Heilpraktiker
Heilpraktiker (HP) ist in Deutschland eine Bezeichnung für Personen, die ohne medizinische Ausbildung kranke Menschen behandeln dürfen. Zur Ausübung genügen ein Hauptschulabschluss, ein Mindestalter von 25 Jahren, ein ärztliches Attest, ein polizeiliches Führungszeugnis und ein Test beim Gesundheitsamt, mit dem überprüft werden soll, ob der angehende HP eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellt. Dazu muss der Prüfling in einem schriftlichen Multiple-Choice-Test (mit 60 Fragen, von denen 45 richtig beantwortet sein müssen) und einer mündlichen Prüfung zeigen, dass er in der Lage ist, allgemeingefährdende Infektionskrankheiten und akute Krankheitszustände zu erkennen, um entsprechende Patienten umgehend an ausgebildete Ärzte weiterzuleiten. Weiterhin werden Grundlagen der Hygiene und der Differentialdiagnose abgefragt.
Eine Stichprobe im Rhein-Main-Gebiet ergab, dass ca. 53 % der Anwärter auf den Heilpraktikerschein die (beliebig oft wiederholbaren) Tests nicht bestehen.[1] Eine Prüfung, wie und nach welchem Konzept ein zukünftiger HP seine Kunden zu heilen plant, gibt es nicht. In Deutschland fehlt eine gesetzliche Definition des Berufs Heilpraktiker. Es gibt dazu weder eine Rechtsverordnung noch ein Standesrecht. Eine Berufsordnung existiert zwar, ist aber nicht rechtlich bindend. Auch eine Ausbildungsordnung fehlt. Heilpraktiker-Anwärter müssen weder einen Eignungsnachweis erbringen noch ein Praktikum im Gesundheitsbereich absolvieren. Das bedeutet, dass Heilpraktiker vor dem Test des Gesundheitsamts nie mit Patienten in Kontakt gekommen sein müssen.
Barbara Steffens, Gesundheitsministerin in Nordrhein-Westpfalen, beschreibt die Situation wie folgt:
- ..Das Gesetz (Bundesrecht) [gemeint ist das Heilpraktikergesetz] enthält keine Vorgaben, welches Grundwissen und welche Grundkompetenzen eine Heilpraktikerin oder ein Heilpraktiker haben muss. Es beschränkt sich im Wesentlichen auf die sogenannte Gefahrenabwehr. Obwohl die Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker ähnlich weitreichende Kompetenzen wie Ärztinnen und Ärzte haben, gibt. es - im Gegensatz zu den Pflege- und Gesundheitsfachberufen - für die Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker kein Berufsgesetz bzw. keine Ausbildungs- und Prüfungsordnung, durch die Ausbildungsinhalte- und -ziele, Ausbildungsdauer sowie Zugangsvoraussetzungen geregelt werden. Wie sich zukünftige Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker auf die Kenntnisüberprüfung vorbereiten, ist nicht durch den Gesetzgeber vorgegeben. Eine staatliche Anerkennung von Heilpraktiker-Schulen existiert nicht..[2]
Theoretisch dürfen Heilpraktiker sogar chirurgische Eingriffe vornehmen; weil sie keine rezeptpflichtigen Betäubungs- und Narkosemittel einsetzen dürfen, scheitet dies in der Praxis dennoch an juristischen Hürden. Heilpraktiker gehören nicht zu den sogenannten Katalogberufen nach § 203 StGB (Verletzung von Privatgeheimnissen) und sind daher nicht an die Verschwiegenheitspflicht (so genannte Schweigepflicht) gebunden.
Tätigkeiten, die keiner Heilpraktikererlaubnis unterliegen, sind beispielsweise die sogenannten Wohlfühlmassagen am gesunden Menschen.
Statistisches
In Deutschland waren 2014 laut Statistischem Bundesamt 43.000 Heilpraktiker tätig. Diese Anzahl vervierfachte sich von 1990 bis 2015. Laut Branchenverbänden haben Heilpraktiker im Jahr 2009 in Deutschland mehr als 15 Millionen Behandlungen und Konsultationen ausgeführt.[3]
Geschichte
Die historischen Wurzeln des Heilpraktikerberufs in Deutschland liegen in der Erfahrungs- und Laienheilkunde. Bis zum Jahr 1939 durfte im Deutschen Reich jeder, der sich zum Heilen berufen fühlte, seine Dienste anbieten. Eine qualifizierte medizinische Ausbildung war nicht notwendig.
In den folgenden Jahren gab es Bestrebungen, medizinische Tätigkeiten nur noch staatlich ausgebildeten Ärzten zu erlauben. Bereits praktizierende Heilpraktiker durften ihre Tätigkeit jedoch weiterhin ausüben. Als gesetzliche Grundlage trat das Heilpraktikergesetz in Kraft. Dadurch wurden im Gebiet des Deutschen Reichs tausende medizinische Therapeuten ohne ärztliche Ausbildung auf einen Schlag legalisiert. Neue Heiler sollten aber nur noch in Ausnahmefällen zulassen werden, um diesen Beruf allmählich aussterben zu lassen. Diese Übergangsregelung wurde in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1957 jedoch dahingehend ausgelegt, dass jeder als Heilpraktiker zugelassen werden musste, der die Voraussetzungen dafür erfüllte, da ein Zulassungsverbot für Heilpraktiker als verfassungswidrig angesehen wurde und noch immer wird. Auch in der DDR durften bereits tätige Heilpraktiker weiterhin praktizieren; neue Heilpraktiker wurden aber nicht mehr zugelassen, so dass dort im Jahr 1989 nur noch genau elf Heilpraktiker aktiv waren - allesamt solche, die schon vor der Staatsgründung der DDR als Heilpraktiker gearbeitet hatten.[4]
Psiram-Kommentar zum Thema Heilpraktiker
Die meisten Heilpraktiker glauben an das, was sie tun, und sind nicht in der Lage, die tatsächlichen Ursachen scheinbarer "Behandlungserfolge" zu erkennen.
Der Zulauf der HP hat im Wesentlichen drei Gründe:
Die Veränderung des Krankheitsbegriffes
In modernen Gesellschaften mit hohem Lebensstandard ist der Gesundheitszustand der meisten Menschen weitaus besser als vor Jahrzehnten oder Jahrhunderten. Was unsere Vorfahren, geplagt von üblen Infektionskrankheiten, Seuchen und hoher Kindersterblichkeit, noch als unbedeutendes Unwohlsein eingestuft hätten, wird heutzutage als hinreichender Grund angesehen, einen Arzt zu konsultieren. Entsprechend ist der Anteil wirklich ernster Erkrankungen an der Gesamtzahl der behandelten Fälle stark zurückgegangen. Man geht davon aus, dass ca. 80 % der Arzt- und HP-Besuche aufgrund von Erkrankungen erfolgen, bei denen es dank der Selbstheilungskraft des Körpers auch ohne Behandlung zu einer Heilung kommen würde.
Bei Erkrankungen, die ohnehin heilen, ist es unerheblich, für welche Therapie sich der Patient entscheidet. Das schafft günstige Bedingungen für Anbieter pseudomedizinischer Methoden ohne Wirksamkeitsnachweis:
- HP "behandeln" bevorzugt Erkrankungen, die in Schüben verlaufen und/oder in den meisten Fällen ohnehin remissieren, wie z.B. Neurodermitis: Der Leidensdruck ist hoch, d.h. der Kranke sucht Hilfe; die gesundheitliche Störung ist aber nicht lebensbedrohlich, so dass der Heilpraktiker kaum Schaden anrichten kann. Die Krankheit verläuft in Schüben und "wächst in der Regel aus", kommt für den Patienten also zu einem guten Ende. Das bietet dem HP viele Gelegenheiten, dem Patienten zu suggerieren, die Koinzidenz von Behandlungsschritten mit Veränderungen des Krankheitsbildes sei mit kausalen Zusammenhängen zu erklären.
- In Ländern, wo epidemische, ernsthafte Krankheiten verbreitet sind, konnten HP bislang kaum Fuß fassen. Wenn es ausschließlich auf die tatsächliche Wirksamkeit von Therapien ankommt, ist die Überlegenheit moderner Medizin für jeden evident. Unter diesen Bedingungen genügt es nicht, nur so zu tun, als ob man Patienten wirksam behandeln könne, denn von einem kleinen Einkommen einen Teil für unwirksame Therapien aufzuwenden, wäre fahrlässig und u.U. sogar lebensgefährlich. Die Nachfrage nach Heilpraktikern in manchen Ländern mit besserer Gesundheitsversorgung kann daher auch als Ausdruck einer (keineswegs zwangsläufigen) Wohlstandsverwahrlosung des Denkens angesehen werden.
Das Abrechnungswesen des Gesundheitssystems
Ärzte sind häufig kurz angebunden, weil sie für Beratungsgespräche mit einer lächerlich zu nennenden Honorierung abgespeist werden. HP hingegen müssen sich nicht nach Gebührenordnungen richten; sie können sich viel Zeit lassen, die sie zu ihrem Stundensatz abrechnen. Der Zulauf zu den HP ist auch damit zu erklären, dass Patienten sich dort endlich aussprechen können und sich mit ihren Ängsten ernst genommen fühlen.
Unzureichende Regulierung
Die HP-Regelung, ebenso die Ausnahmeregelung bezüglich des Wirksamkeitsnachweises für "Arzneimittel" der besonderen Therapierichtungen sind Anachronismen und einer angeblich aufgeklärten Gesellschaft unangemessen.
Die HP-Prüfung mutet noch immer wie ein schlechter Scherz an: Man muss kaum Kenntnisse erwerben; geprüft wird lediglich, ob der HP eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellt. Der angehende HP muss zeigen, dass er bestimmte Infektionskrankheiten und akut gefährliche Situationen erkennen kann. Das ist ungefähr so, als bekäme man einen Pilotenschein, wenn man weiß, wo man nicht hinfliegen darf und wie man einen Notruf absetzt, doch ohne eine Prüfung der Fähigkeit, selbst ein Flugzeug zu fliegen.
Überschätzungen eigener Fähigkeiten und die tödlichen Folgen
HP müssen schwer kranke Patienten zum Arzt schicken. Einem Heilpraktiker, der diese Grenzen nicht erkennt bzw. nicht danach handelt, kann die Berufserlaubnis entzogen werden. Ein Heilpraktiker darf also das Unterlassen der Inanspruchnahme notwendiger ärztlicher Hilfe nicht veranlassen oder Patienten in der Nichtinanspruchnahme bestärken (VGH Baden-Württemberg, 02.10.2008 Aktenzeichen 9 S 1782/08 -). Er hat auch die Aufforderung zur Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe zu dokumentieren. Das Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg kam angelegentlich einer schwerwiegenden Fehldiagnose im Jahr 2008 zu dieser Entscheidung.[5] Patienten dürfen nicht im Glauben gelassen werden, der Besuch beim HP ersetze eine ärztliche Behandlung, so der Richter. Ein HP hatte geklagt, nachdem er seine Zulassung verloren hatte. Er hatte einer seiner Patientinnen mit einer bioelektrischen Bioresonanzmethode untersucht. Mit dieser Art der Elektro-Akupunktur hatte er einen Krebstumor in ihrer Brust als vermeintlich gutartige Wucherung erklärt. An dieser Diagnose hielt er bis zuletzt fest, auch als das Geschwür auf eine Größe von 24 Zentimeter Durchmesser angewachsen und aufgebrochen war und die Patientin bereits stark an Gewicht verloren hatte. Ein Arzt diagnostizierte dagegen einen bösartigen Tumor mit Tochtergeschwülsten, an dessen Folgen die Frau starb. Dem Mann sei die HP-Erlaubnis zu Recht entzogen worden, urteilte das Gericht. Sein Verhalten rechtfertige den Schluss, dass ihm die für die Berufsausübung erforderliche Zuverlässigkeit fehle und die Volksgesundheit gefährdet sei, wenn er die Heilkunde ausübe.[6]
2018 wurde der Heilpraktiker Wolfgang Schmucker aus Langquaid (Landkreis Kelheim / Franken) vom Amtsgericht Kelheim wegen fahrlässiger Tötung zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Ihm wurde für fünf Jahre die Heilpraktikertätigkeit untersagt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Schmucker war von einer österreichischen Patientin aus Kärnten mit Brustkrebs konsultiert worden, die nach einer ärztlichen Diagnose 2008 einen zweiten Rat einholen wollte. Schmucker wirbt in der Werbung für seine Praxis mit dem Behandlungsschwerpunkt "Tumorerkrankungen"[7], was gegen das Heilmittelwerbegesetz verstösst. Schmucker bezweifelte die Diagnose und setzte ein Pendel ein um die Patientin zu überzeugen, dass sie nicht Krebs sondern eine harmlose Milchdrüsenentzündung habe. Er behandelte sie mehrere Jahre lang kostspielig, während der Tumor sich aber ausdehnte und sich Metastasen im ganzen Körper einstellten. Im April 2013 starb die falsch behandelte Krebspatientin. Ein Gutachter erklärte in der Verhandlung dass die Patientin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit geheilt worden wäre, wenn sie sich hätte behandeln lassen. (Ca. 80% alle Frauen mit Brustkrebs überleben heute dauerhaft) Schmucker war 2017, während des laufenden Verfahrens wegen fahrlässiger Tötung, von einem Journalistenpaar des Stern besucht worden. Die Journalistin stellte sich als Krebspatientin vor. [8]
Zur Abwehr lebensbedrohlicher Folgen ist in Deutschland Heilpraktikern seit 2006 verboten, invasive Formen der Neuraltherapie zu praktizieren. Sie dürfen lediglich "quaddeln", also das Betäubungsmittel unter die Haut spritzen. Ebenso dürfen sie keine chiropraktischen Behandlungen der Halswirbelsäule durchführen.
Überprüfung von Heilpraktikern
Auf eine Beschwerde gegen einen Heilpraktiker, der die Germanische Neue Medizin nach Ryke Geerd Hamer praktiziert und deshalb eine Gefahr für seine Patienten darstellt, antwortete der Leiter eines Gesundheitsamtes wie folgt:
„Nach § 13 des Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst achten die Gesundheitsämter darauf, dass niemand unerlaubt die Heilkunde ausübt. Wie Sie selbst schreiben ist Herr ...... Heilpraktiker und besitzt somit die Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung. Eine INHALTLICHE Überprüfung - auf die Ihr Artikel abzielt und die ich persönlich für mehr als wünschenswert halten würde - der Tätigkeit ist uns mangels Rechtsgrundlage verwehrt. Die einzigen mir bekannten Schranken stellen das Haftungsrecht (das Betroffene bei einer Schädigung selbst geltend machen müssten) oder das Strafrecht dar. Auch für den Heilpraktiker dürfte in Analogie die in knapp einem Jahrhundert für Ärzte entwickelte Rechtsprechung gelten, dass eine Heilbehandlung nur dann straffrei bleibt, wenn über sie aufgeklärt wurde, der Patient einwilligt UND die Behandlung nach den Regeln der ärztlichen bzw. dann Heilpraktiker-Kunst erfolgt. Was die Regeln der Heilpraktiker-Kunst darstellen und wer sie definiert müsste letztendlich im Einzelfall der Richter entscheiden. Da dies sehr problematisch ist und oft kein ‚öffentliches Interesse’ gesehen wird, sind die für Verfolgung von Straftaten zuständigen Staatsanwaltschaften meines Wissens eher zögerlich mit der Verfolgung, selbst wenn (was selten genug der Fall sein dürfte) eine Anzeige wegen Körperverletzung erfolgt. Persönlich würde ich die Möglichkeit der inhaltlichen Überprüfung der Tätigkeit von Heilpraktikern durch den Staat zwar begrüßen, eine rechtliche Grundlage ist mir jedoch nicht bekannt. ...... Wenn man der Meinung ist, dass der Staat therapeutische Beziehungen überwachen und in sie eingreifen können sollte, hilft nur eine Gesetzesänderung durch Überzeugung der Politik.“
Nach der gegenwärtigen Rechtslage muss also erst ein Schaden eintreten – ein Schaden an Leib oder Leben des Patienten – und der Geschädigte oder ein Hinterbliebener Strafanzeige erstatten oder zivilrechtlich klagen, bevor die Methoden eines Heilpraktikers überprüft werden können. Hier wären Veränderungen wünschenswert.
Eine Überprüfung von Heilpraktikern im Rhein-Main-Gebiet im Zeitraum 2004-2007 zeigte erhebliche Mängel im Bereich der Hygiene[9]:
- 79 % der Heilpraktikerpraxen hatten bei Hygienekontrollen keinen Hygieneplan.
- 49 % hielten keinen Reinigungs- oder Desinfektionsplan vor.
- 60 % der Praxen besaßen keine Desinfektionsspender.
Im Rahmen der infektionshygienischen Überwachung von Heilpraktikerpraxen in Frankfurt am Main wurden teilweise Geräte für die Colon-Hydro-Therapie vorgefunden, die ohne erkennbare Absicherung zum Trinkwassernetz angeschlossen waren.[10] Geräte für die Colon-Hydro-Therapie müssen als Geräte der Klasse 5 nach EN 1717 über einen freien Auslauf angeschlossen sein. Bei dieser alternativmedizinischen Therapie wird dem in Rückenlage liegenden Patienten angewärmtes Wasser über einen Kunststoffschlauch in den Darm eingeleitet. Während der Colon-Hydro-Therapie massiert der Therapeut den Bauch des Patienten, um das einfließende Wasser im Darm zu verteilen. Über einen zweiten Schlauch wird das Wasser mit dem Darminhalt abgeleitet.
Heilpraktiker und die Behandlung HIV-positiver Patienten
Gelegentlich kann beobachtet werden, dass Heilpraktiker sich zutrauen, HIV-positive Patienten und sogar die als Folge dieser Infektion auftretenden Zustände und assoziierten Erkrankungen zu behandeln – bis hin zur zielgerichteten Therapie von AIDS. In Elmshorn (Schleswig-Holstein) planten beispielsweise Ende der achtziger Jahre der Heilpraktiker und "Koordinator" eines Arbeitskreise für Systemische Aidstherapie Dr. jur. Willy Blumenschein sowie eine Abschreibungs-Investmentfirma (Wert Invest) eine "Spezialklinik für Aids-Kranke" zu eröffnen, in der eine geheime "Naturheilmittel"-Wundertherapie (Carziviren, siehe: Tumosteron) angewandt werden sollte. Zur rechtlichen Absicherung wollte man mit Ärzten zusammenarbeiten. Die Stadt Elmshorn lehnte jedoch das Projekt ab.[11]
Heilpraktikern ist es jedoch ausdrücklich nicht erlaubt, die HIV-Infektion selbst zu behandeln oder ein Versprechen abzugeben, HIV-Infektionen bzw. AIDS heilen oder therapeutisch angehen zu können. Die Regelungen finden sich im Infektionsschutzgesetz (IfSG, Paragraphen 7 und 24 IfSG). Auf Grund dieses Verbots verweigern auch Krankenkassen die Erstattung von HIV-Behandlungen durch Heilpraktiker. Verbotene Behandlungen sind gegebenenfalls geeignet, den gesamten Behandlungsvertrag mit dem Heilpraktiker als verbotenes Rechtsgeschäft gem § 134 BGB unwirksam zu machen.
Das gleiche gilt auch für weitere Krankheiten, insbesondere meldepflichtige Infektionskrankheiten und sexuell übertragbare Erkrankungen.
Die Therapie der HIV-Infektion ist alleine Ärzten vorbehalten (sogenanntes Ärzte-Privileg). Heilpraktiker dürfen aber andere Erkrankungen behandeln, die unabhängig von einer Krankheit bestehen, die dem Behandlungsverbot für Heilpraktiker unterliegt. Hierbei muss jedoch eine besondere Sorgfaltspflicht eingehalten werden.[12] Insofern ist es auch zu erklären, dass Heilpraktiker gelegentlich behaupten, HIV-positive Patienten zu behandeln. Sie berufen sich dabei auf die Ansicht, sie könnten Zustände und Krankheiten behandeln, die ursächlich mit der HIV-Infektion auftreten oder mit ihr assoziiert sind.
Einige Heilpraktiker scheinen die gesetzlichen Regelungen dahingehend zu interpretieren, dass eine begleitende Behandlung einer ärztlich angeordneten Behandlung unter der Vorgabe, diese nicht beeinflussen zu wollen, gesetzeskonform wäre. Dabei gehen sie offenbar nicht selten davon aus, selbst eine tatsächlich wirksame Therapie anzuwenden, sogar bis hin zur Ansicht, der eigentliche Therapeut der HIV-Infektion und assoziierter Zustände zu sein. Diese Beobachtung erklärt Empfehlungen in Heilpraktikerkreisen, bei Patienten mit HIV-Infektionen stets zu dokumentieren, dass keine Absicht bestehe, diese selbst zu behandeln. Zitat aus einem Heilpraktikerforum: "Ich würde es also so handhaben bei Krankheit mit Behandlungsverbot dokumentieren, dass ich nicht selbige behandel sondern etwas anderes - so bin ich stets auf der sicheren Seite."
Das Oberlandesgericht Köln hatte entschieden, dass Heilpraktiker-Behandlungen von HIV-positiven Patienten nur unter der Voraussetzung zulässig sind, dass eine kompetente Aufklärung des Patienten durch einen Arzt sichergestellt ist. Der Arzt muss den Patienten kontinuierlich beraten und über den Stand der Infektion beim Patienten informiert werden. Nach diesem Urteil des OLG Köln reiche es nicht aus, dass der Patient lediglich von einem Facharzt für Laboratoriumsmedizin beraten wird, zu dessen Aufgaben die Beratung von Patienten in der Regel nicht gehört.[13]
Heilpraktiker und Behandlungen von Krebskranken
Wenn ein Heilpraktiker öffentlich Werbung für Behandlungen von Krebserkrankungen betreibt, liegt ein Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz vor.
Zitate
- ..„Wir wollen ja nicht wissenschaftlich arbeiten, das ist Empirie, also Erfahrungsheilkunde. Das haben wir von unseren Vätern, Urvätern, und wenn Sie wollen von den Indianern. Also das sind uralte Heilmethoden, die wir anwenden, und wir nehmen nicht für uns in Anspruch, dass wir sagen: wir arbeiten wissenschaftlich. Das wollen wir gar nicht.“ (Zitat von Klaus Wischmann, Vorsitzender des Bremer Heilpraktikerverbandes)
Siehe auch
- Humanenergetiker (Österreich)
- Naturheilpraktiker (Schweiz)
Literatur und Zeitungsartikel
- Anousch Mueller: "Alternativmedizin - Weißbrot gegen Krebs", Süddeutsche Zeitung, 15.2.2015
- Heilpraktiker: Ich geh kaputt... ÖKO-TEST-Magazin 2/2005
- U. Heudorf et al.: Heilpraktiker und öffentliches Gesundheitswesen. Gesetzliche Grundlagen sowie Erfahrungen aus den Überprüfungen der Heilpraktikeranwärter und der infektionshygienischen Überwachung von Heilpraktikerpraxen im Rhein-Main-Gebiet 2004–2007. Bundesgesundheitsblatt 2010: 53: 245-57
- Anousch Mueller: (Un)Heilpraktiker, Riemann Verlag, 2016
Weblinks
- https://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/ausbildung/article/960181/aktuelle-debatte-heilpraktiker-patientensicherheit.html
- http://www.rbb-online.de/_/kontraste/beitrag_jsp/key=rbb_beitrag_6265727.html
- http://www.gesetze-im-internet.de/heilprg/BJNR002510939.html
- http://blog.ebook-insel.de/2009/02/11/der-heilpraktiker-was-steckt-wirklich-hinter-diesem-berufsbild/
- Heilpraktiker-Berufsordnung
- Stern-Online vom 24. März 2015: Das dubiose Geschäft der Wunderheiler
- Stern-Online vom 01.Mai 2017: So gefährlich sind Heilpraktiker in Deutschland
- Stern Online vom 20.April 2017: Zehn Tipps, woran Sie unseriöse Heilpraktiker erkennen
- Stern Online vom 21.April 2017: Wie unseriöse Heilpraktiker Menschenleben gefährden
Quellennachweise
- ↑ U. Heudorf et al.: Heilpraktiker und öffentliches Gesundheitswesen. Gesetzliche Grundlagen sowie Erfahrungen aus den überprüfungen der Heilpraktikeranwärter und der infektionshygienischen Überwachung von Heilpraktikerpraxen im Rhein-Main-Gebiet 2004–2007. Bundesgesundheitsblatt 2010: 53: 245-57
- ↑ Zitat aus dem Bericht für den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales zum Thema Sektorale Heilpraktikerüberprüfung Podologie, an die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen Carina Gädecke MdL vom 23.6.2015, http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV16-3040.pdf
- ↑ http://www.zeit.de/karriere/beruf/2013-01/beruf-heilpraktiker/seite-1
- ↑ http://www.toxcenter.de/artikel/Heilpraktiker-ein-schnoedes-Hitlererbe.php
- ↑ Beschluss des VGH Mannheim vom 2. Oktober 2008. Aktenzeichen 9 S 1782/08, NJW 2009, 458
- ↑ http://www.wiso.zdf.de/ZDFde/inhalt/15/0,1872,7391311,00.html
- ↑ Zitat aus der Werbung:
Naturheilpraxis Heilpraktiker Wolfgang Schmucker in Langquaid im Münchner Norden
Schwerpunkte der Naturheilpraxis:
Behandlung von Rückenbeschwerden
Stoffwechselkrankheiten
Zeckenkrankheiten
Tumorerkrankungen
Kinderwunsch
Schwermetallentgiftungen
Behandlung von toxischen Belastungen - ↑ https://www.stern.de/gesundheit/heilpraktiker-in-deutschland--so-gefaehrlich-sind-sie---der-grosse-stern-report-7434370.html
- ↑ U. Heudorf et al: Heilpraktiker und öffentliches Gesundheitswesen. Gesetzliche Grundlagen sowie Erfahrungen aus den Überprüfungen der Heilpraktikeranwärter und der infektionshygienischen Überwachung von Heilpraktikerpraxen im Rhein-Main-Gebiet 2004–2007. Bundesgesundheitsblatt 2010: 53: 245-57
- ↑ Umschau Gesundheitswesen 2004; 66: 770 – 774
- ↑ DER SPIEGEL Heft 12/1987 Volltext
- ↑ Quelle:Infektionskrankheiten und Infektionsschutzgesetz von Peter Georgi und Elvira Bierbach (2.Auflage S.254)
- ↑ Urteil OLG Köln, Aktenzeichen 5 U 30/03, 5 U 31/03