Die Zeugen Jehovas sind eine christliche Religionsgemeinschaft mit Eigenschaften einer Psychosekte mit Herrschafts- bzw. Machtanspruch. Gegründet wurde die Organisation im ausgehenden 19. Jahrhundert in den USA. Die deutsche Zentrale der Sekte befindet sich in Selters im Taunus.

Glaubensinhalte

Im Mittelpunkt der Lehre steht die Erwartung der baldigen Wiederkunft Christi, des Weltgerichts und der endzeitlichen Gottesherrschaft. Dabei legen die Zeugen Jehovas die Bibel als unmittelbares Wort Gottes aus. Jedes Wort sei wahr, jede Buchstelle einer anderen gleichwertig. So werden z.B. auch Geburtstagsfeiern abgelehnt, weil in der Bibel keine Geburtstage gefeiert werden.

Besonders bekannt sind die Zeugen Jehovas für ihre Endzeit- und Weltuntergangsprohezeiungen. Immer wieder wurden konkrete Terminangaben zum angeblich bevorstehenden Weltuntergang ("Schlacht von Harmagedon") genannt, die aber offensichtlich problemlos verstrichen. Die Jahre 1914, 1925 und 1975 sind am bekanntesten. Jedesmal wurden sie auf Grundlage „überzeugender biblische Beweise“ als „unbestreitbare Tatsache“ und „feststehende Wahrheit“ mit „absoluter Zuverlässigkeit“, „voller Gewißheit“ und „über jeden Zweifel hinaus“ als „offenkundig“ und „absolut und uneingeschränkt richtig“ gelehrt, doch nie trafen die vollmundigen Ankündigungen ein und mussten durch neue Auslegungen, „neues Licht“, wegerklärt werden. Dies hat der Glaubwürdigkeit der Ideologie innerhalb der Sekte nicht geschadet, was darauf hindeutet, dass die Gehirnwäsche-Taktik der Sektenführung gut funktioniert. Nachdem sich alle diese Weltuntergangstermine als falsch herausgestellt hatten, verzichtet die Gemeinschaft seitdem auf solche detailliert genauen Voraussagen.

Jehovas Zeugen beten zum „allmächtigen und ewigen Gott“ Jehova. Nach ihrem Bibelverständnis hat er die Welt und das Leben im Himmel, das heißt die Engel, und auf der Erde erschaffen. Jehova wird als unsichtbarer Geist gesehen, der unabhängig vom Menschen existiert und ein persönliches Interesse an jedem Menschen auf der Erde hat.

Menschen besitzen nach Auffassung der Zeugen Jehovas keine „unsterbliche Seele“, sondern den Leib, welcher zu atmen begann. Die Seele ist demnach kein Teil des Menschen, sondern der „ganze Mensch“ — der Mensch als lebendes Wesen. Daher betrachten sie die Seele als sterblich. Zeugen Jehovas glauben, dass die meisten „treuen Menschen“ für immer unter paradiesischen Verhältnissen auf der Erde leben werden. Verstorbenen bietet sich die Aussicht auf eine irdische Auferstehung. Eine begrenzte Anzahl von 144.000 (die „kleine Herde“ oder „Geistgesalbte“) hat ihrer Ansicht nach jedoch die Hoffnung, nach ihrem Tod in den Himmel zu kommen, um dort mit Christus als Priester und Könige eine himmlische Regierung (das Königreich) zu bilden.

Im medizinischen Bereich wurde die Sekte vor allem dadurch bekannt, dass ihre Anhänger eine Bluttransfusion strikt ablehnen, selbst wenn damit das eigene Leben riskiert wird. Es gibt immer wieder Einzelfälle, in denen Humanmediziner sich über diesen Wunsch legal hinwegsetzen können - z.B., wenn das Leben eines Kindes in Gefahr ist, dessen Eltern eine Bluttransfusion vermeiden wollen. Allerdings werden diese Probleme durch den Fortschritt der Transfusionsmedizin immer geringer.

Die Teilnahme an staatlichen und kommunalen Wahlen ist den Zeugen Jehovas verboten.

Geschichte

Die stark auf das Eintreten einer Endzeit (Weltuntergangsszenario) eingestellte Sekte ist international tätig. Vor 1931 bezeichneten sich ihre Anhänger als Bibelforscher. Der Ursprung der Bewegung geht auf Charles Taze Russel (1852-1916) zurück, der 1879 die Zeitschrift "Zion's Watch Tower and Herald of Christ's Presence" gründete. Sein Kernthema war die Vorhersage, dass 1914 das Königreich Gottes auf Erden in Gestalt eines Friedensreiches eintreten werde. Bekanntlich trat dies nicht ein und die ursprünglich überkonfessionell angelegte Gruppierung verlor viele Anhänger.

1917 übernahm Franklin Rutherford (1869-1942) die Führung der Sekte. Er eliminierte jegliche demokratische Struktur und gründete eine straff organisierte Bewegung. Ursprünglich frei gewählte Älteste wurden durch eingesetzte Versammlungsleiter ersetzt. Ein System wechselseitiger Kontrolle wurde installiert. Sein System hat den Hauptsitz in Brooklyn (New York) als Wachtturm Bibel- und Traktatgesellschaft. Die Taktik der Szene hatte sich unter Rutherford von der Endzeitbewegung weg hin zum Proklamieren einer Offenbarungs- und Verbindungsbewegung zu Gott verändert.

Nathan Homer Knorr (1905-1977) übernahm 1942 die Kontrolle der Bewegung. Unter seiner Präsidentschaft kam es zu einer massiven Ausweitung der Mitgliederzahl (Verfünffachung auf 230.532 Personen allein bis 1948). Knorr gelang es, die Sekte in über 100 Ländern zu implementieren. 1971 und 1972 führte Knorr das Ältestensystem ein. Ein Ältester ist eine besonders engagierte Person der Bewegung.

Nach Knorr folgten zwei weitere führende Köpfe (F. William Franz (1893-1992) und seit Dezember 1992 Milton G. Henschel) im Präsidentenamt.

In der Zeit des Nationalsozialismus waren die Zeugen Jehovas verboten. Unter anderem wegen ihrer konsequenten Weigerung, Kriegsdienst zu leisten, den Hitlergruß zu entbieten oder in anderer Weise am Führerkult, beispielsweise durch den sogenannten Treueeid teilzunehmen, wurden sie im nationalsozialistischen Deutschland und dessen Herrschaftsbereich verfolgt, in Konzentrationslager gesperrt und ermordet.

In der DDR wurden die Zeugen Jehovas im August 1950 verboten, ihr Zweigbüro in Magdeburg geschlossen. Der Vorwurf lautete, die Vereinigung habe „Hetze gegen die demokratische Ordnung“ betrieben. Ab 1967 wurde kein Mitglied der Religionsgemeinschaft mehr wegen seiner Missionstätigkeit von Strafgerichten verurteilt. Der illegale Predigtdienst und die Verbreitung von Zeitschriften wurden seitdem als Ordnungswidrigkeit geahndet.

Missionierung

Die Zeugen Jehovas sind die aktivste Missionarsbewegung in der Bundesrepublik Deutschland. Ein Mitglied ist gehalten, 15 Stunden wöchentlich Missionsdienst zu verrichten, wobei zusätzliche Zeiten für Sonderfeldzüge bereit zu stellen sind. Dazu gehen Mitglieder der Organisation von Haustür zu Haustür, um mit den Bewohnern über ihre Ansichten zu sprechen und sie zu überzeugen. Andere verteilen den "Wachtturm", eine Zeitschrift der Sekte, in Fußgängerzonen.

Im Juli 2010 beantragten die Zeugen Jehovas eine eigene Sendezeit beim Intendanten der Deutschen Welle (DW) Erik Bettermann, um ihre Missionierungsversuche auch über das Medium Radio auszuweiten.[1]

Vermögen

Die Sekte ist wirtschaftlich wohlhabend. Durch den Verkauf von Büchern (12 Mio./Jahr) und Zeitschriften (100 Mio./Jahr), die weltweit vertrieben und in viele Sprachen übersetzt werden, wird dies weiter ausgebaut. Ursache dafür ist Abnahme und der Weiterverkauf der Schriften durch die Mitglieder an Dritte. Bei 5,3 Mio. aktiver Zeugen Jehovas (sog. Verkünder), wovon etwa 170.000 in Deutschland aktiv sind, ist dies die hauptsächliche Einnahmequelle.

Kreationismus

Zeugen Jehovas gehören zu den lautstärksten Verfechtern des Kreationismus, so etwa Wolf-Ekkehard Lönnig, einer der bekanntesten deutschen Kreationisten.

Kinder bei den Zeugen Jehovas

Bereits kleine Kinder werden mit den Glaubensinhalten der Organisation indoktriniert. Körperliche Züchtigungen waren zwar einmal an der Tagesordnung, doch inzwischen wird darauf hingearbeitet, diese zu unterlassen.

Indoktrination

Zeugen Jehovas nehmen ihre Kinder vom Säuglingsalter an mit in den Königreichssaal. Diesen muß man sich als großen Hörsaal vorstellen, in dem ein Redner von der Bühne spricht. Die Zusammenkünfte, die zweimal wöchentlich stattfinden, dauern jeweils etwa zwei Stunden. In dieser Zeit wird von allen Anwesenden - auch von den Kindern - erwartet stillzusitzen und aufmerksam das Programm zu verfolgen. Eltern, deren Kinder nicht stillsitzen können, sind angehalten, den Saal zu verlassen.

In der Literatur der Wachtturm-Gesellschaft werden Eltern angewiesen, dieses Stillsitzen mit den Kindern von Anfang an zu üben. Es sollen regelmäßige "Studienzeiten" abgehalten werden, in denen Wachtturm-Literatur betrachtet wird. Dies kann bei kleinen Kindern noch spielerisch sein, mit zunehmendem Alter wird jedoch erwartet, dass das Kind sich aktiv am Studium beteiligt. Es ist nicht erlaubt, den Kindern in die Zusammenkünfte Bilderbücher oder Spielzeug zur Unterhaltung mitzugeben, sondern sie sollen sich mit "geistigen Dingen" beschäftigen, was bedeutet, entweder still zuzuhören, sich durch vorbereitete Kommentare am Versammlungsgeschehen zu beteiligen oder zumindest biblische Bilderbücher anzusehen. Diese Regeln gelten auch für die ganztägigen Kongresse, auf denen die Zeugen Jehovas ca 6-8 Tage im Jahr verbringen.[2]

Die Kinder sind angehalten, frühzeitig in der Zeugen Jehovas-Karriere Fortschritte zu machen und so bald wie möglich "ungetaufte Verkündiger" zu werden. Ein ungetaufter Verkündiger muss die Anforderungen an einen Zeugen Jehovas erfüllen und monatlich über seinen Einsatz berichten. Sind die Kinder frühzeitig in diesem Dienst aktiv, gelten die Eltern als vorbildlich und dürfen in den Zusammenkünften zusätzliche "Vorrechte" wahrnehmen, z.B. in Interviews darüber berichten, wie man sein Kind erfolgreich zum Zeugen Jehovas erzieht.

Schulkinder bei den Zeugen Jehovas sind angehalten, die Schule als ihr persönliches Predigtdienstgebiet zu betrachten und soviel wie möglich "Zeugnis zu geben." So werden - ohne das Wissen der Eltern - bereits Schüler mit den Lehren der Zeugen Jehovas konfrontiert. Die Zeugen-Jehovas-Kinder sollen möglichst auf Heimbibelstudien mit Klassenkameraden hinarbeiten, welche dann oft ohne das Wissen von deren Eltern abgehalten werden.[2]

Feiertage

Zeugen Jehovas kennen nur einen Feiertag im Jahr: das Gedächtnismahl. Doch auch dieser Tag bedeutet für ein Kind nur ein weiteres mal stillzusitzen und schon Wochen vorher möglichst viele Menschen zum Besuch des Gedächtnismahls einzuladen, also vermehrt in den Predigtdienst zu gehen. Andere Feiertage kennen die Zeugen Jehovas nicht.

Feiern bzw. Feiertage wie Geburtstage, Weihnachten, Advent, Ostern, Fasching, Martinsumzug sind den Kindern streng verboten, weil die damit in Verbindung stehenden Bräuche als satanisch gelten.

Sollte ein Kind der Zeugen Jehovas überhaupt in den Kindergarten gehen - in vielen Familien gilt dies als verpönt, da das Kind hier nur mit unbiblischen Lehren und weltlichen Bräuchen konfrontiert werde -, dann muss es bei Geburtstagsfeiern, Adventfeiern oder Faschingsfeiern zuhause bleiben oder im Nebenraum warten, bis die Feier beendet ist. Auch an den Bastelarbeiten zum bevorstehenden Feiertag und den dazugehörigen Liedern darf sich das Kind nicht beteiligen. Es darf noch nicht einmal einem anderen Kind zum Geburtstag alles Gute wünschen.

All das führt das Kind sehr schnell in eine Außenseiterposition und isoliert es noch mehr von anderen Menschen

Ablehnung der Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts

Das Bundesverwaltungsgericht hat im Urteil vom 26. Juni 1996 (BVerwG 7 C 11.96) entschieden, daß die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas keinen Anspruch darauf hat, vom Staat als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt zu werden. Als Begründung wurde ausgeführt:

Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Bundesverwaltungsgericht aus: Der Rechsstatus einer Körperschaft des öffentlichen Rechts werde den Religionsgemeinschaften vom Staat in der Absicht angeboten, ihr Wirken zu fördern und mit ihnen zu ihrem Nutzen dauerhaft zusammenzuarbeiten. Eine solche Kooperation sei ohne ein Mindestmaß an gegenseitigem Respekt nicht vorstellbar.

In Österreich sind die Zeugen Jehovas seit 2009 eine gesetzlich anerkannte Religionsgemeinschaft.

Die Zeugen Jehovas seien zwar dem Staat gegenüber nicht negativ, sondern grundsätzlich positiv eingestellt, lehnten aber aus religiösen Gründen die Teilnahme an den staatlichen Wahlen ab. Mit diesem für alle Mitglieder geltenden Verbot der Wahlteilnahme setze sich die Religionsgemeinschaft in Widerspruch zu dem für die staatliche Ordnung im Bund und in den Ländern konstitutiven Demokratieprinzip. Diese nicht nur staatspolitisch, sondern zugleich auch verfassungsrechtlich zentrale Bedeutung der Parlamentswahlen werde von der Klägerin missachtet. Da sie dem demokratisch verfassten Staat nicht die für eine dauerhafte Zusammenarbeit unerlässliche Loyalität entgegenbringe, könne sie nicht verlangen, von ihm als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt zu werden.[3]

Quellen und Weblinks

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