gugliemo (1998)<ref>Guglielmo, Wayne J.: ''Are D.O.s Losing Their Unique Identity?''. Medical Economics, April 27, 1998, Vol. 75, No. 8</ref> gegenwärtig an 19 Hochschulen in den USA möglich. Möglicherweise kommt aufgrund der Vereinheitlichungstendenzen auf europäischer Ebene eine ähnliche Verschlechterung der hochschulmedizinischen Ausbildung auch in der EU in den nächsten Jahren zum Tragen.<ref>Buchmann J.: ''What is osteopathic medicine?'' Dtsch Med Wochenschr. 2003 Jan 24;128(4):159. PMID: 12589588</ref> Insgesamt arbeiten in den USA heutzutage schätzungsweise 44.000 Osteopathen.<ref>Guglielmo WJ.: Are D.O.s losing their unique identity? Med Econ. 1998 Apr 27;75(8):200-2</ref> |
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| + | ===Ausbildung eines "ärztlichen Osteopathen" in den USA=== |
| Den Zugang zu einer osteopathischen Ausbildungsschule erhält man, wenn man eine dreijährige berufliche Tätigkeit ausgeübt hat. Die Aufnahme setzt eine geringere Schulausbildung voraus als jene, die für einen konventionellen, hochschulmedizinischen Studiengang notwendig wäre. Dergleichen drückt sich in deutlich schlechteren Prüfresultaten aus. So liegt die durchschnittliche Prüfpunktzahl (Grade Point Average = GPA) und die Prüfnote des Medical College Admission Test (MCAT) von osteopathischen Studenten üblicherweise deutlich unter denjenigen Werten, die von Medizinstudenten erreicht werden (Ross-Lee und Wood 1995, Doxey und Phillips 1997). Die durchschnittliche Anzahl an in Vollzeit tätigem Lehrpersonal in osteopathischen Ausbildungsstätten liegt gerade einmal bei 10% im Vergleich zu universitärem Lehrpersonal (Ross-Lee und Wood 1995). Zusätzlich forschen osteopathische Einrichtungen kaum und einige haben Probleme, genügend ausgebildetes Lehrpersonal bereit zu stellen (Jones 1999). Es ist also deutlich erkennbar, dass Ausbildung und Leistungsstand von osteopathischem Personal von Beginn an schlechter ist im Vergleich zu Personen, aus denen später Hochschulmediziner werden. | | Den Zugang zu einer osteopathischen Ausbildungsschule erhält man, wenn man eine dreijährige berufliche Tätigkeit ausgeübt hat. Die Aufnahme setzt eine geringere Schulausbildung voraus als jene, die für einen konventionellen, hochschulmedizinischen Studiengang notwendig wäre. Dergleichen drückt sich in deutlich schlechteren Prüfresultaten aus. So liegt die durchschnittliche Prüfpunktzahl (Grade Point Average = GPA) und die Prüfnote des Medical College Admission Test (MCAT) von osteopathischen Studenten üblicherweise deutlich unter denjenigen Werten, die von Medizinstudenten erreicht werden (Ross-Lee und Wood 1995, Doxey und Phillips 1997). Die durchschnittliche Anzahl an in Vollzeit tätigem Lehrpersonal in osteopathischen Ausbildungsstätten liegt gerade einmal bei 10% im Vergleich zu universitärem Lehrpersonal (Ross-Lee und Wood 1995). Zusätzlich forschen osteopathische Einrichtungen kaum und einige haben Probleme, genügend ausgebildetes Lehrpersonal bereit zu stellen (Jones 1999). Es ist also deutlich erkennbar, dass Ausbildung und Leistungsstand von osteopathischem Personal von Beginn an schlechter ist im Vergleich zu Personen, aus denen später Hochschulmediziner werden. |
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| Osteopathische Ärzte dürfen mittlerweile in allen US-Bundesstaaten praktizieren. In einer im Januar 1995 veröffentlichten Umfrage unter 2.000 zufällig ausgewählten osteopathischen Therapeuten, die Mitglieder des American College of Osteopathic Physicians waren, gaben 6,2% der Befragten an, mehr als die Hälfte ihrer Patienten mit den osteopathischen manipulativen Techniken zu behandeln. 39,6% gaben an, diese Methode bei Fieber anzuwenden. Bezeichnend an der Umfrage war der Umstand, dass je höher der Ausbildungs- und Fortbildungsgrad der ursprünglich eine osteopathische Ausbildung absolvierende Person war, desto niedriger(!) war der Anteil jener, die noch osteopathische Methoden einsetzten (Johnson et al. 1997) | | Osteopathische Ärzte dürfen mittlerweile in allen US-Bundesstaaten praktizieren. In einer im Januar 1995 veröffentlichten Umfrage unter 2.000 zufällig ausgewählten osteopathischen Therapeuten, die Mitglieder des American College of Osteopathic Physicians waren, gaben 6,2% der Befragten an, mehr als die Hälfte ihrer Patienten mit den osteopathischen manipulativen Techniken zu behandeln. 39,6% gaben an, diese Methode bei Fieber anzuwenden. Bezeichnend an der Umfrage war der Umstand, dass je höher der Ausbildungs- und Fortbildungsgrad der ursprünglich eine osteopathische Ausbildung absolvierende Person war, desto niedriger(!) war der Anteil jener, die noch osteopathische Methoden einsetzten (Johnson et al. 1997) |
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− | ==Weg der Osteopathie nach Europa== | + | ===Weg der Osteopathie nach Europa=== |
| Nach dem Andrew Taylor Still seine Methode vorgestellt und 1892 die erste osteopathische Schule gegründet hatte (American School of Osteopathy), die von DO Dr. William Smith geleitet wurde, wurde die Methode in späterer Zeit von DO William Garner Sutherland und DO Harold Magoun auf den Bereich des Schädels übertragen. DO Martin Littlejohn, ein Schüler Stills, brachte die Osteopathie 1917 nach England, wo er die British School of Osteopathy gründete. Heute ist die Osteopathie in England seit 1994 offiziell anerkannt und wird an vier Privatschulen gelehrt. In Frankreich etablierten die DOs Jacques Weischenk, Jean-Pierre Barral und Philippe Druelle als bekannteste Vertreter der Osteopathie diese Methode. Mittlerweile gibt es in Frankreich 14 osteopathische Ausbildungsstätten und einen französischen Verband für Osteopathie mit etwa 500 Mitgliedern. Es gibt noch entsprechende Ausbildungsstätten und Verbände in Belgien und Kanada (seit 1982 z.B. die Fondation Canadienne pour l'Enseignement et la Recherche en Ostéopathie in Montreal mit einem deutschen Ableger, dem Deutschen Osteopathie Kolleg). In Europa und international sind folgende Organisationen aktiv: Europäisches Colleg für Osteopathie, College Sutherland, Osteopathie Akademie München, Osteopathie Schule Deutschland und Still Academy. | | Nach dem Andrew Taylor Still seine Methode vorgestellt und 1892 die erste osteopathische Schule gegründet hatte (American School of Osteopathy), die von DO Dr. William Smith geleitet wurde, wurde die Methode in späterer Zeit von DO William Garner Sutherland und DO Harold Magoun auf den Bereich des Schädels übertragen. DO Martin Littlejohn, ein Schüler Stills, brachte die Osteopathie 1917 nach England, wo er die British School of Osteopathy gründete. Heute ist die Osteopathie in England seit 1994 offiziell anerkannt und wird an vier Privatschulen gelehrt. In Frankreich etablierten die DOs Jacques Weischenk, Jean-Pierre Barral und Philippe Druelle als bekannteste Vertreter der Osteopathie diese Methode. Mittlerweile gibt es in Frankreich 14 osteopathische Ausbildungsstätten und einen französischen Verband für Osteopathie mit etwa 500 Mitgliedern. Es gibt noch entsprechende Ausbildungsstätten und Verbände in Belgien und Kanada (seit 1982 z.B. die Fondation Canadienne pour l'Enseignement et la Recherche en Ostéopathie in Montreal mit einem deutschen Ableger, dem Deutschen Osteopathie Kolleg). In Europa und international sind folgende Organisationen aktiv: Europäisches Colleg für Osteopathie, College Sutherland, Osteopathie Akademie München, Osteopathie Schule Deutschland und Still Academy. |
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