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Quelle: http://web.archive.org/web/20130420053656/http://www.cashkurs.com/Dirk-Mueller.62.0.html

Wie alles begann

Ich werde regelmäßig gefragt: „Wie sind Sie eigentlich an die Börse gekommen?“ Alles begann Ende der 80iger Jahre, während ich mich eigentlich auf das Abitur vorbereiten sollte. Den ursprünglichen Auslöser kann ich gar nicht mehr genau benennen. Entweder war es die faszinierende Berichterstattung des Friedhelm Busch in der Telebörse (Ich war fasziniert von diesem dicken Makler mit runder Brille, der immer schrie: „Daimlääärr!“), oder die tollen Mädels im Film „Wallstreet“.

Die Schulpausen nutzte ich damals, um zum Kiosk zu rennen und die neueste Ausgabe vom Handelsblatt zu erwerben oder bei der örtlichen Sparkasse eine „dringende Börsenorder“ über 200 DM zu platzieren. Die Nachmittage verbrachte ich damit bei der „Massa“ Regale einzuräumen, um meine Börsenverluste zu finanzieren. Mein Mathematiklehrer Herr Hielbig prophezeite mir damals schicksalsschwer: „ Du wirsch noch Abteilungsleiter Waschmittel bei dä Massa, wenn net mit dem Börsekram aufhörsch und Dich auf Mathe konzentriersch!“ Gott sei Dank fand ich Mathematik viel zu langweilig, als dass ich auf seinen Rat gehört hätte.

Was macht man nach dem Abitur, wenn man unbedingt in der großen Welt der Börse mitmischen will, aber in der gemütlichen badischen Provinz wohnt? Man bewirbt sich beim einzigen Arbeitgeber im Umkreis von 50Km, der eine Börsenabteilung hat. Und was für eine! Die Deutsche Bank Mannheim hatte damals bundesweit einen Ruf als Topadresse für Japanische Optionsscheine und Rentenhandel. Das Schicksal muss an diesem Tag Schwerstarbeit geleistet haben, denn der Personalchef hatte aus 400 Bewerbern 20 Azubis auszuwählen …und ich war einer davon. Und das, obwohl meine Mathenoten die Prophezeiung meines Lehrers um ein Haar wahrgemacht hätten. Eine 20:1 Chance gewinnt man nicht alle Tage an der Börse.

Chance genutzt - Der Traum wird wahr

Dann kam der wohl entscheidenste Tag meiner Börsenkarriere. Ich saß als schüchterner Lehrling am großen Handelstisch des Rentenhandels der noch größeren Deutschen Bank. Ehrfurcht, Staunen, Schweigen! Die Händler gingen ihrer Arbeit nach, als um die Mittagszeit einer der Händler in die Runde rief:„Ach Gott, isch wär jetzt Geld fer ä paar Möhreköpp !“ Was im Händlerjargon so viel heißt wie: „Ich habe Appetit auf Möhrenköpfe und würde gerne welche kaufen, wenn jemand welche hätte!“ Ich dachte intensiv nach, was ich in den letzten Stunden gehört hatte, nahm allen Mut zusammen und rief in die Runde

„Valuta Dienstag wär ich 25 Brief für 50!“ Was so viel bedeutet wie: „Am kommenden Dienstag kann ich Dir 50 Mohrenköpfe zum Stückpreis von 25 Pfennig liefern!“

Schweigen. Am ganzen Händlertisch. Mein Herz in der Hose. Ein Händler knallt mir mit großen Augen ein „50 von Dir!“ entgegen. Ich erwidere „50 an Dich! Bleibt Brief!“ Da entwickelt sich ein tumultartiger Mohrenkopfhandel. Die anderen Händler greifen ein und kaufen weitere Pakete, die sie per Telefon gleich an andere Abteilungen weiter verticken (natürlich mit Aufschlag!). Als der Handelsvorstand das Treiben mit den Worten, „Haben Sie auch Mokka?“ beendet, haben etwa 1500 Mohrenköpfe den Besitzer gewechselt. Ich hatte also am kommenden Dienstag einen Nissan Laurel voller Schokoköpfe und ein Übernahmeangebot in die Handelsabteilung.

Kurz darauf nahm mich ein erfahrener Kollege zur Seite und fragte mich „Du bist doch so heiß auf die Börse!? Ich kenne da jemanden am Frankfurter Parkett, der sucht einen „jungen Mann“ (Assistent). Hast Du Interesse?“ Ich war wie vom Donner gerührt. Natürlich hatte ich Interesse. Ich hätte sogar Geld bezahlt, um diesen Job machen zu dürfen. Also stand ich eines schönen Abends mal wieder mit zitternder Hose vor der mit Leder und goldenen Messingknöpfen beschlagenen Tür des „amtlichen Kursmaklers Hans Dittmar“. Und ich glaube, es war einer der glücklichsten Momente meines Lebens, als ich an diesem Tag sein Büro wieder verließ. Ich hatte es geschafft ! Ich war AN DER BÖRSE! Hans Dittmar, der Grand Seigneur des Frankfurter Rentenhandels, lehrte mich das Einmaleins des Parketts; die vielen Regeln und Usancen, die in keinem Handbuch stehen. Ich lernte alles über den Handel mit Bundesanleihen und, dass man niemals, wirklich NIEMALS fragen sollte: „Wie viel kann ich Ihnen schicken?“ (Auf diese Frage hin war ein Kollege gezwungen Bundesanleihen im Wert von 300 Million DM zu liefern, die er gar nicht hatte. Was ihn viel Geld und seinen Job kostete. Tja, so sind nun mal die Usancen und ein Wort ist ein Wort. Punktum.) Nach diesen Lehrjahren ging es zur Freimaklerfirma Finacor-Rabe & Partner, wo ich weiterhin mit Bundesanleihen handelte. Jetzt saß ich an genau so einem Handelstisch, wie damals während der Ausbildung bei der Deutschen Bank - allerdings diesmal mit anderer Gehaltsabrechnung... Unser Team wechselte bald geschlossen zu Cantor-Fitzgerald, einem der größten internationalen Brokerhäuser mit Sitz in New York. Hier lernte ich das kennen, was man im Fußball mit „internationaler Härte“ bezeichnet. Fairplay sieht anders aus. Als ich dann hörte, dass einer der angesehensten Aktienkursmakler des Frankfurter Parketts einen Stellvertreter suchte, habe ich nicht zweimal überlegt. Ich wechselte zur damals frisch gegründeten ICF AG und wurde Stellvertreter von Rainer Roubal. Ein Kursmakler von altem Schrot und Korn, der keinem Risiko aus dem Weg ging, um einen „guten Job“ zu machen. Er hat stets seine Kunden geschützt und ein Wort war ein Wort. Von ihm habe ich viel gelernt. Es folgte die Vereidigung durch das hessische Wirtschaftsministerium. Endlich war ich an dem Ort angelangt, von dem ich während der Mathestunden bei Hielbig geträumt hatte. Ich stand im Aktiensaal der Frankfurter Wertpapierbörse und rief „Daimlääääär!“.

"Mister Dax" – Anwalt der Anleger

Mein Arbeitsplatz lag fast 10 Jahre lang direkt unter der großen Anzeigetafel mit dem Daxchart, wo ich unter anderem für die Kurse von Allianz, Commerzbank oder auch Daimler verantwortlich war. Den Fotografen war die Kurve alleine zu langweilig und da wollten sie eben immer noch ein Gesicht dazu haben. Meins. Als dann in immer mehr Zeitungen und Börsenberichten, TV-Einblendungen und Werbeflyern das immer gleiche Gesicht (wenn auch immer in anderer Gemütslage) zu sehen war, kamen die ersten Anfragen „Wer ist eigentlich dieses -Gesicht der Börse-?“. Die ersten Interviewanfragen kamen, und man erkannte, dass das „Gesicht der Börse“ auch eine klare Meinung und Markteinschätzung hat, die nicht immer mit dem Mainstream übereinstimmten. Und je häufiger der Mainstream sich als falsch herausstellte, desto öfter kamen die Interviewanfragen.

Irgendwann tauchte in den Medien plötzlich die Titulierung „MisterDax“ auf. Ich glaube mich zu erinnern, dass es Bruno Hidding, Chefredakteur der Börsenzeitung, war, der als einer der Ersten diesen Begriff verwendet hat. Damit war ich für die Medien „Mister DAX“. Die Leute sprachen mich auf der Straße an: „Sind Sie nicht dieser Mister DAX!?“ und sogar eine kanadische Tageszeitung brachte einen Artikel über „Dirk of the DAX“. Seit dieser Zeit ist viel passiert. Es folgten ungezählte TV-Interviews, Vorträge und Zeitungsberichte rund um den Globus. Wann immer an den Börsen der Bulle mit dem Bären Tango tanzt, kann ich mich beim Tanken am Zeitschriftenständer selbst begrüßen. An die manchmal sorgenvollen Fragen der Passanten „Was macht die Börse?“ habe ich mich gewöhnt und freue mich über jeden, der sich noch mit seinen Finanzen und seiner Altersvorsorge beschäftigt. Und diese Sorgen der Menschen sind es auch, die mich dazu bewegen laut und manchmal aggressiv zu sagen „Der Kaiser hat keine Kleider an!“ Es macht mich wütend, wenn ich sehe, dass Kleinanlegern mit dubiosen Aktienempfehlungen das Ersparte aus der Tasche gezogen wird. Es macht mich wütend, wenn Fondsmanager, wider besseren Wissens, die Anleger via Fernsehkamera in Ihre Fonds treiben, obwohl sie selbst davon überzeugt sind, dass der Markt einbricht.

Daher habe ich mich 2008 dafür entschieden, einen Weg zu suchen, um ganz normalen Anlegern – nicht nur den Profis – ehrliche Informationen zu geben. Ihnen Mut zu machen ebenfalls laut zu rufen „Der Kaiser hat keine Kleider an!“. Der Anleger soll sich selbst vertrauen können; seinen eigenen Augen und seinem gesunden Menschenverstand glauben, auch wenn die Lakaien von „des Kaisers neuen (Markt-)Kleidern“ schwärmen.

Mittlerweile habe ich mich selbstständig gemacht. Ich bin nach wie vor Börsenhändler an der Frankfurter Wertpapierbörse. Die meiste Zeit verbringe ich jedoch als Dolmetscher zwischen den Finanzmärkten und den Menschen außerhalb der Börse.

Und wenn dann eines Tages Passanten auf der Straße zu mir kommen uns sagen: „Sie sind doch Dirk Müller!? Ich habe jetzt mal meine Altersvorsorge in Angriff genommen!“ Dann habe ich mein Ziel erreicht.


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