Laut Behauptungen aus diversen esoterischen Kreisen sollen Hühner über die Nahrung zuwenig Kalk aufnehmen, um damit die kalkhaltigen Schalen von Eiern produzieren zu können. Diese Behauptung könnte man als das Eierschalen-Paradoxon bezeichnen. Die Behauptungen gipfeln zuweilen darin, auf Basis irrtümlicher Annahmen die Existenz so genannter Transmutationen in biologischen Systemen wie dem des Huhns zu behaupten. Die Wissenschaft (hier: Oologie) sei zudem nicht in der Lage, so einfache Fragestellungen wie die nach der Herkunft des Eierschalen-Calciums beantworten zu können. Daher sei wissenschaftlichen Angaben im Bereiche der Biologie generell zu misstrauen und alle möglichen pseudowissenschaftlichen Vermutungen zumindest gleichzustellen.

Derartige Behauptungen finden sich aktuell zum Beispiel im NET-Journal[1], oder auch in Vermutungen des Überlinger Heilpraktikers Andreas Schulz.[2] Einer der Verbreiter des Eierschalen-Paradoxons war in den 1920er Jahren Corentin Louis Kervran, der damit seine "biologische Transmutationshypothese" plausibel machen wollte.

Ähnlich fehlerhafte Behauptungen wurden in der Vergangenheit auch zu Hummeln aufgestellt. Dabei ist dies nur ein uralter Studentenulk, der jedoch regelmäßig im Internet die Runde macht und als eine Art "Beweis" für eine realitätsferne und fehlerbehaftete Physik herhalten muss. Bei eingehender Betrachtung derartiger Behauptungen ergibt sich, dass diese häufig einzig auf verschiedenen Spekulationen und Untersuchungen aus dem Zeitraum des 17. bis 19. Jahrhunderts basieren.

Geschichtliches zur Herkunft des Eierschalen-Calciums

 
Hühnerstudie von Vauquelin[3]

Häufig wird in diesem Zusammenhang auf den französischen Chemiker und Apotheker Louis-Nicolas Vauquelin (1763 - 1829) verwiesen. Kervran schrieb selbst, sich auf Angaben von Vauquelin zu berufen, jedoch keine exakte passende Literaturquelle gefunden zu haben und sich daher hilfsweise auf den französischen Schriftsteller Gustave Flaubert (1821 - 1880) zu berufen.[4] Flaubert wiederum zitiert Vauquelin mit der Angabe [...] Vauquelin, ayant calculé toute la chaux contenue dans l'avoine d'une poule, en retrouva davantage dans les coquilles de ses œufs. Donc il se fait une création de substance. De quelle manière, nul ne le sait [...]. (Nach Flaubert: Vauquelin fand mehr Kalk in den Eierschalen als im Hafer der Hühner. Dabei handelt es sich also um eine Substanzneubildung. Auf welche Weise weiß jedoch niemand.).

Vauquelin hatte tatsächlich 1799 zur Frage nach der Herkunft des Eierschalenkalks und zur Hühnereientstehung in den Annales de Chimie veröffentlicht.[5] Demnach würden seine Messungen aus dem 18. Jahrhundert ergeben, dass Hühner viermal mehr Calcium in Form von Eierschalen ausscheiden, als sie über die Nahrung aufnehmen. Vauquelin isolierte in einem Tierversuch ein legendes Huhn für zehn Tage und gab dem Tier nur Hafer zu fressen und berechnete eine Ein- und Ausfuhr. In den zehn Tagen legte das Huhn vier Eier und soll laut Vauquelin mehr phosphate de chaux, also wohl Calciumphosphat, ausgeschieden haben, als es über den Hafer aufnahm. Vauquelins Angaben wurde jedoch bereits wenige Jahre später in Frage gestellt,[6][7] da Vauquelin die Nahrungsaufnahme vor dem Experiment nicht mit berücksichtigt hatte. Aus heutiger Sicht gab Vauquelin der Legehenne auch zuwenig Futter, nämlich 48 Gramm Hafer pro Tag. Eine Legehenne benötigt jedoch etwa 150-160 Gramm geeigneten Futters pro Tag, insbesondere Mineralien. Vauquelin zog seine Beobachtungen im gleichen Jahre 1799 auch selbst in Zweifel[8] und betonte, dass es sich um Beobachtungen handelte, die nicht wiederholt worden seien und die er selbst bezweifele.[9]

Zusammensetzung der Hühnereischale

Die Kalkschale von Hühnereiern besteht entspricht etwa 9-12% des Gesamtgewichts des Eis (im Durchschnitt etwa 45 Gramm), dies entspricht in etwa 6 bis 8 Gramm. Sie besteht zu etwa 94%-97% aus Calciumcarbonat CaCO3, und anderen anorganischen Salzen (MgCO3 und Phosphaten), gebunden in einer Eiweissmatrix (Protein-Muccopolysaccharid-Komplex). Der Futterbedarf für ein einziges Ei beträgt 150 bis 160 g Futter.[10]

Literatur

  • Vauquelin N: Expériences sur les excréments des poules, comparés à la nourriture qu'elles prennent et réflexions sur la formation de la coquille d'oeuf. XXIX Ann Chimie 28:3–25, 1798. (auch mit Jahresangabe 1799)

Quellenangaben

  1. NET-Journal 3/4 2003, Seite 4
  2. http://www.dreigliederung.de/essays/2000-06-021.html
  3. Baron Louis Jacques Thenard: Traité de chimie élémentaire, théorique et pratique‎. 1824
  4. Louis C. Kervran: "A la découverte des transmutations biologiques" Je précise que Vauquelin (Louis-Nicolas) fut un célèbre chimiste français, mort en 1829 à 66 ans. Il était donc contemporain de Prout, mais aussi de Lavoisier [...] Je n'ai pas de renseignements autres sur les recherches de Vauquelin au sujet de l'origine du calcaire des poules, mais on voit que, dans des domaines très voisins des travaux de Prout, il a conduit des recherches dont l'antériorité lui revient : en effet c'est en 1822. année où Prout publie ses travaux que Vauquelin est mis à la retraite ; il fut professeur à l'Ecole des Mines et à Polytechnique en 1795, au Collège de France en 1801 ; membre de l'Institut et directeur de l'école de Pharmacie en 1803 ; il professait la chimie au Muséum (1804), à la Faculté de Médecine (1809) ; il a laissé soixante mémoires, mais je n'ai pu à ce jour dater celui cité par Flaubert ; il est certainement antérieur à 1822. Quelle: [1]
  5. Vauquelin N: Expériences sur les excréments des poules, comparés à la nourriture qu'elles prennent et réflexions sur la formation de la coquille d'oeuf. Ann Chimie 28:3–25, 1798 (1799)
  6. Baron Louis Jacques Thenard: Traité de chimie élémentaire, théorique et pratique‎. 1824. Seite 334
  7. Matthieu Joseph Bonaventure Puig Orfila. Éléments de chimie: appliquée à la médecine et aux arts‎. 1835, Seite 406
  8. Je ne donne [...] ces résultats que comme des aperçus [...] auxquels je ne puis encore accorder une confiance entière [une seule expérience non confirmée. Il faudrait [...] les répéter et les varier de diverses manières [...] et si nous arrivions aux mêmes résultats, ce seroit un grand pas de fait dans la philosophie naturelle, et beaucoup de phénomènes, dont la cause est inconnue, seroient expliqués
  9. Louis Kervran. Preuves en Biologie de Transmutations à Faible Energie Paris, Maloine, 1975, Seite 48
  10. http://www.huehner-info.de/infos/futter_bestandteile3.htm