Ärzte gegen Tierversuche e.V. ist ein 1979 gegründeter Verein, der sich folgende Ziele gesetzt hat: Abschaffung aller Tierversuche, dazu zählt auch die Gentechnik und das Klonen von Tieren, verstärkte Förderung der tierversuchsfreien Forschung (z.B. Versuche an Zellkulturen), Intensivierung der Erforschung der wirklichen Ursachen unserer Krankheiten durch klinische und epidemiologische Forschung sowie Aufklärung über präventive Möglichkeiten, verstärkte Erforschung und Förderung regulationsmedizinischer Verfahren wie z.B. Akupunktur, Phytotherapie, Homöopathie u.a.[1] Verbindungen bestehen auch zur Tierrechtszene.[2] Der Verein hat mehrere hundert Mitglieder.

Grundsätze

Ärzte gegen Tierversuche macht vor allem auf Differenzen in der Morphologie, Physiologie und Biochemie zwischen Mensch und verschiedenen Tierarten aufmerksam und stellt dahingehend die experimentelle Vorgehensweisen in Frage. Die Organisation hält Achtung und Ehrfurcht vor dem Leben für das höchste Gebot menschlichen und insbesondere ärztlichen und wissenschaftlichen Handelns und setzt sich entsprechend für eine Medizin ohne Tierversuche ein. Allerdings werden Tierversuche z.T. mit pseudomedizinischen Begründungen abgelehnt. Ziel des Vereins ist hauptsächlich die Öffentlichkeitsarbeit. Beschreibungen von Tierversuchen werden außerdem in einer Internet-Datenbank dokumentiert.[3]

Online-Datenbank über Tierversuche

Unter Öffentlichkeitsarbeit wird auch verstanden, dass Personen, die Tierversuche durchführen/duchgeführt haben, in eine online-Datenbank gelistet sind, in der jeder recherchieren kann. Dazu heißt es auf der Internetseite der Organisation:[4]

"Wie findet man heraus, ob eine bestimmte Person Tierversuche macht oder gemacht hat? Ganz klar, hier in der Datenbank (zweiter 'Reiter' von links) einfach den Namen eingeben und schon werden Ihnen wissenschaftliche Arbeiten, die die betreffende Person veröffentlicht hat, angezeigt."

Ansichten zu Tierversuchen und Alternativen

In Ihrer Grundsatzerklärung äußert die Organisation zudem, dass "tierexperimentelle Forschung zu einer unzulässigen Überbewertung der naturwissenschaftlichen Basis der Medizin führen. Der menschliche Körper wird als eine Art Biomaschine gesehen, Krankheiten als biochemische oder physiologische Entgleisungen, welche chemisch, biochemisch, operativ oder radiologisch wieder repariert werden könnten. Die Folge ist eine kaum mehr vertretbare Apparate-, Ersatzteil- und Retortenmedizin".[5]

In ihrer Einschätzung der tatsächlichen Ursachen heutiger Zivilisationskrankheiten kommt die Organisation zu einem sehr einseitigen Schluss:

"Die Erforschung der wirklichen Ursachen unserer Krankheiten ist wesentlich sinnvoller, billiger und aussichtsreicher als immer wieder neue Experimente mit wehrlosen Tieren. Durch umfangreiche Studien mit kranken und gesunden Menschen konnte eindeutig gezeigt werden, dass die heutigen Zivilisationskrankheiten vor allem durch Faktoren wie Rauchen, Alkoholmissbrauch, falsche Ernährung, Stress, mangelnde Bewegung usw. bedingt sind."[5]

Zur Erforschung dieser Krankheiten werden zwar Tierversuche abgelehnt, dafür sollen aber Studien an Menschen vorgenommen werden. Es wird zudem außer Acht gelassen, dass Infektionskrankheiten und Krebs z.B. nicht bzw. nur zu einem Teil auf Ursachen wie Rauchen, Alkoholmissbrauch, falsche Ernährung, Stress, mangelnde Bewegung zurückzuführen sind.

Als gesunde, Darmkrebs, Herz- und Gefäßkrankheiten sowie Diabetes vermeidende Ernährung sei eine vegetarische Kost angebracht. Die Ärzte gegen Tierversuche e.V. befürworten eine vegetarische, möglichst sogar vegane Ernährung aus medizinischen, aber nicht zuletzt auch aus ethischen Gründen, heißt es auf deren Internetseite. [6]

Ärzte gegen Tierversuche vertreten auch die Meinung das Methoden wie "Homöopathie, Akupunktur und andere naturheilkundliche Verfahren" eine Alternative zur Schulmedizin darstellen. Sie sprechen sich auch dafür aus Pharmafirmen die forschen zu boykottieren, da man so Tierversuche unterstützen würde.[7]

Verbindungen zu anthroposophischen Kreisen

Der ehemalige 1. Vorsitzende Walter Hartiner (geb. 1925, gest. 2000), in dieser Position tätig von 1988 bis 2000, war Antroposoph.[8] Im Blatt "Sanum-Post", einer Zeitschrift für Isopathie und Regulationsmedizin, die vor allem Artikel über Sanum-Therapie beinhaltet,[9] veröffentlichte er einen Artikel mit der Überschrift "Kulturelle und medizinische Aspekte essentieller Öle, sowie duftender und aromatischer Substanzen". Darin ist u.a. von Begriffen wie "Ätherleib", biologischen Energiefeldern" und "kosmischen Wesensenergien" die Rede.[10] Hartingers Ideen und Einstellungen sind auch nach seinem Tod immer noch wichtige Grundsätze des Vereines. So nennt er einen Grund für die Ablehnung von Tierversuchen aus medizinischen Gründen, der auch heute noch auf der Website der Organisation zu lesen ist:[11]

"Nun hat alles in unserer Welt zwar materielle Strukturen, auch die Lebewesen, doch an der Entstehung von Krankheit und Gesundheit eines Organismus haben sie den geringsten Anteil. Dessen artspezifische, zum großen Teil geistig-seelisch gesteuerte Funktionen und Reaktionen können auf physikalisch-chemischer Ebene nicht erfasst und noch weniger quantifiziert werden. Auf diese Weise können nur die eingetretenen funktionalen und strukturellen krankhaften Veränderungen analysiert werden, nicht aber die Vorgänge, die vor der erkennbaren Krankheitssymptomatik zu diesen Veränderungen geführt haben. Deshalb kann diese materiebezogene Erforschung der biomedizinischen Lebensvorgänge weder Erkenntnisse über die eigentlichen Erkrankungsursachen vermitteln noch die Symptombehandlung der Krankheiten zu einer Beseitigung ihrer Ursachen führen."

Verbindungen zur Tierrechtszene

Hartinger machte auch von sich reden als die "Animal Liberation Front" (ALF) Anfang der 1970er Jahre Briefbomben an die Parteiführer des britischen Unterhauses versandte. Sie hält Tierhaltung für Sklaverei und nennt die vorherrschende Einstellung gegenüber anderen Kreaturen in Anlehnung an Rassismus speciesism – „Speziesismus“. Als wissenschaftlichen Kronzeugen führt sie gern den deutschen Chirurgen Werner Hartinger, einen Tierversuchs-, Impf- und Gentechnikgegner sowie AIDS-Leugner [12], an. Ihm zufolge habe Vivisektion, wie die ALF alle Tierexperimente nennt, nichts mit Wissenschaft zu tun, sondern nur mit der Profitgier pharmazeutischer Konzerne.[13]

Weiteres Vorstandsmitglied ist die Tierärztin Corina Gericke. Sie ist seit 1984 aktive Tierversuchsgegnerin und Tierrechtlerin und war Mitgründerin und jahrelanges Vorstandmitglied von SATIS (Studentische Arbeitsgruppe gegen Tiermissbrauch im Studium). Von 1999 bis 2007 war sie Fachre­ferentin beim Bundesverband Menschen für Tierrechte.[2] Martina Kuhtz-Böhnke, ebenfalls Tierärztin, ist seit 1989 Mitglied von SATIS und unterschiedlichen Tierrechtsgruppen.[14]

Gegenargumente

Auch in der seriösen Wissenschaft wird eine Reduzierung der Tierversuche angestrebt. Allerdings sind Tierversuche in vielen Bereichen der Forschung unentbehrlich, so dass ein völliger Verzicht nicht möglich ist. So können neue Medikamente ohne Tierversuche erst gar nicht bis zum Stadium der klinischen Versuche entwickelt werden. Erkenntnisse aus Tierversuchen, wie z.B. die mittlere letale Dosis (LD50) können weder an Gewebekulturen noch am Menschen getestet werden. Das heißt, die Mehrzahl der Medikamente einschließlich der Impfstoffe gäbe es ohne Tierversuche nicht. Ebenso wären viele Erkenntnisse der Grundlagenforschung nicht möglich.

In welchem Maße zukünftig Alternativmethoden Tierversuche ersetzen können, ist umstritten. Zumindest für den Bereich der Kosmetikforschung ist ein vollständiger Ersatz der Sicherheitsprüfungen am Tier durch alternative Testverfahren vorgesehen.[15]

Trotzdem können Tierversuche, vor allem in Medikamentenprüfungen, nicht vollständig ersetzbar sein. Die Komplexität eines vollständigen Organismus ist notwendig, um alle Wirkungen eines Stoffes zu überprüfen. So ist im Bereich der neurobiologischen Grundlagenforschung sowie der Infektionsforschung laut einiger Wissenschaftler die Forschung an Primaten (keine Menschenaffen) bislang noch unersetzbar.[15]

Die Ärzte gegen Tierversuche begründen ihre Auffassungen u.a. damit, dass die am Tier gewonnenen Erkenntnisse nicht auf den Menschen übertragbar und deshalb überwiegend nutzlos seien. Dieser Vorwurf zielt sowohl auf die in der Grundlagenforschung (z. B. am "Maus-Modell") gewonnenen Erkenntnisse, als auch auf die Ergebnisse von Medikamentenprüfungen an Tieren. Es wird diskutiert, ob unterschiedliche Spezies (wie Mensch und Maus) wegen der strukturellen und funktionellen Gleichartigkeit vieler Organe auf gleiche Stoffe gleich reagieren, oder ob die Wirkweise von Stoffen im Organismus in stärkerem Maße speziesspezifisch ist. Wäre Letzteres der Fall, böten beispielsweise Stoffprüfungen am Tier nur eine vermeintliche Sicherheit. In der Geschichte finden sich Belege für beide Auffassungen: Verschiedentlich wurden Forscher durch die Ergebnisse von Tierversuchen zu falschen Forschungshypothesen verleitet (z. B. bei der Forschung an Poliomyelitis (Kinderlähmung) oder bei der Prüfung der Produktsicherheit in falscher Sicherheit gewiegt (wie im Fall von Contergan). In anderen Fällen erwiesen sich die im Tierversuch beobachteten Wirkeffekte als auf den Menschen übertragbar.[15]

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die zentrale Selbstverwaltungseinrichtung der Wissenschaft in Deutschland, geht davon aus, dass durch einen Tierversuch "erwünschte und etwa 70% der unerwünschten Wirkungen, die den Menschen betreffen" vorhersagbar sind.[16]

Rechtliche Grundlagen

Rechtlich vorgeschriebene Tierversuche

Bevor bestimmte Produkte, z. B. Medikamente oder Schädlingsbekämpfungsmittel für den Markt zugelassen werden, muss ihr Anbieter den Nachweis erbringen, dass sie der menschlichen Gesundheit sowie der Umwelt nicht schaden. Auch für Produktionsverfahren, Reststoffe usw. existieren entsprechende Prüfvorschriften. Als Bestandteil derartiger Sicherheitsprüfungen sind Tierversuche in einigen Fällen gesetzlich festgeschrieben.

Tierschutz

Nach § 1 des deutschen Tierschutzgesetzes werden Tiere als „Mitgeschöpfe“ anerkannt und das Zufügen von Schmerzen, Leiden oder Schäden ohne vernünftigen Grund ist verboten. Tierversuche werden in §§ 7–9 Tierschutzgesetz geregelt. Darin werden zunächst Grundsätze für Tierversuche festgelegt (Definition; Vermeidung von Schmerzen, Leiden oder Schäden; ethische Vertretbarkeit, Unerlässlichkeit für das wissenschaftliche Forschungsvorhaben). Laut § 7 dürfen Tieren Schmerzen, Leiden und Schäden zum Vorbeugen, Erkennen oder Behandeln von Krankheiten, zum Erkennen von Umweltgefährdungen, zur Prüfung von Stoffen oder Produkten auf ihre Unbedenklichkeit und im Rahmen der Grundlagenforschung zugefügt werden.[17]

Außerdem ist festgelegt, dass jeder Tierversuch in Deutschland einer Genehmigung durch die zuständige Behörde bedarf. Hier wird detailliert geregelt, welche Unterlagen dem Antrag beizufügen sind. So muss z. B. detailliert wissenschaftlich begründet werden, warum man diesen Versuch unbedingt am Tier durchführen muss. Außerdem sind natürlich Nachweise über eine geeignete personelle, räumliche und organisatorische Ausstattung vorzulegen. Bestimmte Versuchsvorhaben sind von der Genehmigungspflicht ausgenommen, sie müssen aber bei der Behörde in entsprechender Form angezeigt werden. Dabei handelt es sich zum einen um Versuche, die durch nationale Gesetze oder Rechtsakte der Europäischen Union vorgeschrieben sind, zum anderen um Versuche, die mit keinen Schmerzen, Leiden oder Schäden für die Tiere verbunden sind (z. B. Blutabnahme zur Gewinnung von Zellen für Zellkulturen). Diese Tiere tauchen aber auch in der Tierversuchsstatistik auf.

Im Weiteren wird bestimmt, dass jede Einrichtung, die Tierversuche durchführen möchte, einen Tierschutzbeauftragten benennen muss. Diese müssen entweder Tierärzte, Ärzte oder Biologen der Fachrichtung Zoologie sein. Sie sind dafür verantwortlich, im Betrieb auf die Einhaltung der tierschutzrechtlichen Regelungen zu achten sowie die mit dem Umgang mit den Versuchstieren befassten Personen zu beraten.

Nach dem Tierschutzgesetz dürfen auch nur Personen mit entsprechender Qualifikation Versuche an Tieren durchführen. In den letzten Jahren sind die genehmigenden Behörden dazu übergegangen, nur noch das Studium der Veterinärmedizin oder eine vergleichbar qualifizierende Ausbildung (z. B. im Fach Humanmedizin oder Biologie oder als medizinisch-technischer Assistent) in Verbindung mit einer entsprechenden Weiterbildung als Nachweis der Qualifikation zu akzeptieren.

Das Tierschutzgesetz sieht als oberste Prämisse an, Schmerzen, Leiden oder Schäden an den Versuchstieren möglichst gering zu halten. Deshalb müssen potentiell schmerzhafte Tierversuche (z. B. Operationen, Gewebstransplantationen) grundsätzlich unter Betäubung und ausreichender Schmerzstillung vorgenommen werden. Ausnahmen sieht das Gesetz nur vor, wenn entweder die Narkose für das Tier belastender wäre als der Eingriff allein oder es dem Versuchszweck entgegensteht.

Weblinks

Quellenverzeichnis