Dreck.jpg

Unter einer Dreckapotheke versteht man als Heilmittel eingesetzte Substanzen, die aus heutiger Sicht ekelerregend erscheinen, da diese beispielsweise Exkremente, Körperflüssigkeiten, Ausscheidungen oder menschliche bzw. tierische Körperteile enthielten (Kot, Urin, Blut, Eiter, Schleim, Mumia).

Historische Anwendungen

Für die verschiedensten Arzneimittel existierte eine Vielzahl von Applikationsarten. Gemäß der seit der Antike geltenden Humoralpathologie und der damit zusammenhängenden Auffassung vom Ungleichgewicht der Säfte, standen - neben dem Aderlass - zunächst purgierende und vomitierende Therapieformen im Vordergrund. Die im Falle einer Krankheit im Übermaß vorhandenen und somit verdorbenen und schädlichen Säfte sollten so auf natürlichem Wege, z.B. als Blut, Schweiß, Eiter oder Stuhl, ausgeschieden werden. Als "Purgantia" bezeichnete man dabei alle "Reinigungsmittel", die abführend und harn- und schweißtreibend wirkten, wobei darunter die darmentleerenden ("Laxativa") und die den Brechreiz hervorrufenden ("Vomitiva") Mittel zu verstehen waren. Die Arzneien wurden vor allem als Pflaster, Klistiere, Öle, Salben, Umschläge, Räucherungen, Riechmittel, Tränke, Wässer, Pillen, Pulver, Puder und als Leckmittel oder -säfte verabreicht.[1]

Menschliche Heilmittel

Heilmittel menschlichen Ursprungs wurden als am wirksamsten angesehen. Ihnen kam eine besondere Bedeutung zu, "weil der Mensch von allen Thieren das allervollkommenste ist". Zu ihnen zählten vor allem Mumie, Fett ("Armesünderfett"), Knochen, Kot, Urin, Menstruationsblut, Haare, Nägel, Speichel, Eiter, Blut und Leichenteile.

So sollte eine "Tinctur aus Menschen-Fleisch", die aber nur von einem jungen und gewaltsam zu Tode gekommenen Menschen stammen durfte, "den Leib vor allen giftigen und pestilentzischen Kranckheiten" bewahren. Ebenso nahm man an, dass das Menschenfleisch "durch seine durchtringende, lebhaffte und balsamische Kraft, alle inwendige[n] Schäden und Geschwähr, an welchem Ort des Leibes sich auch solche befinden mögen" heilen könne.

Besondere Wirkung schrieb man auch dem Salz zu, welches aus der menschlichen Hirnschale hergestellt wurde. Es galt als sehr wirksam gegen die Epilepsie und die "Rothe Ruhr", und es war hilfreich bei allen Frauenkrankheiten und offenen Wunden. Destilliertes menschliches Blut half bei Skorbut und Verstopfungen, und die Destillation des Urins ließ ein Salz entstehen, das den Abgang der Blasen- und Nierensteine fördern, bei "melancholischen" Krankheiten ganz "wunderbar" wirken und, äußerlich angewendet, schmerzhafte Gelenke heilen sollte.

Auch in Christoph Hellwigs "Dreyfacher Als Thüringisch-Meißnischer, und Niedersächsisch Teutsch- und Lateinischer Apothecker-Tax" (1714) sind Haare, Nägel, Urin, Kot, Fleisch, Haut, Fett, Knochen, Gehirn, Galle und Herz vom lebenden und toten Menschen als ein fester Bestandteil aller Apotheken angeführt.[2]

Tierische Heilmittel

Die Liste der tierischen Heilmittel war sehr lang. Auch hier ließen sich Fette und Öle in ungeahnten Mengen herstellen, die als Einschmier- und Bindemittel oder als Salbengrundlage dienten. Tiere wie Schnecken oder Regenwürmer sowie Insekten, aber auch Kröten und Schlangen konnten komplett verwertet werden, während man sich bei höher entwickelten Tieren auf einzelne Körper- und Organteile sowie Exkremente beschränkte.

„Die heilsame Dreckapotheke“ von Christian Franz Paullini

Die umfangreichste Überlieferung von Rezepturen der Dreckapotheke stammt von Christian Franz Paullini (25. Februar 1643, Eisenach-10. Juni 1712, Eisenach), einem Arzt, Universalgelehrten und Schriftsteller in deutscher und lateinischer Sprache.[3] In seinem im 18. Jahrhundert mehrfach aufgelegten Buch „Die heilsame Dreckapotheke“ sind zahlreiche der kurios anmutenden Rezepte überliefert, von denen viele sich bis ins Pharaonenreich und zu den antiken Ärzten wie etwa Galenus zurückverfolgen lassen.[4][5]

Zitat aus Paullinis Buch:

"Im Koth und im Urin liegt GOTT und die Natur. Kuhfladen können dir weit mehr als Balsam nützen. Der blosse Gänsedreck geht Mosch und Ambra für. Was Schätze hast du offt im Kehricht und Mistpfützen. Der beste Theriak liegt draußen vor der Thür. Vom Ohrensausen, üblen Gehör und Taubheit. Vor allerley Mängel am Gehör, wird gelobt Menschen-Urin, und zwar des Patienten eigener [...]. Lasse einen neuen glasurten Topff mit einem Deckel machen, darinne Tobackspfeiffen gehen können, thue einen glüenden Stein hinein, stecke in das eine Loch eine Tobackspfeiffe, mit dem Knopff auf den Stein. Aus dem andern Loch laß die Pfeiffe umgekehrt mit dem Knopff oben heraus gehen, lasse deinen Urin auf den Stein, halte das Ohr auf die andere Pfeiffe, und lasse den Qualm in die Ohren. Haasen-Urin wird gar sehr recommendirt von Ruland nicht allein vor die Taubheit und Klingen der Ohren, sondern auch vor die Ohren-Geschwäre, Ohrenwürmer und Ohrenweh".[6]

Heutige Bedeutung

Anklänge an die Dreckapotheken findet man auch heute noch in der Homöopathie, die neben pflanzlichen Mitteln auch Dinge wie Hundekot ("Excrementum canium") oder Teile von Tieren (z.B. Bettwanze) verwendet. In der Komplexmittelhomöopathie und Isopathie wird für derartige Substanzen auch der Begriff der Nosode benutzt. Nosoden können z.B. Eiter, Krebszellen oder Pusteln von Windpocken sein. Auch in der Urintherapie und der Anwendung von Schafläusen finden sich Vorstellungen der Dreckapotheke wieder.

Weblinks

Quellenverzeichnis