Das Simonton-Training ist ein alternativmedizinisch-psychotherapeutisches Verfahren zur Steigerung der Lebensqualität. Nach Aussage seiner Befürworter dient es auch der Erhöhung der Überlebenswahrscheinlichkeit bei Krebserkrankungen.

Mit dem Slogan 'Selbstheilungskräfte bei Krebs aktivieren' warb 1998 die Habichtswald-Klinik in Kassel für ein Seminar mit O. Carl Simonton. Durch Überwindung von Ängsten und durch Umgang mit Schmerzen sollte das Leben mit Krebs erfolgreicher gestaltet werden. Mit einer Technik, die sich 'Visualisierung nach Simonton' nennt, sollten Krebskranke und ihre Angehörigen geschult und zu mehr Selbstständigkeit und Sicherheit im Umgang mit dem Leiden bzw. leidenden Angehörigen gebracht werden.

Was ist das Simonton'sche Training?

 
OC Simonton

Der Radiologe O. Carl Simonton entwickelte gemeinsam mit seiner Ehefrau Stephanie, einer Psychotherapeutin, Anfang der 1970er Jahre ein ganzheitliches Konzept zur Behandlung von Krebs, um dem Erkrankten sein körperliches, geistiges und emotionales Gleichgewicht zurückzugeben. Dadurch sollte es den Krebskranken ermöglicht werden, den Krebs erfolgreich zu bekämpfen. Entspannung und geführte Imagination waren Kernelemente dieses Trainings.

Nach einer einleitenden Entspannungsperiode sollten sich die Patienten ihren Tumor als schwach, unorganisiert und weich vorstellen. Die konventionellen Therapiemaßnahmen sollten als kraftvolle und effektive Gegenmaßnahme imaginiert werden, mit deren Hilfe sich das aggressive Immunsystem des Patienten gegen den Tumor zur Wehr setzen sollte. Die weißen Blutkörperchen sollte man sich als eine riesige Abwehrarmee vorstellen, die kraftvoll die Tumorzellen überwältigen und vernichten würden. Dabei sollte sich der Patient selbst als kraftvoll und energiegeladen empfinden. In diese Vorstellungswelt sollte man sich nach Empfehlung von O. C. Simonton dreimal täglich begeben.

Zunächst wurde dieses System von den Autoren als Begleitbehandlung für Krebspatienten propagiert, aber relativ schnell wurde das Gerücht in die Welt gesetzt, dass das Training selbst einen Anti-Tumor-Effekt haben sollte. Dieses Gerücht mag dazu beigetragen haben, dass das Buch "Getting Well Again", welches das Ehepaar herausgab, von Krebspatienten in erheblichem Umfang gekauft wurde.

Länger leben dank Simonton-Training

Angeblich belegt wurde der "Erfolg" des Simonton'schen Trainings vom Ehepaar Simonton durch eine 1981 veröffentlichte Studie (Simonton und Simonton-Matthews 1981). In dieser Pilotstudie wurden während der Jahre 1974 bis 1978 insgesamt 193 Patienten mit diagnostizierten Tumorleiden beobachtet und die medianen Überlebenszeiten von 71 Mammakarzinompatientinnen (38,5 Monate), 28 Darmtumorpatienten (22,5 Monate) und 24 Lungenkarzinompatienten (14,5 Monate) ermittelt. Deren berichtete Überlebenszeiten seien nach Angaben des Autorenehepaars angeblich deutlich länger gewesen als jene Zeitspannen, die man damals in der medizinischen Vergleichsliteratur hätte finden können. Deshalb sei das Simonton-Training empfehlenswert, ja sogar lebenszeitverlängernd.

Die Realität

Sieht man sich medizinische Studien an, die zur damaligen Zeit, Anfang der 1980er Jahre, im medizinischen Schrifttum veröffentlicht wurden, so sind die Überlebenszeitspannen, die von Simonton und Matthews-Simonton (1981) berichtet wurden, keinesfalls überragend. Gross und Schmidt (1981, s.S. 34.40) berichteten in ihrem Lehrbuch über eine Studie an 222 Brustkrebspatientinnen, die nach einer konventionellen, chirurgischen Therapie (Ablatio mammae) eine mediane Überlebenszeit von 46 Monaten hatten. Mediane Überlebensraten für Dünndarmkarzinome gaben Gross und Schmidt (1981, s.S. 26.41) zwar nicht an, jedoch beschrieben sie eine 5-Jahres-Überlebensrate bei nichtmetastasierten Tumoren des Dünndarms nach radikaler Operation von immerhin 45-66%. Bei bereits metastasierten Dünndarmtumoren lag die mediane Überlebenszeit zwischen 12-36 Monaten. Beim Lungenkarzinom hängt die Überlebenszeitspanne extrem von der Größe des Primärtumors ab. Je kleiner dieser Primärtumor ist und je höher die Wahrscheinlichkeit ist, dass er noch keine lokalen oder systemischen Metastasen abgesiedelt hat, desto länger ist die Überlebensrate. Natürlich hat die Therapieart auch einen Einfluss auf die Überlebenszeit. Wartete man in den 1970er Jahren ab und tat nichts, lag die mediane Überlebenszeit bei 8,4 Monaten. Bestrahlte man den Tumor oder setzte man Chemotherapeutika ein, wurden Anfang der 1970er Jahre mediane Überlebenszeiten von 8,3-8,8 Monaten erreicht (Durrant et al. 1971). Lag bereits ein inoperabel großes Lungenkarzinom vor, konnte gegen Ende der 1970er Jahre allerdings schon eine mediane Überlebenszeit von bis zu 54 Wochen erzielt werden (Palmer und Kroening 1978). Mende et al. (1982) erreichten allein mit Chemotherapie eine mediane Überlebenszeit von 10,6 Monaten, während Alberti et al. (1985) nur durch alleinige Bestrahlung eine mediane Überlebenszeit von 11 Monaten erzielen konnten. In den späten 1980er Jahren erreichte man bereits mediane Überlebenszeiten von 30 Monaten (Gutsfeld et al. 1987) unter Verwendung von Operation, Chemo- und Strahlentherapie. In den 1990er Jahren konnte bei inoperabel großem Lungenkarzinom alleine unter Nutzung einer hochdosierten Strahlentherapie eine mediane Überlebenszeit von 14,1 Monaten erzielen (Würschmidt et al. 1994).

Vergleicht man diese Zahlen mit jenen Überlebenszeiten, die Simonton und Matthews-Simonton (1981) berichteten, so erkennt man deutlich, dass deren Erfolgsraten sich eher bescheiden ausnehmen und von einem erheblichen Lebenszeitzugewinn durch ihre Therapie keinesfalls die Rede sein kann.

Nachprüfung Simonton'scher Fälle erbringt peinliche Resultate

Friedlander (1991) prüfte einige der von O. Carl Simonton in seinem Buch 'Getting Well Again' publizierten kasuistischen Falldarstellungen nach. Von fünf Fällen, bei denen angeblich ein alleiniges Simonton'sches Training den Heilungserfolg erbracht haben sollte, waren in Wirklichkeit zwei Patienten vor dem Training einer konventionellen onkologischen Behandlung unterzogen worden, ein weiterer Patient wies bereits vor dem Training einen sehr langsam wachsenden Tumor auf und beim vierten Patienten waren in Wahrheit parallel zum Simonton'schen Training durchaus auch konventionelle Behandlungsverfahren zur Anwendung gekommen. Beim fünften Patienten ergab sich bei der Nachprüfung überhaupt kein Anhalt auf ein Tumorleiden!

Was ist vom Simonton'schen Training zu halten?

Krebspatienten sind neben HIV-Patienten am stärksten geneigt, sich fragwürdigen Therapieverfahren hinzugeben. Da sie unter erheblichem psychischen Stress leiden - verstärkt bei Tumoren, die schnell wachsen und besonders bösartig sind - liegt es nahe, dass diese Betroffenen versuchen, sich Verfahren zuzuwenden, die versprechen, ein wenig Dampf abzulassen. Hier bietet sich natürlich das Simonton'sche Training an, denn in der Tat arbeitet es mit wirksamen Entspannungstechniken und einer modifizierten Visualisationstechnik. Leider hat das Training einen Nachteil - es wirkt nunmal offensichtlich nicht gegen Krebs!

Da O. C. Simonton in den letzten 30 Jahren keine überzeugenden Belege für seine Behauptung beigebracht hat, dass seine Therapie wirklich eine Lebenszeitverlängerung bewirken würde, muss man davon ausgehen, dass die Methode körperlich harmlos ist, aber eben auch keine Anti-Tumor-Wirkung besitzt. Leider besteht aber Gefahren für den Patienten - und zwar in Abhängigkeit von der (Un-)Fähigkeit des Anbieters Simonton'scher Trainingsseminare: Der Patient bezahlt für ein simples Entspannungsseminar, das man bei den meisten Tumor-Kliniken schon während der operativen Nachsorgeperiode kostenlos erhält. Auch ist es denkbar, dass sich manche Tumorpatienten aufgrund des Simonton'schen Trainings einreden, an der weiteren Ausbreitung des Tumors selbst schuld zu sein, weil sie nur nicht angemessen trainieren würden.

Die Simontons mögen ihr angebliches Training anfänglich sicherlich in guter Absicht entwickelt haben. Das ursprüngliche Training wäre wohl höchstwahrscheinlich mit den Jahren einfach in der Versenkung verschwunden, wenn man es nicht unseriös als Wundertherapie gegen Krebs propagiert hätte.

Quellennachweise

  • Alberti W, Niederle N, Stuschke M, Konietzko N: Behandlungsergebnisse nach Strahlentherapie mit unkonventioneller Fraktionierung beim inoperablen, nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom. Prax Klin Pneumol, 39, 832, 1985
  • Durrant KR, Berry RJ, Ellis F, Black JM, Ridehalgh FR, Hamilton WS: Comparison of treatment policies in inoperable bronchial carcinoma. Lancet, I, 715-719, 1971
  • Friedlander ER: Mengal imagery. in: Barrett S, Cassileth BR: Dubious cancer treatment. American Cancer Society, Florida Division, Tampa/Florida, S. 73-78, 1991
  • Gross R, Schmidt CG(Hrsg.): Klinische Onkologie. G. Thieme Verlag, Stuttgart, 1981
  • Gutsfeld P, Huwer H, Hülsewede R, Isringhaus H: Langzeitprognose nach Resektion bronchioalveolärer Karzinome. Prax Klin Pneumol, 41, 780, 1987
  • Mende S, Bleichner F, Hofmann A, Meuret G, Vogel KH: Therapieergebnisse beim kleinzelligen Bronchialkarzinom an einem nicht selektionierten Patientenkollektiv. Onkologie, 5, 146-149, 1982
  • Palmer RL, Kroening PM: Comparison of low dose radiation therapy alone or combined with procarbazine (NSC-77213) for unresectable epidermoid carcinoma of the lung stage T3, N1, N2 or M1. Cancer, 42, 424-428, 1978
  • Simonton OC, Matthews-Simonton S: Cancer and stress: counselling the cancer patient. Med J Aust, 1, 679 und 682-683, 1981
  • Würschmidt F, Bünemann H, Bünemann C, Beck-Bornholdt HP, Heilmann HP: Inoperable non-small cell lung cancer: a retrospective analysis of 427 patients treated with high-dose radiotherapy. Int J Radiation Oncology Biol Phys, 28, 583-588, 1994
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