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C.W. Turtur

Claus Wilhelm Turtur (geb. 26. März 1961 in Bonn) ist ein promovierter deutscher Physiker und Professor an der FH Wolfenbüttel (Ostfalia - Hochschule für Angewandte Wissenschaften), Buchautor und Visionär für nutzbare Energie aus unerschöpflicher Nullpunktenergie.

Tutur schrieb Mathematik-Trainingsbücher für Studierende und veröffentlichte bei book-on-demand und im Internet zum Thema einer aus seiner Sicht nutzbaren und unerschöpflichen Nullpunktenergie (Vakuumenergie, zero point energy, ZPE), die seiner Meinung nach bei Anwendung eines von ihm erfundenen Flügelradmotors als mechanische Energie nutzbar gemacht werden könne, und führte dazu Experimente durch. Turtur beruft sich bei seinen Annahmen zur Nullpunktenergienutzung auf den in Österreich geborenen Kroaten Nikola Tesla, den französichen Graviflight-Bastler Jean-Louis Naudin, den Casimir-Effekt, den Erfinder (und Eigentümer der Firma InterStellar Technologies Corporation) Fabrizio Pinto und Experimente aus den letzten Jahrzehnten zu Wirkungen elektrostatischer Felder. Seine Aktivitäten will Turtur indess nicht als Forschung an einem Perpetuum Mobile oder analogen Wundermaschinen a la Jim Knopf gewertet wissen. (Der Kinderbuchautor Michael Ende hatte Lukas den Lokomotivführer in einem Märchen eine Lokomotive fahren lassen, die einen starken Magneten an einem Ausleger vorausfahren liess).

Turtur ist auch Urheber eines so genannten "Nullpunktenergiekreislaufs".

Beachtung fanden seine Ansichten zu einer hypothetischen Raumenergienutzung bei den "Freie-Energie" Anhängern, bei NuoViso und dem NET-Journal, auf deren Veranstaltungen er auch als Vortragsredner auftritt.

Kurzbiographie

Turtur studierte Physik mit den Nebenfächern Mathematik und Informatik an der Universität Bonn. Er promovierte in angewandter Festkörperphysik an der Universität Regensburg mit einem Thema der Werkstoffkunde (Lese-Schreibköpfe für Computerfestplatten). Es folgte eine Tätigkeit bei einem Automobilzulieferer. Tutur ist aktuell am Fachbereich Elektrotechnik der FH Wolfenbüttel-Braunschweig in der studentischen Lehre tätig.

Erweiterung des Casimir-Effekts

 
Turtur-Werk (Quelle:bod)

Turtur beruft sich bei seinen Annahmen und Behauptungen auf eine Erweiterung des bekannten und allgemein in der Physik anerkannten Casimir-Effekts des niederländischen Physikers Hendrik Casimir aus dem Jahr 1948. Laut Veröffentlichungen will Turtur eine praktische Nutzung der Energie von Nullpuntksoszillationen des Vakuums erreichen.

Vereinfacht ausgedrückt hatte Casimir herausgefunden, dass zwischen zwei im Vakuum parallel gelagerten Platten in einem sehr geringen Abstand (unter einem Mikrometer) eine schwache Kraft (Casimir-Polder Kraft) wirkt, die darauf zurückzuführen ist, dass selbst im leeren Raum laufend virtuelle Teilchen geboren werden und vergehen indem sie sich gegenseitig annihilieren. Ausserhalb der Platten herrschen Teilchen mit ganz beliebigem Impuls vor, zwischen den Platten jedoch nicht. Das führt im Ergebnis zu einem minimalen Druck, der die beiden Platten aufeinander zu bewegt, was auch bereits im Experiment nachgewiesen wurde und 1997 auf etwa 5% genau bestimmt werden konnte[1]. Die Quantenfeldtheorie betrachtet ein Vakuum nicht als völlig leer. Selbst im Grundzustand, dem niedrigstmöglichen Energieniveau, ermöglicht die Heisenbergsche Unschärferelation die Bildung von sogenannten "virtuellen Teilchen" und Feldern. Virtuelle Teilchenpaare sind Teilchen-Antiteilchen-Paare, die nur kurz bestehen und sich danach wieder auslöschen. Die ständig erfolgende gegenseitige Auslöschung (Annihilation) der entstehenden Teilchenpaare verhindert eine Verletzung des geltenden Energieerhaltungssatzes.

Relevante Kräfte zwischen den Platten sind nur bei sehr geringem Abstand vorhanden (etwa innerhalb von 1 µm), wobei der Abstand quadriert in die Berechnung eingeht. Im Bereich von Naometern kann die Kraft grosse Werte erreichen. Bei 10 nm ergibt sich ein Druck von einer Atmosphäre (101.3 kPa). In der Mikroelektronik macht sich der Casimir-Effekt bei Nanostrukturen bemerkbar. Zwischen benachbarten Bauteilen kann ein Unterdruck erzeugt werden. Alexej Weber von der Universität Heidelberg und Holger Gies von der Universität Jena konnten nachweisen, dass bei verkippten Flächen ein prinzipiell anderes Kraftgesetz gilt als bei parallelen Platten. Ausserdem zeigt sich eine Temperaturabhängigkeit[2][3].

Der niederländischen Physiker Sipko Boersma beschrieb den Casimir-Effekt im "American Journal of Physics"[4] fälschlich mit einem Phänomen aus der Schifffahrt. Boersma zufolge herrscht auch zwischen zwei Booten, die bei starkem Seegang parallel zueinander ankern, eine anziehende Kraft. Und zwar deswegen, weil außerhalb der Boote Wellen beliebiger Länge entstehen können, zwischen ihnen jedoch nicht. Boersma berief sich dabei auf den französischen Autor P. C. Caussée, der diese Kraft erstmals 1836 in seinem Buch "L'Album du Marin" beschrieben haben sollte. Die Boersma-Veröffentlichung wurde oft zitiert und fand als Zitat Eingang in der Fachzeitschrift "Nature"[5] erwähnt. Später stellte sich jedoch heraus, dass das anschauliche Beispiel weder physikalisch noch historisch begründet war, es war ein Physik-Mythos entstanden[6].

Raumenergie-Kreislauf

Laut Turtur würden unbewegte elektrische Ladungen mit ihrem elektrischen Feld mit Lichtgeschwindigkeit Energie emittieren, die sie zuvor aus der Raumenergie erhalten hätten. Somit ergebe sich ein Energiekreislauf. In der herkömmlichen Physik ist Energie jedoch nur bewegten elektrischen Ladungen zugeordnet.

Turtur-Rotor / elektrostatischer Flügelzellenmotor nach Turtur

Zwischen April und Dezember 2008 führte Turtur privat finanziert Experimente an einem von ihm erfundenen "Flügelradmotor" vor, der seiner Meinung nach von einer unerschöpflichen Raumenergie angetrieben sei, aber gleichzeitig die Anwendung einer Hochspannung (1-30 KV) erforderlich machen soll, die beim Casimir-Effekt jedoch nicht berücksichtigt ist. Ohne die angelegte Hochspannung solle sich sein Flügelrad nicht bewegt haben.

Turtur verwendete mehrere leicht unterschiedliche Bauweisen. Auf Balsaholz aufgeklebte Aluminiumfolie ergibt das Material für das Flügelrad, das auf kleinen Styropolfläche auf einem Wasserbad schwimmt, mit dem es leitend verbunden ist. Durch die Hochspannung zwischen dem elektrisch leitenden Flügelrad und einer entgegengesetzt geladenen Platte darüber ergeben sich zunächst Coulombsche Kräfte, die das Flügelrad in eine Position des Energieminimums drehen (Drehrichtung zunächst unbestimmt). Anschliessend beginne das Flügelrad sich zu drehen. Dabei sei die Drehrichtung stets die gleiche und die Winkelgeschwindigkeit abhängig von der angelegten Hochspannung.

Nach eigenen Schätzungen sei die beobachtete Leistung seines Motors in Luft im Bereich von 150 nWatt (Nanowatt) angesiedelt und in Luft (Wasserbad) hätten sich Umlaufzeiten von circa 1-16 Minuten ergeben, bei wenigen Kilovolt. Der von dem Hochspannungsnetzteil abgegebene Strom ist dabei unbekannt geblieben, jedoch wird eine Strombegrenzung von 50µA erwähnt. Bei späteren Versuchen im Vakuum und bei Verwendung eines Ölbades aus Vakuumöl wäre eine Erhöhung der Hochspannung auf 16-30 KV erforderlich gewesen und es hätte sich im Vakuum ein Strom von lediglich 0,1 pA gezeigt. Im Vakuum wäre die Drehgeschwindigkeit niedriger gewesen, es hätte sich dabei ein Umlauf in 2 bis 3 Stunden ergeben.

Vakuum-Versuche: An der Otto von Guericke Universität von Magdeburg führte Turtur mit Hilfe von dem dortigen Vakuumtechniker Wolfram Knapp Versuche im Vakuum durch, nachdem kritisiert worden war, dass sein Aufbau nur Biefeld-Brown Effekte zeigen. Er setzte dazu sein Flügelrad in einen Saure-Sahne-Becher der Marke Milbona, der auf Öl schwamm. Das Flügelrad war mit einem Draht mit einem Leiter zum Hochspannungsnetzteil verbunden. Nach eigenen Angaben sei dabei die Drehzahl zurückgegangen. Erreicht worden sei ein Luftdruck von 10-3 bis 10-5 Millibar. das verwendete Vakuumöl hätte einen Dampfdruck von 10-8 Millibar.

Rezeption seitens der Wissenschaft

Eine wissenschaftliche Rezeption seitens der "Schulwissenschaft" (Turtur-Wortlaut) zu den Turtur-Experiemnten ist ausgeblieben. Laut Artikel Herrn Turturs Physik in "Die Tageszeitung" vom 11. Juli 2009[7] scheiterte ein Versuch von Turtur in der Zeitschrift "Annalen der Physik" am peer-review. Gutachter bescheinigten Turturs beschriebenem Experimentaufbau im eingereichtem Artikel einen unprofessionellen Experiment-Standard: ..The experimental setup is far away from professional standards... Kollegen ignorierten seine Experimente oder äusserten sich kritisch wie die Experimentalphysikerin Gisela Anton, die äusserte dass diese Energie nach den bisher gültigen Prinzipien der Physik nicht nutzbar sei. Auch Immanuel Bloch, Direktor des Münchner Max Planck Instituts, warnte: Ich wäre da eher vorsichtig. Auch war hinter vorgehaltener Hand von einem Hanebüchener Unfug die Rede, und jede Minute, die man sich damit befasst, sinnlos vertane Zeit.

Weblinks

Quellennachweise

  1. Steve K. Lamoreaux: Demonstration of the Casimir Force in the 0.6 to 6 μm Range. In: Physical Review Lett. Volume 78, 5 - 8 (1997)
  2. Alexej Weber, Holger Gies: Interplay between geometry and temperature for inclined Casimir plates, Phys. Rev. D 80, 065033 (2009)
  3. Artikel in: Spektrum der Wissenschaft, September 2009
  4. "American Journal of Physics" Bd. 64, S. 541
  5. "Nature", Bd. 419, S. 119
  6. Nature, 4 Mai 2006. doi:10.1038/news060501-7. Popular physics myth is all at sea Does the ghostly Casimir effect really cause ships to attract each other?
  7. Benno Schirrmeister: Herrn Turturs Physik, Die Tageszeitung, 11.07.2009 [1]