Mykotherapie
Mykotherapie ist die Bezeichnung einer Therapie mit Pilzen oder Pilzprodukten zu Heilzwecken oder zur Gesundheitsförderung. Unterschieden werden muss zwischen dem rational begründbaren Einsatz sowie spekulativen tradierten, erfahrungsheilkundlichen Anwendungen und auch in Mode geratenen Anwendungen von Pilzen im Rahmen von Scharlatanerie und Betrug.
Zumeist ist mit Mykotherapie die traditionelle pseudomedizinische Behandlung mit Bestandteilen bestimmter Pilze (als Stoffgemisch) gemeint, die in diesem Zusammenhang auch Heilpilze genannt werden und in sogenannten Pilzfarmen großtechnisch im Tonnenbereich angebaut werden. Die Anwendung von Heilpilzen stützt sich auf Angaben aus dem Mittelalter, aber auch auf die Traditionelle Chinesische Medizin. Diese Behandlungsform ist nicht mit der Anwendung isolierter, chemisch identifizierter Pilzprodukte zu verwechseln. Vereinzelt wurden die Stoffgemische ganzer Pilze auch wissenschaftlich auf ihre therapeutische Verwendung hin untersucht.
Einige Antibiotika enthalten als Wirkstoffe isolierte und aufgereinigte Pilzprodukte. Als Beispiel kann das Penizillin genannt werden, das vom Schotten Alexander Fleming (1881–1955) entdeckt wurde. Die Anwendung von derartigen aufgereinigten und chemisch identifizierten Pilzprodukten in festgelegter Konzentration (Dosierung) ist Bestandteil von Chemotherapien der modernen Medizin mit nachgewiesenen Wirkungen und ebenfalls genau bekannten unerwünschten Nebenwirkungen.
Heilpilze und Vitalpilze
Sogenannte Heilpilze oder Vitalpilze sind gegenwärtig in einer großen Zahl von Produkten enthalten, teils auch nur angeblich. Die Produkte unterliegen als Lebensmittel dem LFGB, und werden hauptsächlich über international operierende MLM-Networks aggressiv beworben. Zur Zeit (2008) scheint ein Heilpilz namens Shiitake (Shiitake - Lentinula edodes) aus der Familie der Schwindlingsartigen (Marasmiaceae) sehr beliebt zu sein, inklusive davon abgeleiteten Produkten wie Shiitake-Schokolade. Einige der Heilpilze werden vereinzelt sogar zur Behandlung von Krebserkrankungen beworben. Im Internet werden zahlreiche Bücher und Heftchen mit Anleitungen zum Selbstanbau der sogenannten Heilpilze angeboten. Derartigen Pilzprodukten werden grundsätzlich positive Wirkungen zugeschrieben, wie Aktivierung des Immunsystems oder cholesterinsenkende Wirkung usw. Auch werden Pilzprodukte in arzneiähnlicher Form (Kapseln und Tabletten zum Einnehmen) als Nahrungsergänzungsmittel vertrieben. Heilpilze waren auch bereits Thema im Rundfunk (z.B. in „Die Sprechstunde“, Bayerischer Rundfunk oder „ARD-Ratgeber“),[1] mit durchweg werbendem Charakter - bei bislang nicht wissenschaftlich nachgewiesener Eignung zur Behandlung schwerer Erkrankungen.
Im Zusammenhang mit gesundheitsbezogenen Aussagen kam es bereits zu Abmahnungen und Verurteilungen von Anbietern sogenannter Heilpilze, denn derartige Aussagen sind für Lebensmitteln und Nahrungsergänzungen untersagt.
Mykotherapie als eigenständiges, pseudomedizinisches Konzept wird auch vom deutschen Mykologen Jan Lelley betrieben. Bislang ist seine Mykologie mit Pilzen der TCM jedoch kaum verbreitet.
Geschichtliches
In China werden zahlreiche Pilze schon seit Jahrhunderten in der tradierten Naturheilkunde verwendet. In Europa waren Pilze Thema verschiedener Kräuterbücher (Hieronymus Bock, Peter Melius und Adam Lonitzer). Neuerdings kommen Heilpilze ostasiatischer Herkunft (Japan, Korea) in Mode.
In der Vergangenheit wurde das Erscheinen von Pilzen mit Miasmen erklärt: Die Pilze entstünden durch schlechte Ausdünstungen der Erde oder durch faulenden Untergrund. Auch der Glaube an die Urzeugung (Generatio spontanea) wurde durch Pilze genährt, weil man ihre Sporen vor Erfindung des Mikroskops nicht sehen konnte. Siehe dazu auch Pleomorphismus.
Ein bekanntes Produkt das aus Pilzen hergestellt wird ist Kombucha.
Die Pilze
Beispiele für Pilze aus europäischen Kräuterbüchern:
- Stinkmorchel (Phallus impudicus) gegen Gicht
- Echter Zunderschwamm (Fomes fomentarius) zur Blutstillung
- Hallimasch (Armillaria mellea) als Abführmittel
- Judasohr (Auricularia auricula-judae)
Beispiel traditionell in China zu Heilzwecken verwandte Pilze:
- Judasohr (Auricularia auricula-judae)
Beispiele für Heilpilze ostasiatischer Herkunft:
- Shiitake (She-taki-kee - Lentinula edodes)
- Schmetterlingstramete (Trametes versicolor)
- Spaltblättling (Schizophyllum commune)
- Glänzender Lackporling (Ganoderma lucidum, chin. „Ling-Zhi“ oder japan. "Reishi") als Pilz der Unsterblichkeit
- Igelstachelbart oder als Affenkopfpilz bezeichnet (Hericium erinaceus)
- Silberohr (Tremella fuciformis)
- Klapperschwamm oder Maitake-Pilz (Grifola frondosa)
Heilpilze bei Krebs
Immer wieder wird von Seiten der Nahrungsergänzungsmittelindustrie behauptet, dass bestimmte Pilze bei Krebserkrankungen wirksam wären. Als Beispiel ist hier der Royal Agaricus (Agaricus sylvaticus Shaeffer) zu nennen, der aus Brasilien stammen soll, aber wohl auch bei uns angebaut wird. Tatsächlich sind jedoch auch andere Pilze unter dem Etikett des schwer anbaubaren Royal Agaricus in betrügerischer Absicht verkauft worden. Die überwiegende Zahl der heute vertriebenen Agaricusprodukte, unter den Namen Cogumelo do sol, Cogumelo da vida, Piedade-Cogumelo oder Agaricus-Mischungen enthalten in Wirklichkeit keine Bestandteile von Royal Agaricus.
Pilzdrogen
Einige Pilze wurden und werden als psychoaktive Substanzen benutzt. Sie spielen traditionell bei bestimmten Zeremonien im Schamanismus oder esoterischen Praktiken ein Rolle. Diese werden entweder in Tees eingenommen oder geraucht. Zu nennen wären hier: Teonanacatl-Pilze, Psilocybe, Fliegenpilz, Blauender Kahlkopf, Düngerlinge, Gi'-i-Wa, Kubanischer Träuschling, Mexikanischer Kahlkopf, Mutterkorn und Risspilze.
AHCC
AHCC (Active Hexose Correlated Compound) ist ein weiteres Pilzprodukt, das aus aus Japan auf den deutschen Markt kommt.
Nebenwirkungen/Gefahren
Viele der Pilze, die als Heilpilze bezeichnet werden, stehen auch traditionell auf dem Küchenzettel bestimmter Länder. Hier muss jeweils auf Garzeiten geachtet werden, bzw. auf die jeweilige Giftigkeit. Vom Shiitake-Pilz sind allergische Hautreaktionen bekannt (Shiitake-Dermatitis). Zum Risiko der Einnahme von Shiitake äußert sich das BfR [2].
Der Heilpilz Ganoderma lucidum (Glänzender Lackporling - japan.: Reishi, chin.: Ling Zhi) kann lebertoxisch wirken.[2]
Rechtliches
Auf Betreiben einer Wettbewerbszentrale aus Frankfurt am Main hat das Landgericht Tübingen (Beschluss vom 8. November 2005, Az. 21 O 184/05) einem Werbenden untersagt, für Pilze mit Behauptungen zu werben, dass diese zur Behandlung von Durchblutungsstörungen eingesetzt würden, Arteriosklerose vorbeugten, bei Migräne und Tinnitus erfolgreich eingesetzt würden usw. Diese Pilze sollten auch bei Krebs wirksam sein.
In China wurde ein Heilpilz namens Ling Zhi (König der Heilpilze) als verschreibungspflichtiges Medikament zugelassen. Der Leiter der chinesischen Zulassungsbehörde (China State Food and Drug Administration (SFDA) Zheng Xiaoyu wurde jedoch inzwischen wegen Korruption zum Tode verurteilt. Er hatte von acht Herstellerfirmen Bestechungsgelder angenommen und dafür Produkte zugelassen.[3]
Die US-amerikanische Aufsichtsbehörde warnte vor Betrug mit angeblichen Krebs-Wundermitteln aus Heilpilzen. Sie mahnte 23 Firmen ab, die in ihren Werbungen suggerierten, dass ihre Produkte bei Krebs wirksam seien. Dabei wurden Aussagen getätigt wie "heilt alle Krebsarten" oder "wirkt gegen Krebszellen und schont gesundes Gewebe". Genannte Produkte waren der Mandelpilz Agaricus, Reishi- oder Shii-Take-Pilze. Die amerikanische Arzneimittelbehörde weist darauf hin, dass die Wirksamkeit der Mittel nicht belegt ist. Darüber hinaus fehlen auch Unterlagen zur Sicherheit oder mögliche Nebenwirkungen der angeblichen Krebs-Wundermittel.[4][5]
Literatur
- René Flammer, Artikel in Schweizerische Zeitschrift für Pilzkunde 4/2002
Weblinks
Quellennachweise
- ↑ http://www3.ndr.de/ndrtv_pages_std/0,3147,OID4223368,00.html
- ↑ Wanmuang H, Leopairut J, Kositchaiwat C, Wananukul W, Bunyaratvej S., Fatal fulminant hepatitis associated with Ganoderma lucidum (Lingzhi) mushroom powder. J Med Assoc Thai. 2007 Jan;90(1):179-81
- ↑ http://www.chinadaily.com.cn/china/2007-05/29/content_882475.htm
- ↑ Pressemitteilung DKFZ: „FDA warnt vor betrügerischen Krebsmitteln“ vom 25. Juni 2008 [1]
- ↑ http://www.cfsan.fda.gov/%7Edms/ds-warn.html