Homöopathische Arzneimittelprüfung
Die homöopathische Arzneimittelprüfung (AMP) ist die Austestung homöopathischer Mittel an als gesund angenommenen Probanden und Probandenkollektiven. Aus der Beobachtung der bei diesen Personen auftretenden möglichen Symptomen leiten Homöopathen das Einsatzprofil homöopathischer Mittel ab. Die Beobachtungen werden in eigenen Vezeichnissen notiert, die als Arzneimittellehren bezeichnet werden. Auf diese Arzneimittellehren stützt man sich dann in Folge bei der Mittelfindung. Einzelnen homöopathischen Mitteln wird ein sogenanntes Arzneimittelbild zugeordnet. Neben den Arzneimittellehren (auch Materiae medicae genannt) von Samuel Hahnemann sind diejenigen der Homöopathen Hering, Kent, Starke und Metzger berühmt geworden. Kent und Boenninghausen verfassten eine Art Inhaltsverzeichnis zu den Arzneimittellehren, die sogenannten homöopathischen Repertorien, die nach Symptomen sortiert sind.
Homöopathische Arzneimittelprüfungen sind nicht mit Arzneimittelprüfungen gemäß des Arzneimittelgesetzes vergleichbar. Bei homöopathischen Arzneimittelprüfungen wird nicht eine erwartete Wirksamkeit überprüft, sondern beobachtet, ob und welche Symptome, Träume, Gefühle oder Sinneseindrücke durch ein homöopathisches Mittel (scheinbar) hervorgerufen werden, unabhängig davon, ob das zu prüfende Mittel tatsächlich Auslöser dafür sein könnte.
Die europäische Gesetzgebung sieht seit der Richtlinie 2001/83 ein eigenes Zulassungsverfahren für homöopathische Arzneimittel vor. In der Novelle zu dieser Richtlinie (2004/27) wird dieses vereinfachte Zulassungsverfahren erstmals für alle Mitgliedsländer der Europäischen Union verpflichtend. Die Richtlinie verlangt dabei den Aufdruck Homöopathisches Arzneimittel ohne genehmigte Heilanzeigen auf den homöopathischen Präparaten.
Problematik und Kritik an der homöopathischen Arzneimittelprüfung
Die Praxis der in der Homöopathie durchgeführten homöopathische Arzneimittelprüfung ist aus mehreren Gründen problematisch.
- Zum einen sind bei der AMP der so genannte "Prüfer" und der Proband oftmals identisch. Die jeweiligen Prüfer stellten auch die zu prüfenden Substanzen selbst her, Placebo oder Noceboeffekte, Experimentatoreffekt oder Hawthorne-Effekt wurden oder konnten nicht ausgeschlossen werden.
- Die AM-Prüfungen wurden an als "gesund" befundenen Menschen erprobt. In der Praxis wird eine homöopathische Therapie jedoch eher bei Erkrankten angewandt.
- Zum anderen sind mehrere Untersuchungen bekannt geworden, die gezeigt haben, dass bei historische Prüfungen nicht reproduziert werden konnten. Wiederprüfungen von Pulsatilla, einem häufig eingesetzten und öfters überprüften Mittel, ergaben, dass die beobachteten Symptome auf den Studienaufbau selbst und nicht auf das getestete Mittel zurückzuführen sind. Die Studie dauerte drei Monate, im ersten Monat erhielten alle Teilnehmer ohne ihr Wissen Placebopillen, im Zweiten jeweils die Hälfte der Probanden Pulsatillapräparate und die Andere Placebos. Im dritten Monat wurde Pulsatilla mit Placebo und Placebo gegen Pulsatilla ausgetauscht. Sehr auffallend war, dass die grösste Anzahl von Symptomen im ersten Monat gemeldet wurde. Einige Probanden zogen sich, wegen der Heftigkeit der Symptome, vorzeitig aus der Studie zurück. Dies deckt sich auch mit Angaben des Homöopathen Fritz Donner zu Untersuchungen zur Homöopathie im Auftrag des Reichsgesundheitsamts die zwischen 1936 und 1939 unternommen wurden.
Durchführung
Über eine erste Arzneimittelprüfung berichtet Hahnemann selbst und meint dabei seinen eigenen Chinarindeversuch, der jedoch später nicht mehr replizierbar war.
In der Homöopathie existiert jedoch keine einheitliche Regel oder Vorschrift, wie die homöopathische Arzneimittelprüfung durchzuführen wäre. So gibt es beispielsweise persönliche Arzneimittelprüfungen, Seminar-Arzneimittelprüfungen, Traumprüfungen, Meditationsprüfungen, Bioresonanz-AMP und so weiter.
Prinzipiell wird an einem gesunden Probanden (auch im Selbstversuch) oder einem Probandenkollektiv das Mittel in starker Verdünnung ausprobiert und die beobachteten, berichteten oder geträumten Symptome notiert. In der Regel wird dabei das Mittel nicht auf verblindete Weise mit einem Placebomittel verglichen. In der Regel fehlt auch eine valide Randomisierung.
Traum- und Meditationsprüfung
Eine Art der Arzneimittelprüfung ist die sogenannte Traumprüfung, bei der die Versuchspersonen das Mittel nicht einnehmen, sondern es nachts unter ihr Kopfkissen legen und später ihre Träume notieren.
Bei sogenannten Meditationsprüfungen müssen die Versuchspersonen das jeweilige homöopathische Mittel in den Händen halten und dabei meditieren. Äußerungen der Meditierenden werden dann als Symptom gedeutet.
Bioresonanzprüfungen
Viele Homöopathen führen die Arzneimittelprüfungen mit diversen Gerätschaften der Bioresonanz durch.
Prüfung der Prüfungen
Eine in der Homöopathie-Fachzeitschrift homoepathy veröffentlichte Untersuchung derartiger Arzneimittelprüfungen der Jahre 1945 bis 1995 ergab, dass diese Prüfungen sehr unterschiedlich gehandhabt werden und sie meist von sehr niedriger Qualität sind und auf eine Kontrollgruppe und Placebo-Präparate zum Vergleich verzichtet wurde. Auf Randomisierungen und Verblindungen wurde verzichtet. Interessanterweise werden in Prüfungen minderer Qualität mehr Symptome berichtet als in den anderen Prüfungen. [1].
Homöopathische Polychreste
In der Homöopathie wird der Begriff Polychreste (zu vielem nützlich, von gr. πολύς, viel und χρηστός, nützlich) für einige homöopathische Arzneimittel verwendet, die nach Ansicht der Homöopathen bei vielen unterschiedlichen therapeutischen Fragestellungen angewandt werden sollen und häufig eingesetzt werden. Die homöopathischen Polychreste stehen mit vielen tausend Symptomen in den homöopathischen Symptomensammlungen (Materiae medicae). Typische Polychreste sind beispielsweise
- Natrium muriaticum (Kochsalz)
- Nux vomica (Strychnos nux-vomica, Gewöhnliche Brechnuss)
Zitate
- [...] Hat man nun eine beträchtliche Zahl einfacher Arzneien auf diese Art im gesunden Menschen erprobt und alle die Krankheits-Elemente und Symptome sorgfältig und treu aufgezeichnet, die sie von selbst als künstliche Krankheits-Potenzen zu erzeugen fähig sind, so hat man dann erst eine wahre Materia medica - eine Sammlung der ächten, reinen, untrüglichen Wirkungsarten der einfachen Arzneistoffe für sich [...] [2]
- Alle Beschwerden, Zufälle und Veränderungen des Befindens der Versuchsperson während der Wirkungsdauer einer Arznei rühren bloß von dieser her und müssen als deren eigentümlich zugehörig, als ihre Symptome angesehen werden und aufgezeichnet werden; gesetzt auch die Person hätte ähnlich Zufälle v o r l ä n g e r e r Z e i t bei sich von selbst wahrgenommen.[3]
Weblinks
Quellennachweise
- ↑ F. Dantas, P. Fisher, Harald Walach, F. Wieland, D.P. Rastogi, H. Teixeira, D. Koster, J.P. Jansen, J. Eizayaga, M.E.P. Alvarez, M. Marim, P. Belon and L.L.M. Weckx. A systematic review of the quality of homeopathic pathogenetic trials published from 1945 to 1995. Homeopathy, Volume 96, Issue 1, January 2007, Seiten 4-16
- ↑ Samuel Hahnemann, Organon der Heilkunst, § 143
- ↑ Hahnemann, § 138 des Organon