Pater Pio
Pater Pio da Pietrelcina (ital.: padre Pio oder Fra Pio, geboren am 27.5.1887 - gestorben am 23.9.1968) war ein heiligesprochener Kappuziner-Mönch und Betrüger, der weiterhin in Italien überaus populär ist. Sein eigentlicher bürgerlicher Name ist Francesco Forgione. Aufsehen erregte Pater Pio durch seine Stigmata, angebliche Wunderheilungen, seiner ihm angedichteten Fähigkeit der Bilokation und seinem Kampf gegen den leibhaftigen Teufel.
Pater Pio wurde 2002 heilig gesprochen.
Zeitlebens aber aber auch posthum wurde Pater Pio mit Betrugsvorwürfen konftontiert.
In Italien ist Pater Pio noch beliebter als die Mutter Gottes Maria und Jesus Christus. In unzählichen italienischen Geldbeuteln liegt ein Bildchen des stets bärtigen Heiligen.
Kurzbiographie
Pater Pio / Francesco Forgione wurde 1887 in Pietrelcina in der Nähe von Benevento als Bauernsohn geboren. Seine Mutter wird als sehr gläubig beschrieben. Die Schule besuchte er nicht regelmässig da er die Familie durch seine Arbeit in der Landwirtschaft unterstützen musste. Seine ersten Lehrer waren selbst Bauern und Handwerker. Er kam daher erst mit 12 Jahren in Kontakt mit ausgebildeten Lehrern. 1902 gelang es ihm nach einem ersten vergeblichen Versuch, sich für ein Kloster anzumelden. Am 1. Januar 1903 soll Francesco ein visionäres Erlebnis gehabt haben das ihn dazu bewegte gegen Das Böse zu kämpfen. Wenige Tage später, am 5. Januar 1903 sollen ihm Gott und Maria in einer weiteren Offenbarung verkündet haben eine auserwählte Person zu sein. Im selben jahr wurde er in das Kloster von Morcone aufgenommen und wurde 15 jähriger Novize bei den Kappuzinern unter dem Namen Fra Pio (frater Pio). 1910 wurde er zum katholischen Priester geweiht.
Stigmata
Bereits in seinen frühen Monchszeiten wurde bekannt dass er an seinen Händen Stigmata zeigte, die ihn sein weiteres Leben über begleiteten. Die erste schriftliche Mitteilung darüber stammt vom 8. September 1911, als er selbst in einem Brief darauf hinwies. Diese Stigmata sollen 1910 erstmalig aufgetreten sein, als er täglich eine kleine Hütte aufsuchte die sein Bruder errichtet hatte um sich zum Gebet zurückzuziehen. Er berichtete auch seinen Eltern gegenüber von Schmerzen an den Händen und Füssen, und von Schmerzen für die er Dornenkrone und Peitschenhiebe verantwortlich machte. Zeugen aus der Zeit berichten von unerklärlichen Körpergerüchen nach Jasmin. 1916 begab er sich aus gesundheitlichen Gründen nach San Giovanni Rotondo. 1918 äusserte Fra Pio die Ansicht von Lanzenstichen heimgesucht zu werden die dazu führten dass er ständig eine offene Wunde hätte. Seine Stigmata sprachen sich inzwischen herum und San Giovanni Rotondo entwickelte sich allmählich zu einem Wallfahrtsort. Auch wurden Gerüchte über Wunderheilungen an diesem Ort verbreitet, die Fra Pio zugeschrieben wurden. Um seine Stigmata an den Händen zu verbergen, streifte Pio stets dunkle Handschuhe über, die er aber aus liturgischen Gründen während der Messe ablegen musste.
Angebliche Fieberschübe
Anekdotisch wird immer wieder von einer abnorm hohen Körpertemperatur von Pater Pio berichtet. Mehrfach sei dabei das Fieberthermometer zersprungen und erst Badethermometer hätten eine Temperatur von 48 Grad anzeigen können, die jedoch aus medizinischer Sicht mit dem Überleben nicht vereinbar ist. Häufig traten die angeblichen Fieberzustände zu Zeiten seiner häufigen psychosomatischen Erkrankungen auf, so zum beispiel während seiner Militärzeit im ersten Weltkrieg. Der Klosterarzt Festa konnte jedoch nur normale Körpertemperaturen zwischen 36 und 37 Grad messen.
Die unterschiedlichen Haltungen des Vatikans zu PP
Etwa ab 1919 begann man im Vatikan sich für Pater Pio zu interessieren, der Wallfahrtsrummel hatte sich herumgesprochen. Die Stadtverwaltung des Ortes musste inzwischen auch Entscheidungen bezüglich des steigenden Pilgerandrangs treffen. Anfänglich war dem Vatikan die Angelegenheit eher peinlich, man vermutete Betrügereien und kommerzielle Interessen. So wurden vom Vatikan mehere Untersuchungen beauftragt, von denen viele insgeheim, also ohne Wissen von Pater Pio, abliefen. Vom Vatikan beauftragte Ärzte stellten tatsächlich Hautveränderungen und lokale Nekrosen fest, konnten die Ursache jedoch nicht ermitteln. Der Pathologe Amico Bignami vermutete suggestive Faktoren oder den Einfluss von einer aufgetragenen Iodtinktur. 1920 wurde der Arzt und Psychologe Agostino Gemelli beauftragt Fra Pio zu untersuchen. Zu dieser Zeit begannen auch gerüchte um sexuelle Aktivitäten von Fra Pio die Runde zu machen. Pater Pio erlaubte Gemelli aber nicht ihn körperlich zu untersuchen, was zu einem steigenen Misstrauen führte. Gemelli erstellte dennoch ein Gutachten und kam zum Schluss dass Pater Pio ein Betrüger sei È un bluff…(ein Bluff). Nach Ansicht von Gemelli handelte es sich bei Pater Pio um eine hysterische und psychopathische Persönlichkeit die sich im Rahmen der psychiatrischen Erkrankung die Wunden selbst zufüge. 1923 wurde daraufhin vom Vatikan ein Dekret erlassen in dem die Aktivitäten von Pater Pio verurteilt wurden und in dem die Gläubigen aufgefordert wurden PP nicht zu glauben und nicht mehr nach San Giovanni Rotondo zu pilgern. Das Dekret wurde im Osservatore Romano am 5. Juli veröffentlicht. PP war offiziell aus Sicht des Vatikans ein Betrüger. Am 31.5.1931 wurde erneut vor Pater Pio gewarnt und ihm wurde verboten öffentlich den Gottesdienst durchzuführen und Beichten anzunehmen.
1933 wurden die Beschränkungen jedoch durch den Papst Pius XI wieder aufgehoben, ob dies formal durchgeführt wurde ist jedoch umstritten.
In einer Notiz aus dem Juni 1960 attestiert Papst Johannes XXIII. Padre Pio ein "weitreichendes Seelen-Chaos" und vermutet einen "immensen Betrug" hinter dem Treiben des Mönchs.
Unter Karol Wojtyla, dem eifrigste Selig- und Heiligsprecher in der Geschichte der Päpste wendete sich das Blatt. Im Jahr 2002 wurde Padre Pio von Papst Johannes Paul II. unter einem riesigen Pilgeransturm in Rom heiliggesprochen. Pio kam wohl auch zugute, dass ihm die Heilung einer polnischen Freundin Karol Wojtylas zugeschrieben wurde.
Pater Pio - Rummel und Kommerz
Ende der dreissiger Jahren erhielt Pater Pio vermehrt Besuch von europäischen Aristokraten. Die Pilgerzahl nahm zu, 1940 wurde in San Giovanni Rotondo ein Krankenhaus errichtet. 1950 musste ein Anmeldeverfahren eingeführt werden um den Pilgerandrang zu beschränken. 2004 wurde in San Giovanni Rotondo eine riesige von dem renommierte Architekten Renzo Piano entworfene Wallfahrtskirche eingeweiht, auf Initiative der Pio-Anhänger. Die Geschäfte entwickelten sich so gut, dass Rom einen Supervisor ins schwerreiche Kapuzinerkloster von San Giovanni Rotondo entsenden musste. Ein Satelliten-TV Sender namens Tele Radio Padre Pio kurbelt die Geschäfte an und kann auch in Deutschland über Hotbird gesehen werden [1]. Aufkleber, Anhänger und Aschenbecher mit dem Konterfei von Pater Pio werden in ganz Italien und besonders im wundergläubigen Süden angeboten. Der Wallfahrtsort San Giovanni Rotondo in Apulien ist das meistbesuchte Pilgerzentrum in Europa. Sieben Millionen Menschen jährlich pilgern dorthin, mehr als nach Lourdes. Padre Pio ist so zu einem enormer Wirtschaftsfaktor in der Region geworden.
Unterstützung des italienischen Faschismus
Ab 1920 unterstützte der fromme Pater Pio offen die im Aufwind begriffene faschistische Bewegung und laut seinem Biographen Luzzatto habe sich um ihn ein klerikal-faschistisches Gemisch herausgebildet".
Die PP-Biographie von Sergio Luzzatto 2007
2007 erschien eine akribisch recherchierte Biographie des italienischen Historikers Sergio Luzzatto, die die Zweifel an Pater Pio erhärten. Als Erster, so behauptet Luzzatto, habe er die Untersuchungsunterlagen zum Fall Padre Pio im Geheimarchiv des Vatikan einsehen dürfen, die die Gerüchte um einen nie offen ausgetragenen Konflikt innerhalb der katholischen Kirche bestätigen. Luzzato bezeiht sich in seiner biographie auch auf einen Apotheker aus Foggia namens Valentini Vista. Der Pio-Anhänger geriet durch die Pilgerfahrt einer Kusine, die ebenfalls eine Apotheke betrieb, in spirituellen Kontakt mit dem „lebenden Heiligen“. Der Apotheker wurde misstrauisch, als Pio sich über die Kusine direkt an ihn wandte und nach einem Fläschchen ätzender Karbolsäure fragte, vorgeblich zur Wundsterilisation bei jungen Mitbrüdern in seinem Kloster in San Giovanni Rotondo. Als Padre Pio - über Mittelsleute und unter Bitte um höchste Geheimhaltung - später noch eine vielfach tödliche Menge des Nervengiftes Veratrin bei ihm bestellte, verweigerte Vista die Lieferung und informierte seinen Bischof. Der meldete den Verdacht - samt der schriftlichen Gift-Bestellung Padre Pios, die noch heute in den Vatikanischen Archiven ruht - ergebnislos nach Rom weiter.
Literatur
- Sergio Luzzatto: Padre Pio. Miracoli e politica nell'Italia del Novecento Verlag Einadi 2007 Torino