Anthroposophische Medizin
Die Anthroposophische Medizin ist als eine esoterisch-okkulte Alternativmedizin oder Komplementärmedizin anzusehen und gründet auf der Lehre von Rudolf Steiner, der Anthroposophie. Die theoretische Basis Lehre der anthroposophischen Medizin entwickelte der Nichtmediziner Steiner selbst in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Die Ärztin Ita Wegman gründete 1921 die erste Anthroposophische Klinik in Arlesheim (Schweiz).
An der Universität Witten-Herdecke wird die anthroposophische Medizin gelehrt und auch praktiziert.
Lehre
Nach Ansicht der Anthroposophen gliedere sich der Mensch in vier Ebenen, den sogenannten Wesensgliedern, die sich aber zum Teil nur Eingewehten und Begabten zeigten, und sich damit teilweise der Betrachtung entzögen. Diese sind:
- Der physische Leib
- Der ätherische Leib
- Der astralische Leib und
- Das anthroposophische Ich
Die Störung des Gleichgewichts der Wesensglieder
Krankheiten entstünden dadurch daß nicht exakt beschriebene Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Ebenen sich nicht konform den dazugehörigen anthroposophischen Annahmen verändern würden. Nach Steiner erkrankt der Mensch wenn das unterstellte harmonische Gleichgewicht der Wesensglieder zueinander gestört sei, was durch eine falsche Erziehung oder Ernährung im Kindesalter entstehen könne. Eine nicht entwicklungsgerechte Erziehung im anthroposophischen Sinne habe gesundheitliche Folgen. Organische oder psychische Erkrankungen wie die Schiziphrenie oder Tuberkulose sind nach Steiner hauptsächlich auf falsche Erziehung zurückzuführen, seine Waldorf-Erziehung beuge daher Krankheiten vor.
Alle Krankheiten werden aus anthroposophischer Sicht entsprechend den vier Wesenskräften in vier Typen eingeteilt:
- Physischer Leib – skleroseartig
- Äther-Leib – geschwulstartig
- Astral-Leib – entzündungsartig
- Ich-Leib – lähmungsbedingt
Wenn eines der vier Wesensglieder stark überwiege, gerate das gesamte System aus dem Gleichgewicht. Bei entzündlichen Krankheiten sei „das leiborientierte, seelische Erleben verstärkt, weil der Astral-Leib zu tief in den belebten Organismus“ eingreife. So entstehe, um nur ein Beispiel zu nennen, Krebs, wenn Ich und astralischer Leib zu stark im Nerven-Sinnes-System wirkten und diese in das Stoffwechsel-Gliedmaßen-System hineintrieben.
Krankheit als Karma
In der anthroposophischen Medizin wird zusätzlich zu erziehungsbedingten Ursachen der Störung von Wesensgliedern auch Einflüssen aus dem Vorleben des Menschen eine Rolle zugesprochen: dem esoterischen Phänomen des Karma. Hierbei sind nicht die bekannten genetischen oder epigenetischen Ursachen von Krankheit gemeint, diese waren zu Steiners Zeiten zwar in Umrissen als Erbkrankheiten bekannt, sondern Verfehlungen im anthroposophischen Sinne aus dem Vorleben würden sich im heutigen Leben manifestieren. Nach Steiner liessen sich seelische und geistige Fehler des Vorlebens in bestimmten aktuellen Symptomen nachweisen. Unterstellter Egoismus im Vorleben hätte eine schwache Organisation als karmische Konsequenz. Lügenhaftigkeit in einem früheren Leben zeige sich darin, dass die inneren Organe unrichtig gebaut seien. Im Falle einer damaligen ausgeprägten Lieblosigkeit sei der Betreffende dafür sensibilisiert, sich durch das Pockenvirus im heutigen Leben anzustecken, und ein Mensch, dessen früheres Leben zu stark von Affekten und Emotionen geprägt war, habe jetzt die Anlage zur Diphtherie. Der Patient wird also hiermit indirekt verantwortlich für seine eigene Erkrankung gemacht, wobei die unterstellten moralischen Kategorien Steiner's Anthroposophie überlassen bleiben. Krankheit wird zum Schicksal des Nachkommen einer verfehlten Vorgeburt.
Derartige als gestört bezeichnete Wechselwirkungen sind aus anthroposophischer Sicht mit proprietäten esoterisch anmutenden diagnostischen Methoden erkennbar.
Bestimmte anthroposophische Heilmittel (siehe Weleda) sollen die angenommenen gestörten Wechselwirkungen günstig beeinflussen und zu einer Heilung führen. Manche der Heilmittel werden nach Prinzipien der Homöopathie verabreicht, obwohl die Grundannahmen der Homöopathie selbst nicht mit denen der anthroposophischen Medizin übereinstimmen. Ein typisches anthroposophisches Heilmittel ist die Anwendung von Mistelextrakten bei Krebs.
Als nichtmedikamentöse Therapien finden bestimmte Massagen, gymnastisch-logopädische Übungen (Heileurythmie) und die anthroposophische Kunsttherapie Verwendung.
Die anthroposophische Medizin versteht sich selbst als eine zur wissenschaftlichen Medizin komplementäre Methode, und kann als ein spirituell-esoterisch erweitertes Konzept für die Humanmedizin angesehen werden. Darüberhinaus sieht sich die anthroposophische Medizin als ein ganzheitliches Verfahren mit einer besonderen Arzt-Patient Beziehung.
Krankheit als Chance zum Aufstieg zu Höherem
Neben dem Konzept der karmisch-schicksalshaften Krankheitsentwicklung, wird Krankheiten in der anthroposophischen Medizin auch eine positive Rolle zugemessen: durchgemachte, erduldete Krankheiten führten nämlcch zu einer Höherentwicklung. Daher seien bestimmte Infektionskrankheiten des Kindesalters gut für die Entwicklung der Kinder.
Kritische Sichtweise der anthroposophischen Medizin
Der anthroposophischen Medizin fehlt (wie der Anthroposophie auch) ein wissenschaftlich überprüfbarer Kern, viele ihrer Aussagen sind nicht falsifizierbar und daher parawissenschaftlich. Anthroposophische Ärzte müssen zwangsläufig über Sinne verfügen, die über die der bekannten Sinne der Physiologie hinausgehen. So soll der Äther-Leib dem Anthroposophieeingeweiten hellrosafarbene Aura, der Astral-Leib als rotviolette und der Ich-Leib als blaue Umhüllung des Menschen. Jegliche Aura bildete um den physischen Leib eine farbige, eiförmige, bewegliche Wolke und seien der übersinnliche und sichtbare Ausdruck für die Wesenheit des Menschen.
Präparate der anthroposophischen Medizin werden nach anderen Richtlinien zugelassen als herkömmliche Medikamente. Insbesondere muss ein Wirksamkeitsnachweis nicht erbracht werden.
In anthroposophischen (auch Ärzte-) Kreisen ist eine pauschale Impfkritik populär, da das Prinzip des Impfens bestimmten Annahmen der anthroposophischen Medizin entgegensteht.