International Council of Scientific Development
Das International Council of Scientific Development (ICSD) ist ein Verein aus München, dessen Ziel nach eigenen Angaben ist, "neue wissenschaftliche Ansätze zu entwickeln, die zu wirkungsvollen Problemlösungen im 21. Jahrhundert führen können". Angegliedert an das ICSD ist die International Academy of Science (IAS), wobei der Bezug zwischen den beiden Teilorganisationen uneinheitlich dargestellt wird. Meist werden beide genannt und es ist von ICSD-IAS oder IAS-ICSD die Rede. Als Schwerpunkte werden Geophysik, Biophysik, Humanmedizin, Physiologie, Terramedizin, Umwelt und Gesundheit, Ökologie, Global Change Forschung sowie Globalisierung und Nachhaltigkeit genannt. Betont wird, dass dem Verein rund 60 Nobelpreisträger und zahlreiche Staatsoberhäupter angehören. Allerdings wurden diese Personen einseitig durch den Verein zu Mitgliedern erklärt.
Beide Vereine, ICSD und IAS, sind in München im Vereinsregister eingetragen. Als "Sitz des Präsidiums" wird Schloss Tratzberg angegeben, ein in Privatbesitz befindliches Schloss in Tirol, dessen Räume für Veranstaltungen angemietet werden können. In München existiert eine Postfachadresse, als Kontaktpersonen sind hier eine Dr. med. Eva Neu und der Bildungswissenschaftler Michael Schratz von der Universität Innsbruck genannt. Generalsekretär ist der Nachhaltigkeitswissenschaftler Ralf Klemens Stappen, der auch Geschäftsführer der Franz von Assisi Akademie zum Schutz der Erde e.V. in Eichstätt ist. Die Internetdomains ias-icsd.org und international-academy-of-science.org (die Webseite von ICSD/IAS [1]) sind unter seinem Namen auf die Franz von Assisi Akademie registriert. Stappen ist auch der Erfinder bzw. Verbreiter des bei den Schwerpunkten von ICSD/IAS genannten Begriffs Terramedizin.
1993 wurde ein russischer Zweig von ICSD/IAS gegründet [2]. Weiterhin werden verschiedene Ausschüsse genannt, z.B. ein Committee Health and Ecology, das seinen Sitz in Baku in Aserbaidschan hat und zu dem in Innsbruck ein ICSD/IAS Health and Ecology e.V. existiert, dessen Vorsitzender der Innsbrucker Mediziner Walter Kofler ist.
Andere Einrichtungen mit ähnlichem Namen
Die IAS ist nicht zu verwechseln mit der International Academy of Science aus Kansas City (Missouri, USA) [3]. Dabei handelt es sich um eine 1985 gegründete, um Akkreditierung bemühte private Bildungseinrichtung, die anderweitig unbekannte akademische Grade wie "Doctor of Research" verleiht. Unter dem Namen International Academy of Science tritt mitunter auch eine Universal Science Academy [4] aus Baku in Aserbaidschan in Erscheinung, die außerdem unter dem Namen World Academy of Science Engineering and Technology WASET firmiert [5]. Ebenso ist die hier gemeinte IAS nicht mit der Firma Internationale Akademie der Wissenschaften (IAW) [6] mit Sitz in Liechtenstein zu verwechseln, die hauptsächlich Lehrgänge von Kurt Tepperwein vermarktet. Des Weiteren existiert eine Akademio Internacia de la Sciencoj AIS (Name in Esperanto) San Marino [7] mit Verwaltungssitz in Paderborn, die als englischsprachigen Namen International Academy of Sciences angibt.
Mitglieder
Gegründet wurden ICSD und IAS 1982 von dem Philosophen Robert Spaemann (geb. 5. Mai 1927), dem Philosophen und Wissenschaftshistoriker Reinhard Löw (1949-1994) sowie dem Mediziner Michael Michailov, der seinerzeit am Deutschen Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (Helmholtz Zentrum München) tätig war. Heute gibt Michailov ein "Institut für Umweltmedizin" mit dem ICSD/IAS-Postfach als Adresse an. In der Folge wurden dann laut Darstellung des Vereins "über 700 Akademie-Mitglieder" (von nationalen Akademien der Wissenschaft), darunter "über 100 Nobelpreisträger", als Mitglieder "berufen". Zum Ehrenpräsidenten wurde der Chemiker Linus Pauling (1901-1994, Nobelpreis für Chemie 1954, Friedensnobelpreis 1962) ernannt. Präsident der IAS sei bis 2003 der Physikochemiker und Philosoph Ilya Prigogine (1917-2003, Nobelpreis für Chemie 1977) gewesen.
Wie viele der so gewonnenen Mitglieder von ihrer Mitgliedschaft tatsächlich Kenntnis haben bzw. hatten, ist nicht bekannt. Die Zahl der Mitglieder soll heute über 1.000 liegen, 58 davon seien Nobelpreisträger, außerdem werden rund 60 weitere Inhaber des Nobelpreises, die allerdings sämtlich bereits verstorben sind, als Ehrenmitglieder genannt. Des Weiteren sollen dem ICSD weltweit über 50 Universitäten angehören sowie "über 30 amtierende oder frühere Minister oder Staatsoberhäupter".
Auf der Webseite der IAS werden entgegen den internationalen Gepflogenheiten die Identitäten der Akademiemitglieder für Außenstehende geheim gehalten (siehe Bild rechts). Lediglich eine Liste von verstorbenen Nobelpreisträgern ist offen einsehbar.
Ein bekanntes IAS-Mitglied ist der Ungarische Philosoph und Parapsychologe Ervin László, der 2004 durch die Gründung einer Scheinuniversität namens Planet Life University (eigentlich Verein Club of Budapest) bekannt wurde. 1995 war Laszlos Versuch gescheitert, eine Internationale Friedensuniversität zu gründen.
Der Pseudowissenschaftler und Esoterik-Autor Dieter Broers wurde nach eigener Aussage "aufgrund seiner wissenschaftlichen Leistung" in das ICSD berufen, wo er seit 1997 "Direktor für Bio-Physik" sei. Broers präsentiert dazu Empfehlungsschreiben aus den Jahren 1992 bis 2000 [8], die jeweils auch von der "Executive Secretary of Presidium" Eva Neu unterzeichnet sind. Angesichts von Broers tatsächlichem Wirken nähren diese Umstände die Zweifel an der Seriosität des Vereins.
Ein weiteres umstrittenes Mitglied ist der emeritierte Karl Hecht, der in einem Buch und im Internet Werbung für das NEM-Produkt Urmineralie (Klinoptilolith) als ein angeblicher Sanogenesestabilisator und Schutzfaktor gegen EMF-Strahlung macht. In einem Artikel des Esoterikblättchens Raum & Zeit findet sich ebenfalls die Hecht'sche Werbung für Klinoptilolith wieder und Hecht outet sich dabei als Anhänger des pseudomedizinischen Dunkelfeld-Testverfahrens nach Günther Enderlein, sowie einer Auswertbarkeit der Geldrollenbildung zu pseudodiagnostischen Zwecken. Beide alternativmedizinisch-diagnostischen Verfahren spielen wissenschaftlich gesehen wegen fehlender Eignung keine Rolle und sind als nicht validiert anzusehen. Hecht ist Generalsekretär der osteuropäischen IAS-Sektion, Vizepräsident der russischen IAS-Sektion, die er 1992 mitbegründete und war 2001 Mitbegründer der aserbaidschanischen Sektion der IAS.
Mit einer aktiven Mitgliedschaft in ICSD und IAS wirbt auch der Schweizer Hugo B. J. Soder, der außerdem Vorsitzender der Schweizerischen Vereinigung für Humanistische Psychologie und Mitbegründer eines Instituts für Ganzheitsmedizin sein will (über beide Einrichtungen ist wenig in Erfahrung zu bringen). Außerdem ist er Erfinder von "psychotechnischen Vorrichtungen", z.B. eines "Multimedia-Entspannungssessels" namens Relaxman. Eine Werbe- und Eventagentur Werbos Wankel & Oswald GbR in Grafing bei München gibt ebenfalls an, "member of ICSD/IAS" zu sein.
Tätigkeit
Als wesentliche Aktivität werden zahlreiche Tagungen und "internationale Konferenzen" genannt. Jedoch werden diese praktisch nirgendwo zitiert außer durch ICSD/IAS-Protagonisten selbst. D.h. es handelt sich um wissenschaftlich unbedeutende Veranstaltungen. Unklar ist auch, in welchem Umfang ICSD/IAS tatsächlich an den Veranstaltungen beteiligt war und inwieweit die genannten hochtrabenden Titel den tatsächlichen entsprechen. Einige Beispiele:
- Im Jahr 2000 sei eine Konferenz mit dem Titel Sustainable Regions in Europe - Environment, Health and Education in the Context of Agenda 21, Güstrow 2000, Federal state government of Mecklenburg-Vorpommern, University of Rostock and City Güstrow abgehalten worden. Hierbei handelte es sich um die Tagung Stadt-Umland-Perspektiven – zukunftsfähige Regionen in Europa der Stadt Güstrow. Kofler und Stappen haben bei dieser Veranstaltung Beiträge geliefert, eine darüber hinaus gehende Beteiligung von ICSD/IAS ist nicht erkennbar. Unter dem genannten englischen Titel (und mit dem Zusatz "Conference of the International Academy of Science - ICSD") wird die Veranstaltung ausschließlich von Stappen zitiert, was das Zitat wertlos macht und nur als Verlängerung seiner eigenen Literaturliste zu sehen ist, da die Literatur so praktisch nicht auffindbar ist.
- Ein internationales Symposium mit dem Titel Cyclic recurrence and cosmological problems" im Jahr 2002 wird im Internet ausschließlich in einer Art PR-Text von ICSD/IAS genannt, der auf der Internetseite des Vereins sowie gleichlautend auf einer Anzahl anderer Seiten zu finden ist.
- Ein Kongress Symbol in system of culture, der 2004 in Syktyvkar (Nordwestrussland) stattgefunden haben soll, taucht gleichfalls nur in der Veranstaltungsliste von ICSD/IAS auf.
- Das Symposium Natural Cataclysms and Global Problems of the Modern Civilisation 2007 in Baku wird ebenfalls nirgendwo anders erwähnt.
- Für 2009 wurde eine Konferenz in Moskau mit dem Titel Ecological Problems of the Global World angekündigt. Ein "International Organizing Committee" besteht neben Walter Kofler aus einer Anzahl Personen, die Institutionen angehören sollen, die entweder unbekannt sind oder die unklar oder irreführend angegeben werden, z.B. die Russian Academy of Natural Science, eine Moscow State Humanitarian University (die über keine Internetadresse verfügt; die bekanntere Russian State University for the Humanities ist aber offenbar nicht gemeint), ein Institute of Geography, Russian Academy of Science (die russische Akademie der Wissenschaften unterhält keine Institute), das Health and Environment Department, Sao Paolo University (gemeint ist die School of Public Health / Faculdade de Saúde Pública der Universität von Sao Paolo), das Ramapo College Institute of Ecological Research, USA (gemeint ist das Ramapo College in New Jersey, Institute gibt es dort nicht; die Bezeichnung ist eine Erfindung des betreffenden Professors M. Edelstein), oder ein TECO-Center.
Darstellung von ICSD und IAS im Internet
Eine Neigung zu sprachlichem Imponiergehabe ist auf der Webseite des Vereins nicht zu übersehen, z.B. das mehrfache Betonen, wie bedeutend seine Mitglieder seien oder die Selbsttitulierung als "scientific academy of global breakthrough thinkers". Artikel zu ICSD/IAS in der deutsch- und englischsprachigen Wikipedia und anderen Internet-Nachschlagewerken sind in werbendem Stil gehalten und wurden offensichtlich entweder von Protagonisten des Vereins verfasst oder weitgehend von dessen Internetseite abgeschrieben. Im Juli 2009 wurde der Artikel in der deutschen Wikipedia allerdings gelöscht.