Anthroposophische Heilmittel sind die spezifischen Medikamente der anthroposophischen Medizin. Die Heilmittel sollen zu einer Wiederherstellung eines Gleichgewichtes der von Steiner postulierten Wesensglieder (Äther-, Astral- und Ich-Leib) führen, die den Körper als Aura umgäben. Vielfach werden diese Substanzen in homöopathischer Form verabreicht, ohne dass die Anwendung dieser Heilmittel jedoch eine Anwendung der Homöopathie wäre, die auf ganz anderen Annahmen beruht. Über eine über den Placeboeffekt hinausgehende Wirksamkeit von anthroposophischen Heilmitteln ist nichts bekannt. Sie sind in der wissenschaftlichen Medizin nicht anerkannt.

Die anthroposophischen Heilmittel bestehen aus pflanzlichen, tierischen oder mineralischen Grundstoffen, die ausgepresst, getrocknet, gekocht oder verascht, in homöopathieähnlicher Aufbereitung und Verdünnung eingesetzt werden.

Huflattich, Pestwurz oder Eibisch beispielsweise sind Bestandteile von Präparaten gegen Lungenerkrankungen; Feige, Klette, Mauerpfeffer von Mitteln gegen Magen-/Darmprobleme. Die Zuordnung der Pflanzen zu bestimmten Organen beziehungsweise Organstörungen erfolgt mithin über Farb- und Formassoziationen: Etwa Gelbe Löwenzahnblätter oder Javanischer Gelbwurz dienen als Therapeutika bei Erkrankungen der Leber, die bekanntlich Haut und Augen gelb (Ikterus) färben können. Andere Präparate werden aus Bienen, Wespen, Hornissen oder Ameisen hergestellt. Diese werden in der Regel lebend zermalmt oder püriert, um ihre "Lebenskraft" in das Medikament zu übertragen. Daneben werden anthroposophische Heilmittel auch aus Spinnen- und Schlangengiften, „Sepia officinalis“ das getrocknete Sekret der Tintendrüse vom Tintenfisch als Universalheimittel bei nahezu sämtlichen „Frauenleiden“ (Patiententyp: meist brünette, emotional hart und distanziert, sportliche Karrierefrau), Amra grisea (für alte Menschen das „Ausscheidungsprodukt aus dem Darm vom Pottwal“), Colon suis (Schweinedarm), Dens bovis (Kuhzahn), Mucosa oculi suis (Schleimhaut des Schweineauges), Prostata bovis, Anus bovis (prifizium analis der Kuh), Vagina bovis, Haut weiblicher Rinderfeten, Krötensekreten, Sepiatinte, getrocknetes Maulwurfsfell gegen Haarausfall, geriebenes Hirschgeweih bei Multipler Sklerose, Drüsensekret vom männlichen Bisam (Moschus) gegen Hysterie, Schwammskelette oder “Magensteinen von Flusskrebsen” gefertigt. Desweiteren Präparate aus Haifisch- oder Rindergalle, Hirschhorn, Maulwurfshaaren, Drüsensekreten von Bisam, Biber und Stinktier. Die Kreuzspinne beispielsweise trage laut Steiner “viel planetarisches Leben in sich” und sei “eingespannt in kosmische Zusammenhänge außerirdischer Natur.” Da mit ihr die astralischen Kräfte angeregt werden könnten, die sich besonders in der Bewegung äußerten, empfehle sich ihre Anwendung bei Muskelerkrankungen und Nervenstörungen, die mit Bewegungsimpulsen zusammenhängen. Mineralpräparate enthalten unter anderem Quarz, Onyx, Jaspis, Flintstone oder Opal als Kieselverbindungen; sie werden eingesetzt bei Störungen des “Sinnes-Nervensystems”.

Ameisen, Wespen, Bienen, Hornissen, ja sogar Spinnen wie z.B. Kreuz- und Vogelspinne werden in anthroposophischen Labortiegeln rhythmisch potenziert zu Heilmittel verarbeitet. Bei den „staatenbildenden“ Bienen und Ameisen sei ein „Ich-Impuls“ erkennbar, der „dem Schöpfungsbild“ des Menschen entspreche. Durch die therapeutische Anwendung von Apis (ganze Biene) rege man die Ich-, Wärme- und Lichtkräfte an. Indikationen für Apis seien lokale Entzündungen sowie degenerative Veränderungen des Nervensystems. Um die „Lebenskraft“ auf das jeweilige Medikament zu übertragen, müssten Bienen und Ameisen „lebend zermalmt oder püriert“ werden.

Eine Sonderstellung innerhalb der anthroposophischen Heilkunde nehmen die sogenannten Metallpräparate ein, hergestellt aus den Metallen des “inneren Planetensystems”: Blei, Eisen, Gold, Kupfer, Quecksilber, Silber und Zinn. Blei korrespondiere mit Saturn und sei deshalb bei Milzerkrankungen einzusetzen, Eisen mit Mars, was eisenhaltige Präparate zur Behandlung von Gallenproblemen prädestiniere; Silber als Mondmetall sei bei Störungen des Mondorgans angezeigt: des Gehirns. Neben Präparaten mit Metallen in “natürlicher” Form werden bevorzugt solche mit “"vegetabilisierten Metallen” eingesetzt. Streng nach den Vorgaben Steiners werden hierbei die zur Rede stehenden Metalle aufwendigen Glüh-, Abrauch- und Fällungsprozessen ausgesetzt, bis nur noch poröse Rückstände übrig bleiben; aus diesen wird ein sogenannter “Urdünger” hergestellt, der in einer Wasserverdünnung von 1:1.000.000 auf die Saat der entsprechenden Heilpflanze ausgebracht wird.

Die bekannteste Heilpflanze der Anthroposophen ist die Mistel (Viscum album), die vor allem als Heilmittel zur Behandlung von Krebskrankheiten (Misteltherapie) eingesetzt wird. Die Mistel sei fähig, den Prozess einer Dissoziation der Wesensglieder wieder rückgängig zu machen, weil sie mit den alten Mondenkräften verwandt sei. Die Mistel sauge den Monden-Erdenäther auf, aber dann wende sie sich mit „ausgesprochener lichtsuchender Gebärde“ dem Umkreis zu und besiege mit dieser Lichtverbundenheit die Wuchertendenz in sich selbst. Für den weiblichen Patienten werden bevorzugt Mistelpräparate vom Apfelbaum und für den männlichen Patienten von der Eiche verwendet. Der Einsatz von Mistelpräparaten kann allerdings nachweislich krebsfördernd wirken, zum Beispiel bei Lymphomen und Hirnmetastasen. Die Stiftung Warentest kam 1996 daher in ihrem Handbuch "Die andere Medizin" in Bezug auf Krebsbehandlungen zu dem Schluss, dass anthroposophische Diagnostik abzulehnen sei und die Krebsbehandlung mit Mistelpräparaten nicht empfohlen werden könne.

Anthroposophische Heilmittel kommen häufig als Kombipräparate (ähnlich den Komplexmitteln der Homöopathie). Der anthroposophische Pharmabetrieb Weleda stellt eine Vielzahl entsprechender Mittel her.

Die Zuordnung der einzelnen Präparate beziehungsweise der darin enthaltenen Stoffe zu bestimmten Störungen oder Erkrankungen ist rational nicht nachvollziehbar und naturwissenschaftlich durch nichts belegt. Ähnlich wie die Mittel der Homöopathie unterliegen auch die Mittel der anthroposophischen Heilkunde einer arzneimittelgesetzlichen Ausnahmeregelung: ihre Wirkung muss nicht anhand der wissenschaftlichen Kriterien nachgewiesen werden, die Maßstab der Zulassung jedes anderen Medikaments sind. Eine klinisch-kontrollierte Arzneimittelprüfung außerhalb des anthroposophischen Binnenkonsens findet kaum statt, lediglich zur Anwendung von Mistelpräparaten gibt es ernüchternde Studien.

Literatur

  • Barbara Burkhard: Anthroposophische Arzneimittel, Verlag: Govi-Verlag (2000) ISBN-10: 3774108102
  • Die andere Medizin, Berlin Stiftung Warentest, 1996
  • Donald Frankenberg: Mythos Mistel, Materialien und Informationen zur Zeit 4/96, S. 14-20
  • Gabius, Mythos Mistel - Anspruch, Wirklichkeit und prüfbare Perspektive. Z. ärztl. Fortbildung 90: 103-110 (1996)

Weblinks