Blutegel

Die Blutegelbehandlung ist ein seit seit Alters her bekanntes medizinisches Verfahren.In der traditionellen indischen Medizin (siehe Ayurveda) wurde der Blutegel bereits zum Schröpfen benutzt, bevor es die ersten Schröpfköpfe gab. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde er im Rahmen säftepathologischer Therapieansätze häufig eingesetzt. Mit Aufkommen der Hochschulmedizin ab Mitte des 19. Jahrhunderts, vor allem aber zwischen 1880-1920, geriet er in Europa in Vergessenheit. Erst ab dem Jahre 1923 erhielt die Blutegeltherapie durch den französischen Chirurgenkongress neuerlichen Auftrieb.

Der Blutegel (lat. Hirudo medicinalis resp. officinalis; engl. Leech) gehört zu den Ringelwürmern (Anneliden). Der Mund ist als Saugorgan ausgebildet und weist drei kreissägeförmige Kiefer auf. Das Körperende ist als Haftscheibe ausgebildet.

Hirudin - ein thrombolytisches Enzym im Speichel des Blutegel

Im Speichel des Blutegels finden sich bestimmte Stoffe, die man therapeutisch einsetzen kann. Das bedeutendste ist das Hirudin, ein natürliches, gerinnungshemmendes Enzym, das kleine Blutgerinnsel auflösen kann. Im Zuge des Nachzulassungsverfahrens verschwanden alle hirudinhaltigen Arzneimittel vom deutschen Arzneimittelmarkt.

Der Blutegel im klinischen Einsatz

Im Bereich der postoperativen Behandlung von Patienten, die sich einem gefäßchirurgischen Eingriff bei Venenleiden unterziehen mussten, wird der lebende Blutegel direkt eingesetzt. Das von ihm mit dem Speichel in die Blutbahn abgegebene Hirudin trägt dazu bei, Patienten zu helfen, denen nach einer Gefäßoperation ein neuerlicher Gefäßverschluss durch Blutgerinnsel droht. Hilfreich wirkt dabei offenbar eine Substanz, die die Aggregation der Blutplättchen bremsen kann. Es handelt sich um Apyrase Adenosin Triphosphat Diphosphohydrolase (Rigbi et al. 1996).

Von Vorteil ist der Blutegel ebenfalls, wenn gestielte Rotationslappen oder sogar freies Gewebe von einem Teil des Organismus zu einem anderen verpflanzt werden soll (z.B. bei kosmetischen Operationen bei Unfallopfern oder Brandverletzten). Hier ist die Aufrechterhaltung der Transplantatdurchblutung für den Therapieerfolg ausgesprochen wichtig. Bei diesen Indikationen werden durchaus auch Blutegel erfolgreich eingesetzt (Chepeha et al. 2002), was aber auch Nebenwirkungen haben kann. Eine Infektion des Transplantats durch den Speichelfluss des Egel ist nämlich nicht auszuschließen (de Chalain 1996) und scheint immer wieder vorzukommen. Außerdem kann es bei den Patienten aufgrund der lokal herabgesetzten Gerinnung zu deutlichem Blutverlust kommen, der eine Bluttransfusion notwendig macht. Es sollten vor allem junge Blutegel verwendet werden, deren Haltungsbedingungen erstklassig sein müssen, denn auch die Egel selbst sind von Bakterien befallen. Nonomura et al. (1996) isolierten in Hirudo medicinalis und Hirudinaria manillensis eine ganze Reihe von Mikroorganismen (Aeromonas spp., Pseudomonas fluorescens u.a.). Diese Keime waren zudem sehr resistent gegen Cephalosporin-Antibiotikae), aber empfindlich gegenüber Carbapenem, Aminoglykosiden und Ofloxacin. Zu Infektionen der Patienten mit Aeromonas-Keimen durch die Blutegel kommt es nach Sartor et al. (2002) in etwa 4% der behandelten Patienten.

Gesamtbewertung

Die Blutegeltherapie ist nur scheinbar ein Überbleibsel aus dem Mittelalter. Am Klinikum Essen wendet man sie z.B. erfolgreich bei entzündungsbedingten Schmerzen bei Osteoarthritis des Kniegelenks an (Michalsen et al. 2002). Insofern ist der Blutegel, analog zu chinesischen Arzneimitteln, die aus gemahlenen Regenwürmern hergestellt werden (Lumbricus rubellus) bei zielgenauer Indikation und optimalen, hygienischen Haltungsbedingungen, eine interessante therapeutische Option. Sie hat allerdings, wie andere medizinische Methoden, negative Aspekte und Nebenwirkungen.

Literatur

  • Blaise S, Le Brun V, Sparsa A, Delrous JL, Bonnetblanc JM: Contact dermatitis with Hirudo medicinalis. Ann Dermatol Venereol, 129, 1380-1382, 2002
  • Chepeha DB, Nussenbaum B, Bradford CR, Teknos TN: Leech therapy for patients with surgically unsalvageable venous obstruction after revascularized free tissue transfer. Arch Otolaryngol Head Neck Surg, 128, 960-965, 2002
  • de Chalain TM: Exploring the use of the medicinal leech: a clinical risk-benefit analysis. J Reconstr Microsurg, 12, 165-172, 1996
  • Michalsen A, Moebus S, Spahn G, Esch T, Langhorst J, Dobos GJ: Leech therapy for symptomatic treatment of knee osteoarthritis: results and implications of a pilot study. Altern Ther Health Med, 8, 84-88, 2002
  • Nonomura H, Kato N, Ohno Y, Itokazu M, Matsunaga T, Watanabe K: Indigenous bacterial flora of medicinal leeches and their susceptibilities to 15 antimicrobial agents. J Med Microbiol, 45, 490-493, 1996
  • Sartor C, Limouzin-Perotti F, Legre R, Casanova D, Bongrand MC, Sambuc R, Drancourt M: Nosocomial Infections with Aeromonas hydrophila from Leeches. Clin Infect Dis, 35, E1-E5, 2002
  • Rigbi M, Orevi M, Eldor A: Platelet aggregation and coagulation inhibitors in leech saliva and their roles in leech therapy. Semin Thromb Hemost, 22, 273-278, 1996
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